ULRICH W. SAHM

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Jerusalem, 28. Mai 2008 – Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak hat Ministerpräsident Ehud Olmert wegen dessen Verwicklung in eine Korruptionsaffäre aufgefordert, sein Amt zeitweilig oder ganz niederzulegen. Olmert könne nicht das Land führen und sich gleichzeitig auf seine „privaten Angelegenheiten“ konzentrieren, sagte Barak bei einer vielbeachteten Pressekonferenz in der Knesset. Olmert steht unter Verdacht, von einem amerikanischen Mäzen in Briefumschlägen größere Summen Bargeld, angeblich um die 150.000 Dollar, angenommen zu haben.
Angesichts der Herausforderungen, denen Israel sich stellen müsse, glaube Barak nicht, dass Olmert unter diesen Umständen die Regierung leiten könne. Als Herausforderungen nannte Barak die Hisbollah-Milizen im Libanon, die radikalislamische Hamas-Organisation, den Iran sowie die Friedenskontakte mit den Palästinensern und Syrien. Ohne ein Ultimatum zu setzen, forderte Barak die Kadima-Partei auf, „umgehend“ einen neuen Regierungschef aus ihren Reihen zu wählen. Andernfalls wolle Barak Neuwahlen herbeiführen.
Obgleich sich die Rufe nach Olmerts Rücktritt mehren, trauen nicht alle israelischen Journalisten der Ernsthaftigkeit des Chefs der Arbeitspartei. Einer fragte, wieso der Ruf nach Olmerts Abtritt jetzt ernster zu nehmen sei, als der gleiche Ruf Baraks nach dem Debakel des Libanonkriegs oder der Veröffentlichung eines Untersuchungsberichts zu dem vermeintlich von Olmert schlecht geführten Krieg gegen die Hisbollah im Sommer 2006. Barak, dessen Position in der eigenen Partei umstritten ist, antwortete, dass die Korruptionsvorwürfe „doch was ganz anderes“ seien.
Anlass von Baraks Forderung ist die Aussage des amerikanischen Geschäftsmanns Morris Talansky vor Richtern des Jerusalemer Friedensgerichts, hohe Geldbeträge an Olmert übergeben zu haben.
Olmerts Amt ließ derweil verlauten, dass manche Behauptungen von Talansky „Ammenmärchen“ seien. Ein Kreuzverhör soll es erst in zwei Monaten geben. Staatsanwälte sagten, dass die Aussagen Talanskys noch kein „kriminelles Verhalten“ Olmerts nachgewiesen hätten. Das Belastungsmaterial reiche noch nicht für eine Anklageschrift aus.
Der Ministerpräsident beteuert, das Geld sei nur für die Finanzierung seines Wahlkampfes ausgegeben worden; er habe nichts davon in die eigenen Taschen gesteckt. Doch Zeitungen berichten in aller Ausführlichkeit, dass Olmert das Bargeld für einen Urlaub in Italien, für 50 Euro teure Zigarren und für eine Umbuchung in die Erste Klasse bei einem Flug von New York ausgegeben habe. Nur im Fall einer Anklage wolle Olmert zurücktreten.
Gegen Olmert wurde seit 2006 schon in fünf Fällen wegen des Verdachts auf Korruption und Begünstigung ermittelt. So wurde ihm vorgeworfen, ein altes deutsches Templerhaus im Jerusalemer Viertel „German Colony“ zu einem besonders günstigen Preis erstanden zu haben.
In Israel gehört es seit jeher zur politischen Kultur, Politiker nicht mit demokratisch Mitteln aus dem Amt zu vertreiben, sondern mit Korruptionsverdacht und Ermittlungen wegen potentiell krimineller Aktivitäten. Wegen der in Israel strikt eingehaltenen Gewaltentrennung ist die Polizei gezwungen, Ermittlungen aufzunehmen, sowie Verdacht über ungesetzliche Handlungen geäußert wird. Doch weil in Israel die Unschuldsvermutung gilt, kann Olmert nicht gezwungen werden, sein Amt niederzulegen.
Von David Ben Gurion über Jitzhak Rabin, Benjamin Netanjahu, Ehud Barak und Ariel Scharon ermittelte die Polizei gegen jeden einzelnen Ministerpräsidenten. Doch bisher wurde keiner jemals überführt oder verurteilt. 1977 gestand der damalige Ministerpräsident Jitzhak Rabin, gegen die scharfen Devisengesetze Israels verstoßen zu haben. Seine Frau Lea unterhielt in Washington ein nicht gemeldetes Privatkonto mit 22.000 Dollar. Rabin reichte daraufhin seinen Rücktritt ein. Korruptionsverfahren gegen Barak und Netanjahu wurden eingestellt. Ariel Scharon wurde bis zu seiner Erkrankung nichts nachgewiesen. Aber sein Sohn Omri wurde zu einer siebenmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt, weil er für den Wahlkampf seines Vaters illegal Spenden in Höhe von einer Million Dollar beschafft habe. Der vorige Staatspräsident Mosche Katzav musste vorzeitig aus seinem Amt ausscheiden, weil ihm Vergewaltigung von untergebenen Mitarbeiterinnen vorgeworfen worden war. Nachgewiesen ist bis heute nichts. Der Vorwurf der Vergewaltigung wurde inzwischen sogar fallen gelassen. Ein Verfahren mit ungewissem Ausgang steht noch aus.
Baraks Drohung mit Neuwahlen könnte leicht eine Rechnung ohne den Wirt sein. Denn viele Abgeordnete, etwa der Greisenpartei, wissen heute schon, dass sich ihre Partei in Luft auflösen werde. Um Kadima wie um die Arbeitspartei steht es intern so schlecht, dass sie kaum mit Zugewinnen rechnen. Deshalb ist ungewiss, ob Barak tatsächlich eine Mehrheit für Neuwahlen finden kann.

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