EINE AUSSERGEWÖHNLICHE BUNDESTAGSDEBATTE und mehr…

  • 0

EINE AUSSERGEWÖHNLICHE BUNDESTAGSDEBATTE
und mehr

 


INHALTSANGABE
  1. TEIL 1 – EINE AUSSERGEWÖHNLICHE BUNDESTAGSDEBATTE
  2. TEIL 2 – Ein lesenswertes Interview
  3. TEIL 3 – Und wer regt sich hierüber auf
  4. TEIL 4 – Sollte jeder gesehen haben

TEIL 1 – EINE AUSSERGEWÖHNLICHE BUNDESTAGSDEBATTE  
 

  1. Eine außergewöhnliche Debatte, mit interessanten Hoch-, aber auch Tiefpunkten… 
      
    DEUTSCHER BUNDESTAG
    Plenarprotokoll – Vorab-Veröffentlichung – 163. Sitzung – Berlin, Donnerstag, den 29. Mai 2008
    60 Jahre Israel
    Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, für die Debatte eineinhalb Stunden vorzusehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
    Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Kollege Peter Struck für die SPD-Fraktion.
    (Beifall bei der SPD)


    1. Dr. Peter Struck (SPD):  
      Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor 60 Jahren hat sich die Sehnsucht von Millionen von Juden in aller Welt erfüllt – die Sehnsucht nach einer Heimstatt, die der jüdischen Leidensgeschichte von Ausgrenzung und Vertreibung, Flucht und Exil ein Ende setzen würde.  
      Diese Leidensgeschichte hat in den Jahren 1933 und folgende ihren schrecklichen Höhepunkt gefunden. Mit der systematischen Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden während der Nazizeit haben die Deutschen unendliche Schuld auf sich geladen – eine Schuld, die niemals vergeht. Für viele Millionen Juden in Europa kam die Gründung des Staates Israel zu spät. Für viele der Überlebenden aber war der neue Staat ein Signal der Hoffnung und des Aufbruchs, ein Ort der Zuflucht.  
      Die Erinnerungsberichte von Zeitzeugen bleiben auch heute noch bewegend. Sie führen vor Augen, mit welch hoffnungsvoller Erwartung Juden in aller Welt an den Radioempfängern mitgefiebert haben, als die Vereinten Nationen im November 1947 über den Teilungsplan entschieden haben – jenen Plan, der den Weg für die Gründung des Staates Israel frei gemacht hat. Wer die Memoiren der Staatsgründer liest, der kann verstehen, wie groß die Freude und die Erleichterung darüber waren, dass sich der Traum Theodor Herzls mit der Gründung des Staates Israel im Mai 1948 erfüllt hat. Man spürt bis heute den Stolz der israelischen Juden auf ihren Staat und die Entschlossenheit, ihn nach innen zu stärken und nach außen gegen seine Feinde zu verteidigen. Was in den Jahrzehnten nach der Staatsgründung geschaffen wurde, zeugt von diesem Stolz und dieser Entschlossenheit. Israel ist heute eine vitale Demokratie und ein blühendes Land voller Dynamik und Innovationskraft. 
      Meine Damen und Herren, Israel konnte auf seinem Weg immer auf die feste Unterstützung Deutschlands rechnen. Die Verbrechen der Nazis haben eine immerwährende Verantwortung der Deutschen für den jüdischen Staat begründet. Diese Verantwortung war und ist Teil deutscher Staatsräson.…  
      ….
      60 Jahre Israel sind zweifellos eine Erfolgsgeschichte – eine Erfolgsgeschichte allerdings, die mit einem schweren Makel behaftet bleibt. Auch 60 Jahre nach seiner Gründung kann sich Israel seiner Existenz nicht sicher sein. Beinahe täglich drohen die extremistischen Feinde, den jüdischen Staat zu vernichten. Wir dürfen das nicht widerspruchslos hinnehmen. Das Existenzrecht Israels steht für uns außerhalb jeder Diskussion. 
      (Beifall im ganzen Hause) 
      Dieses Recht darf von niemandem infrage gestellt werden, weder vom Iran noch von anderen radikalen Kräften in der Region. Wir werden dem entschieden entgegentreten. 
      (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 
      Es ist das legitime Recht Israels, sich gegen solche Bedrohungen zu wehren und zu verteidigen.… 

    2. Dr. Guido Westerwelle (FDP):  
      Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 60 Jahre Israel, das ist ein Grund zur Freude und zum Feiern, in Israel und besonders auch bei uns in Deutschland. Wir feiern dieses Jubiläum nicht nur hier im Deutschen Bundestag mit dieser Debatte, sondern auch in vielen Veranstaltungen in unserer Republik mit unseren israelischen Freunden, denen wir von Herzen zu ihrem Staatsjubiläum gratulieren. Ohne dem Herrn Bundestagspräsidenten vorgreifen zu wollen, erlaube ich mir, den Herrn Gesandten Mor stellvertretend von dieser Stelle aus herzlich zu begrüßen und Ihnen zu gratulieren. 
      (Beifall) 
       
         Meine Damen und Herren, wir alle spüren das: 60 Jahre Israel, das ist für uns Deutsche kein Jubiläum wie jedes andere. Aber es ist eine schöne Gelegenheit, einen Augenblick innezuhalten und sich klarzumachen, dass, wie es der Kollege Struck zu Recht formuliert hat, das deutsch-israelische Verhältnis, die guten freundschaftlichen Beziehungen Teil der Staatsräson dieser Republik sind. Bei allem, was wir an kontroversen Debatten in diesem Hohen Hause führen und was die Bürgerinnen und Bürger an den Fernsehschirmen in den Abendnachrichten und am nächsten Tag in den Zeitungen beschäftigt, ist es vielleicht ein gutes Zeichen, dass sie auch einmal erkennen, dass uns, wenn es um die großen Linien geht, in diesem Hohen Hause weit mehr verbindet, als uns trennt. 
      (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)…  
      ….
      Was Deutschland und Israel heute verbindet, ist aber nicht nur das Wunder der Aussöhnung, sondern die echte Partnerschaft zwischen zwei Demokratien, die uns von Tag zu Tag trägt. Wir schätzen Israel als Partner, der die gleichen Traditionen und Werte in sich trägt und der die einzige wirklich voll ausgeprägte Demokratie in der gesamten Region ist. Was unsere Freundschaft mit Israel ausmacht, ist eben nicht nur die Verantwortung, die uns unsere Geschichte mitgibt, sondern auch die Wertegemeinschaft unter Demokraten. 
      Vielen jungen Menschen, die heute zur Schule gehen, muss man nachdrücklich sagen: Es geht nicht nur um eure persönliche Verantwortung, der ihr euch aufgrund der Geschichte nicht entziehen könnt. Es geht auch um unser eigenes und um das europäische Interesse. Es ist nicht nur unsere moralische Verantwortung, die uns zu guten deutsch-israelischen Beziehungen veranlasst. Es ist auch unser eigenes Interesse, weil Israel die einzige Demokratie der gesamten Region ist. Es gibt eine Wertegemeinschaft unter Demokraten. 
      (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)….  
      ….
      Ich möchte mit einer kurzen persönlichen Betrachtung schließen. Wie viele von Ihnen – ich vermute, fast alle – habe auch ich bereits als junger Mensch – ich war damals Mitte zwanzig – Israel bereisen dürfen. Wir waren damals sehr beeindruckt von den vielen historischen Stätten der Altstadt Jerusalems und von anderen Orten in Israel sowie von der Freundlichkeit und Herzlichkeit der Menschen und natürlich von vielem anderen mehr.  
      Am besten erinnere ich mich persönlich an den Moment, als ich auf den Golan-Höhen stand und – im übertragenen Sinne – das ganze Land so überblicken konnte, dass ich das Gefühl hatte, alles wäre zum Greifen nahe. Denn Israel ist ja viel kleiner, als es uns abends in der Tagesschau auf den Landkarten erscheint. Ich spreche jetzt nicht über die völkerrechtliche Problematik der Golan-Höhen, was mich als Studenten vielleicht theoretisch, aber weniger praktisch beschäftigt hat. Ich spreche einfach nur von diesem Gefühl, das ich auf den Golan-Höhen empfand. Wenn man dort steht, dann versteht man auch die Verletzlichkeit dieses Staates. 
      (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)…  

    3. ….Volker Kauder (CDU/CSU):….  
      ….
      Wenn wir heute wie selbstverständlich sagen, dass Deutschland und Israel eine tiefe Freundschaft verbindet, so war dies beim Start gar nicht selbstverständlich. Der brutale Naziterror und die Schoah standen trennend zwischen uns. Da bedurfte es schon zweier mutiger und besonnener Männer wie Konrad Adenauer und David Ben-Gurion, um hier einen neuen Schritt zu machen, einen neuen Weg zu wagen. Für beide war es nicht einfach. Konrad Adenauer war es ein Herzensanliegen, die Versöhnung zu erreichen. Er wusste ganz genau, dass Voraussetzung dafür war, dass die Schuld für das bedingungslos anerkannt wurde, was den Juden in Europa im Dritten Reich im Namen der Deutschen zugestoßen ist. Voraussetzung dafür war auch, dass wir über die konkrete geschichtliche Zeit hinaus dauerhaft Verantwortung dafür übernommen haben, dass so etwas nie wieder passiert. Es war David Ben-Gurion, der die ausgestreckte Hand entgegengenommen hat und in seinem Land dafür werben musste, dass wir nur so eine gemeinsame Zukunft haben…  
      ….
      Uns verbindet mit Israel nicht nur die Geschichte. Wir vertreten auch dieselben Werte. Israel – dies ist bereits gesagt worden – ist die einzige Demokratie im Nahen Osten. Israel ist eine Demokratie, in der Pressefreiheit gewährleistet wird. Gerade im Nahen Osten ist von besonderer Bedeutung: Israel gewährleistet Religionsfreiheit. Deshalb: Wer sich zum Existenzrecht Israels bekennt, bekennt sich auch zur christlich-jüdischen Tradition, zu der Israel gehört, und zu den gemeinsamen Werten, die Demokratien verbinden. 
      (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)  
      Die Menschen in dieser Demokratie – das kann sich keiner von uns vorstellen – konnten in den vergangenen 60 Jahren keinen einzigen Tag wirklich in Frieden leben. Ständig wurden die Demokratie, der Frieden und die Freiheit bekämpft. Jeden Tag mit Gewalt, mit Selbstmordattentaten rechnen zu müssen – das ist Alltag in Israel. Deswegen ist völlig klar, dass es im Nahen Osten nur dann Frieden geben kann, wenn das Existenzrecht Israels anerkannt wird, das für uns zur Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland gehört. 
      (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 
      Nicht Israel gefährdet den Frieden im Nahen Osten, sondern die Staaten, die das Existenzrecht Israels nicht anerkennen; die allermeisten davon grenzen übrigens an Israel. Nicht Israel gefährdet den Frieden im Nahen Osten, sondern ein Land wie der Iran, der atomar aufrüstet, dessen Staatschef den unglaublichen Satz sagte, dass Israel von der Landkarte getilgt werden müsse. Mit solchen Reden, mit solchen Vorstellungen wird es im Nahen Osten auf gar keinen Fall Frieden geben. Auch diejenigen gefährden den Frieden, die glauben, ihre Vorstellungen mit Selbstmordattentaten in die Tat umsetzen zu können. Wir wissen aus leidvollen Erfahrungen, die wir in der Geschichte und der Gegenwart gesammelt haben, dass mit Gewalt kein Frieden erreicht werden kann, sondern nur im politischen Dialog. Wir wissen, dass jeder auf Maximalforderungen verzichten und man aufeinander zugehen muss. Diesen Weg des Dialogs werden Deutschland und Europa mit ganzer Kraft begleiten.  
      (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN) 
      Neben dem Existenzrecht Israels sehen wir aber auch die Wünsche der Palästinenser. Israel hat sich darüber gefreut, endlich in einem eigenen Staat die Zukunft gestalten zu können. So wie wir diesen Wunsch anerkannt haben, erkennen wir natürlich auch den Wunsch der Palästinenser an, in einem eigenen Staat die Zukunft zu gestalten. Den Menschen in Palästina muss man aber sagen: Lassen Sie sich nicht von Terroristen, von Radikalen, von Extremisten vertreten, sondern setzen Sie darauf, dass man im Gespräch zueinanderkommt. Niemand hat es treffender und pointierter formuliert als der Historiker Arno Lustiger: 
      Wenn die Araber die Waffen endlich niederlegen, wird es keinen Krieg mehr geben. Aber wenn Israel die Waffen niederlegt, wird es kein Israel mehr geben. 
      Das ist die Situation im Nahen Osten. 
      Der Nahostkonflikt darf nicht die Sicht auf das verstellen, was in Israel in 60 Jahren geleistet wurde: Israel hat die Wüste zum Blühen gebracht; Israel ist ein Land mit moderner Technologie; Israel ist ein Land von Wissenschaft und Forschung; Israel ist ein Land mit einer hohen Kultur – ich nenne nur Kunst, Literatur und Musik…. 
      ….
      Wir werden immer an der Seite Israels stehen. Israel kann sich auf unsere tiefe Freundschaft verlassen. Wir wollen, dass diese Demokratie im Nahen Osten ansteckend wirkt. Wir wollen auch, dass die Menschen im Nahen Osten mit der Perspektive auf Frieden leben können – die Menschen in Israel und die Palästinenser. Den Beitrag, den wir leisten können, werden wir leisten. Es ist noch ein weiter Weg. Ich hoffe, Herr Mor, dass wir beim hundertjährigen Jubiläum feststellen können: Israel lebt in Frieden und Freiheit mit seinen Nachbarn. Das, was wir in Europa erreicht haben, wünschen wir Ihnen von Herzen. Herzlichen Glückwunsch zum 60-jährigen Jubiläum! 
      (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)…. 
       

    4. ….Petra Pau (DIE LINKE):…. 
       …Wer das Existenzrecht Israels infrage stellt, rüttelt am Lebensrecht von Jüdinnen und Juden. Das ist letztlich die logische Konsequenz gerade aus der deutschen Geschichte. Deshalb sollte es im Deutschen Bundestag fraktionsübergreifend keinen Zweifel geben: 60 Jahre Israel, das ist auch für uns ein wichtiges Jubiläum. Schalom! 
      (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 
      Schalom bedeutet unter anderem Sicherheit und Frieden. Der Gruß Schalom hat übrigens eine Entsprechung im Arabischen: Salam. Aber Schalom und Salam kommen nicht zusammen. Auch das gehört zur Geschichte von 60 Jahren Israel….
      ….
      Hinzu kommt: Es ist keine Lösung in Sicht. Ich denke, auch deshalb sollte keiner von uns beanspruchen, wir hätten die Lösung in der Tasche. Das wäre vermessen, und das wäre unangemessen gegenüber Jüdinnen und Juden, aber auch gegenüber Palästinenserinnen und Palästinensern, zumal die Gegenüberstellung ?Hier die Juden, da die Palästinenser? im wahren Leben so auch nicht stimmt.  
      ….
      So wünsche ich mir zum Beispiel von den deutschen Medien, dass sie die Initiativen, die Schalom und Salam wirklich zusammenführen wollen, viel mehr unterstützen; auch das gehört für mich zur historischen Verantwortung Deutschlands. Es gibt solche Initiativen in Israel, in Palästina und auch hierzulande….. 
      ….
      Gleichwohl sind 60 Jahre Israel auch 60 Jahre Nahostkonflikt. Er harrt einer Lösung, für die unmittelbar Betroffenen in Israel und Palästina, aber auch darüber hinaus. Denn der Nahostkonflikt birgt Sprengstoff für die Welt insgesamt. Hier stellt sich natürlich die grundsätzliche Frage: Welche Position der Vernunft kommt dabei Deutschland zu? Ich finde, es darf keinerlei Zweifel am Existenzrecht Israels geben. Es darf aber auch keinen Zweifel am Recht der Palästinenser geben, in Würde zu leben. Wir haben eine Doppelverantwortung: Wir stehen gegenüber Jüdinnen und Juden in tiefer Schuld. Genau deshalb darf es aber nicht so sein, dass die Palästinenser unter der historischen Schuld Deutschlands leiden. 
      (Beifall bei der LINKEN) 
      ….
      Wer 60 Jahre Israel begrüßt – ich tue das ausdrücklich -, muss zugleich das Schicksal der Palästinenser im Blick haben. Denn so unklar die Zukunft im Nahen Osten ist, so klar ist: Frieden wird es nur miteinander und nie gegeneinander geben. Letztlich trägt eine Lösung für alle nur dann, wenn sie vor dem Völkerrecht Bestand hat. 
      Die tiefste rechtliche Konsequenz aus der mörderischen Praxis des NS-Regimes wurde in Art. 1 des Grundgesetzes verankert: Die Würde des Menschen, aller Menschen, ist unantastbar. Das heißt für mich aber auch: Sogenannte nationale Befreiungsbewegungen, die Attentate verüben und dabei Unschuldige morden, sind keine Menschenrechtsbewegungen. 
      (Beifall im ganzen Hause) 
      Es wäre aber unredlich, Millionen Palästinenser – Frauen, Männer, Kinder und Greise – dafür kollektiv zu bestrafen. Die Geburt Israels vor 60 Jahren war ein historisches Ereignis. Aber sie war, wie der israelische Journalist Igal Avidan schreibt, ein ?Kaiserschnitt?, ein Kaiserschnitt, der heute noch blutet. So mischt sich Jubiläumsfreude mit anhaltender Sorge. 
      Ich bin vor Wochen gebeten worden, ein Grußwort ?60 Jahre Israel? zu schreiben. Dazu war ich gerne bereit, zumal ich erst kurz vorher in Israel war. Dort hatte ich in Jerusalem an einer internationalen Konferenz gegen Antisemitismus teilgenommen. Natürlich kam ich mit Eindrücken zurück, die so vielfältig und widersprüchlich wie Israel selbst sind.  
      Umso länger dachte ich dann über mein Grußwort nach. Ich entschied mich schließlich für eine Anleihe beim Friedenslied von Bertolt Brecht: 
      Friede in unserem Hause!
      Friede im Hause nebenan!
      Friede dem friedlichen Nachbarn,
      Daß jedes gedeihen kann.
       
      Einen Vers aus dem Friedenslied habe ich allerdings bewusst weggelassen: 
      Friede in unserem Lande!
      Friede in unserer Stadt!
      Daß sie den gut behause,
      Der sie gebauet hat!
       
      Ich habe ihn bewusst ausgelassen, weil ich die Siedlungspolitik in diesem Grußwort nicht gutheißen wollte; denn auch sie ist ein Grund dafür, dass, um im Bild zu bleiben, der Kaiserschnitt noch immer blutet. 
      (Beifall bei der LINKEN)….

    5. ….Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):  
      Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion und meine Partei haben den Israelis aus vollem Herzen und tiefer Überzeugung zum 60. Jahrestag ihrer Staatsgründung gratuliert. 
      Wir teilen die immer wieder auch hier geäußerte Auffassung und Überzeugung, dass das Existenzrecht Israels zur Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland gehört. Dies gilt für alle Parteien. Frau Pau, ich wünsche Ihnen ganz aufrichtig, dass die Position, die Sie hier mit Ihrer Rede vertreten haben, auch in Ihrer Partei eine eindeutige Mehrheit findet.  
      (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Davon können Sie ausgehen!) 
      Ich finde, wir müssen uns aber auch konkret mit den Konsequenzen der Aussage befassen, dass das Existenzrecht Israels politische Priorität in der Staatsräson Deutschlands hat. Denn es geht nicht nur um das Existenzrecht Israels, sondern auch um seine Existenz. Sechs Kriege und zwei Intifadas in diesen 60 Jahren zeugen von einer tragischen und blutigen Geschichte. 
      Welche Konsequenzen muss dies alles für uns und die praktische Politik haben? Erstens darf die Erinnerung an den Holocaust und die Bewältigung dieser deutschen Vergangenheit niemals aufgegeben werden. Das bleibt auch unsere Aufgabe für die Zukunft. Zweitens muss die Bekämpfung des Antisemitismus und der Ausländerfeindlichkeit in Deutschland für uns höchste Priorität haben. Ohne diese Überzeugung machen alle Bekenntnisse wenig Sinn. 
      (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP) 
      Drittens müssen wir die Intensivierung der Beziehungen zu Israel, die wohl niemals normal sein werden, fortsetzen. Ich glaube, dass auch bei den Fraktionen und der Regierung der Wille dazu vorhanden ist. 
      Wir müssen Israel auch konkret sowohl vor der propagandistischen Ächtung, wie sie von der derzeitigen Regierung im Iran ausgeht, als auch vor einer möglichen militärischen Bedrohung schützen.  
      (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)
      Die vergangenen Montag von der IAEA vorgelegten Berichte geben Anlass zur ernsten Sorge, was in Teheran geplant wird und geschieht. Wir sind der Überzeugung, dass man nur durch eine kluge Verbindung von Sanktionen und politischen Gesprächen die Situation im Sinne einer friedlichen Klärung lösen kann. Man muss konsequent klarmachen, dass eine atomare Bedrohung Israels für uns nicht akzeptabel ist.  
      (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)…. 
      ….
      Auch Israel – ich betrachte das nicht als einen Ratschlag von außen, Frau Bundeskanzlerin – muss die Friedenswilligen, Gewaltfreien und Gewaltablehnenden im Palästinenserlager mehr stärken, als dies seit Annapolis geschehen ist. Wer glaubt, den Präsidenten Abu Masen zu stärken, indem er nach der Annapolis-Konferenz neue Siedlungen in Jerusalem baut und von der Politik der zunehmenden Sicherheitskontrollen und Checkpoints nicht abrückt, der täuscht sich möglicherweise und stärkt eher die Gegner. Auch dies möchte ich als Grüner in dieser Debatte festhalten. 
      (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) 
      Dass der Verteidigungsminister Israels, Ehud Barak, nach Ihrem Besuch gesagt hat, es würden keine Checkpoints geräumt, ist kein ermutigendes Zeichen.
      Ich möchte noch einen dritten Punkt ansprechen. Wer Israel helfen will – dies gilt insbesondere für alle Europäer -, der muss alles tun, um die Zahl der Feinde Israels zu reduzieren. Deswegen begrüßen wir auch die türkischen Vermittlungsversuche, um zwischen Syrien und Israel zu einem Frieden zu kommen. Es war richtig, dass der Bundesaußenminister diese Politik einer möglichen Öffnung gegenüber Syrien oder wenigstens des Eruierens dieser Öffnung im vergangenen Jahr aktiv angegangen ist. 
      (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) 
      Wir haben auch Hoffnungen, dass es wenigstens zu indirekten Verhandlungen mit Hamas kommen kann, zum Beispiel durch die ägyptische Vermittlung, was einen konkreten Waffenstillstand zwischen den Menschen im Gazastreifen und Israel angeht; denn ein Waffenstillstand ist auch ein Baustein auf dem schwierigen Weg zu einem Frieden zweier Staaten nach der Konferenz von Annapolis. 
      Politik besteht darin – so schwierig das im Detail sein kann -, aus Feinden Gesprächspartner zu machen. Ich wünsche mir, dass die Europäische Union diesen Prozess des Friedens nach Annapolis mit allem, was ihr zur Verfügung steht, stärkt. Darin sehe jedenfalls ich die Aufgabe der deutschen Politik, wenn sie ihre Verantwortung aus unserer Geschichte wirklich ernst nimmt. 
      Vielen Dank. 
      (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)….

    6. ….Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen:….  
      ….Heute, 43 Jahre nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen, sind unsere Beziehungen zu Israel so vielfältig und inhaltsreich wie mit kaum einem anderen Land dieser Welt. Israel zählt Deutschland inzwischen zu seinen engsten Verbündeten und Freunden, eine Entwicklung, die uns ganz sicher mit Dankbarkeit erfüllen muss.  
      (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) 
      Dennoch – darauf haben viele hingewiesen – müssen wir wohl akzeptieren, wenn Amos Oz schreibt:  
      Keine Normalisierung. Normale Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind nicht möglich und nicht angemessen.…. 
      ….
      Was bedeutet das aber heute, 60 Jahre nach der Gründung Israels? Für mich ergeben sich daraus drei Kernaufgaben für deutsche Außenpolitik: Die erste Aufgabe – das haben alle gesagt – ist das Eintreten für die Existenz und für die Sicherheit des Staates Israel. Das muss eine Konstante deutscher Außenpolitik bleiben. Dazu gehört in der Tat auch, dem Gerede des iranischen Staatspräsidenten immer wieder entgegenzutreten. Seine Leugnung des Holocaust ist ebenso unerträglich wie das Infragestellen des Existenzrechts Israels. Dazu muss es klare Botschaften geben.  
      (Beifall im ganzen Hause) 
      Meine Damen und Herren, zum Beistand für Israel gehört nach meiner Überzeugung aber auch noch etwas anderes. Ich zitiere noch einmal Amos Oz:  
      Was Israel am allermeisten brauchen wird, ist eine emotionale Versicherung. Denn wir fühlen uns als Geächtete, verflucht und gehasst. Ein solcher Rückhalt würde keinen Pfennig kosten, nur Empathie. Dazu muss man nicht mit der israelischen Politik einverstanden sein. Aber ein europäisches Mitgefühl für die heute schwierige Lage Israels könnte den Moderaten und Tauben hier helfen. 
      Bei diesen Worten von Amos Oz dachte ich persönlich an die manchmal etwas wohlfeile Art, in der wir aus unserem europäischen Ohrensessel mit klugen Kommentaren über den Nahostfriedensprozess urteilen und unseren Frust über ausbleibende Fortschritte mit schlauen Ratschlägen an die Adresse Israels garnieren. Man muss in der Tat nicht mit jedem Vorschlag der israelischen Politik einverstanden sein, und dort, wo es Dissens gibt, muss man auch offen darüber sprechen. Aber meine Erfahrung ist eben auch, dass ein kritisches Wort umso leichter oder vielleicht auch nur dann akzeptiert wird, wenn es von einem Freund kommt, der wirklich Verständnis und Empathie für die Zwangslage – viele haben zu Recht von einer Bedrohungslage gesprochen – des anderen hat und zeigt.  
      (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) 
      Den zweiten Auftrag für die deutsche Außenpolitik sehe ich darin, dass wir unsere bilateralen Beziehungen noch dichter gestalten und zukunftsorientierter ausbauen. In den Regierungskonsultationen vor zweieinhalb Monaten haben wir ein neues Kapitel aufgeschlagen. Neue Felder der Zusammenarbeit sind verabredet worden und werden bearbeitet werden. Vor allen Dingen wird das deutsch-israelische Zukunftsforum in diesem Jahr in Gang kommen. Es wird einer jungen Generation Perspektiven bei der Zusammenarbeit in Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft bieten.  
      Die dritte wichtige Aufgabe, die aus der Besonderheit der Beziehungen zwischen Deutschland und Israel erwächst, ist unser Engagement für Frieden im Nahen Osten. Die Verantwortung für die Vergangenheit – das habe ich heute Morgen ebenfalls aus vielen Reden herausgehört – ist in der Tat eine Triebfeder für dieses Engagement Deutschlands im Nahen Osten und muss es auch bleiben. Wir wissen, dass die Umsetzung der Zweistaatenlösung allen Partnern schwierige Kompromisse abverlangen wird. Wir wissen auch – zumindest sollten wir es wissen -, dass wir die dazu erforderliche Entschlossenheit und Weitsicht von Europa aus nicht ersetzen können. Aber wir können bei der Arbeit an den Rahmenbedingungen helfen. Dies haben wir durch Wiederbelebung des Nahostquartettes, durch Werbung dafür, dass die arabischen Staaten einbezogen werden, sowie dadurch getan, dass wir im vergangenen Jahr eine EU-Aktionsstrategie für den Nahen Osten auf den Weg gebracht haben, die die von mir angesprochenen Rahmenbedingungen verbessert.  
      (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)….

    7. ….Dirk Niebel (FDP):  
      ….Wer sich die Entwicklung ansieht, die Israel in 60 Jahren durchlaufen hat, wird feststellen, dass Israel – bei allen politisch schwierigen Rahmenbedingungen – eine Erfolgsgeschichte ist: Beginnend bei der Urbarmachung des Landes – durch die Entwässerung der Sümpfe und die Bewässerung der Wüsten – schon vor der Staatsgründung, hat sich Israel über einen Agrarstaat mit umfangreicher, vielfältiger, qualitativ hochwertiger Produktion zu einem Hightechstandort entwickelt, der insbesondere im Bereich von Zukunftstechnologien wie der Biotechnologie führend ist, einem Bereich, in dem wir in Mitteleuropa teilweise nicht mehr die Lehrenden sind, sondern zu Lernenden geworden sind. Israel hat eine große Integrationskraft: Menschen, die aus mehr als 100 verschiedenen Staaten gekommen sind, sind – bei allem, was an Fehlern passiert ist und an Problemen bestanden hat – so integriert worden, dass sich eine Gesamtgesellschaft entwickelt hat. Das alles geschah in einem wirklich alles andere als freundlich gesinnten Umfeld und unter Wahrung der Möglichkeiten, die eine echte Demokratie hat. Das verdient unsere Anerkennung. 
      (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD))…. 
      ….Wenn ich sehe, wie wir uns im letzten Jahr an den sogenannten deutschen Herbst vor 30 Jahren erinnert haben, dann muss ich feststellen, dass eine Gesellschaft, die bereit ist, unter dem Druck der Terrorgefahr Bürger- und Freiheitsrechte aufzugeben, und zwar eine Gesellschaft, in der der Terror im Wesentlichen auf bestimmte Gruppen und führende Persönlichkeiten und nicht auf jeden Einzelnen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens zielte, von einer Gesellschaft, in der jeder Einzelne bei den Verrichtungen des täglichen Lebens bedroht ist, lernen kann, wie man trotz Gefahr und Angst demokratische Gepflogenheiten aufrechterhalten sowie Lebensqualität und Lebensfreude haben kann. Das kann man in Israel lernen. Man muss ganz deutlich sagen, dass diejenigen, die der ständigen Bedrohung ausgesetzt sind, ihre Werte und Überzeugungen trotz der Bedrohung nicht vergessen haben. Dafür leben sie in Zukunft hoffentlich in Frieden in einem jüdischen Staat mit sicheren Grenzen und frei von Angst vor Terror.  
      (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN) 
      Herr Präsident, obwohl ich die Redezeit schon überschritten habe, sei mir ein letzter Satz erlaubt. Unter Freunden kann man offen reden. Deswegen sage ich ausdrücklich: Der Teilungsbeschluss der Vereinten Nationen sieht eigentlich eine Zweistaatenlösung vor, über die wir noch heute diskutieren. Welche Verschwendung von Leben und Ressourcen in diesen 60 Jahren! Es ist an der Zeit, auf den in der Roadmap aufgezeigten Weg zurückzukommen. Das gilt für alle Beteiligten; denn nur so wird man für die in dieser Region lebenden Menschen auf Dauer vernünftige und friedliche Rahmenbedingungen schaffen können. 
      Vielen herzlichen Dank. 
      (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))….

    8. ….Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU):  
      ….Vor 60 Jahren haben die Israelis ihre Selbstbestimmung durchgesetzt, mit Unterstützung der Großmächte und natürlich der großen Mehrheit der Völkergemeinschaft. Sie bauten und – ich sage das ganz bewusst auch im Präsens – bauen Israel auf, sie machen den Traum ihrer Väter und Großväter wahr. Die Wahrheit ist: Sie taten das immer mit ausgestreckter Hand auch gegenüber der arabischen Bevölkerung innerhalb Israels und gegenüber ihren arabischen Nachbarn. Überlebende des Holocaust, Einwanderer aus aller Welt, gläubige Juden und überzeugten Zionisten – sie alle hatten die Vision von einem Land, in dem sie und andere frei und sicher leben können, ohne Angst vor Benachteiligung und ohne Angst vor Ausgrenzung.  
      Mit Anwar al-Sadat und Menachim Begin, mit Yitzhak Rabin und Jassir Arafat hat sich Hoffnung auf Frieden verbunden. Diese Hoffnung auf Frieden hat sich leider bis heute nicht oder nicht voll erfüllt. Vom Frieden werden aber alle profitieren, Israelis wie Araber, Juden, Muslime und Christen gleichermaßen. Dennoch: Zu viele haben heute den Glauben daran verloren. Die Situation im Gazastreifen und im besetzten Westjordanland hat viele verbittert. Dass im Schatten der Mauer, die zwischen Israel und Palästina errichtet worden ist, auf Dauer Frieden wächst, das bleibt unsere ganz große und auch meine persönliche Hoffnung. 
      (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP) 
      Hier sind Gräben zu überwinden und Brücken zu bauen, hier ist langfristig wieder eine Mauer zu überwinden…..  
      ….Israel wird nur dann eine Zukunft haben, wenn es ein Auskommen mit den Palästinensern findet. Ich glaube, die Reden aus allen Fraktionen haben gezeigt, wie sehr wir in diesem Punkt übereinstimmen. Damit Radikalität und Gewalt ihr Ende finden, müssen beide Seiten aus ihrer jeweiligen Sicht wohl schmerzhafte Zugeständnisse machen. Klar ist: Am Existenzrecht Israels kann und darf es keinerlei Zweifel geben. Nur der Anerkennung des Existenzrechts Israels können Gespräche über einen Frieden in der Region folgen. 
      Eine bessere Zukunft durch gemeinsame Sicherheit, das ist meine Botschaft, wenn ich in die Länder dieser Region reise, wie zuletzt in den Libanon oder in der vergangenen Woche in den Iran. Ich glaube, das ist aktiver Einsatz für die Interessen Israels. Auch Sie, Herr Bundesaußenminister Steinmeier, haben angekündigt, in allernächster Zukunft wieder eine solche Reise zu machen. Diese Interessen des Friedens sind auch zutiefst unsere eigenen Interessen. In all diesen Ländern trifft man Persönlichkeiten, die sich ehrlich um Frieden bemühen. Noch sind die Widerstände aber – leider Gottes – stärker. 
      Die Hisbollah hat den Süden des Libanon – man muss das nüchtern so feststellen – fest im Griff. Trotz der Erleichterung – unser aller Erleichterung – über das Abkommen von Doha, das zur Wahl von Präsident Suleiman geführt hat, bleibt ein ganz bitterer Nachgeschmack. Der neue Schlüssel der Machtverteilung im Libanon wurde von der Hisbollah mehr oder weniger mit ihrer Waffengewalt durchgesetzt. Dieses Gewaltpotenzial verfügt über modernste Telekommunikation und stellt mit seiner Waffengewalt eine beängstigende wachsende Bedrohung für Israel dar. 
      Die Selbstpreisung der Hisbollah als Befreierin überzeugt natürlich nicht. Ein paar Almwiesen bei Sheba sollen sozusagen das Trugbild von angeblicher israelischer Besatzung Libanons stützen. Es geht um ein Stück Land, dessen völkerrechtliche Zugehörigkeit noch nicht einmal zweifelsfrei feststeht. 
      Sehr bewusst habe ich im Libanon mit Vertretern der Hisbollah gesprochen und nicht lockergelassen, um herauszufinden, was mit den seit 2006 entführten israelischen Soldaten passiert ist. Wir müssen alle miteinander Zeichen setzen, dass ihr Schicksal uns nicht gleichgültig ist. Volker Kauder hat bereits von unserem Gespräch erzählt, das wir mit den Familien dieser beiden entführten Soldaten bei einem Besuch geführt haben. 
      Mit der Unterstützung der Hisbollah und der Hamas isoliert sich der Iran in der Völkergemeinschaft. Unser Appell an den Iran muss unmissverständlich sein. Das habe ich auch bei all meinen Gesprächen im Iran, unter anderem mit Außenminister Mottaki oder dem früheren Präsidenten Chatami, immer wieder klar und unmissverständlich gesagt: Der Iran hat alles zu unterlassen, was die Sicherheit Israels gefährdet, und alles zu tun, was zur Sicherheit Israels beiträgt. 
      (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 
      Dazu gehört auch, von der Unterstützung von Hamas und Hisbollah definitiv abzulassen. 
      Die Sorgen über das iranische Nuklearprogramm sind ebenso unsere Sorgen, wie sie die Sorgen Israels sind. Der jüngste Bericht der Wiener Agentur IAEO ist leider kritischer ausgefallen, als wir es erwartet hatten….. 

    9. ….Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):  
      ….das, was in diesem Hause Konsens ist und von allen betont wurde, dass wir Deutschen aufgrund unserer Geschichte eine bleibende und besondere Verantwortung für die Existenz und die Sicherheit Israels haben, sieht eine Mehrheit der Deutschen – nämlich 53 Prozent bis 63 Prozent – laut aktueller Untersuchungen inzwischen anders. Diese Mehrheit sieht diese besondere Verantwortung Deutschlands für den Staat Israel nicht mehr. Wir alle müssen gemeinsam daran arbeiten, dass sich dieser Eindruck nicht verfestigt. 
      (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) 
      60 Jahre Israel, das ist die Geschichte eines eigenen Staates, der für seine Bürgerinnen und Bürger, für viele Jüdinnen und Juden in der ganzen Welt vor allem mit Blick auf die leidvolle Vergangenheit nicht selbstverständlich ist; denn ?60 Jahre Israel? bedeutet leider auch heute noch die Suche nach Sicherheit, nach Normalität und nach einem friedlichen Leben ohne ständige Bedrohung. 
      Ich habe selbst erlebt, wie existenziell diese Frage der Sicherheit für die Menschen in Israel ist. Am Abend des 1. Juni 2001, als einer der schrecklichsten Anschläge in Tel Aviv verübt wurde, nämlich auf eine Diskothek, das ?Dolphinarium?, bin ich gemeinsam mit Joschka Fischer dort angekommen. Wir haben dieses furchtbare Blutbad erlebt, bei dem 21 junge unschuldige Israelis im Alter von 14 bis 32 Jahren starben und über 100 verletzt wurden. Es war ein Desaster. Es war absolut entsetzlich. Ich sage sehr deutlich: Jede demokratisch gewählte Regierung dieser Welt muss und wird alles versuchen, ihre Bevölkerung vor einem solchen Terror zu schützen. 
      Deshalb gilt: Solange Staaten wie Iran und Syrien das Existenzrecht Israels nicht anerkennen, solange radikal-islamistische Palästinensergruppen wie die Hamas Israels Zivilbevölkerung mit Anschlägen terrorisieren, so lange wird diese Sicherheitsfrage für jede israelische Regierung, ob links oder konservativ, zu Recht die Kernfrage in allen Friedensverhandlungen bleiben; da braucht man sich keine Illusionen zu machen.  
      (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN) 
      Spätestens seit ich den Terror in dieser Nacht konkret erlebt habe, treibt mich, wie viele hier auch, um, wie denn die Sicherheit Israels am besten erreicht werden kann. Die Mehrheit der Israelis weiß sehr wohl, dass langfristig nur eine friedliche Zweistaatenlösung, und zwar entlang den 67er-Grenzen, mit allen Kompromissen, etwa in der Siedlungsfrage, und nicht eine militärische Lösung wirklich mehr Sicherheit bringen wird. Gerade von uns wird wegen unserer besonderen Verantwortung zu Recht erwartet, dass wir auch die kritischen Punkte des Nahost-Friedensprozesses ansprechen, und zwar in beide Richtungen. Beilin, der Vorsitzende der israelischen Meretz-Yachad-Partei und Hauptinitiator der Genfer Initiative, hat es so formuliert: Ein wirklicher Freund mischt sich in den Friedensprozess ein. Das erwarten wir. 
      Was sind die kritischen Punkte? Eine Zweistaatenlösung und damit mehr Sicherheit für die Israelis wird es nicht geben ohne Rückzug aus dem größten Teil der Siedlungen, ohne einen Kompromiss in der Jerusalem-Frage und ohne Zugeständnisse in der Palästinenser-, in der Flüchtlingsfrage. 
      Natürlich erwartet niemand von der Frau Bundeskanzlerin, dass sie in einer einmaligen Rede vor der Knesset, zumal zum 60. Geburtstag, die Agenda der Roadmap erklärt. Aber sich bei einem solchen Anlass so fast ganz aus dem Friedensprozess herauszuhalten, das, meine ich, beschreibt den Beitrag und die Rolle, die Deutschland und die Europäische Union zu einem Frieden leisten können und sollten, völlig unzureichend. Deutschland und die EU könnten eine viel größere Rolle in der Vermittlung spielen. Diese Rolle müssen wir in der Zukunft dringend besser ausfüllen.  
      (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)…. 
      ….
      Wir sollten die Israelinnen und Israelis ebenso wie die Palästinenser mit der Lösung des Konflikts ausdrücklich nicht alleinlassen. Entscheidende Voraussetzungen für die dauerhafte Sicherheit Israels sind eine Akzeptanz durch die Nachbarn und die Verwirklichung einer Zweistaatenlösung. Gerade aus dieser Erkenntnis heraus wünschen wir Israel zum 60. Geburtstag nichts sehnlicher, als gemeinsam mit seinen Nachbarn den notwendigen Mut zum Frieden zu finden….

    10. ….Thomas Oppermann (SPD):  
      ….Die Sicherheit und Zukunft Israels ist Teil unserer politischen Identität; meine Vorredner haben das im Einzelnen dargelegt. Wir Deutschen haben ein besonderes Verhältnis zu Israel, das sich aus unserer historischen Verantwortung für den Holocaust ergibt. Aber Deutschland und Israel verbindet nicht nur die Vergangenheit, uns verbinden auch gemeinsame Wertvorstellungen. Unsere Staaten fußen auf dem gleichen Verständnis von Freiheit, Recht und Demokratie. In einem Land, das in seiner 60-jährigen Geschichte fast immer um seine Existenz kämpfen musste und immer von Krieg und Terror bedroht war, einen funktionierenden Rechtsstaat und eine freiheitliche Gesellschaft durchzuhalten, das, finde ich, ist eine ganz besondere Leistung. Ich bin mir nicht sicher, ob wir Deutschen das schaffen würden. 
      (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) 
      Das sollten besonders jene bedenken, die in Deutschland unter linken Vorzeichen antizionistische Kritik an Israel üben. Ich finde es bemerkenswert, dass Sie, Frau Pau, und auch Sie, Herr Gysi, sich mit dem Antizionismus in Ihren Reihen kritisch auseinandersetzen wollen. Aber völlig inakzeptabel ist es, wenn Ihr außenpolitischer Sprecher Verständnis für Raketenangriffe der Hamas auf Israel äußert.  
      (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)…. 
      ….
      In meiner Fraktion sind es vor allem die jüngeren Abgeordneten, die sich auch jenseits der Außenpolitik für Israel interessieren, für ein modernes, kulturell faszinierendes Land, das voller kreativer Impulse steckt. 65 Prozent der hochmotivierten jungen Menschen studieren an den ausgezeichneten Universitäten und Technischen Hochschulen des Landes. In Deutschland haben wir große Mühe, einen Anteil von 40 Prozent zu erreichen. Israel ist das Land mit der höchsten Ingenieursdichte auf der ganzen Welt. Es stellt sagenhafte 4,5 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung bereit. Während wir uns Mühe geben, 3 Prozent zu erreichen, hat sich Israel für die nächsten Jahre schon 10 Prozent als Zielmarke gesetzt. Die Folge ist: Israel gehört zu den innovativsten Technologiestandorten der Welt. Es gibt 3 000 Hightechunternehmen. Jedes Jahr schaffen es 200 neue Start-ups in den Markt. Das ist eine inspirierende wirtschaftliche Dynamik, von der sich auch viele deutsche Wissenschaftler und Unternehmer begeistern lassen. Nicht umsonst ist die deutsch-israelische Wissenschaftskooperation eine der intensivsten zwischen den beiden Ländern. Es verbindet uns also nicht nur die Vergangenheit; es verbindet uns auch die gemeinsame Gestaltung der Zukunft. 
      (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 
      Es gibt viele Möglichkeiten, die guten Beziehungen zwischen Deutschland und Israel auszubauen. Die Kontakte zwischen den Regierungen und Institutionen sind eng, vertrauensvoll und verlässlich. Wenn uns aber über eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen – Frau Müller hatte das schon erwähnt – zur Kenntnis gebracht wird, dass 53 Prozent der Deutschen gegenüber Israel keine besondere historische Verantwortung mehr sehen und diese Haltung bei den Jüngeren sogar noch stärker ausgeprägt ist, dann müssen wir etwas tun. Die Freundschaft zwischen den Staaten muss immer auch durch eine Freundschaft zwischen den Menschen untermauert werden. 
      (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)…. 

    11. ….Eckart von Klaeden (CDU/CSU):  
      Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Die Diskussion über ein Land ist immer auch eine Diskussion über unsere Beziehung zu diesem Land und damit auch eine Diskussion über uns selbst. Das gilt in keinem Fall so sehr wie bei Israel, weil seine Existenz uns auf Dauer an die deutsche Schuld für den Holocaust erinnern wird. Deswegen haben diejenigen ein besonderes Problem mit der Existenz Israels, die mit dieser Schuld nicht umzugehen wissen oder nicht mit ihr umgehen wollen. Das gilt zunächst für die Antisemiten von rechts, auf die die Kollegin Pau und der Kollege Kuhn schon hingewiesen haben. Es gilt aber auch für die Antisemiten von links, von denen der Kollege Oppermann gerade gesprochen hat, die Antizionismus, Antisemitismus und Antiamerikanismus miteinander verbinden. Weiterhin gilt es für einen leider auch in unserem Land zunehmenden islamistisch motivierten Antisemitismus. Diese Antisemitismen verbinden sich miteinander und nehmen aufeinander Bezug, wenn zum Beispiel der iranische Präsident Ahmadinedschad das Existenzrecht Israels und den Holocaust leugnet, eine Terrororganisation wie die Hamas unterstützt und wenn gleichzeitig der terroristische Charakter der Hamas verniedlicht oder geleugnet wird.  
      (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD)) 
      In dieser Diskussion wird – ich glaube, das ist einer der Gründe für die Ergebnisse der Umfrage, die Sie, Herr Oppermann, gerade zitiert haben – häufig persönliche Schuld mit politischer Verantwortung aus der Geschichte verwechselt. Das gilt insbesondere für die jungen Menschen. Viele verstehen, wenn sie nach einer besonderen politischen Verantwortung gefragt werden, das als Frage nach ihrer persönlichen Schuld und verneinen es deshalb. Aber es gibt auch das Phänomen, dass Antisemiten und Extremisten diese Verwechslung oder dieses Missverständnis bewusst instrumentalisieren, um es als Einfallstor für antisemitische und antiisraelische Argumentation in der Mitte unserer Gesellschaft zu nutzen. Dafür will ich ein paar Beispiele nennen. 
      Das geläufigste ?Argument? ist, man dürfe Israel nicht kritisieren. Das ist barer Unsinn; denn kein Land wird in unserem Land so sehr kritisiert wie Israel. Die Beispiele sind hier schon genannt worden. 
      Ein weiteres ?Argument? ist, die Existenz Israels an sich sei Ursache für das palästinensische Leid. Da fand ich, Frau Kollegin Pau, Ihre sonst gerade vor dem Hintergrund der Geschichte Ihrer Partei bemerkenswerte Rede etwas verkorkst. Denn von der Gründung Israels als einem immer noch blutenden ?Kaiserschnitt? zu sprechen, halte ich für ein falsches Bild  
      (Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Das war ein Zitat, Herr Kollege!)
       
      – ich weiß -, auch wenn dieses Zitat von einem Israeli stammt. Von dieser Argumentation ist es nur ein kleiner Schritt zu dem ?Argument? – ich sage nicht, dass Sie es sich zu eigen gemacht haben -, das der iranische Präsident Ahmadinedschad immer wieder anführt, nämlich dass die Gründung des Staates Israels die Folge deutscher Schuld und des Holocaust sei und der Staat Israel deswegen nach Europa verlegt werden müsse.  
      (Bodo Ramelow (DIE LINKE): Genau das hat sie nicht gesagt! – Dr. Werner Hoyer (FDP): Na!) 
      Das ist gerade falsch. Die Gründung des Staates Israel und seine moralische Legitimation als jüdischer Staat sind in dem Holocaust begründet. Aber das Existenzrecht Israels ist nicht allein durch die deutschen Verbrechen begründet. 
      Ein anderes ?Argument?, das immer vorgebracht wird, ist, die Juden behandelten die Palästinenser wie die Nazis die Juden. Es wird auch von einem Vernichtungskrieg der Israelis gegen die Palästinenser gesprochen. Wer so argumentiert, versucht, dem israelischen Staat seine moralische Legitimationsgrundlage zu entziehen, und stellt damit das Existenzrecht Israels infrage. 
      Ich nenne ein weiteres Beispiel. So richtig es ist, die israelische Siedlungspolitik und den Verlauf des Grenzzauns zu kritisieren, so falsch und antisemitisch ist es, diesen Sicherheitszaun, wie man es häufig hört, mit der Berliner Mauer gleichzusetzen. An der Berliner Mauer wurden friedliche Bürger, die ihr Land verlassen wollten, ermordet; am Sicherheitszaun aber werden Selbstmordattentäter daran gehindert, nach Israel zu gelangen. 
      (Beifall bei der CDU/CSU) 
      Richard Herzinger hat in der Welt am Sonntag vom 4. Mai dieses Jahres zu Recht folgende Fragen gestellt: 
      Wäre man gegenüber dem Existenzrecht des jüdischen Staates etwa weniger entschieden, hätte es den Holocaust nicht gegeben? Solidarisiert man sich mit Israel etwa nur aus schlechtem historischen Gewissen, nicht aber, weil das heutige Israel an sich unbedingt verteidigungswert ist? 
      Damit bringt er zu Recht zum Ausdruck, dass unsere Solidarität mit Israel auch und vor allem eine Frage unserer Selbstachtung als Demokraten ist. Aufgrund dieser Solidarität müssen wir den Worten auch Taten folgen lassen. 
      Israel ist ein Land mit einer außerordentlich schwierigen Nachbarschaft; darauf haben andere Redner schon hingewiesen. Unmittelbar nach seiner Gründung ist es von seinen arabischen Nachbarn mit dem Ziel angegriffen worden, es zu vernichten. Wenn wir uns die Friedensverträge anschauen, die Israel geschlossen hat, so können wir den bemerkenswerten Umstand feststellen, dass Israel nur mit solchen Nachbarn Friedensverträge hat, die selber über ein Gewaltmonopol – oder jedenfalls über ein einigermaßen ausgebildetes Gewaltmonopol – verfügen wie Jordanien und Ägypten. Es gibt aber keine Friedensverträge mit Staaten, in denen das Gewaltmonopol nicht geregelt ist, wie zum Beispiel in den palästinensischen Territorien oder im Libanon. 
      Es ist eine Politik Arafats gewesen, dieses Gewaltmonopol zu verhindern. Nach dem Motto ?divide et impera? hat er die Milizen seines eigenen palästinensischen Volkes gegeneinander ausspielen können. Gerade deswegen ist die Initiative der Bundesregierung – jetzt komme ich zu den Taten -, sich um den Aufbau der palästinensischen Polizei zu bemühen und dafür zu sorgen, dass es zu der Ausbildung eines Gewaltmonopols auch in den palästinensischen Territorien kommen kann, so wichtig für die Friedensfähigkeit der palästinensischen Seite. Nur so kann ein verlässlicher Frieden erreicht werden. 
      Ich glaube, wir haben noch einen langen Weg zum Frieden vor uns. Gerade vor dem Hintergrund unseres Engagements im Rahmen des UNIFIL-Mandates ist Europa heute im Nahen Osten mehr gefragt als je zuvor. Das begründet für uns neben der historischen auch eine besondere neue deutsche Verantwortung. 
      (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)…. 

    12. ….Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD):  
      Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der jüdische Staat Israel, so sagt Claude Lanzmann, ist der Unmöglichkeit abgetrotzt worden. Tel Aviv, der Frühlingshügel, wird im nächsten Jahr 100 Jahre alt. Das heißt, die Geschichte Israels beginnt nicht erst mit der Unabhängigkeitserklärung; sie ist 2000 Jahre alt.  
      Tel Aviv, so lautet, ins Hebräische übersetzt, der Titel des utopischen Romans von Theodor Herzl, dem er im Deutschen den Titel ?Altneuland? gab. Herzl führte Ende des 19. Jahrhunderts in seinem Konzept die nationalen Gründungsideen Europas auf. Was war damals, Ende des 19. Jahrhunderts, in Europa die Sorge? Der wachsende Antisemitismus – wie manchmal auch heute wieder. Dies scheint also leider so etwas wie ein fester Bestandteil der europäischen Staaten zu sein – und nicht nur der europäischen. Im Zeitalter des Nationalstaates, sagte Theodor Herzl, sei es nötig, eine zionistische Antwort auf die damalige Frage zu geben. Die Antwort hieß: den Weg zum jüdischen Staat zu öffnen. 
      Das war übrigens, wenn man noch einmal auf das 19. Jahrhundert zurückblickt, eine Antwort auf die misslungenen Versuche nach der Aufklärung, die jüdische Emanzipation mit der Demokratie und der Modernisierung zu verknüpfen. Dieser Versuch war leider am Ende des 19. Jahrhunderts nicht gelungen. Danach konnte der Nationalismus übrigens bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts – historisch gesehen hat das leider so lange gedauert – gegenüber der Emanzipation und dem Gedanken der Aufklärung triumphieren. Wir stehen also vor einem Versuch in Israel, europäisches Denken in einer Region zu realisieren, was deshalb hochgradig gefährdet ist, weil diese Region selbst frei ist von den Gedanken der Aufklärung und der Emanzipation. 
      Juden waren es zuerst im 19. Jahrhundert, die dieses Beben gespürt haben, das schließlich zum Holocaust geführt hat. Sie haben gespürt, dass der Boden unter ihnen wankt. Die Angst der sich ethnisch säubernden, reinigenden Nationalstaaten ist ganz schnell bei der jüdischen Minderheit deutlich geworden. Sie haben viel früher als alle anderen gespürt, dass da etwas heranrückt: der Gedanke, der aus der Aufklärung kommt, der dann in den sich reinigenden Nationalstaat führt und der dann die jüdische Minderheit auszuschließen begann, aus der nationalen Gemeinschaft ausstieß. 
      Ich will heute daran erinnern, dass es im Reichstag sozialdemokratische Abgeordnete jüdischer Geburt und Glaubenszugehörigkeit gab, die bis zum Schluss dagegen angekämpft haben, dass der Versuch der Reinigung des Nationalstaates von Minderheiten, der dann nachher erkennbar in die Nazidiktatur führte, stattfand. Ich erinnere an Rudolf Hilferding, der bei Karl Kautsky mitgearbeitet hat. Ich erinnere an Ludwig Marum aus Karlsruhe, der leider in einem der frühen Konzentrationslager erdrosselt worden ist. Ich erinnere an einen Berliner Abgeordneten, an Kurt Löwenstein, der die Kinderrepublik unterstützt hat. Er war ein großer Bildungspolitiker in der Stadt Berlin. Sie alle haben deutlich gemacht: Sie wollten diesen Versuch mit der Kraft ihrer eigenen Persönlichkeit verhindern. Es ist ihnen nicht gelungen – leider. 
      Die Unabhängigkeit Israels im Mai 1948 war, wie ich finde, die einzige richtige Antwort, die auf diese gefährliche Entwicklung des Nationalstaats hin zum Nationalismus gefunden wurde. Ich bin heute dankbar dafür – wir alle sind es -, dass die Vereinten Nationen dies zuvor beschlossen hatten. Wir sind glücklich darüber, dass es den jüdischen Staat Israel gibt. Er ist nämlich am Ende, wenn es nicht anders geht, die einzige Zuflucht für diejenigen, die in der Diaspora sind. Weil Auschwitz immer möglich sein kann – dies ist vorhin gesagt worden -, brauchen alle Juden dieser Erde die Chance, in den jüdischen Staat Israel zu gehen, wenn es denn lebensnotwendig ist. Das ist die Existenzberechtigung dieses Staates.  
      (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 
      Wir sind dafür, dass wir das Existenzrecht Israels schützen, stärken und zur Staatsräson erklären, nicht, weil es sich bei Israel um irgendeinen Nationalstaat handelt, sondern weil Juden eine Überlebensversicherung brauchen, wenn sie bedroht werden, wenn der Antisemitismus – wo auch immer – explodiert. Sie brauchen diesen Staat. Deshalb ist es Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland, mit dafür zu sorgen, dass dieser Staat lebensfähig ist, dass er Kraft hat, dass er die Fähigkeit besitzt, sich zu wehren, und in der Lage ist, sich mit den Ländern dieser Erde zu verbinden, die mit Israel gemeinsam dafür kämpfen, dass die Mittelmeerregion – man sagt Mare Nostrum und meint das Meer, das uns verbindet – durch eine Sicherheitspartnerschaft verbunden wird…. 
      ….Die Europäische Union hat eine ganze Menge Instrumente zur Verfügung. Es wäre unsere Aufgabe, mitzuhelfen – auch das sollte zur Staatsräson gehören -, dass die Europäische Union ein Angebot an Israel erarbeitet, infolge dessen Israel irgendwann die Chance hat, selbstständiger Bestandteil des gemeinsamen Raumes Europa zu sein. Ich finde, das wäre eine gute Aufgabe für die Zukunft. 
      (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 

 

Zurück nach oben 

 


TEIL 2 – Ein lesenswertes Interview  


  1. FAZ – Zentralrats-Vizepräsident Korn – „Antisemitismus wird heruntergespielt“
    „Der heutige Antisemitismus besitzt für seine Verbreitung neue Instrumentarien
    „Der heutige Antisemitismus besitzt für seine Verbreitung neue Instrumentarien“

    29. Mai 2008 
    Salomon Korn vom Zentralrat der Juden ist mit dem Urteil gegen den Rabbiner-Attentäter unzufrieden und beklagt die Tendenz im Land, das Problem des Antisemitismus herunterzuspielen. In der F.A.Z. spricht er über Judenfeindschaft unter Muslimen.
    Sie sind mit dem Frankfurter Urteil gegen den Rabbiner-Messerstecher – dreieinhalb Jahre Gefängnis – nicht zufrieden. Warum?
    Für mich ist besonders ein Aspekt wichtig: die Verwendung von Schmähbegriffen wie „Scheißjude“, „Judenschwein“, „Saujude“. Das Gericht hat meiner Meinung nach diesen Punkt nicht zutreffend beurteilt.
    Was werfen Sie dem Gericht vor?
    In erster Linie Teile der Urteilsbegründung. Dem Angeklagten wurde so gut wie alles zu seinen Gunsten ausgelegt, dabei aber der Gesamtzusammenhang, in dem die erwähnten Schmähworte fielen, nicht genügend berücksichtigt.
    Heißt der Gesamtzusammenhang für Sie Antisemitismus?
    Wenn ein solcher Zusammenstoß zwischen einem Juden und einem Muslim stattfindet, würde ich eher von Judenfeindschaft sprechen. Denn traditionell pflegen jene gegen Juden eingestellten Muslime eher religiöse als rassistische Vorurteile. Leider hat sich das in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten geändert. Im Zuge des Erstarkens muslimischen Fundamentalismus und islamistischen Terrors hat ein Teil der Muslime den biologistisch begründeten Rassenhass des Nationalsozialismus übernommen.
    Auch der Rabbi-Messerstecher?
    Ich bin überzeugt davon, dass das Schimpfwort „Judenschwein“ oder „Saujude“ für ihn eine andere Bedeutung hatte als für einen Christen oder einen Atheisten. Das Schwein gilt in der muslimischen und jüdischen Religion als besonders unrein und abstoßend. Wer einen anderen ein Schwein nennt, erniedrigt ihn in besonderem Maße. Eine solche Schmähung hat zwischen Muslimen und Juden immer auch eine religiös-herabsetzende, auf die Entwertung der Persönlichkeit zielende Einfärbung. Diesen Aspekt, so scheint mir, hat das Gericht nicht ausreichend gewürdigt.
    Bei manchen Jugendlichen ist allein das Wort „Jude“ ein Schimpfwort. Macht Ihnen das Sorgen?
    Gewiss, denn es lässt sich nicht mit dem Hinweis auf den Slang von Jugendlichen abtun. Ich habe immer die Ansicht vertreten, das Wort „Jude“ sollte möglichst von allen benutzt werden, damit es nicht mehr wie zu den braunen Zeiten als Schmähbegriff empfunden wird, sondern in die Alltagssprache übergeht und von jedem Deutschen ohne Herzklopfen und ohne Vorbehalte ausgesprochen werden kann.
    Sind zu viele muslimische Jugendliche hier anfällig für Judenhetze?
    Ja. Der heutige Antisemitismus besitzt für seine Verbreitung neue Instrumentarien: Internet und Satellitenfernsehen. Muslime können jetzt Sendungen aus muslimischen Ländern empfangen, die nichts anderes sind als Hasspropaganda. Zum Beispiel gab es im ägyptischen Fernsehen eine 42-teilige Serie auf Grundlage des antisemitischen Klassikers „Die Protokolle der Weisen von Zion“. Diese judenfeindliche Hetze hat dank Satellitenfernsehen eine Verbreitung, die die nationalsozialistische Propaganda nie erreichen konnte.
    Wird die Judenfeindlichkeit unter gewissen Muslimen in Deutschland unter den Teppich gekehrt?
    Ich kann keine soziologischen Daten vorlegen oder Umfrageergebnisse. Aber aus Erfahrung weiß ich, dass es in Deutschland eine Tendenz gibt, das Problem des Antisemitismus herunterzuspielen. Ich schließe nicht aus, dass auch bei den am Frankfurter Verfahren Beteiligten der untergründige Wille vorhanden war, den für das Ansehen Deutschlands unangenehmen Messerangriff auf einen Rabbiner zur einfachen Straftat herabzustufen.
    Wollen hierzulande manche Leute Judenfeindlichkeit nicht wahrhaben, weil es sie vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte einfach nicht mehr geben darf?
    „Weil“, wie Christian Morgenstern treffend feststellt, „nicht sein kann, was nicht sein darf.“ Nach diesem Motto, so mein Eindruck, wird zuweilen verfahren. Das war zum Beispiel der Fall bei einem Peter Krause, der in Sachsen Kultusminister und damit zuständig für KZ-Gedenkstätten werden sollte, obwohl er zuvor in rechtslastigen Medien mitgearbeitet hatte. Oder die erst kürzlich erfolgte hohe Auszeichnung des ehemaligen Präsidenten und Ehrenmitglieds der Bundesärztekammer, Hans-Joachim Sewering, durch den Berufsverband Deutscher Internisten; da war es offensichtlich unerheblich, dass er bereits 1933 in die SS und 1934 in die NSDAP eingetreten ist, an der „Vernichtung unwerten Lebens“ beteiligt gewesen sein soll und seit 1994 nicht mehr in die Vereinigten Staaten einreisen darf. Mein Gefühl sagt mir: Untergründig ändert sich da etwas, dass judenfeindliche und nationalistische Haltungen allmählich nicht mehr so geächtet werden wie bisher. Diese Dreistigkeit nimmt zu, ohne entsprechende Reaktionen nach sich zu ziehen. Manche wollen um jeden Preis Normalität – eine forcierte „Normalität“ wohlgemerkt, in der endlich Kritik an Juden frei weg von der Leber nach der Maxime „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ möglich sein soll.
    Die Fragen stellte Hans Riebsamen.

     
       

Zurück nach oben 

 


TEIL 3 – Und wer regt sich hierüber auf... 

  1. Und wer regt sich hierüber auf…?!?!?

    1. ADL Anti-Semitism in Arab Media

      Tishrin, May 26, 2008 (Syria)
      The IsraeliJew is thinking about seven issues, of which the smallest is „peace.“ The others are: „war, occupation, killing, siege, settlement and expansion.“ 
    2. ADL Anti-Semitism in Arab Media

      Al-Watan, May 18, 2008 (Oman)

      On the newspaper: „USA – The 60th Anniversary of Palestine’s Occupation.“ On the reader’s head: „The 100th Anniversary of USA’s Occupation.“
    3. MEMRI BLOG Cartoon In Palestinian Authority Daily: „Israel Examines Possibility Of ‚Tahdiya‘ (Calm)“
      Cartoon In Palestinian Authority Daily:
      Cartoonist: ‚Alla Al-Laqta
      Source: Falastin, Palestinian Authority, May 21, 2008

    4. MEMRI BLOGCartoon In UAE Paper On „The Siege On Gaza“
      Cartoon In UAE Paper On "The Siege On Gaza" 
      Cartoonist: ‚Amer Al-Zo’abi
      Source: Akhbar Al-Arab, UAE, May 26, 2008

    5. MEMRI BLOGCartoon In Jordanian Paper: „The U.S. Presidential Candidates“
      Cartoon In Jordanian Paper: "The U.S. Presidential Candidates"  
      Cartoonist: Jalal Al-Rafai’i
      Source: Al-Dustour, Jordan, May 27, 2008

    6. PMW –  Fatah and Hamas use identical symbols to teach children hatred of Israel – by Itamar Marcus and Barbara Crook

      Teaching children that all of Israel is occupied „Palestine“ is a backbone of Palestinian Authority education for both Fatah and Hamas. 

      Both Hamas and Fatah recently broadcast TV programs featuring children with giant keys hanging from their necks, and  names of Israeli cities written on the keys. The key, a symbol of ownership, is a prominent Palestinian symbol indicating their claim of ownership over all Israeli cities and all of Israel. It also represents their demand that residents of refugee camps be settled in these Israeli cities.
      The Fatah children’s keys include the names of Israeli cities Haifa, Ramla, Acre, Jaffa, Beer Sheva.
      The Hamas children’s keys include the names of Israeli cities Haifa, Ramla, Acre, 
      Beit Shean, Jerusalem.

       
            

Zurück nach oben 

 


TEIL 4 – Sollte jeder gesehen haben  
  

  1. ARD-ttt – Die Macht der Bilder (1) – War der Tod des Palästinenserjungen Mohammed Al Durah Manipulation?
    Sendeanstalt und Sendedatum: HR, Sonntag, 25. Mai 2008
    Mohammed Al-Dura (Bild: ARD)
    Bildunterschrift: Mohammed Al-Dura (Bild: ARD) ]
    Das Bild ging um die Welt: Ein kleiner Palästinenserjunge wird in den Armen seines Vaters von einer Kugel getroffen – abgefeuert von israelischen Soldaten. Und ein französischer Journalist kommentiert: „Mohammed ist tot, sein Vater schwer verletzt“.
    Seitdem wird der kleinen Mohammed von der arabischen Welt als Märtyrer gefeiert und das Bild für politische Zwecke benutzt. Doch war es wirklich so? Nur 31 Sekunden sind Vater und Sohn im Bild – und tatsächlich zeigt das Material keinen einzigen Schuss und auch kein Blut. Mehr noch: Charles Enderlin, der Korrespondent, der den Film so folgenreich kommentierte, war selbst gar nicht vor Ort! Er verließ sich auf die Schilderung seines Kameramannes.
    Acht Jahre später gibt es mehr Zweifel an der Szene als damals. Die vermeintliche Sicherheit, dass sich alles so zugetragen hat, ist dem Verdacht gewichen, möglicherweise auf einen gigantischen Propagandaschwindel herein gefallen zu sein, wie die Dokumentation des Hessischen Rundfunks „Drei Kugeln und ein totes Kind“ von Esther Schapira aus der Reihe „das Rote Quadrat“, bereits im Jahr 2002 aufgedeckt hat.
    In Paris soll nun das Rätsel um das Bilddokument gerichtlich gelöst werden. Erstmals werden auch bislang unter Verschluss gehaltene Sequenzen des Filmbeitrages vorgelegt, die Vater und Sohn nach dem Schusswechsel zeigen: angeblich lebend…
    ttt hat den Prozess um dem Fall „Mohammed Al Durah“ beobachtet und mit Zeugen und Sachverständigen gesprochen.
    Bericht: Peter Gerhardt

    1. Text des Beitrags:
      Er hat es geschafft. David gegen Goliath – Philippe Karsenty, Betreiber einer Ein-Mann-Nachrichtenagentur, hat vor Gericht gerade das französische Staatsfernsehen besiegt. Es geht um diese Bilder: Mord vor laufender Kamera. Angeblich. Dieser Filmausschnitt sorgt vor acht Jahren weltweit für Entsetzen: Israelische Soldaten erschießen den Palästinenser-Jungen Mohamed Al Dura. Diese Aufnahmen prägen sich ein. Und die arabischen Welt hat fortan einen Märtyrer: Das Bild von Mohamed wird zur Ikone – verkitscht auf unzähligen Gemälden, Briefmarken und Postkarten. Im palästinensischen Schulunterricht dient es als Beleg für die mörderische Brutalität der Israelis.
      Doch stimmt die Geschichte überhaupt? Darüber wurde in Paris bis jetzt jahrelang erbittert vor Gericht gestritten. Die Gegner: Charles Enderlin, journalistisches Schwergewicht, Nahost-Korrespondent des staatlichen französischen Fernsehens „France 2″. Er hat die Geschichte des Mordes am kleinen Mohamed zuerst veröffentlicht. Und eben: Philippe Karsenty, den die Bilder nicht mehr losließen. Und deshalb recherchierte er jahrelang – auf eigene Kosten. Und behauptet: Das Ganze ist ein Riesen-Schwindel.
      Philippe Karsenty, Agentur „Media-Ratings“: „Ich habe meine eigenen Recherchen gemacht. Habe Dokumente, Filme und Zeugenaussagen gesammelt. Und habe festgestellt: Die ganze Sache ist komplett inszeniert.“
      Charles Enderlin,
      France 2 – Korrespondent: „Wir haben die Bilder nicht gefälscht. Dies ist ganz schlicht eine Schmierenkampagne von Leuten, die meine Veröffentlichungen nicht mögen.“
      Das Krankenhaus in Gaza scheint die Version von France 2 zu bestätigen. Es veröffentlicht diese Fotos: Ein toter Junge, offensichtlich erschossen. Aber von wem? Die Ärzte haben keine Obduktion vorgenommen. Und: handelt es sich überhaupt um Mohamed Al Durah? Nein, sagt Philippe Karsenty: „Der Pathologe hat in der Tat einen toten Jungen untersucht, aber schon um 12 Uhr mittags. Mohamed Al Durah soll aber erst um drei Uhr nachmittags erschossen worden sein. Und überhaupt: Die Bilder aus dem Leichenschauhaus stimmen nicht mit den Bildern von Mohamed Al Durah überein. Das ist lächerlich.“
      Was also ist wirklich geschehen an diesem 30. September 2000? Das versucht Philippe Karsenty seit Jahren herauszufinden. Fest steht, es war ein Tag voller Gewalt. Palästinenser greifen einen israelischen Militärposten an. Steine fliegen, dann Molotowcocktails. Palästinenser schießen mit Kalaschnikows. Die Israelis schießen zurück. Karsenty erfährt, dass ausschließlich palästinensische Kameramänner vor Ort sind.
      Unter ihnen auch Talal Abu Rahme, der für France 2 die Bilder von Mohamed Al Durah gedreht hat, für die er mehrere Auszeichnungen erhält. Immer wieder erzählt er, wie es sich zugetragen haben soll.
      Talal Abu Rahme, Kameramann France 2: „Der Junge wurde in den Bauch getroffen, während ich einen Knall hörte und der Staub kam. Als sich der Staub legte, sah ich den Jungen im Schoß seines Vaters. Er blutete.“
      Jerusalem. Das Büro von France 2. Korrespondent Charles Enderlin erfährt die Geschichte am Telefon und ist sofort elektrisiert. Die Bilder kommen wenig später per Satellit – und Enderlin hat keine Zweifel, dass sie echt sind.
      Charles Enderlin: „Natürlich glaube ich meinem Kameramann. Ich arbeite seit zwölf Jahren mit ihm. Er ist ein erstklassiger Journalist. Er hat mir alles am Telefon genau berichtet. Hören Sie, ich kenne ihn. Ich glaube ihm zu 100 Prozent.“
      Philippe Karsenty sieht diese Aussagen des Kameramannes und des Korrespondenten in einer Filmdokumentation, in der die ARD schon vor sechs Jahren auf Ungereimtheiten in der Geschichte hingewiesen hat. Gemeinsam mit seiner Anwältin forscht Karsenty dann weiter und holt ein ballistisches Gutachten ein. Alles führt ihn zu dem Schluss: Die Geschichte des Kameramanns kann nicht stimmen.
      Philippe Karsenty: „Der Junge soll von drei Kugeln getroffen sein, aber man sieht keinen Tropfen Blut. Auch der Vater soll angeblich zwölf Kugeln abbekommen haben. Aber kein einziger Tropfen Blut. Außerdem: Alle Bewegungen der sogenannten Opfer passen nicht zur Geschichte von France 2.“
      In der Tat: Auf den Bildern, die angeblich zeigen, dass Mohamed Al-Durah schwer verwundet ist, ist kein Blut zu sehen. Wie kommt es also, dass der Kameramann eine solche Geschichte erzählt, will Karsenty wissen.
      Bei der Suche nach einer Antwort findet er diese Bilder im Internet. Ebenfalls aufgenommen in Gaza: Ein Palästinenser läuft über die Straße, übergibt einen Molotowcocktail. Dann wirft er sich plötzlich in die Arme seiner Freunde. Palästinensische Kameramänner stürzen herbei – mit dabei: derselbe Kameramann von France 2, von dem die Mohamed Bilder stammen. Auch er filmt, wie der kerngesunde Mann als „Schwerverletzter“ abtransportiert wird. Für diese Art der Verwundeten hat die israelische Armee einen Namen: „For camera only“ – nur für die Kamera. Reine Inszenierung. Liegt es da nicht nahe, dass die Geschichte von Mohamed Al Durah genauso inszeniert ist?
      Das genau behauptet Karsenty und wird prompt von France 2 erfolgreich verklagt. Doch er geht in Berufung, präsentiert noch einmal seine Zweifel – und kann diesmal überzeugen. Das Gericht fordert France 2 auf, das gesamte Original-Kameramaterial zu veröffentlichen.
      Und das ist wesentlich länger. Ungeschnitten ist in der letzten Einstellung von Vater und Sohn dies zu sehen – eine Sensation:
      Mohamed bewegt sich – er lebt! Eindeutig.
      Damit kann Philippe Karsenty die Richter jetzt überzeugen. Das Gericht schlägt die Klage von France 2 nieder. Karsenty darf weiter behaupten, die Geschichte vom Mord am kleinen Mohamed sei eine Fälschung.
      Philippe Karsenty: „Das ist wichtig gerade auch für die moslemische Welt, damit sie nicht weiter manipuliert wird von Fanatikern, die Hand in Hand arbeiten mit naiven westlichen Journalisten, die falsche Nachrichten verbreiten. Es ist Zeit, dass die Lügen aufhören. Es ist Zeit für die Wahrheit.“
      Was wirklich die Wahrheit hinter diesen Bildern ist, das konnte das Gericht allerdings nicht entscheiden. Eines aber steht fest: Einen Mord vor laufender Kamera hat es offensichtlich nicht gegeben.

 

Zurück nach oben

 


HONESTLY CONCERNED BEDANKT SICH BEIM ERIK-VERLAG…

Der ERIK-VERLAG unterstützt nicht nur den Versand der täglichen Mails, durch die zu Verfügung Stellung eines PC-/Internet-Arbeitsplatzes für unsere Praktikanten, sondern hilft Tatkräftig bei der Gestaltung unserer Flugblätter, unseres Briefpapiers, von Visitenkarten und mehr, die der Verlag ebenfalls zu Sonderkonditionen für uns gedruckt. DANKE!!!

Der ERIK-VERLAG bietet Organisationsmittel, Drucksachen und Corporate Design für die steuer-, wirtschafts- und rechtsberatenden Berufe. Aktuell für das Lohnbüro: Fragebogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung geringfügiger Beschäftigungen und Beschäftigungen in der Gleitzone.

ERIK-VERLAG KG,
Prinzessinnenstraße 19-20, 10969 Berlin, Tel. 030-615 30 09, Fax 030-615 30 00,
www.erik-verlag.de, info@erik-verlag.de, Geschäftsführerin: Rosemarie Matuschek

Ein Archiv der bisher an die Mailingliste verschickten eMails steht jederzeit Online zu Verfügung, unter:

http://groups.yahoo.com/group/Honestly-Concerned-Mailingliste


NEU AUF UNSERER HOMEPAGE:
Honestly Concerned „Online Store“
– Material Bestell- / & Download – Database –


Weitere Informationen über Honestly Concerned e.V. finden Sie auf unserer Homepage, unter:

http://www.honestlyconcerned.info



Wir möchten Sie einladen Teil einer unserer anderen Mailinglisten zu werden…

 
Um die TÄGLICHEN Mails zukünftig zu erhalten, schicken Sie bitte ein leeres (blanko) Email an
Honestly-Concerned-Mailingliste-subscribe@yahoogroups.com.
  
Um die Wochenzusammenfassung zukünftig zu erhalten, schicken Sie bitte ein leeres (blanko) Email an
Honestly-Concerned-Weekly-subscribe@yahoogroups.com
  
Um die IRAN-FORSCHUNG Mails zukünftig zu erhalten, schicken Sie bitte ein leeres (blanko) Email an
HC-Iran-Forschung-subscribe@yahoogroups.com.

Um ausschließlich unsere Sonderausgaben zukünftig zu erhalten, schicken Sie bitte ein leeres (blanko) Email an
Honestly-Concerned-SPECIAL-NOTICES-subscribe@yahoogroups.com.


 


 

© Honestly Concerned e.V.

 

 

 

 
 
 

Hinterlasse eine Antwort