Israels innenpolitische Aufruhr

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Jerusalem, 30. Mai 2008 – Israel hat einen Vogel. Was den Deutschen der Adler ist, das ist jetzt für die Israelis der Wiederhopf (lat. upupa epops). „Der Nationalvogel ist ganz demokratisch gewählt worden, ganz ohne Briefumschläge mit Bargeld“, sagte der bekannte Publizist Motti Kirschenbaum, als Staatspräsident Schimon Peres ein Bild des Vögelchens mit der Krone auf Kopf und natürlich schon in der Bibel erwähnt, enthüllte. Zu den Verlierern gehörte der Peres, eine inzwischen ausgerottete Adler-Art und der „Bulbul“, das männliche Glied in hebräischer Kindersprache.
Die Anmerkung Kirschenbaums wurde sogar in der arabischen Presse aufgegriffen, als Symbol für die innenpolitische Aufruhr um die Korruptionsaffären des Ministerpräsidenten Ehud Olmert.
Etwa 70 Prozent der Bevölkerung haben laut Umfrage das Vertrauen in Olmert verloren, seitdem Mosche Talansky, ein amerikanischer Geschäftsmann, vor einem Richter behauptet hatte, Olmert Bargeld in Briefumschlägen zugesteckt zu haben. Olmert behauptet zurecht, dass der 70-jährige Talansky beim Verhör der Polizei ganz andere Dinge behauptet hatte. Und auch die Staatsanwaltschaft ist sich noch keineswegs sicher, ob die belastenden Aussagen für eine Anklageschrift ausreichen.
Obgleich ein freiwilliger Rücktritt Olmerts noch ungewiss ist, blasen die Politiker zum Wahlkampf auf, während die Umfrageinstitute schon fleißig messen, wer welche Chancen hat, und welche Partei sich voraussichtlich in Luft auflösen werde, allen Voran die Greisenpartei mit ihren sechs Mandaten. Olmerts Stellvertreterin, die Außenministerin Zipi Livni, will interne Neuwahlen bei der Kadima-Partei anschieben, um Olmert abzusetzen, und natürlich, um selber die Macht zu ergreifen. Den allgemeinen Machtkampf hatte der Chef der Arbeitspartei, Ehud Barak, mit einer Pressekonferenz angestoßen. Dabei hatte er Olmert aufgefordert, Urlaub zu nehmen, zurückzutreten oder einen anderen Kadima-Chef zu suchen. Doch Kenner der Parteienszene nahmen Baraks Aufforderungen nicht allzu ernst. Denn der wolle nur von den Problemen seiner sich selbst zerfleischenden Arbeitspartei ablenken. Auch da stehen schon potentielle Kandidaten in den Startlöchern, um Barak zu stürzen. Oppositionschef Benjamin Netanjahu versucht seinerseits zu punkten, indem er „Überraschungen“ in der Parteienliste verspricht. Denn Netanjahu hatte genauso wie Barak und Olmert schon Korruptionsaffären abwehren müssen. Zudem war auch er schon im Amt des Premiers gescheitert.
Ob es tatsächlich bis zum Ende des Jahres in Israel zu Neuwahlen kommt, kann nicht mit Gewissheit vorhergesagt werden. Und ob dann tatsächlich Zipi Livni als einziger „Saubermann“ in der Riege der israelischen Spitzenpolitiker den Sprung schafft, wagt niemand zu prophezeien. Vielleicht, weil noch niemand dem Rat des Petrus von Spanien aus dem 13. Jahrhundert gefolgt ist: Nur wer das schlagende Herz eines Wiederhopf gegessen hat, kann in die Zukunft schauen.

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