Politische Leichenfledderei

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Jerusalem, 1. Juni 2008 – Israel wurde „völlig überrascht“, als am Sonntag Morgen die Hisbollah im Libanon über das Internationale Rote Kreuz einen versiegelten Holzsarg mit Leichenteilen israelischer Soldaten übergeben ließ. Israel hatte zunächst einen libanesischen Gefangenen freigelassen und bei Nakura vom Roten Kreuz an den Libanon übergeben. Der Mann, Nessim Nasr, 41 ist der Sohn einer zum Islam konvertierten Mutter. Er ist vor 17 Jahren gemäß dem Rückkehrrecht für Juden nach Israel eingewandert. Ihm wurde vorgeworfen, für die Hisbollah spioniert zu haben und ist zu einer sechsjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Die Haft endete eigentlich schon vor einigen Monaten, doch blieb er im Rahmen einer „administrativen Haft“ bis zu seiner Deportierung nach Libanon im Gefängnis. Während arabische Medien behaupten, dass Nasrs Abschiebung in den Libanon Teil eines umfassenderen Gefangenenaustauschs mit deutscher Vermittlung sei, wird das von Israel ausdrücklich dementiert.
Ohne vorherige Absprache übergab die Hisbollah bei der Gelegenheit den Sarg mit sterblichen Überresten von israelischen Soldaten, die während des Libanonkrieg 2006 gefallen seien. Noch ist unbekannt, von welchen Soldaten die Überreste stammen, denn nach Angaben der Militärs seien alle gefallen Soldaten ordentlich begraben worden. Schon vor einigen Wochen hatte der Hisbollahchef Hassan Nasralla verkündet, dass seine Organisation über israelische Leichen verfüge. In Israel wurde das als „politische Leichenfledderei“ abgetan, mit der Absicht, den israelischen Hinterbliebenen emotionalen Schmerz beizufügen. In Israel wird vermutet, dass die Hisbollah den Sarg übergeben habe, nachdem Israel klar gemacht habe, sich nicht mehr mit Leichenteilen erpressen lassen zu wollen. In der Vergangenheit hatte Israel mehrmals hunderte Gefangene im Tausch für die Leichen entführter Soldaten freigelassen.
Der Sarg wurde inzwischen zum forensischen Institut Abu Kabir in Tel Aviv gebracht, wo mit Hilfe von DNS-Prüfungen herausgefunden werden soll, ob es sich tatsächlich um Leichenteile israelischer Soldaten handelt.
Seit Monaten versuchen Vertreter des BND stillschweigend einen Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hisbollah zu vermitteln. Israel will die beiden in den Libanon am 12. Juli 2006 entführten Soldaten, von denen bisher jegliches Lebenszeichen fehlt, ausgeliefert bekommen. Im Tausch könnte Samir Kuntar, ein libanesischer Druse, freikommen, der vor 29 Jahren an einem Terroranschlag beteiligt war, der in der kollektiven Erinnerung Israels als eines der grausamsten Verbrechen beschrieben wird. Im Auftrag der palästinensischen Befreiungsfront drang Kuntar mit zwei weiteren Terroristen in die Wohnung der Familie Haran in Naharija ein, nachdem er einen Polizisten getötet hatte.
Den Vater, Dany Haran, soll er vor den Augen seiner Tochter Einat erschossen und dann das vierjährige Kind ermordet haben, indem er dessen Schädel an einem Fels zerschellte. Im Haus passierte eine weitere Tragödie. Harans schwangere Frau habe während des Schusswechsels versucht, sich zu verstecken. Dabei hielt sie den Mund ihrer zweijährigen Tochter Jael den Mund zu und erstickte so das Kind. Kuntar wurde zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt.

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