Steinmeier forciert deutschen Einfluss in Nahost

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Jerusalem, 2. Juni 2008 – Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) war der erste ausländische Politiker, der am Sonntag dem frisch-gewählten Präsidenten des Libanon, Michel Suleiman, die Aufwartung machte. Bei der Gelegenheit forderte er Syrien eindringlich auf, endlich den Libanon als eigenständigen Staat anzuerkennen und nicht als Teil Syriens zu betrachten.
Rein „zufällig“, oder vielleicht auch nicht, entließ Israel 120 Kilometer weiter südlich bei Nakura einen Spion in den Libanon, während die islamistische Miliz Hisbollah überraschend und ohne vorherige Absprache eine dunkelbraune Kiste mit Leichenresten, Uniformteilen, einem Helm und einer „Hundemarke“ von im Libanon 2006 gefallenen israelischen Soldaten übergeben ließ. Während die Israelis behaupteten, dass die Freilassung des Spions und die Übergabe der Leichenreste „nichts“ mit dem erwarteten Austausch weiterer libanesischer Gefangener für die beiden in den Libanon entführten Soldaten Eldad Regew und Ehud Goldwasser zu tun habe, machten Sprecher der Hisbollah ganz andere Andeutungen. Am Montag veröffentlichte zudem „Der Spiegel“ exklusiv, dass der deutsche BND-Mann Gerhard Konrad ein Abkommen zwischen Jerusalem und Beirut vermittelt habe. Regew und Goldwasser seien tot, behauptete der Spiegel in seinem ausführlich von israelischen Medien zitierten Bericht. Während deutsche Diplomaten in Tel Aviv überzeugend erklärten, absolut nichts von den Geheimverhandlungen unter Vermittlung des BND zu wissen, dürfte Steinmeier voll eingeweiht sein, wenn er, aus Beirut kommend in Israel mit Verteidigungsminister Ehud Barak und Außenministerin Zipi Livni sprach.
Livni nutzte die Gelegenheit, ihre Teilnahme an der von Bundeskanzlerin Angela Merkel initiierten Konferenz zur internationalen Unterstützung beim Aufbau der palästinensischen Zivilpolizei und Justiz am 24. Juni 2008 in Berlin anzukündigen. Deutschland will bei dieser Konferenz konkrete Schritte zum Aufbau einer palästinensischen Zivilgesellschaft durchsetzen. Da sollen Staatsanwälte, Richter, Gefängnisbeamte und Polizisten ausgebildet und trainiert werden, elementare Dinge, ohne die kein Staat funktionieren kann. In Berlin sollen sich die teilnehmenden Staaten verpflichten, jeweils ein Projekt zu übernehmen.
Ein deutscher Diplomat erklärte, dass die Israelis „mit Entsetzen“ die Auflösungserscheinungen innerhalb der palästinensischen Gesellschaft beobachten. „Arbeitslosigkeit ist kein Schutz gegen Terror, aber viel Arbeitslosigkeit macht eine Gesellschaft terroranfällig“, sagte der Diplomat, um ein weiteres deutsches Projekt zu würdigen. So habe Deutschland eine Zufahrtsstraße zu einem Industriepark bei Dschenin im Norden des Westjordanlandes finanziert und bauen lassen. Steinmeier hat sie am Montag nach einem Gespräch mit Präsident Mahmoud Abbas eingeweiht. Dieser gemeinsame israelisch-palästinensische Industriepark ist ein bedeutsamer Neuanfang, nachdem infolge der Intifada alle im Gazastreifen bestehenden Industrieparks zerschossen und geschlossen worden sind und auch im Westjordanland alle gemeinsamen Wirtschaftsprojekte der Feindseligkeit oder den israelischen Sicherheitsmaßnahmen zum Opfer gefallen sind. „Wenn es die Perspektive eines bürgerlichen Lebens nicht mehr gibt, dann sind die Palästinenser nicht mehr friedens- und partnerfähig“, erklärte der Diplomat die Philosophie hinter diesem deutschen Einsatz und auch das persönliche Engagement des Bundesaußenministers, die neu gebaute Straße selber einzuweihen.

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