Nach der Sachverständigenanhörung zum Antisemitismus im Bundestag zunehmende Unterstützung für unsere Forderung nach einem jährlichen Bericht der Bundesregierung zur Antisemitismusbekämpfung.

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Presseerklärung des Koordinierungsrats deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus

vom 19. Juni 2008 / Presse / Antisemitismus

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Nach der Sachverständigenanhörung zum Antisemitismus im Bundestag
zunehmende Unterstützung für unsere Forderung nach einem jährlichen Bericht
der Bundesregierung zur Antisemitismusbekämpfung.

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Der Innenausschuss des Bundestags hat am 16. Juni 2008 eine Anhörung zum Thema „Antisemitismus in Deutschland“ mit zehn Sachverständigen durchgeführt. Nach den Diskussionen im Innenausschuss erscheint eine Einigung auf die Forderung nach einem jährlichen Bericht der Bundesregierung zur Antisemitismusbekämpfung möglich. Die Bundesregierung soll diesen Bericht nach dem bewährten Vorbild anderer Staaten erarbeiten und dem Bundestag zuleiten. Ungefähr ein Jahr nach der Konstituierung des  Koordinierungsrats deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus zeichnet sich damit die Realisierung unserer Forderung ab, die wir, dem Vorschlag von Prof. Dr. h.c. Arno Lustiger folgend, in der Gründungsresolution der Koordinierungskonferenz am 18. Juni 2007 in Berlin erhoben und im Einzelnen erläutert hatten (s. Anhang). Für die Forderung nach einem jährlichen Regierungsbericht zur Antisemitismusbekämpfung hatten sich in der Bundestagsanhörung vor allem folgende Sachverständige ausgesprochen: Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Prof. Dr. Julius Schoeps, Direktor des Moses Mendelssohn Zentrum s an der Universität Potsdam, und Deidre Berger , Leiterin des Berliner Büros des American Jewish Committee.

 

Unserer Forderung hatten sich zuvor andere Organisationen und Personen angeschlossen. Zu nennen sind dabei insbesondere der Bundestagsabgeordnete Prof. Gert Weisskirchen , Persönlicher Beauftragter des OSZE-Vorsitzenden zur Bekämpfung des Antisemitismus und außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, der frühere israelische Botschafter Shimon Stein und die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags Petra Pau . Inzwischen haben u. a. in gemeinsamen Schreiben an den Bundesinnenminister des Innern Dr. Wolfgang Schäuble auch die Jüdische Gemeinde zu Berlin und das neu gegründete Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus die Forderung nach einem jährlichen Regierungsbericht zur Antisemitismusbekämpfung unterstützt.

 

Es wird jetzt darum gehen, diese Forderung umzusetzen und mit konkreten Handlungsinhalten auszufüllen. Wie wir dies bereits in unserer Resolution vom 18. Juni 2007 gefordert hatten, sollte der Bericht über die Verbreitung antisemitischer Strömungen in allen Gesellschaftsteilen und –institutionen einschließlich der Medien Auskunft geben, also über den Antisemitismus rechts, links und in der Mitte der Gesellschaft, sowie darlegen, welche Gegenmaßnahmen notwendig sind und eingeleitet wurden. An der Erstellung des Berichts sind u. a. das Innenministerium und das Auswärtige Amt zu beteiligen. Wissenschaftliche Kompetenz ist z. B. durch die Bildung eines entsprechenden Beirats zu nutzen. Nicht-Regierungsorganisationen und andere zivilgesellschaftliche Initiativen in Deutschland sollten ebenso einbezogen werden. Aufzunehmen ist in die Sachverhaltdarstellung auch die Berichterstattung über die antisemitische Agitation in den Herkunftsländern der muslimischen Einwanderer, die uns über viele Wege – u. a. über Satelliten, über das Internet, über den Buch- und Zeitschriftenimport oder sogar über Schulen – erreicht, und über die Maßnahmen, die die Bundesregierung dagegen ergriffen hat oder ergreifen will. Wie wichtig ein derartiger Bericht ist, zeigen u. a. die erschreckenden Untersuchungen der Alice-Salomon-Fachhochschule über den Antisemitismus an Berliner Schulen. In diesem Zusammenhang sind auch die antisemitische Agitation der Terrororganisation Hisbollah, die in Deutschland noch immer nicht verboten ist, sowie die antisemitische Hass- und Völkermordpropaganda des Präsidenten der Islamischen Republik Iran Ahmadinedschad zu erwähnen.

 

Für den Koordinierungsrat gegen Antisemitismus:

Daniel Kilpert, M.A., Herthastr. 5, 13184 Berlin; Tel.: 030 69818376, e-mail: kilpert@aol.com

Till Meyer, Potsdam ; Tel.: 0177 7492464, e-mail: till.meyer@modernes-brandenburg.de

 

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Koordinierungsrat deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus

 

Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam e. V., Prof. Dr. Lars Rensmann , MMZ-Fellow, University of Michigan, Ann Arbor

 

Amadeu-Antonio-Stiftung, Stiftungsvorstandsvorsitzende: Anetta Kahane

 

Claudia Korenke, Vizepräsidentin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft

 

Daniel Kilpert M.A., Stellvertretender Bundesvorsitzender des Deutsch-Israelischen Jugendforums

 

Honestly Concerned e.V., Chefredakteur: Sacha Stawski

 

Wissenschaftsforum der Sozialdemokratie in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern e.V., Geschäftsführender Vorsitzender: St. a.D. Klaus Faber , RA

 

Initiative 9. November 1938, Abraham Dzialowski

 

Demokratie & Courage, Till Meyer

 

Mohammed Schams ,
Berlin , Senior Advisor IFI (Iranian Freedom Institute), Washington D.C.

 

Peter Wirkner , Wissenschaftlicher Direktor, M.A., Mitarbeiter von MdB Prof. Gert Weisskirchen , Persönlicher Beauftragter des OSZE-Vorsitzenden zur Bekämpfung des Antisemitismus

 

Milena Uhlmann , Dipl.-Pol., Berlin

 

 

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Der Koordinierungsrat deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus ist am 18. Juni 2007 von einer Konferenz eingesetzt worden, an der 37 deutsche Nicht-Regierungsorganisationen sowie Institutionen und Personen teilgenommen haben, die in der Antisemitismusbekämpfung engagiert sind. Die Konferenz hat die Bundesregierung aufgefordert, in Anlehnung an das Vorgehen anderer Staaten einen jährlichen Bericht zur Antisemitismusbekämpfung herauszugeben und dem Bundestag zuzuleiten. Der von der Konferenz gebildete Koordinierungsrat deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus hat u. a. die Aufgabe, im Sinne der am 18. Juni 2007 verabschiedeten Grundsatzresolution die Geschäfte zu führen und eine zweite Koordinierungskonferenz im Jahre 2008 nach Berlin einzuberufen.

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Anlage

 

Hintergrundinformation zur Presseerklärung des Koordinierungsrats gegen Antisemitismus vom 19. Juni 2008:

 

Presseerklärung des Koordinierungsrats vom 18. Juni 2007

 

Resolution

der Koordinierungskonferenz

 deutscher Nicht-Regierungsorganisationen
gegen Antisemitismus

im Centrum Judaicum in Berlin

vom 18. Juni 2007

 

Am 18. Juni 2007 sind 37 deutsche Nicht-Regierungsorganisationen sowie Institutionen und Personen, die in der Antisemitismusbekämpfung engagiert sind, zu der Koordinierungstagung ,Gegen Antisemitismus in Deutschland und Europa‘ im Centrum Judaicum in Berlin zusammengekommen. Der Gesandte Ilan Mor der Botschaft des Staates Israel, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags Petra Pau , Vertreterinnen und Vertreter aus allen Bundestagsfraktionen, unter ihnen der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe Jerzy Montag (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Prof. Gert Weisskirchen , Gitta Connemann (CDU/CSU-Fraktion), Vorstandsmitglied der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe, sowie (in Form eines schriftlichen Grußworts) der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Eckart von Klaeden und Markus Löhning aus der FDP-Fraktion, haben Grußworte zum Gelingen der Konferenz übermittelt, sich zum Teil an der Diskussion beteiligt und in einigen Fällen ausdrücklich die Forderung nach einem Bericht der Bundesregierung zur Antisemitismusbekämpfung unterstützt. Die Konferenz hat sich mit dieser, vor kurzem auch von Prof. Dr. h.c. Arno Lustiger in einem Schreiben an alle Bundestagsabgeordneten erhobenen Forderung sowie mit Antisemitismusproblemen in der Gesellschaft, insbesondere in der Wissenschaft und in den Medien, befasst.

Die Koordinierungskonferenz deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus hat am 18. Juni 2007 in diesem Zusammenhang folgende Resolution gefasst, für deren Unterstützung u. a. durch diejenigen Organisationen, die ihre Position teilen, aber in Berlin nicht teilnehmen konnten, sie werben wird:

 

„Die Koordinierungskonferenz deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus fordert die Bundesregierung auf, in Anlehnung an das Vorgehen anderer Staaten einen jährlichen Bericht zur Antisemitismusbekämpfung herauszugeben und dem Bundestag zuzuleiten.

 

Der Bericht sollte, unter Beteiligung des Innenministeriums und des Auswärtigen Amtes, über die Verbreitung antisemitischer Strömungen in allen Gesellschaftsteilen und –institutionen einschließlich der Medien Auskunft geben sowie darlegen, welche Gegenmaßnahmen notwendig sind und eingeleitet wurden. Aufgenommen werden sollte ebenso die Berichterstattung über die antisemitische Agitation in den Herkunftsländern der muslimischen Einwanderer, die uns über viele Wege – u. a. über Satelliten, über das Internet, über den Buch- und Zeitschriftenimport oder sogar über Schulen – erreicht, und über die Maßnahmen, die die Bundesregierung dagegen ergreift oder ergreifen wird. Wie wichtig ein derartiger Bericht ist, zeigen u. a. die erschreckenden Untersuchungen der Alice-Salomon-Fachhochschule über den Antisemitismus an Berliner Schulen. An der Erstellung des Berichts der Bundesregierung zur Antisemitismusbekämpfung sollten Nicht-Regierungsorganisationen und andere zivilgesellschaftliche Initiativen in Deutschland beteiligt werden.

 

Der Bericht sollte u. a. folgende Aspekte berücksichtigen:

–        antisemitische und judenfeindliche Einstellungen sowie Vorurteile in allen Bevölkerungskreisen,

–        antisemitische, judenfeindliche und gegen israelische Staatsbürger gerichtete Straf- und Gewalttaten, Beleidigungen, Propagandadelikte und weitere Vorfälle,

–        antisemitische Organisationen und Gruppierungen, Medien (incl. Websites), ihre Aktivitäten sowie in- und ausländischen Verbindungen,

–        antisemitische und judenfeindliche Berichterstattung u. a. in den Medien, in Kunst und Literatur.

 

Die Notwendigkeit eines Berichts der Bundesregierung zur Antisemitismusbekämpfung wird durch verschiedene aktuelle Ereignisse deutlich:

 

1) Rechtsextreme Kräfte greifen in Agitation und Propaganda zunehmend Themen auf, die sich antisemitisch besetzen lassen, und ziehen diese Verbindung auch immer offener. Dies gilt nicht nur für das neo-nationalsozialistische „Kameradschaftsspektrum“, sondern – mit Abstufungen – auch für die Parteien NPD und DVU. Beispiele sind die antisemitische Aufladung der Agitation gegen die US-Außenpolitik, die Globalisierung, die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland sowie der Umgang mit der deutschen Vergangenheit.

2) In allen Sektoren der deutschen Medienlandschaft – unabhängig von der weltanschaulichen, konfessionellen, politischen oder kulturellen Ausrichtung – finden sich Artikel und Beiträge, die einen latenten oder offenen Antisemitismus erkennen lassen.

 

3) Antisemitische Holocaust-Leugner suchen zunehmend die Öffentlichkeit, u. a. durch die bewusste Inszenierung von Prozessen und provokative Aktionen. Im Umfeld der „Holocaust-Konferenz“ im Teheran verstärkten sich Tendenzen zur engeren Verknüpfung von Holocaust-Leugnern aus Europa und den USA mit Gesinnungsgenossen und Sympathisanten aus der islamischen Welt.

 

4) Berichterstattung und Kommentierung der deutschen Medien zum arabisch-israelischen Konflikt zeigen weiterhin ein Übergewicht einseitig anti-israelischer Tendenzen. So wurde während des Libanon-Israel-Kriegs fast nie erwähnt, dass es sich bei der Anti-Israel-Koalition von Hisbollah, Syrien und Iran um ein Bündnis von antisemitischen Partnern handelt. Alle drei verbreiten über Printmedien und ihre Fernsehstationen antisemitische Propaganda, z. B. Ritualmordszenen, in denen Juden einem christlichen Kind die Kehle durchschneiden, um mit dessen in einer Schale aufgefangenen Blut Mazzeh-Brot zu backen (Szenen, die Jugendlichen im Umfeld Berliner Schulen gut bekannt sind, wie neuere Studien ergeben haben), oder Druck- und Fernsehversionen der antisemitischen Fälschung der „Protokolle der Weisen von Zion“. Diese im arabisch-, türkisch- und iranischsprachigen Raum, aber auch in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und in Osteuropa heute weit verbreiteten, gefälschten  „Protokolle“, die auch Adolf Hitler sehr empfohlen hatte, erzählen von einer Verschwörung zur Erringung der jüdischen Weltherrschaft. Die antisemitische Propaganda wirkt, wie erwähnt, auch in europäischen Ländern – und dort nicht nur in den muslimischen Gemeinschaften. Es besteht deshalb Anlaß zum Handeln gegen den Antisemitismus, in Deutschland, in Europa und ebenso in Nahost.

 

Die Bundesregierung hat sich in ihrem neuen Programm „Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ nicht nur im Titel, sondern auch in der geplanten inhaltlichen Ausrichtung zur Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus bekannt. Voraussetzung hierfür ist eine ständig fortzuschreibende  und gesellschaftlich breit zu verankernde Problem- und Lageanalyse, die nur durch einen jährlichen Bericht der Bundesregierung unter Beteiligung aller relevanten Akteure aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft zu erstellen ist und sich vor allem mit den erforderlichen Abwehrmaßnahmen befassen muss.

 

Der Kampf gegen den neuen und den alten Antisemitismus ist ein wichtiger Teil des Kampfes für die Demokratie und für die Menschenrechte. Den Menschenrechtskonventionen der Vereinten Nationen sind nahezu alle Staaten beigetreten, darunter auch diejenigen (wie etwa der Libanon oder Syrien), die Antisemitismus nicht nur zulassen, sondern durch eigene Beiträge u. a. in ihren Medien fördern. Unser Staat sollte die Aufgabe annehmen, in dieser Frage nach innen und außen in gleicher Weise aktiv Partei zu ergreifen.“

 

Die Koordinierungskonferenz deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus hat am 18. Juni 2007 einen Koordinierungsrat beauftragt, die nächste Konferenz spätestens bis zur Jahresmitte 2008 wiederum nach Berlin einzuberufen, um über die bis dahin erzielten politischen Ergebnisse zu beraten, und die laufenden Geschäfte zu führen.

 

 

 


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