Kommentar: Israels Luftmanöver ausgerechnet jetzt

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Jerusalem, 20. Juni 2008 – Jedes Militär trainiert für den Ernstfall, so auch Israels Luftwaffe. Seit Jahren trainieren israelische Piloten über den Weiten Anatoliens, weil Israel geographisch zu klein ist, um wirklich mal aufs Gaspedal zu drücken. Die Bundesluftwaffe übt Luftkämpfe über Sizilien und in Arizona. Aber niemand käme auf die Idee, daraus kriegerische Absichten herauszulesen.
Auch das Großmanöver mit hundert Flugzeugen über Kreta, also in Absprache mit dem NATO-Land Griechenland, wobei Auftanken in der Luft, Luftkampf und Rettungsaktionen geprobt worden sein soll, scheint nicht wirklich etwas Ungewöhnliches zu sein. Denn die Israelis haben ihre Übung so offen und sichtbar gestaltet, dass jedes Land in der Region es sehen konnte. Ohnehin darf man davon ausgehen, dass Russen wie Amerikaner, deutsche Schiffe vor der Küste von Libanon und die syrische Luftaufklärung so ziemlich jede israelische Flugbewegung beobachten.
Nicht die israelische Übung ist die große Überraschung des Zeitungsartikels der New York Times vom Freitag, sondern der erstaunlich späte Zeitpunkt seiner Veröffentlichung. Das fast öffentliche Manöver soll schon Anfang Juni stattgefunden haben, also vor drei Wochen. Da Israel das Manöver weder bestätigt noch dementiert, ist die Behauptung der New York Times reine Spekulation, ob es militärische Routine oder Vorbereitung für einen Schlag gegen Iran war.
Wenn alle einschlägigen Kreise davon gewusst haben, allen Voran die Amerikaner und die beteiligten Griechen, warum wurde das Manöver erst jetzt von amerikanischen Beamten preisgegeben, und von den Griechen mit zusätzlichen Details bestätigt?
Es ist müßig, darüber zu spekulieren, warum das Manöver so lange geheim gehalten wurde. Es könnte der Ölpreis sein, die frische Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas, oder vielleicht auch ein amerikanischer Wink mit dem Zaunpfahl an die Außenminister der EU, Japans und der arabischen Welt. Die wollen sich am Dienstag zu einem Nahostgipfel in Berlin einfinden. Dort werden sie gewiss über wichtigere Dinge reden als nur über die Ausbildung palästinensischer Verkehrspolizisten und die Schulung von Vollzugsbeamten.

?Ulrich W. Sahm


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