Merkels Nahostkonferenz

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Jerusalem, 20. Juni 2008 – „Afrika ist heruntergekommen und muss dringend renoviert werden.“ Das schrieb Colin Smith, Oberbefehlshaber der Eupol Copps, dessen Experten aus der EU, darunter auch Deutschland, im brütend heißen Jericho bei mittäglichen Temperaturen von 40 Grad blau-uniformierte palästinensische Polizisten aus dem Westjordanland trainieren. „Afrika“ heißt das schmucklose Gebäude, in dem die Mannschaften auf Pritschen übernachten. Smith veröffentlichte seine Ansichten in einer israelischen Zeitung.
Die „Copps“ (der deutsche Volksmund würde „Bullen“ sagen) haben die Entwicklungsaufgabe übernommen, die zivile palästinensische Polizei auf Vordermann zu bringen. Vor Journalisten führten sie vor, wie eine Demonstration „Steine werfender“ Raudis aufgelöst wird, wobei Polizistenkollegen in Zivil Holzklötzchen warfen und die Polizeitruppe mit Plastikhelmen und Schlagstöcken aus Bambus mit angsteinflößenden Rufen im Block vorrückte. Doch wichtiger sei es, ihnen beizubringen, wie man Einbrecher schnappt oder einem Delinquenten fachgerecht Handschellen anlegt. „Wenn man bis zum Hals zwischen Alligatoren steckt, vergisst man, dass man den Sumpf trocken legen wollte“, beschreibt Colin die Mammutaufgabe der EU-Bullen. Zuvor hatte der Brite die Polizei im Irak trainiert.
Für sein Polizei-Projekt will Colin in Berlin bei der von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor ihrem Israel-Besuch angekündigten „Konferenz zur Unterstützung der palästinensischen zivilen Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit“ 121 Millionen Euro einfordern. Die eintägige Konferenz im Auswärtigen Amt am kommenden Dienstag wird bestückt mit hochrangiger Beteiligung aus Ländern der EU, der Arabischen Liga und Japans. Israel wird durch Außenministerin Zipi Livni vertreten und die Delegation der palästinensischen Autonomiebehörde führt Premierminister Salam Fajad an. Für die USA reist Außenministerin Condoleezza Rice an.
Die Konferenz soll nicht dazu dienen, wieder einmal Gelder für die Palästinenser locker zu machen.  „Diesmal soll richtig angepackt werden“, sagt ein deutscher Diplomat aus Ramallah. „Die Länder sollen sich verpflichten, jeweils einen Bereich in ihre Verantwortung zu nehmen und die Palästinenser zu trainieren.“
Die palästinensische Polizei wurde von den Europäern mit elementaren Dingen wie Handschellen, Kartons DIN-A-4 Papier und Zangensätzen ausgestattet. Ebenso gilt es, einen funktionierenden Justizapparat ins Leben zu rufen. „Was nützt es, wenn die Polizei einen Verbrecher festnimmt, es dann aber keinen Ankläger, Verteidiger, Richter und Gefängniswächter gibt?“ Der Diplomat äußerte die Hoffnung, dass die Konferenz Verpflichtungen der Länder erbringen werde, Vollzugsbeamte zu trainieren und Richter zu schulen.
Das alles sind Voraussetzungen, ohne die ein Staat nicht einen Tag lang funktionieren kann. Zwar hatten die Palästinenser seit der Gründung ihrer Autonomie 1994 ganze 14 Jahre Zeit und viel gutwillige Hilfestellung ausländischer Stiftungen und Staaten, die mit ihnen mit Trainingskursen und Konferenzen auch bei der Ausbildung von Juristen unter die Arme gegriffen haben. Doch im Chaos der Intifada und letztlich auch wegen mangelndem Willen Jassir Arafats, sich dem Aufbau einer Zivilgesellschaft zu widmen, blieben die positiven Ansätze stecken. Willkürlich und infolge politischer Zwänge wendeten Richter je nach Gusto osmanisches, britisches, jordanisches, israelisches Recht oder neue palästinensische Gesetze an. Geregelte Verfahrensabläufe, wie in Deutschland üblich, um dem Streben nach Gerechtigkeit Genüge zu tun, gab es nicht. Gefängnisse und Justizgebäude wurden zudem während der Intifada von Israel zerbombt. Vieles, was es schon gab, muss neu geschaffen werden. Für die EU, die sich scheut, ins politische oder militärische Geschehen einzugreifen, sind das ideale Sparten, echte Aufbauhilfe zu leisten.
Jetzt geht es freilich dem Nachfolger Arafats, Präsident Mahmoud Abbas, ums nackte politische Überleben im Westjordanland, nachdem er schon den Gazastreifen an die Hamas verloren hat. „Sein Wille, auf einen Staat hinzuarbeiten ist echt und aufrecht“, sagt der deutsche Diplomat überzeugt und glaubt deshalb auch an den Erfolg der Konferenz in Berlin. Und die große Bereitschaft der westlichen Welt, Israels und der arabischen Staaten, dem Ruf Merkels zu folgen, dürfte nicht nur im Glaube an einer Zwei-Staaten-Lösung als bestes Mittel für eine Überlebensgarantie Israels und Frieden für die Palästinenser liegen. Auch der Wunsch ist im Hinterkopf präsent, wenigstens das Westjordanland vor einem Zugriff der von Iran teilweise gelenkten radikalislamischen Hamas-Organisation zu retten. 

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