Kommentar: „Keine Regierungskrise in Israel“

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Jerusalem, 25. Juni 2008 – Olmert ist geschwächt. Seine Regierung steckt in der Krise. Der Premier müsste zurück treten. Seine Angebote zu Friedensgesprächen mit Syrien und Libanon, der Waffenstillstand mit der Hamas, das alles seien nur „Ablenkungsmanöver“ des wegen Korruptionsverdachts an der Wand stehenden Olmert.
So und ähnlich lasen sich in den letzten Wochen die Berichte aus Israel. Und jetzt kommt aus gleicher Quelle die Überschrift: „Keine Regierungskrise in Israel“. Man erhält den Eindruck, als halte Israel alle Welt zum Narren.
Die Wirklichkeit ist nüchterner. Es gehört nun einmal seit jeher zum israelischen Temperament, einen Politzirkus zu veranstalten. Wer da jedes Wort auf die Goldwaage legt und glaubt, dass jedem Spruch eines Hinterbänklers oder auch nur eines Umwelt- oder Verkehrsministers Taten folgen, mit dem Potenzial, die ganze Welt aus den Angeln zu heben, ist selber schuld. So war es mit den Forderungen nach Olmerts Rücktritt unmittelbar nach dem vermeintlich für Israel so schändlich verlorenen Libanonkrieg. Und so ist es jetzt wieder, nachdem ein amerikanischer Geschäftsmann Olmert in Briefumschlägen große Summen Bargeld zugesteckt habe. Olmert konnte bisher keine „Korruption“ nachgewiesen werden, denn niemand weiß von unlauteren Gefälligkeiten, die Olmert dem Geschäftsmann für das Geld habe zukommen lassen. Doch das hindert die Politiker (aller Fraktionen) nicht an einem kaum mehr nachvollziehbaren Tauziehen um die Macht. So wie die Opposition und Koalitionspartner innerhalb der Regierung nach der Macht greifen und deshalb Olmert absägen wollen, genauso beherrscht Olmert das Repertoire aller parlamentarischen und sonstigen Tricks, sich über Wasser zu halten.
Ob Olmert tatsächlich so schwach ist, wie vorschnell behauptet, oder ob es zu Neuwahlen kommt, sollte abgewartet werden, bis tatsächlich die dazu notwendigen Beschlüsse gefasst sind. Denn allen Rücktrittsrufen zu trotz, kleben die meisten Abgeordneten an ihren Sitzen. Den Sinn oder Unsinn innenpolitischer Krisen kann man in Israel erst abschätzen, nachdem die Krise ausgestanden ist, mit oder ohne Neuwahlen.

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