Plant Israel einen Schlag gegen Iran?

  • 0

Jerusalem, 29. Juni 2008 – Die weltweite Gerüchteküche über einen bevorstehenden israelischen Schlag gegen Atomanlagen Iran kocht seit fünf Jahren. Täglich liefern israelische Journalisten, Abgeordnete und sogar Minister den Spekulationen neue Nahrung.
Einer, der die geheimsten Pläne der israelischen Regierung kennen muss, wurde dieser Tage vom „Spiegel“ ausgegraben. Vor 27 Jahren, also vor fast einer Generation, hat Generalmajor a.D. Jitzhak Ben Israel an der Bombardierung des irakischen Atomreaktors Osirak teilgenommen. Der derzeitige Hinterbänkler der Kadima-Partei, behauptet: „Wir könnten es schon heute tun.“ Da er ansonsten noch nie von sich Reden gemacht hat, ist seine Stammtisch-Einschätzung genauso beachtenswert, wie Kommentare deutscher Militärexperten im Irakkrieg 2003 im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen. Jene verglichen das Vorrücken amerikanischer Panzer nach Bagdad mit dem Vormarsch deutscher Panzer vor Stalingrad. Sie wussten nicht, dass ein Sandsturm für eine hochmoderne Armee eher Deckung bedeutet und dass moderne Elektronik sogar einen Sandsturm durchsichtig machen kann.
Der nächste Medien-Kronzeuge für die bevorstehende israelische Attacke ist Schabtai Schavit, ein Ex-Mossad-Chef. Israel hätte keine Angst vor einem Alleingang, wird der ehemalige Befehlshaber des israelischen Auslandsgeheimdienstes in einer britischen Zeitung zitiert. Obwohl er seit zwölf Jahren vom Geheimdienst verabschiedet ist und fünf Jahre lang die Makkabi-Krankenkasse leitete, wird er offenbar als Kenner heutiger Überlegungen in den geheimsten Gremien Israels gehandelt. Dabei geht es potentiell um das risikoreichste Unternehmen in der Geschichte Israels. Denn im Gegensatz zu Syrien, Ägypten oder Irak, wo Israel waghalsige Kommandounternehmen ausgeführt hat, wäre eine Attacke auf Iran wegen dessen Fähigkeit zu einem Zweitschlag ein unkalkulierbares Risiko. Ausgerechnet Schavit dürfte von seinen Nachfolgern kaum in deren aktuelle Planungen einbezogen werden, nachdem er im Februar 2001 eine goldene Regeln des Mossad gebrochen hatte. In einem Brief an Präsident Bill Clinton beschrieb er die Aktivitäten eines jüdisch-amerikanischen Mäzens, Marc Rich, der unter höchster Geheimhaltung mit Millionen Dollars dem Mossad half, in Not geratene Juden aus Jemen und Äthiopien über Sudan und Ägypten nach Israel zu schleusen.
Verteidigungsminister Ehud Barak hatte jüngst in Zeitungsinterviews darauf hingewiesen, dass „alle Optionen auf dem Tisch“ lägen. Eine identische Formulierung verwendet auch der amerikanische Präsident, als diplomatisches Drohmittel und (noch) nicht als konkreten Hinweis auf ein warmlaufen der Motoren amerikanischer Bomber auf der Startbahn. Als Israels Verkehrsminister Schaul Mofas kriegerische Sprüche in der Wochenendeausgabe einer israelischen Zeitung äußerte, explodierten weltweit an den Börsen die Ölpreise. Am Sonntag danach wurde Mofas im Kabinett von Ministerpräsident Ehud Olmert in aller Öffentlichkeit zurückgepfiffen. Doch Olmerts Anmerkung, dass Minister keine Spekulationen zu Themen in die Welt setzen sollten, die nicht in ihren Amtsbereich gehören, machte keine Schlagzeilen mehr. Immerhin heißt es heute, dass Mofas wohl eine Einzelmeinung und Wahlkampfparolen von sich gegeben habe.
Israelische Journalisten im Dienste ausländischer Medien verdienen sich eine goldene Nase mit Zitaten ungenannter „Geheimdienstkreise“. So bestätigte einst ein israelischer Professor, befragt worden zu sein, ob eine unterirdische Atomsprengung die Umwelt verseuche. Doch als er las, was daraus der Journalist gemacht hatte, konnte er nur lauthals lachen oder um seinen guten Ruf bangen. So „erfand“ jener Journalist „exklusiv“ die Taktik, mit einer klassischen bunkerbrechenden Bombe ein Loch in die Erde zu bohren, um in das Loch eine Atombombe zu werfen und darunter liegende Atomlabors zu zerstören. Weil „unterirdisch“ gezündet, würde es an der Erdoberfläche keine Strahlung geben!
Ein israelischer Angriff auf Iran ist gewiss nicht auszuschließen, solange Israel glaubt, in seiner physischen Existenz gefährdet zu sein. Selbstverständlich übt die israelische Luftwaffe Langstreckenflüge. Das tat sie schon lange vor dem iranischen Atomprogramm. Ein Blick auf die Landkarte lehrt, dass israelische Kampfbomber über den Nato-Partner Türkei, über das feindselige Syrien oder über den Friedenspartner Jordanien und dann über den von den Amerikanern kontrollierten Luftraum des Irak hin- und zurück fliegen müssten. Ein israelischer Alleingang wäre also extrem schwierig, wenn nicht unmöglich. Es sollte auch noch angemerkt werden, dass alle bedeutsamen israelischen Kommandounternehmen, das Bombardement des irakischen Reaktors 1981, die Geiselbefreiung von Entebbe, die Rettung von 14.000 äthiopischen Juden per Luftbrücke an einem Wochenende oder die israelische Geheimattacke auf einen vermeintlichen syrischen Atomreaktor (im Bau) im vergangenen September unter derartiger Geheimhaltung geplant wurden, dass nichts vorzeitig an die Öffentlichkeit drang.  Den Stammtischparolen ausgedienter Generale a.D., unverdienten Hinterbänkler und wahlkämpfender Politiker sollte nur bedingt Glaube geschenkt werden. Denn israelische Geheimschläge kommen immer anders als vorher laut diskutiert.

Hinterlasse eine Antwort