Antisemitismus, Holocaustleugnung und Märtyrerkult – Die iranische Gefahr

  • 0

Antisemitismus, Holocaustleugnung und Märtyrerkult

Die iranische Gefahr

 

 
 von Matthias Küntzel  

 

 Vortrag vom bei 30. Juni 2008bei der Deutsch-Israelische Gesellschaft Freiburg

 

 

Das Thema, über das ich heute Abend sprechen werde, handelt von gesellschaftlichen Zuständen, die genau das Gegenteil von dem sind, war wir jetzt während der Europameisterschaft in Basel und Wien erlebten.

 

Während hier im Saal wie auch nachher im Stadion von Wien Frauen und Männer so zusammensitzen, wie es ihnen gerade passt, gilt dies bereits den Machthabern in Teheran als ein Sakrileg. Für Frauen sind die Fußballstadien im Iran bei allen nationalen Begegnungen versperrt. Begründung des Großajatollah Golpajegani: „Nach islamischer Ansicht ist der Blick einer Frau auf einen Mann, auch wenn dabei keinerlei Vergnügen im Spiel ist, nicht zulässig.“

Die Sache so absurd, dass man darüber lachen möchte – doch zum Lachen ist dies nicht: Nach einem Bericht des Wall Street Journal wurden im Iran allein im letzten Sommer 1 Millionen Frauen – zuweilen auch Männer –  wegen ihrer angeblich anstößigen Kleidung inhaftiert – nach fünf Monaten saßen 40.000 Frauen immer noch hinter Gitter. Seit dem letzten Sommer ist auch wieder die Hinrichtung durch Steinigung en vogue. Um nur ein einziges Beispiel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu zitieren: „Nach elf Jahren Haft ist im Nordosten Irans ein Mann gesteinigt worden, der wegen Ehebruchs verurteilt war.“ Man muss sich dies einmal vorstellen: elf Jahre Knast wegen Ehebruchs, anschließend Steinigung. Es wird befürchtet, dass die Frau, die mit diesem Mann einvernehmlich zusammengelebte, ebenfalls getötet werden soll.

In keinem anderen Land der Erde werden – oft wegen sogenannter „Sittenverstöße“  so viel Menschen öffentlich gehenkt, wie im Iran: Nach Auskunft der New York Times waren es im Jahr 2007 298 Menschen, die in aller Regel öffentlich und auf besonders grausame Weise – mit Hilfe von Baukränen – getötet wurden. Doch hier in Freiburg regt man sich darüber nicht auf. Hier wurde im Mai 2001 die erste deutsch-iranische Städtepartnerschaft mit der iranischen Stadt Isfahan kreiert.[1][1] Der Verein, der für dieses Projekt gegründet wurde, sieht seine Aufgabe darin, „das Verstehen der jeweils anderen Lebensart zu erleichtern.“ Ich komme auf ihn zurück.

Der Kontrast zwischen der EM und den Zuständen in Teheran existiert auch auf dem Gebiet der internationalen Verständigung: Während der Fußball-Weltverband FIFA keine Ausgrenzung von Nationen kennt, wird genau dies von Iran in Bezug auf Israel praktiziert. So werden alle iranischen Sportler genötigt, Israel auch auf den Wettkampfplätzen zu boykottieren. Bei der letzten Olympiade trat ein iranischer Judokämpfer gegen seinen israelischen Gegner nicht an, sondern ließ sich lieber – vom Regime gefeiert – disqualifizieren. Und als vor einiger Zeit Bayern München gegen den Fußballverein Maccabi Tel Aviv spielte, wurde der Iraner in der Mannschaft von Bayern München, Vahid Hashemian, unmittelbar vor Spielbeginn auf rätselhafte Weise krank.

Auch hier möchte man zunächst von einer verrückten Marotte sprechen. Doch die Sache ist, wie sie wissen, todernst. Zwischen diesem Boykott auf den Sportplätzen und den Vernichtungsandrohungen des iranischen Präsidenten besteht ein Zusammenhang. Wenn Ahmadinejad den jüdischen Staat als eine „tote Ratte“ und als eine „stinkende Leiche“ bezeichnet, wie jetzt aus Anlass des 60. Geburtstages von Israel, wenn er das Land  als eine „schwarze und dreckige Mikrobe“ oder als ein „Krebsgeschwür“ bezeichnet, dann wissen wir, dass dies die Sprache des „Stürmer“ ist. Und wir wissen, dass es schon im Falle des „Stürmers“ nicht bei dieser Sprache blieb. Auschwitz hat nicht mit den Backsteinen für die Krematorien begonnen – Auschwitz hat mit Worten begonnen – mit genozidalen Worten, wie sie früher durch den „Stürmer“ und heute durch die Repräsentanten des iranischen Regime verbreitet werden.

 

Mein dritter und letzter Vergleich zwischen der Endspielatmosphäre in Wien und der Alltag in Teheran hat mit der Akzeptanz von Pluralismus und Meinungsvielfalt zu tun. Sie ist bei sportlichen Begegnungen wie der EM eine Selbstverständlichkeit – während im Iran der Dissident heute sein Leben riskiert. Ich rede gar nicht von der Unterdrückung der westlichen, z.B. klassischen Musik in den öffentlichen Radios. Ich rede nicht von dem Verbot, eine nach unseren Maßstäben normal gekleidete Frau im Fernsehen zu zeigen und auch nicht von dem Einfuhrverbot für Krawatten, die man als angebliches Symbol des christlichen Kreuzes verfolgt – ich rede von der Tatsache, dass allein im letzten Sommer 4.000 Internet-Adressen blockiert, 30 Zeitungen geschlossen und 17 Journalisten inhaftiert wurden – zwei von ihnen wurden als sogenannte „Feinde Gottes“ zum Tod verurteilt. Es ist sehr wichtig, zwischen dem herrschenden Regime in Teheran und der iranischen Bevölkerung zu unterscheiden. Es gibt kaum eine Gesellschaft im Nahen und Mittleren Osten, die so kritisch und aufsässig und so pluralistisch ist, wie Gesellschaft des Iran. Um so drakonischer der Terror des Regimes, mit heute die Stimmen dieser Widerstandsbewegungen – der Frauen-, Studenten- und Gewerkschaftsbewegungen – zum Schweigen gebracht und ihre Aktivisten in den Tod oder in die Resignation getrieben werden.

 

Sind nicht schon die drei von mir aufgeführten Punkte: erstens der Terror gegen Frauen, zweitens die Unterdrückung der Pluralität drittens die genozidalen Ankündigungen Israel gegenüber Grund genug, dieses Regime zu isolieren mit einem Wirtschaftsboykott zu belegen?

 

Dabei ist dessen spezifische Gefährlichkeit des Regimes mit dieser Auflistung noch gar nicht erfasst – ich meine jene revolutionär-religiöse Mission, in deren Dienst der Terror steht. Überall auf der Welt will die Gottesdiktatur die säkulare und freiheitliche Orientierung des Westens durch eine Scharia-Ordnung ersetzen, wie sie teilweise im Gaza-Streifen schon existiert, wo alle Hamas-kritischen Medien verboten sind und wo, wer sich als Mann bartlos und als Frau unverschleiert auf der Straße zeigt, seine Freiheit, wenn nicht sein Leben riskiert. Aus Sicht des Mullahs sollen überall Frauen brachial unterdrückt, Schwule öffentlich gehängt, Gewerkschafter verfolgt, Zeitungen verboten und Sünder gesteinigt werden können. „Unsere Mission transzendiert die geographischen Grenzen der islamischen Welt“, erklärt Irans Präsident Ahmadinejad. „Unsere Geistlichen stehen in der Verantwortung, die Menschheit als Ganze dazu anzuhalten, die Prinzipien der monotheistischen Herrschaft zu übernehmen.“[2][2]

 

Es ist diese Vision einer globalisierten Scharia, die die Massenbewegungen des Regimes mobilisiert: Dazu gehört die 120.000-köpfige Eliteeinheit der Revolutionswächter (Pasdaran) sowie die mehrere Millionen Mitglieder zählende Bewegung der Bassiji, die den Tugendterror noch in die letzten Winkel des Landes trägt. Um die Erfüllung dieser Mission geht es auch bei den diversen Kriegen, die das Regime derzeit eskaliert: im Irak, in Afghanistan, im Libanon oder in den palästinensischen Gebieten. Überall ist die Etablierung eines theokratischen Faschismus das Ziel. Das wichtigste radikalisierende Element dieser Mission aber ist der Glaube an die Wiederankunft des „Zwölften Imam“.

 

Mit dieser mythischen Figur ist der letzte unmittelbare Nachkomme Mohammeds in zwölfter  Generation gemeint, der im Jahr 874 als kleiner Junge spurlos verschwand. Die Schia stützt sich auf den Glauben, dass dieser „Imam“ irgendwann aus seiner Verborgenheit hervortreten und die Welt von allen Übeln befreien werde. Die abstrakte Messias-Vision von einer Befreiung der Welt, wie sie auch im Judentum und Christentum existiert,  haben Ahmadinejad und seine Freunde in ein tagespolitisches Programm verkehrt. So gehörte Anfang 2008 der Bau einer Prachtstraße für den „Messias, der demnächst kommen wird“ zu den Wahlkampfversprechungen Ahmadinejads, mit deren Hilfe er die Parlamentswahlen im März 2008 gewann.[3][3] Was würde mit dem Bürgermeister der Heiligen Stadt Rom geschehen, wenn dieser ganze Stadtviertel abreißen ließe, um für die baldige Ankunft des Jesus-Messias eine Prachtstraße zu errichten? Würde er nicht seines Amts enthoben wenn nicht für verrückt erklärt werden?  Hingegen betrachtet sich der amtierende Regierungschef des Iran als den unmittelbaren Wegbereiter des 12. Imam. Für ihn ist die Vorbereitungen auf dessen Wiederankunft „die wichtigste Aufgabe unserer Revolution.“[4][4] Er charakterisiert seine Politik als „jene Art von Mission, die auch den göttlichen Propheten anvertraut gewesen war. Sie erlaubt es nicht, dass wir uns ausruhen oder auch nur einen Moment schlafen.“[5][5]

Solch intimer Kontakt zu übernatürlichen Kräften macht Politik unberechenbar. Warum sollte sich ein politischer Führer um die strategischen Realitäten dieser Welt allzu viele Sorgen machen, wenn er weiß, dass schon in Kürze der Messias kommen und die Geschicke dieser Welt übernehmen wird?

 

Doch jetzt, genau an diesem Punkt, kommt das iranische Atomprogramm ins Spiel.

 

Wir hatten in einem ersten Schritt die politischen Verhältnisse im Iran mit einigen der für uns unverzichtbaren liebgewordenen Elementen westlicher Politik – Beispiel EM – kontrastiert. Wir haben in einem zweiten Schritt gesehen, dass das Regime seine brachiale Herrschaft nicht auf den Iran beschränken will, sondern globale Ambitionen hat.

 

Nun – in einem dritten Schritt – nehmen wir das iranische Atomprogramm ins Auge – ein Atomprogramm, an dessen militärischer Funktion –  nach dem jüngsten, alarmistischen Bericht der Wiener Agentur – nicht der geringste Zweifel mehr besteht. In diesem Bericht – ich zitiere die New York Times – „geht es unter anderem um Experimente mit Präzisionszündern für Nuklearbomben und um die Konstruktion eines kugelförmigen Gefechtskopfs für Mittelstreckenraketen, der nach Einschätzung von IAEA-Fachleuten nur für atomare Sprengköpfe Sinn ergäbe.“[6][6]

 

Nun wären Atomwaffen in einem Land, dass seine Bürger unterdrückt nichts wirklich Neues. Atomwaffen in den Händen eines Regimes dass diese Unterdrückung mit missionarischem Eifer auf anderen Staaten ausweiten möchte, stellen schon eine größere Gefahr dar. Atomwaffen in den Händen eines Regimes aber, dass aus antisemitischen Gründen und lieber heute als morgen den jüdischen Staat Israel beseitigen will, bedeuten hingegen eine hochbrisante und brandgefährlich Eskalation – eine Eskalation, die so oder so zum Krieg führen wird.

 

Ist aber der islamistische Iran ein antisemitisches Regime? Lebt im Iran nicht eine jüdische Minderheit, die größer ist, als die jüdischen Minderheiten sämtlicher anderer muslimischer Nationen? Pflegt Ahmadinejad nicht bei jeder sich anbietenden Gelegenheit Juden demonstrativ zu umarmen und stets zu betonen, dass nicht Juden, sondern Zionisten sein Feindbild bestimmen? Gewiss. All dies ist der Fall.

 

Und doch hat bislang kein anderer Regierungschef seit Adolf Hitler so viel Antisemitismus verbreitet wie Mahmoud Ahmadinejad. Er sagt nicht, dass „Juden“ die Welt beherrschen. Er sagt: „Zweitausend Zionisten wollen die Welt beherrschen.“ Er sagt: „Die Zionisten“ haben in den letzten 60 Jahren „alle westlichen Regierungen“ erpresst. „Die Zionisten“ haben in den USA „einen beträchtlichen Anteil der Banken, des Finanzwesen, der Kulturindustrie und der Medien an sich gerissen.“ „Die Zionisten“ haben die dänischen Mohammed-Karikaturen fabriziert. „Die Zionisten“ haben die schiitische Kuppelmoschee im Irak zerstört.“

Er benutzt die Vokabel „Zionist“ genau so, wie einst Hitler die Vokabel „Jude“ benutzte: Als Inkarnation alles Bösen auf dieser Welt. Auch wenn das Regime die jüdische Gemeinde von Teheran vorerst toleriert: Wer Juden – ob als „Judas“ oder „Zionist“ – für alles Böse der Welt verantwortlich macht, ist von einem genozidalen Antisemitismus beherrscht.

Schon 1963 hatte das große Vorbild Ahmadinejads – der spätere Revolutionsführer Khomeini – die mobilisierende Bedeutung des Antisemitismus erkannt und für sich genutzt. „Ich weiß, dass ihr nicht wollt, dass der Iran unter den Stiefeln der Juden liegt“, rief er am 13. April 1963 seinen Anhängern zu.[7][7] Noch im selben Jahr griff er den Schah als einen verkappten Juden und einen Befehlsempfänger Israels an.[8][8] Die Resonanz war riesig, Khomeini hatte sein Kampagnenthema gefunden. „Jetzt war der Ayatollah davon überzeugt“, schreibt sein Biograph Amir Taheri, „dass das zentrale politische Thema des gegenwärtigen Lebens eine ausgeklügelte und hochkomplexe Verschwörung der Juden sein müsse“, eine Verschwörung, um „den Islam zu entmannen und die Welt mithilfe der natürlichen Reichtümer der Muslime zu kontrollieren“.[9][9] Von nun an blieb der Hass auf Juden – in seiner atavistisch-schiitischen wie in seiner modernen antisemitischen Form – eine zentrale Komponente der iranischen islamistischen Ideologie.

Als sich im Juni 1963 Tausende von Khomeini beeinflusste Religionsstudenten zu einem Protestmarsch nach Teheran aufmachten und von Sicherheitskräften des Schah brutal gestoppt wurden, lenkte Khomeini den Zorn auf die Juden außerhalb des Iran: „Israel will nicht, dass der Koran in diesem Land überlebt. … Es vernichtet uns. Es vernichtet euch und die Nation. Es möchte die Wirtschaft übernehmen. Es will unseren Handel und die Landwirtschaft zerstören. Es will den Wohlstand des Landes an sich reißen.“[10][10]

Nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 wurde die antisemitische Agitation, weiter verstärkt. „Die Juden waren es“, schrieb Khomeini 1970 in seinem Hauptwerk Islamische Regierung,  „die als erste mit der anti-islamischen Propaganda und mit geistigen Verschwörungen begannen und das dauert, wie jeder sehen kann, bis zur Gegenwart an.“[11][11] „Die Juden“, rief er erneut im September 1977, „haben sich mit beiden Händen auf die Welt gestürzt und sind dabei, sie mit unersättlichem Appetit zu verschlingen. Sie haben Amerika verschlungen und haben sich als nächstes dem Iran zugewandt und sind immer noch nicht zufrieden.“[12][12] Diese antisemitischen Attacken trafen unter den iranischen Oppositionellen, ob aus der Linken oder aus dem islamistischen Lager, auf positive Resonanz. Zeitgleich wurden die Protokollen der Weisen von Zion auf persisch veröffentlicht und als Waffe gegen den Schah, Israel und die Juden verbreitet.

 

Nach dem Erfolg der Revolution von 1979 wurde diese Rhetorik vorläufig eingestellt. Khomeini konnte weder die Ergebenheitssignale der jüdischen Gemeinde ihm gegenüber noch das im Koran festgelegte Toleranzgebot ignorieren. Im Mai 1979 erklärte er: „Wir unterscheiden zwischen Juden und Zionisten. Der Zionismus hat mit Religion nichts zu tun.“[13][13] Von nun an wurden die Juden (wie auch die armenischen Christen und die Zoroastrer) nach dem traditionellen islamischen Staatsverständnis als Schutzbefohlene (Dhimmis) gemäß den „Prinzipien islamischer Gerechtigkeit“ behandelt. „Dieses Prinzip“, so Artikel 14 der iranischen Verfassung „findet Anwendung auf alle, die sich nicht an Aktivitäten oder Verschwörungen gegen den Islam und die Islamische Republik Iran beteiligen.“ Zur Abschreckung derartiger „Verschwörungen“ wurden mehrere jüdische Führer, wie der frühere Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Habib Alqanayan, mit der einzigen Begründung, mit Israel und dem Zionismus in einer Verbindung zu stehen, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Diese Einschüchterung wirkt bis heute nach, wie ein Blick auf die Homepage der jüdischen Gemeinde in Teheran beweist.

Als beispielsweise im Juni 1999 dreizehn iranische Juden verhaftet wurden, weil sie angeblich Spionage für Israel betrieben hätten, sah sich die jüdische Gemeinde in Teheran gezwungen, die iranischen Machthaber hierfür zu loben. Der Iran habe vor aller Welt demonstriert, so ihr Kommentar, „dass er die jüdische Gemeinschaft gut behandelt. … Die Verhaftung und die Anklagen gegen eine Reihe iranischer Juden hat nichts mir deren Religion zu tun.“[14][14] Ähnlich devot lesen sich ihre Stellungnahmen aus der Gegenwart: So gratuliert die jüdische Gemeinde dem Regime zu den Fortschritten im Atomprogramm, sie feiert gemeinsam mit dem Regimes die Märtyrer des Krieges gegen den Irak, sie solidarisiert sich mit dem „libanesischen Widerstand“ gegen Israel und ruft die Juden in aller Welt zur Verurteilung der „israelischen Angriffe“ auf,  welche „die humane Lehren der jüdischen Tradition zertrampeln“ würden.[15][15]

Heute aber erfüllt die jüdische Gemeinde im Machtspiel des Ahmadinejad nicht nur eine Alibi- sondern zunehmend auch eine Abschreckungsfunktion. Sie befindet sich im Fall eines israelischen Angriffs auf iranische Atomanlagen in einer Art von Geiselhaft und könnte Racheakten ausgesetzt sein. Israels Aktionsradius wird hierdurch eingeschränkt. Gleichzeitig nehmen die generellen antijüdischen Angriffe zu, was besonders die Tatsache beweist, dass der Iran als einziges Land der Welt die Leugnung des Holocaust in das Zentrum einer Außenpolitik rückte.

 

Die Leugnung des Holocaust setzt einen auf die Spitze getriebenen Antisemitismus voraus. Wer Auschwitz zum „Mythos“ erklärt, zeichnet die Juden als einen universellen Feind, der die Menschheit um des schnöden Mammons willen seit 60 Jahren fortlaufend betrügt; ein Feind, der vermeintlich 90 Prozent der Lehrstühle und Medien kontrolliert und hermetisch gegen die „eigentliche“ Wahrheit abgeschottet. Er schürt auf diese Weise erneut jenen genozidalen Hass, der die Shoah mit vorbereiten half. In jeder Holocaust-Leugnung ist somit der Anreiz, ihn zu wiederholen, enthalten.

Seit Dezember 2005 hat der iranische Präsident die Leugnung des Holocaust in das Zentrum seiner Agitation gerückt. Seither scheut das Regime keine Mühe, die Verspottung und „Entlarvung“ des „Holocaust-Mythos“ als das  neues historiographisches Paradigma zu verankern. So ist im Iran in den vom Fernsehen übertragenen Freitagspredigten die „Lüge vom Judenmord“ zu einem prominenten Topos avanciert.[16][16] In Talksshows belachen „Historiker“ das „Märchen von den Gaskammern“ während sich die staatliche iranische Presseagentur als Plattform und Lautsprecher für Holocaust-Leugner aus aller Welt etabliert.[17][17]

Doch in eben jenem Dezember 2005, als Ahmadinejad seine im Oktober 2005 begonnene Holocaust-Leugnung als  Regierungspolitik systematisierte, startete der Freiburger Freundeskreis „Freiburg – Isfahan“ seine bisher größte Aktion: Man reiste nach Teheran und anschließend nach Isfahan, um dort ein mit Koran-Suren eingeleitetes deutsch-iranisches Menschenrechtsseminar durchzuführen. Das Programm dieses Seminars klammert freilich nicht nur die Holocaust-Leugnung und den Antisemitismus des Regimes, sondern auch dessen eklatante Verletzung der Menschenrechte vollständig aus: Während mehrere deutsche Referenten über das Prozedere der Gerichtsverfahren in Deutschland und die Rolle von  Rechtsanwälten referieren durften, behielten sich die iranischen Gastgeber das Grundsatzreferat zur Verteidigung der Scharia  vor. Sein Titel: „Menschliche Würde: Eine gemeinsame Basis für den Schutz der Menschenrechte im Islamischen Recht und im internationalen Recht.“

Mit dem Karikaturen-Wettbewerb zur Judenvernichtung, den die iranische Zeitung Hamschahri im Februar 2006 unter dem Titel „Holocaust International Cartoon Contest“ ausschrieb, wurde der Welt erstmals der neue Stil der iranischen Holocaust-Leugnung – kreativ, modern, freiheitlich und selbstbestimmt – vorgeführt. Hamschahri ist die auflagenstärkste Zeitung Irans und befindet sich im Besitz der Stadt Teheran. „Ob es den Holocaust gegeben hat oder nicht, werden die Karikaturisten selbst bestimmen“, erläuterte Achmed Kasemi, einer der Organisatoren des Wettbewerbs.[18][18] Von den über 1000 eingereichten Karikaturen aus 62 Ländern stellte man im Herbst 2006 200 Exemplare im Teheraner Palästina-Museum aus.

Es dürfte sich um die erste, international beachtete Ausstellung antisemitischer Kunst seit 1945 gehandelt haben. Eröffnet wurde sie von Saffar Harandi, dem iranischen Minister für Kultur und Islamische Führung. Unter den ausländischen Gästen befanden sich der Botschafter des Libanon sowie der Vertreter der Palästinensischen Gebiete.[19][19]

Der mit 12.000 Dollar dotierte erste Preis wurde für das Bild eines Marokkaners vergeben, das den Bau der umstrittenen israelischen Trennmauer mit Auschwitz parallelisiert. Den zweiten und dritten Preis erhielten Zeichnungen, die den Holocaust als primitive Erfindung darstellen. Das eine Bild zeigt eine umgestürzte Holzkulisse, die eine Gaskammer und einen Verbrennungsofen darstellen soll. „Wer hat das umgeschmissen?“, fragt ein Jude. „Faurisson“, antwortet ein zweiter. Das andere zeigt zwei feixende Soldaten neben einem frisch ausgehobenen Massengrab, in das sie keine echten Toten, sondern lediglich Papiernachbildungen versenken.[20][20] Wirklich Getötete scheint es demnach nicht gegeben zu haben.

 

Im Dezember 2006 folgte die berüchtigte Teheraner Holocaust-Leungner Konferenz mit mehr als 60 Teilnehmern aus 30 Ländern. Es handelt sich um 60 obskure Spinner, die, wenn sie sich in irgendeiner Hafenkneipe Australiens getroffen hätten, einer Beachtung nicht wert gewesen wären.

Diese Konferenz gewann nur deshalb Gewicht und historische Bedeutung, weil sie sich auf Einladung und in den Räumen des iranischen Außenministerium abspielte –  in den Räumen einer Regierung, deren Land über die nach Saudi-Arabien größten Ölvorkommen und die nach Russland größten Erdgasvorkommen der Welt verfügt, in Räumen, deren Wände die Fotos von Leichen zeigen, die die Aufschrift „Mythos“ tragen, sowie Fotos von lachenden KZ-Überlebenden mit der Aufschrift „Wahrheit“.

 

Warum aber wird angesichts des erklärten iranischen Ziels, Israel zu zerstören und eine Art zweiter Holocaust in Gang zu setzen, Hitlers Holocaust von den Machthabern in Teheran in Abrede gestellt, anstatt gepriesen? Alle Deutschen, die einmal in Amman oder in Damaskus gewesen sind, wissen über die dort übliche Bewunderung für Hitler Bescheid. Hier wird Hitler allerdings nicht wegen der Autobahn gerühmt und auch nicht wegen des Einmarschs in Paris, sondern wegen des Judenmords. Warum also wird der Holocaust ausgerechnet dort am meisten geleugnet, wo die Bewunderung für Hitler die höchsten Blüten schlägt? Wie gehen Holocaust-Leugnung und Hitler-Bewunderung zusammen?

 

Im April 2002 führte ein ägyptischer Kolumnist vor, wie man den Holocaust gleichzeitig leugnen und befürworten kann: „Hinsichtlich des Schwindels mit dem Holocaust haben viele französische Studien bewiesen“, schrieb er in der zweitgrößten, staatlich kontrollierten Tageszeitung, Al Akhbar, „dass dies nichts als Fabrikation, Lüge und Betrug ist. Ich aber beschwere mich bei Hitler und erkläre ihm vom tiefsten Grund meines Herzens: ,Wenn du es nur getan hättest, mein Bruder, wenn es doch nur wirklich geschehen wäre, sodass die Welt ohne ihr [der Juden] Übel und ihre Sünde erleichtert aufseufzen könnte.“[21][21]

Manchmal wird in diesem Teil der Welt die Begeisterung für die Schoa auch ohne Einschränkung formuliert. Dies wurde erstmals im Zusammenhang mit dem Prozess gegen Adolf Eichmann von 1961 evident. Damals publizierte die jordanische Jerusalem Times einen „Offen Brief an Eichmann“, in dem es hieß: „Mit der Liquidierung von 6 Millionen (Juden) haben Sie der Menschheit einen wahren Dienst erwiesen. … Es wird Sie trösten, dass dieser Prozess eines Tages in der Liquidierung der verbliebenen sechs Millionen gipfeln wird, um Ihr Blut zu rächen.“[22][22] Nach Eichmanns Hinrichtung rühmten arabische Autoren wie Abdallah al-Tall „den Märtyrer Eichmann“, der „im Heiligen Krieg gefallen“ sei. [23][23] In ihrem Buch „Eichmann in Jerusalem“ fasste Hannah Arendt diese Stimmung wie folgt zusammen: „Die Zeitungen in Damaskus und Beirut, in Kairo und Jordanien verhehlten weder ihre Sympathie für Eichmann noch ihr Bedauern, dass er ,sein Geschäft nicht zu Ende geführt‘ habe; eine Rundfunksendung aus Kairo am Tag des Prozessbeginns enthielt sogar einen kleinen Seitenhieb auf die Deutschen, denen jetzt noch vorgeworfen wurde, dass ,im letzten Krieg nicht ein deutsches Flugzeug je eine jüdische Siedlung überflogen und bombardiert‘ hätte.“[24][24]

Dieser Herzenswunsch, alle Juden vernichtet zu sehen, wurde im April 2001 in der ägyptischen Tageszeitung Al-Akhbar  wiederholt. „Lasst uns bei Hitler bedanken“, schlug hier der Kolumnist Achmad Ragab vor. „Er hatte sich an den Israelis im Voraus gerächt. Wir machen ihm nur den einen Vorwurf, dass seine Rache nicht vollständig genug gewesen ist.“[25][25]

 

Es liegt auf der Hand, dass diese Zustimmung zum Holocaust mit dessen Leugnung unvereinbar ist. Antisemitismus aber basiert nicht auf Logik, sondern gründet in einer emotionalen Infrastruktur. Diese setzt an die Stelle von Ratio und Vernunft eine irrlichterne Kombination von sich ausschließenden Zuschreibungen, deren einziger gemeinsamer Nenner der eliminatorische Hass auf alles Jüdische ist. In dieser ideologischen Suppe tauchen alle Versionen einer antijüdischen Interpretation des Holocaust gleichzeitig und quer durcheinander auf: Erstens das Hurra über die millionenfache Vernichtung, zweitens der empörte „Nachweis“, dass diese millionenfache Vernichtung eine Erfindung der Zionisten sei; drittens die Behauptung einer jüdischen Verschwörung gegen Deutschland, die Hitler konsequent vereitelt und bestraft habe; viertens die Gewissheit, dass der Holocaust vom Zionismus und den Nazis in Gemeinschaftsarbeit eingefädelt worden sei; fünftens der Vorwurf, dass eben jene Zionisten den Judenmord mit ihrer „Holocaust-Industrie“ aus durchsichtigen Motiven aufbauschten, sechstens, dass der wahre Holocaust das Vorgehen der Israelis gegen die Palästinenser sei.

Wir haben es mit einem fantastischen Parallel-Universum zu tun, in dem das Realitätsprinzip ständig verletzt wird und in dem lauter sich eklatant widersprechende Phantasievorstellungen über Juden ihren Platz haben, solange sie nur die antisemitische Paranoia und den antisemitischen Hass bestätigen – ein Universum, in dem die Gesetze der Vernunft eliminiert und alle seelischen Energien in den Dienst des Antisemitismus eingespannt sind. Dieses Universum zeichnet sich bei all dem Durcheinander durch zwei Konstanten aus: Erstens durch die Weigerung, den tatsächlich stattgefundenen Judenmord zur Kenntnis zu nehmen, geschweige denn zu verurteilen. Zweitens durch die Bereitschaft, im Holocaust, wie gebrochen auch immer, eine Quelle der Ermutigung und der Inspiration zu sehen, eine Art Präzedenzfall, der beweist, dass es geht, dass man Juden millionenfach ermorden kann. Deshalb kommt es bei Ahmadinejad auf den genauen Wortlaut seiner Holocaust-Tiraden gar nicht an. Er ist von diesem Thema besessen, weil ihn die Möglichkeit eines zweiten Holocaust fasziniert. „Die Existenzkurve des zionistischen Regimes geht nach unten“, hatte er in seinem Schlusswort auf der Holocaustleugner-Konferenz erklärt, „es stürzt bald zusammen. …. Das zionistische Regime wird wegradiert und die Menschheit befreit werden.“[26][26]

Seither bezeichnete er Israel abwechselnd als „Krebs“,  als „Schandfleck“ oder als „verfaulten, vertrockneten Baum“ als „tote Ratte“, als eine „stinkende Leiche“ oder als eine „schwarze und dreckige Mikrobe“. Schon dieser Wahl der Metaphern macht klar, dass es dem iranischen Präsident nicht um einen schrittweisen politischen Wandel geht, sondern um einen militärischen Schlag. Insofern ist die Leugnung des Holocaust als Instrument der Propaganda mit dem Atomprogramm als dem potentiellen Instrument der Ausführung verknüpft.

Schon heute wird das iranische Atomprogramm in atavistisch anmutenden Zeremonien eben so gefeiert, wie ansonsten nur der Zwölfte Imam: Als eine Verheißung, die das Unrecht dieser Erde eliminiert. So organisierte Ahmadinejad im April 2006 eine kultisch anmutende Massenveranstaltung, um der Öffentlichkeit das im Iran angereicherte Uran in Form von zwei kleinen Metallbehältern zu präsentieren. Chöre donnerten ihr Allah Akbar und phantasievoll geschmückte Tänzer vollführten ihren Veitstanz rund um diese Metallkapseln und rissen sie pathetisch im Stil der maoistischen Opern-Choreographie in die Höhe.

Vor wenigen Jahren, im Dezember 2001, hatte der ehemalige iranische Präsident Hashemi Rafsanjani erstmals damit geprahlte, dass „eine einzige Atombombe innerhalb Israels alles zerstören“ würde, während der Schaden eines potentiellen nuklearen Gegenschlags für die  islamische Welt begrenzbar sei. „Solch eine Möglichkeit in Betracht zu ziehen, ist nicht irrational.“[27][27] Während die islamische Welt beim israelischen Gegenschlag Hunderttausende „Märtyrer“ opfern könnte, ohne unterzugehen, so die Logik Rafsanjanis, wäre Israel schon nach der ersten Bombe Vergangenheit. Es ist eben diese Suizid-Mentalität, die das iranische Atomwaffenprogramm von den Programmen aller anderen Länder unterscheidet und so gefährlich macht. Und damit bin ich bei meiner letzten Charakterisierung der spezifisch iranischen Ideologie.

 

Diese Märtyrerideologie ist das wichtigste Erbe, dass Khomeinis seinen Nachfolgern hinterlassen hat. Ihm galt das Leben stets als wertlos und der Tod als der Beginn der eigentlichen Existenz. „Die natürliche Welt“, erklärte der Revolutionsführer im Oktober 1980, „ist der niedrigste Aspekt; der Abschaum der Schöpfung.“ Entscheidend sei das Jenseits,  jene „göttliche Welt, die unerschöpflich“ ist.[28][28] Khomeini propagiert den Tod des Märtyrers als den Übergang von der diesseitigen in die jenseitigen Welt, wo er ewig und in Prächtigkeit weiterleben wird. Ob der Kämpfer also die Schlacht gewinnt oder ob er sie verliert und als Märtyrer stirbt – in beiden Fällen ist ihm der Sieg gewiss: als weltlicher oder als seelischer Sieg. Nur vor diesem theologischen Hintergrund ist die Bereitschaft Khomeinis sowie einiger seiner Nachfolger zu verstehen, für die Auslöschung Israels notfalls auch den Iran zu opfern. „Wir verehren Gott, nicht den Iran“, erklärte er 1980 in Qom. „Patriotismus ist nur ein anderer Name für Heidentum. Ich sage: Lasst dieses Land [den Iran] ruhig in Rauch und Flammen aufgehen, sofern nur der Islam in der übrigen Welt triumphiert.“[29][29]

Während die Mehrheit der Iraner und selbst ein guter Teil des Klerus derartigen Szenarien eine Absage erteilt, bereitet sich der radikalislamistische Flügel eben darauf vor. Schließlich sehen Ahmadinejad und seine Freunde zwischen dem Herannahen des schiitischen Messias und der Zerstörung Israels einen Zusammenhang sehen. Dies machte die jüngste Stellungnahme von Mohammad Hassan Rahimian, dem Vertreter des iranischen Revolutionsführers Ali Khamenei, unabweisbar klar. Rahimian erklärte am 16. November 2006: „Der Jude ist der hartnäckigste Feind des Frommen. Und der Hauptkrieg wird über das Schicksal der Menschheit entscheiden. … Das Wiedererscheinen des 12. Imam wird einen Krieg zwischen Israel und der Schia mit sich bringen.“[30][30]

 

Es ist dieses einzigartige ideologische Gebräu – Antisemitismus, Revolutionsideologie, Messianismus – das die iranische Nuklearentwicklung so beispiellos gefährlich macht –  jene Mischung aus Holocaust-Leugnung und High-Tec, aus Welteroberungsphantasie und Raketenforschung, aus apokalyptischer Heilserwartung und Plutonium.

Warum treibt der Iran sein Atomprogramm um jeden Preis voran? Ahmadinejad hat die Antwort im August 2007 so formuliert: „Die Nuklearisierung Irans ist der Beginn einer grundlegenden Veränderung  in der Welt“. Irans Atomtechnik, so versprach er weiter, werde „in den Dienst derer gestellt, die entschlossen sind, den brutalen Mächten und Aggressoren entgegenzutreten.“[31][31] Diese Aussage zeigt, dass das iranische Atomprogramm weder für Energiezwecke noch für den Zweck der Abschreckung oder gar der Verteidigung konzipiert ist, sondern als ein Instrument „grundlegender Veränderungen“ nicht nur in der Region, sondern in der Welt. Ahmadinejads Worte führen zweitens vor Augen, dass der Iran seine nuklearen Fähigkeiten ohne Skrupel an andere Regimes oder Bewegungen weitergeben will. Das iranische Regime lässt keinen Zweifel, an welchem Punkt der Erde es seine „Revolution“ zu beginnen gedenkt.

 

Seit 1945 hat sich die Welt an die Vorstellung von Atomwaffen im Besitz von säkularen oder halb-säkularen Mächten gewöhnt. Im Iran aber sind wir mit etwas Neuem konfrontiert. Hier wird erstmals das Zerstörungspotential der Bombe mit dem Furor des erklärten Religionskriegs, mit Paradiesglaube und Märtyrerideologie, vereint. Es ist diese Ankopplung an eine globale religiöse Mission, die das iranische Atomprogramm zur gegenwärtig größten Gefahr auf dem Globus macht.  Die Wahrscheinlichkeit, dass eine iranische Atombombe zum I. Weltkrieg des 21. Jahrhunderts führt, ist einfach zu groß, als dass man es darauf ankommen lassen dürfte.

 

Dennoch hat sich die Zivilgesellschaft, die Publizistik und die Politik in Deutschland darauf eingestellt, wegzuhören, wegzusehen, zu beschwichtigen und zu beruhigen. Man möchte in diesem Regime nach wie vor und um jeden Preis einen „Partner, nicht Gegner“ sehen.[32][32] So erklärte die deutsch-iranische Industrie – und Handelskammer in Teheran im Dezember 2007, zweieinhalb Jahre nach Beginn der Präsidentschaft Ahmadinejads: „Deutschland betreibt mit dem Iran mehr Geschäfte, als jedes andere europäische Land; das jährliche Handelsvolumen wird auf 5 Mrd. € geschätzt. Mindestens 1.700 deutsche Unternehmen sind im Iran aktiv. Rund 75 Prozent aller kleinen und mittelständischen Betriebe im Iran sind mit deutscher Technologie ausgestattet.“[33][33] Ein ehemaliger Geschäftsführer dieser Handelskammer fügte hinzu: „Die Iraner sind auf deutsche Ersatzteile und Zulieferer angewiesen.“ Angewiesen bedeutet: Russische oder chinesische Lieferanten haben auf diesem Gebiet keine Chance. Angewiesen heißt: Bei einem ernsthaften deutschen Wirtschaftsembargo wäre die iranische Ökonomie innerhalb von drei bis vier Monaten paralysiert.

Ist es noch möglich, den Machthabern im Iran mit nicht-militärischen Mitteln in den Arm zu fallen? Gibt es zur schlimmsten Option – der „iranischen Bombe“ und zur zweitschlimmsten Option, der Bombardierung Irans, die ebenso notwendig wie gerechtfertigt sein kann, noch eine Alternative? Die Zeitbombe tickt. Doch sie wird nicht ewig ticken. Sie wird hochgehen. Sie könnte schon bald hochgehen, wenn in absehbarer Zeit nichts wirklich Einschneidendes passiert. Der Iran wird von zwei Zentren bestimmt: der Moschee und dem Bazar. Bisher hat der Bazar für die Verrücktheiten der Moschee nicht zahlen müssen, weil dessen wichtigsten Handelspartner – besonders Deutschland – zu einschneidenden und schmerzhaften Sanktionen nicht bereit gewesen sind. Wenn hier nicht unverzüglich ein Richtungsschwenk erfolgt, steht ein großer Krieg, der die Situation auch in Europa erheblich verändern wird, vor der Tür. Falls dieser Krieg tatsächlich ausbrechen sollte – und im Moment spricht alles dafür – dann wird es fraglich sein, ob die nächste EM in 2012 noch turnusmäßig stattfinden kann, dann könnte es sein, dass man zukünftig an diese Tage der EM mit nostalgischen Gefühlen zurückblicken wird.

 

 

 



 



[1][1] Ausgerechnet Isfahan! Madani schreibt in seiner Studie „Iranische Politik und Drittes Reich“: „Isfahan war das Zentrum der deutschen Propaganda. Alle Fabriken wurden von Deutschen geleitet. Viele Deutsche in Isfahan waren aktive Nazis und gleichzeitig Reserveoffiziere der deutschen Wehrmacht. Ihr Einfluss unter der Bevölkerung stieg sichtbar. … Dieses Zentrum wurde von Schönemann geleitet, der seit den 20er Jahren im Iran lebte. Wie schon in den Jahren des ersten Weltkrieges entfaltete Schönemann gemeinsam mit dem Militärattaché der deutschen diplomatischen Mission lebhafte Aktivitäten, um die Führer der iranischen Nomadenstämme auf die Seite des Deutschen Reiches zu ziehen. … Die Beweise für die Untergrundtätigkeit Schönemanns im Süden waren so schlagend, dass eine Reihe von Abgeordneten des Madjles im November 1940 seine Ausweisung aus dem Lande verlangten.“  (S. Djalal Madani, Iranische Politik und Drittes Reich, Frankfurt/Main 1986, S. 258 und S. 264f.)

[2][2] MEMRI, Inquiry & Analysis no. 1714, September 17, 2007.

[3][3] Rainer Herrmann, Iran zeigt sich unbeeindruckt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 5. März 2008.

[4][4] Paul
Hughes, Iran President Paves the Way for Arabs‘ Imam Return, Reuters, November 17, 2005.

[5][5] Zit. nach MEMRI, Inquiry & Analysis no. 1714, September 17, 2007.

[6][6] Iran and the Inspectors, in: New York Times, May 28, 2008.

 

[7][7] Cheryl Benard und Zalmay Khalilzad, Gott in Teheran. Irans Islamische Republik, Frankfurt a. M. (Suhrkamp), S. 260, Fn. 26.

[8][8] Amir Taheri, The Spirit of Allah. Khomeini & The Islamic Revolution, Bethesda (Adler & Adler), 1986, S. 131 und 138.

[9][9] Taheri, a.a.O., S. 159.

[10][10] Henner Fürtig, Die Bedeutung der iranischen Revolution von 1979 als Ausgangspunkt für eine antijüdisch orientierte Islamisierung, in: Wolfgang Benz (Hg.), Jahrbuch für Antisemitismusforschung, Band 12, Berlin (Metropol) 2003, , S. 77.

[11][11] Fürtig, a.a.O., S. 79.

[12][12] The Institute for the Compolation and Publication of the Works of Imam Khomeini, International Affairs Division, Kauthar. Vol. I. An anthology of the speeches of Imam Khomeini (s.a.) 1962-1978, Tehran 1995, S. 370.

[13][13] Menashri, a.a.O., S. 363.

[14][14] Zit. nach Bostom, a.a.O., S. 9.

[15][15] Siehe die homepage des „Tehran Jewish Committee“ unter www.iranjewish.com .

[16][16] MEMRI Special Report – No. 39, 5. Januar , 2006,S. 6f.

[17][17] Aufschwung für Holocaust-Zweifler in Iran, in: Neue Zürricher Zeitung (NZZ), 16.Januar.2006.

[18][18] Matthias Küntzel, Die zweite Spaltung der Welt, in: Internationale Politik April 2006, S. 75.

[19][19] Baham Nirumand, Holocaust-Ausstellung in Teheran, in: Tageszeitung (taz), 16. 8. 2006.

[21][21] Zit. nach MEMRI, Bericht Nr. 375, May, 3,  2002.

[22][22] Zit. nach Yehoshafat Harkabi, Arab Attitudes to Israel, Jerusalem (Keter Pubs.) 1972, S. 279

[23][23] Ebd.

[24][24] Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem, München 1986, S. 81.

[25][25] So Ragab in der Ausgabe vom 20. April 2001. Er wiederholte diesen Standpunkt an Al-Akhbar am 25.4.2001 und am 27. 5. 2001. Vgl. Anti-Defamation League, Holocaust Denial in the Middle East: The Latest Anti-Israel Propaganda Theme, New York, 2001, S. 2. (www.adl.org)

[26][26] Yigal Carmon, The Role of Holocaust Denial in the Ideology and Strategy of The Iranian Regime, in: The Middle East Media Research Institute (MEMRI), Inquiry and Analysis Series, No. 307, December 15, 2006.

[27][27] Zit. nach: MEMRI,  Special Dispatch Series, No. 324, 3 January 2002.

[28][28] Brumberg, Daniel, Khomeini’s Legecy. Islamic Rule and Islamic Social Justice, in: Appleby, R. Scott, Spokesmen for the Despised. Fundamental Leaders of the Middle East, Chicago & London: University of Chicago Press, 1997, S. 56. In seinem Brief an US-Präsident Bush (siehe: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 17. Mai 2006) griff Ahmadinejad diesen Gedanken auf:  „Ein böses Ende haben nur die, die das Leben des Diesseits bevorzugt haben. … Ewige Glückseligkeit des Paradieses gehört denen, die … nicht ihren Gelüsten folgen.“  

[29][29] Aus: „A Selection of the Imam’s Speeches, Tehran, 1981, vol. III, p.109, zit. nach Amir Taheri, Nest of  Spies. America’s Journey to Disaster in Iran,  London et.al. (Hutchinson) 1988, S. 269.

[30][30] ISNA, 16.11.2006, http://isna.ir/Main/NewsViews.aspx?ID=News-825902 , zit. nach: Honestly Concerned  Iran-Forschung. Übersetzung aus Iranischen Medien, Berlin, 17. November 2006.

[31][31] „Iran’s nuclearization … is the beginning of a very great change in the world.“ Ahmadinejad promised to place Iran’s nuclear technology „at the service of those who are determined to confront the bullying powers and aggressors.“ Zit. nach MEMRI, Inquiry & Analysis no. 1714, September 17, 2007.

[32][32] „Partner, nicht Gegner. Für eine andere Iran-Politik“, lautet der Titel eines in Kürze erscheinenden Buches von Christoph Bertram, dem ehemaligen Direktor der „Stiftung Wissenschaft und Politik. Siehe: Spiegel 16/2008, 14. April 2008.

[33][33] Sanctions Hurt German Companies, Stellungnahme der Deutsch-Iranischen Industrie- und Handelskammer vom 24. Dezember 2007; siehe unter: http://iran.ahk.de

 

 


Hinterlasse eine Antwort