EXKLUSIV: Stellungnahme von Prof. Arnd Krüger zu seinen Thesen zum Olympia-Anschlag 1972 …

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EXKLUSIV: Stellungnahme von Prof. Arnd Krüger….

 

——– Original-Nachricht ——–
Datum: Mon, 30 Jun 2008 18:14:35 +0200 (CEST)
Von:
akruege1@gwdg.de
An: …
Betreff: Re: … interview

Sehr geehrter Herr …,
In dem Referat bei der DVS-Sektion Sportgeschichte am 20.06.2008 ging es um die Frage, was die Israelische Mannschaft vor dem Terroranschlag befürchten musste. Aufgrund der Information von Zeitzeugen und der Diskussion in israelischen Zeitungen vor dem Attentat und der offensichtlich begrenzten Sicherheit im Olympischen Dorf bin ich davon ausgegangen, dass die Frage der Sicherheitslage in der israelischen Mannschaft diskutiert wurde. Dies habe ich auch bereits 1999 in einem Buchkapitel geschrieben: A. KRÜGER: The Unfinished Symphony. A History of the Olympic Games from Coubertin to Samaranch, in: J. Riordan & A. Krüger (Hrsg.): The International Politics of Sport in the 20th Century. London: Spon 1999, 3 – 27.
Ich halte dies auch weiterhin für eine legitime Frage, da bei der bisherigen Erforschung des historischen Kontextes vor allem die Frage des Danach, nicht aber das Davor thematisiert wurde. Als Zeitzeuge, der vier Mitglieder der israelischen Mannschaft persönlich kannte (darunter einen der Ermordeten) und der seine Gefühle in der Sache unmittelbar nach dem Attentat auch in einem Nachruf für die Zeitschrift Leistungssport wiedergegeben hat, treibt mich die Frage um, was damals eigentlich wirklich passiert ist. Dazu ist die Erforschung des Kontextes erforderlich. Meine Betroffenheit über die Situation, wie ich sie damals ausgedrückt habe, hat sich bis heute nicht verändert, deshalb habe ich in dem Vortrag auch meinen damaligen Nachruf in der Power-Point-Präsentation gezeigt.
Meine Erklärungsversuche des Kontextes des Ereignisses in dem „Werkstattbericht“ in Göttingen waren aber offensichtlich untauglich. Die Verwendung aktueller israelischer Literatur (Yael
Hashiloni-Dolev: A Life (Un)Worthy of Living. Reproductive Genetics in Israel and Germany. Dodrecht: Springer 2007) zum Körperverständnis, z.B. der höheren Abtreibungsrate in Israel und dem anderen Umgang mit Eugenik heute, hat keine Aussagekraft für die Situation 1972. Ich habe diese Arbeit aus Israel zitiert, weil ich hoffte, hiermit ein kulturhistorisches Phänomen erklären zu können – und nicht weil ich beabsichtigt hätte, hiermit irgendjemanden zu diskreditieren. Es tut mir leid, wenn ich hierdurch persönliche Gefühle verletzt habe.
Das Referat hieß: „Hebron und München. Wie vermitteln wir die Zeitgeschichte des Sports, ohne uns in den Fallstricken des Antisemitismus zu verhaspeln?“
Der Vergleich mit Ermordung von 67 Juden in Hebron 1929, bei den „Araberaufständen“, bei denen es zu Pogromen in 700 Städten in Palästina kam, aber die Hälfte aller jüdischen Opfer in Hebron zu beklagen war, verweist auf ein anderes Problem: Für 1929 ist es überliefert, dass die jüdische Bevölkerung konkret durch die Hagana gewarnt wurde, aber blieb, weil man sich nicht vorstellen konnte, dass die arabischen Nachbarn, mit denen man seit Generationen zusammengelebt hatte, zu solchen Gräuel fähig sein würden. Ob und in welcher Weise die israelische Mannschaftsführung aber gewarnt war oder ob man nur Zeitungsberichte diskutiert hat, wird sich erst nach Öffnung aller Archive für 1972 ermitteln lassen. Die Vorstellung vom „Olympischen Frieden“, dass man gerade im Olympischen Dorf besonders sicher sei, spielt beim Vergleich beider Ereignisse sicher eine Rolle.
Schon in der Überschrift des Referats habe ich darauf hingewiesen, dass es bei einem solchen Thema möglich ist, dass man sich in den Fallstricken des Antisemitismus zu verhaspeln kann.  Ich bedaure sehr, dass der Eindruck entstanden ist, als sei ich ein Anti-Semit. Alle
meine bisherigen Publikationen beweisen das Gegenteil. Bei meinem Referat in Göttingen habe ich eine Fülle von möglichen Erklärungen angesprochen, aber ich habe zu keiner Zeit vom „Opfer-Tod“ der israelischen Sportler gesprochen.
Natürlich sind Ermordete „Opfer“, aber sie haben sich deshalb noch nicht „geopfert“. Ich habe in dem Referat darauf hingewiesen, dass man bei allen Fragen an die Situation nicht vergessen darf, dass Mörder Mörder und Ermordete Ermordete sind.
Ein entsprechendes Interview habe ich auch bereits Ha’aretz und anderen gegeben.
Mit freundlichem Gruß
Arnd Krüger


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