Kommentar: Olmert geht und bleibt

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Jerusalem, 31. Juli 2008 – Die Opposition hat die Aufgabe, den amtierenden Ministerpräsidenten zu stürzen. So sieht man es in Israel. Das ist ein krankes Demokratieverständnis, zumal in Israel alle Mittel recht sind, den Sturz des Premiers herbeizuführen. Da reicht schon eine Beschwerde bei der Polizei oder auch nur ein Zeitungsartikel. Die goldene Regel des sub judice, also während Ermittlungen oder Verfahren nichts zu veröffentlichen, ist in Israel längst abgeschafft. Zeitungen drucken Wortprotokolle von Verhören ab und das Fernsehen bringt Mitschnitte der Polizeikameras. So wurde Olmert öffentlich vorverurteilt, noch ehe die Polizei genügend Belastungsmaterial gesammelt hat, um eine Anklage gegen ihn zu formulieren. Ähnlich erging es auch schon Olmerts Vorgängern im Amt.
Das Aufatmen über Olmert Versprechen, nach der Wahl eines neuen Vorsitzenden der Kadima-Partei und dessen Ernennung zum Regierungschef sein Amt aufzugeben, währte nur kurz. Denn ganz schnell stellte sich heraus, dass Olmert möglicherweise noch viele Monate, vielleicht gar bis Februar oder März im Amt bleiben könnte, als unstürzbarer „Übergangspremier“, der nicht einmal dem Parlament Rechenschaft schuldig wäre.  In einer Region, wo jederzeit Krieg ausbrechen kann, wo ein Militärschlag gegen Iran debattiert wird, wo Friedensgespräche geführt werden, deren Konsequenzen oder voreilige Konzessionen das Schicksal von Millionen Menschen besiegeln könnten, ist eine derartige Instabilität besonders an der Spitze Israels ein extrem gefährlicher Zustand.
Die Israelis sollten ihre Ministerpräsidenten wegen ihrer Politik beurteilen und kritisieren. Korruptionsverdacht, so schlimm der auch sein mag, sollte erst öffentlich debattiert werden, sowie da tatsächlich etwas nachgewiesen wurde. Es ist absurd, dass Olmert politisch das Debakel des als Niederlage empfundenen Libanonkriegs überstehen konnte, jetzt aber wegen nicht nachgewiesener Korruption den Hut nehmen muss und dennoch mindestens ein halbes Jahr lang im Amt bleiben könnte.
Israel ist nicht irgend ein Land. Die ins politische System Israels eingebaute Unverantwortlichkeit kann verheerende Auswirkungen auf die ganze Region und damit der Welt haben.

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