Faule Kompromisse für Fatah-Flüchtlinge

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Jerusalem, 4. August 2008 – Die 188 Flüchtlinge der Fatah-Organisation, die sich nach einer blutigen Schlacht mit vermummten Hamas-Kämpfern gegen ihre verschanzte Hochburg im Viertel Sadschaijeh in Gaza in Richtung Israel absetzten, können ihres Überlebens nicht froh werden. Etwa 38 von ihnen wurden in Richtung Gazastreifen zurückgeschickt. Während die Israelis ihre Militärpräsenz rund um den mit Mauern umgebenen Kerem Schalom Übergang am Dreiländereck Ägypten-Israel-Gazastreifen verstärkten, um einen Überfall der Hamas zu verhindern, wurden die zurückgeschickten Fatahleute angeblich sofort verhaftet. Weil sie bewaffneten Widerstand gegen die in Gaza herrschende Hamas leisteten, als die eine der letzten Hochburgen der Fatah-treuen Familien auszulöschte, müssen sie sich jetzt rechtfertigen, „Kollaborateure“ mit Israel zu sein, da zum zionistischen Feind übergelaufen sind, um ihr Leben zu retten.
Auch Präsident Abbas scheint die erniedrigenden Bilder der kapitulierenden Kämpfer nicht sonderlich goutiert zu haben. Weil die Israelis böse Erfahrungen mit Hamas-Selbstmordattentätern gemacht haben, die sich als Flüchtlinge getarnt zum Grenzübergang einschlichen und dann sprengten, ließen sie die kämpfenden Mitglieder des Fatah-treuen Hillis-Clans bis auf die Unterhose ausziehen, ehe sie mit Plastikbanden auf dem Rücken gefesselt und mit verbundenen Augen abgeführt wurden. Es ist keineswegs das erste Mal, dass palästinensische Kämpfer zu den Israelis überlaufen, weil sie dann ihres Lebens sicher sein konnten. So geschah es 1970, während des „schwarzen September“ in Jordanien, 1982 im Libanon und während der Intifada.
Palästinenserpräsident Abbas verübelte dem Hilles-Clan, nicht „bis zum letzten Mann“ gekämpft zu haben. Schon vor einem Jahr, als die Hamas per Putsch die Kontrolle über den Gazastreifen übernahm, habe der schwerbewaffnete Hilles-Clan vorzeitig aufgegeben. Die Bilder der erniedrigen Kapitulation, halbnackt den Israelis ausgeliefert zu sein, allein um ihr Leben zu retten, kratzte an der Ehre des Präsidenten. Erst bat er die Israelis telefonisch am Sabbat, seine treuen Kämpfer zu retten. Dann verweigerte er ihnen die Einreise nach Ramallah.
Die Israelis hatten jedoch keinerlei Grund und Anlass, jenen Kämpfern Asyl zu gewähren. Etwa 20 der Flüchtlinge, darunter Clan-Chef Ahmad Hilles, wurden auf israelische Hospitäler verteilt, um ihre leichten bis schweren Verletzungen auszukurieren. „Ungefähr“ 85 der Flüchtlinge wurden am Montag in zwei Bussen und mit Polizeibegleitung nach Jericho gebracht. Es ist unklar, wer da unfähig war, die Busreisenden zu zählen. Der israelische Militärsprecher versendete zunächst eine Mitteilung über 85 Flüchtlinge, die vor der „terroristischen Hamasorganisation in Gaza geflohen seien, weil ihr Leben gefährdet sei“. Als „humanitärer Akt“, in Absprache mit der palästinensischen Autonomiebehörde seien sie nach Jericho gebracht worden. Wenig später vermeldete der Militärsprecher „ungefähr“ 85 Flüchtlinge.
Fast vierzig wurden also nach Gaza zurückgeschickt, wo sie angeblich von der Hamas festgenommen wurden. Etwa zwanzig liegen unter Bewachung in israelischen Hospitälern. „Ungefähr“ 85 sitzen in Jericho fest. Mindestens 43 Fatah-Kämpfer befinden sich also noch beim Verhör der israelischen Sicherheitsbehörden. Wie am Montag durchsickerte, stünden einige der Fatah-Kämpfer des „gemäßigten“ Präsidenten Abbas im Verdacht, an Terroranschlägen gegen Israel beteiligt gewesen zu sein. Die El Aksa-Brigaden der Fatah-Partei von Präsident Abbas waren am Raketenbeschuss gegen Israel beteiligt und übernahmen dafür die volle Verantwortung. Dafür droht ihnen in Israel eine Gefängnisstrafe.
Der Transfer eines Teils der Flüchtlinge nach Jericho (und ausdrücklich nicht in die Regierungszentrale Ramallah) war die Folge des Vorstoßes einer israelischen Menschenrechtsorganisation beim Obersten Gericht. Sie bezichtigte die israelische Regierung, gegen jegliche Konventionen zu verstoßen, indem sie Asylanten in den Gazastreifen zurückschickte, wo ihnen wegen „Kollaboration“ mit dem Feind der Tode drohe. Niemand verklagte Präsident Abbas, der am Sabbat den israelischen Verteidigungsminister Ehud Barak angerufen hatte und flehte, seine in Not geratenen Kämpfer zu retten. Aber als sie auf der israelischen Seite angekommen waren, unter Gefährdung der israelischen Soldaten infolge Beschusses der Hamas, beschloss Abbas, sie nicht in Ramallah aufzunehmen. Vielmehr forderte er deren Verschickung in den von der Hamas kontrollierten Gazastreifen, um dort nach eigenen Angaben, „für die Fatah-Partei Stellung zu halten“. Die Israelis gerieten in eine humanitäre Zwickmühle. Nach Absprache mit dem palästinensischen Premierminister Fajad Salam wurde beschlossen, „ungefähr“ 85 Flüchtlinge nach Jericho zu schicken, wo in den Mittagsstunden etwa 45 Grad Hitze herrschen. Der palästinensische Minister Hussein el Scheich bedankte sich überschwenglich für die Kooperation der Israelis, während er die Hamas als eine „finstere Bande mit schwarzen Herzen“ beschrieb, die von der internationalen Gemeinschaft verbannt werden sollte. Zynisch reagierte ein Moderator beim israelischen Rundfunk: „Der hätte doch glatt die israelische Nationalhymne gesungen.“ 

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