Kommentar: Livnis Scheitern

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Jerusalem, 26. Oktober 2008 – Die Hoffnung vieler Israelis, den unter Korruptionsverdacht stehenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert zugunsten einer „Frau Saubermann“ loszuwerden, und die unbegründeten Hoffnungen der Welt, bald eine „gemäßigte“ Frau an die Spitze Israels zu sehen, mit der Bereitschaft für palästinensischen Visionen stattzugeben, wurden enttäuscht. Livni scheiterte selbstverschuldet wegen ungeschickter Verhandlungstaktik bei ihrer versuchten Regierungsbildung. Sie scheiterte auch unverschuldet, weil die heutige Zusammensetzung der Knesset eine Quadratur des Kreises erfordert, angesichts der widersprüchlichen Interessen egoistischer Parteien. Ehrenwert ist ihr Prinzip, sich finanziell nicht durch „illegale wirtschaftliche wie politische Forderungen erpressen zu lassen“, wie sie selbstgefällig am Sonntag vor ihrem Gang zu Präsidenten und dem offiziellen Eingeständnis ihres Scheiterns sagte. Livni wollte nicht den Haushaltsrahmen zugunsten der Schasspartei sprengen, nur weil Schass glaubt, mit mehr Kindergeld bei potentiellen Wählern Wohlgefallen zu ernten. Aber den von Livni verweigerten 200 Millionen Euros stehen jetzt die Kosten eines Wahlkampfes, eines innenpolitischen Chaos und einer ungewissen Zukunft inmitten einer weltweiten Finanzkrise gegenüber. Nicht Jerusalem, sondern allein die Geldfrage hatte Schass zur Absage an Livni bewegt.
Die israelischen Politiker bewiesen aus Machtbesessenheit mal wieder eine haarsträubende Unverantwortlichkeit. Kurzsichtig hatte Arbeitsparteichef Ehud Barak den Sturz Ehud Olmerts betrieben, mit dem Erfolg, jetzt in der eigenen Partei unten durch zu sein. Livni führte ihre Koalitionsverhandlungen, ohne die physikalischen Gesetze der israelischen Innenpolitik zu beachten. Und die kleinen Koalitionspartner dachten nur an ihre billigen, oder eher, ihre überteuerten Eigenvorteile. Niemand dachte an das Wohl des Staates oder gar an die Vision der Palästinenser, den Israelis Jerusalem zu entreißen. Zu allem Überdruss feiert Ehud Olmert jetzt sein Comeback. Denn er wird noch bis April den Israelis und der Welt als Ministerpräsident erhalten bleiben.

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