Livni gescheitert: Neuwahlen in Israel

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Jerusalem, 26. Oktober 2008 – Zipi Livni werde am Sonntag Abend Israels Staatspräsident Schimon Peres mitteilen, dass sie bei dem Versuch gescheitert sei, eine Regierungskoalition zu bilden. Dieser Beschluss der mit knapper Mehrheit gewählten neuen Vorsitzenden der regierenden Kadima-Partei sickerte am Samstag Abend nach einer parteiinternen Beratung durch. „Ein derart kolossales Scheitern bei der Bildung einer neuen Regierung hat in der ganzen Geschichte Israels bisher nur ein einziger Politiker erlebt, der bis zu seiner Wahl zum Staatspräsidenten als der ewige Verlierer galt: Schimon Peres“, hieß es in ersten Kommentaren im Rundfunk.
Seitdem Livni mit der Bildung einer neuen Regierung in der Nachfolge des zurückgetretenen Premierministers Ehud Omert betraut worden ist, standen der potentiellen ersten weiblichen Regierungschefin seit Golda Meir viele Hürden im Weg. Die Frist von 18 Tagen konnte sie kaum nutzen, weil sich in dieser Periode mehrere jüdische Feiertage mit „langen Wochenenden“ abwechselten. Die meiste Zeit widmete sie dem wichtigsten großen Koalitionspartner, Ehud Barak von der Arbeitspartei. Die zweiwöchigen Gespräche mitsamt vertrauensbildenden Privatessen mit den Ehepartnern endeten freilich nur mit einem „Abkommen im Prinzip“. Livni verweigerte Ehud Barak Vetorechte, die er einforderte, um die Zügel selber an sich zu reißen. Barak hatte die derzeitige Regierungskrise durch ein möglicherweise voreiliges Ultimatum an Ministerpräsident Olmert ausgelöst und wird deshalb in seiner eigenen Partei scharf kritisiert. Gegenüber Livni ließ Barak offen, ob er notfalls einer Minderheitsregierung unter Livni beitrete. Allein deshalb konnte Livni dem Staatspräsidenten keinen Erfolg verkünden, was automatisch Neuwahlen Anfang Februar und eine Fortsetzung der Kadenz von Ehud Olmert bis April bedeutet.
Livni  vernachlässigte andere potentielle Koalitionspartei, ohne die sie jedoch wegen der derzeitigen Zusammensetzung der Knesset keine Regierungsmehrheit erlangen könnte.
Sie beging nach Angaben ihrer Parteifreunde einen „sträflichen Fehler“, nicht von Anfang an mit der orientalisch orthodoxen Schass Partei geredet zu haben. Die Forderung der rechtsgerichteten Schasspartei, den Palästinensern keine Zugeständnisse in der Jerusalemfrage zu machen, spielte nur eine untergeordnete Rolle bei dem Beschluss de Schass-Mentors Rabbi Ovadia Josef, Neuwahlen einer Regierungsbeteiligung bei Livni vorzuziehen. Innenpolitisch entscheidender waren die finanziellen Forderungen von Schass, soziale Ausgaben wie Kindergelder wesentlich zu erhöhen. Livni erklärte am Samstag Abend: „Ich lasse mich nicht erpressen.“ Eine Einwilligung hätte jeglichen Rahmen der restriktiven Finanzpolitik der israelischen Regierung gesprengt. Schass-Chef Eli Ischai beeindruckte Livnis Sorge um den Staatshaushalt nicht. Denn längst hatte er sich von Oppositionschef Benjamin Netanjahu ein Versprechen eingeholt, alle finanziellen Schass-Forderungen im Falle seines Wahlsieges zu erfüllen.
Livni gestand inzwischen, dass dem Staat Israel Neuwahlen teurer kämen, als die von Schass geforderten 200 Millionen Euro. So litt Livnis Ansehen auch in der Öffentlichkeit, nachdem wie weder bei den schweren arabisch-jüdischen Zusammenstößen in Akko geschwiegen und auch zur weltweiten Finanzkrise keine einzige wegweisende Äußerung gemacht hatte. „Wie kann man dieser Frau Verhandlungen mit den Palästinensern anvertrauen, wenn sie sogar Koalitionsverhandlungen derart unverantwortlich führt?“, fragte Jaron Dekel, einflussreicher politischer Kommentator des Fernsehens. Mit einer „erfrischenden Naivität“ habe Livni die Machtgelüste und die Tricks der anderen Politiker ignoriert und sei deshalb gescheitert.
Denn neben Schass hatte Livni während ihrer Gespräche mit Barak auch die Rentnerpartei ignoriert. Als Rafi Eitan und die anderen 80-jährigen Greise dieser Partei sahen, wie Schass beharrlich auf einer Erhöhung der Kindergelder, bestand, besannen sich die Rentner auf ihren Wählerauftrag, die Altersversorgung zu verbessern. Die gescheiterte Verhandlungstaktik Livnis stellt ihre eigene Zukunft in Frage, und die Chancen ihrer von Ariel Scharon vor drei Jahren gegründeten Partei, bei Neuwahlen wieder größte Partei Israels zu werden. Um Ehud Barak und die Arbeitspartei steht es bei Umfragen denkbar schlecht. Die Rentnerpartei dürfte sich in Luft auflösen. Über den Ausgang der nun unvermeidbar gewordenen Neuwahlen lässt sich nur vorhersagen, dass sich die innenpolitische Landschaft Israels völlig neu sortieren muss.

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