Antisemitismus im Namen des Friedens

  • 0

Doris Kalveram , Ilia Choukhlov*   Antisemitismus im Namen des Friedens
„Wenn der Hahn kein Wasser gibt, haben es die Juden getrunken“ sagt ein altes russisches Sprichwort. Mit gleicher Einfalt präsentiert Evelyn Hecht-Galinski das Grundmuster der Israelkritik . „Israel will alles – nur keinen gerechten Frieden“  lautet das Thema ihres Vortrags. Sie spricht als Vertreterin einer Bewegung, die den Anspruch erhebt, mit der Forderung nach „Israelkritik“ einen Beitrag zum Frieden zu leisten. Kritik ist nicht mit Meinung gleichzusetzen. Kritik setzt Beurteilungsvermögen voraus . Warum im Namen des Friedens ausschließlich die einzige demokratische Staat im Nahen Osten  kritisiert werden soll, lässt sich nicht begründen. Israelkritiker bieten daher nichts weiter als Agitation gegen einen souveränen Staat, dessen Grenzen, bzw. Existenz ihnen nicht gefällt. Um Israel als totalitären Staat zu kennzeichnen , stellen sich auch deutsche Bürger wie verfolgte Regimekritiker dar. Doch sowohl in Israel als auch in Deutschland gilt Meinungsfreiheit.
Feindbilder – jenseits der Kritik
Etwa 90 Minuten lang können Zuhörer erfahren, wer sich alles gegen Weltfrieden, gegen den Iran, gegen die Hamas, gegen Israelkritiker wie Norman Finkelstein und Ludwig Watzal , vor allem aber gegen Evelyn Hecht- Galinski verschworen hat. Offensichtlich ist sie nicht in der Lage, den Unterschied zwischen Meinungsäußerung und Diffamierung zu erkennen. Mit welchem Interesse wird sie von christlichen Organisationen , wie hier ins “ Haus der evangelischen  Kirche Nürnberg “ eingeladen ? Als Beitrag zum Frieden? Über die Zusammenarbeit zwischen dem Staat Israel und der palästinensischen Autonomiebehörde wird nicht berichtet. Die Referentin kann noch nicht einmal erklären, was der Begriff  „gerechter Frieden“ aussagen soll. Aber sie stellt sich als Mitglied einer Organisation vor, die  einen „gerechten Frieden“ will. „Gerechter Frieden“ bedeutet  hier de facto, die Bedingungen der  Hamas zu akzeptieren. Frau Hecht – Galinski kennzeichnet den jüdischen Staat  mit folgenden Worten ( O- Ton. 23.10.08, Haus der evangelischen Kirche Nürnberg):
„keine Demokratie, sondern  eine Ethnokratie — ein Apartheidsstaat, verantwortlich für ethnische Säuberungen –  ein Staat, der willkürliche Exekutionen durchführt, dessen religiöser Zwang in der Hauptstadt zum Exodus  der Christen führte – ein Staat, einmalig in seinen Grausamkeiten, der  Strangulierungspolitik betreibt, in dem  Mörder von der Presse geehrt werden und das Wort Araber als  schlimmstes Schimpfwort gilt.“
Imagepflege für Djihadisten
Verwechselt die Referentin Israel mit dem islamischen Gottesstaat Iran? Aus ihrer Sicht wird der Iran von der  „aggressiven militärischen Weltmacht  Israel  „bedroht. Wir fragen nach den Drohungen des iranischen Präsidenten, Israel auslöschen zu wollen. Frau Hecht Galinski dementiert :  „Es handelt sich um einen Übersetzungsfehler.“  Schuld an diesem Missverständnis wird vermutlich die „Israel Lobby“ sein: Nach Ansicht von Hecht- Galinski hat selbst der zukünftige amerikanische Präsident Barack Obama vor der „Israel- Lobby einen Kniefall gemacht“. Frau -Hecht Galinski spricht von den Versuchen, sie „mundtot“  zu machen. Eine Antwort auf die Frage nach der Unterdrückung von Frauen und Mädchen im Iran und in Gaza durch die islamistischen Machthaber gibt die Friedensaktivistin nicht. Das große Schweigen der Israelkritiker beginnt immer dann, wenn sie auf die Menschenrechte von Frauen und Homosexuellen im Iran und in Gaza angesprochen werden.
Israel Lobby “ – altbekannte Verschwörungstheorie

Aus der aktualisierten Version ihrer Anklageschrift las Evelyn Hecht Galinski im Haus der evangelischen Kirche Nürnberg ab. Die katholische Friedensgruppe Pax Christi stellt bereits seit einem Jahr das Redemanuskript online, ohne sich von den Inhalten zu distanzieren. Aus dem Manuskript : „von den Söhnen der Arisierer und Medienmogulen zum Beispiel dem Burda Konzern- die unheilvolle Allianz zwischen Medienkonzernen mit Israel und dem Zentralrat der Juden in Deutschland dient dem Nutzen beider — hier eine Millionenspende für Israel und auf der anderen Seite ein Hubert Burda Saal im Münchner Gemeindezentrums zu Ehren des edlen Spenders“.
Dieses Konzept von  Frau Hecht – Galinski überzeugte offenbar auch die evangelische Stadtakademie Nürnberg.
Bei ihrem Nürnberger Auftritt beklagte sich die Referentin an dieser  Stelle darüber,  dass “ Charlotte Knochloch  dagegen Stolpersteine“ ,  in München zum Gedenken an Holocaustopfer abgelehnt hätte. “  Was Frau Hecht-Galinski mit der zusammenhanglosen Gegenüberstellung suggerieren will, wurde von den friedensbewegten Zuhörern nicht hinterfragt.  Daran änderte auch der Hinweis nichts , dass jede jüdische Gemeinde für sich entscheiden kann, ob Stolpersteine auf den Straßenböden einer würdigen Erinnerung entsprechen. Bekanntlich fördert der Unternehmer Dr. Hubert Burda soziale Projekte in Israel .Wie fast alle Deutschen , hatte auch sein Vater von der  Zwangsenteignung jüdischen Eigentums mit den Kauf der Großdruckerei von Berthold Reiss profitiert. Aber er war nicht verantwortlich für die Arisierung. Bis heute sind die Familien Reiss und Burda freundschaftlich miteinander verbunden. Unabhängig von dieser Tatsache, hat Frau Hecht- Galinski kein Recht , andere Menschen zu diffamieren.
Persönliche Anfeindungen
Weiß die Referentin  , warum sie Ralph Giordano vorwirft,  sich gegenüber den Neonazis von „Pro Köln“  “ in unsäglicher Weise“ geäußert zu haben? Irgendetwas gegen Ralph Giordano sollte sie wohl vorbringen,  weil er zu den Unterstützern Israels gehört. Sie nennt Prof. Arno Lustiger  einen “ so genannten  Holocaustforscher“, Henryk Broder einen „geistigen Brandstifter“ und sie unterstellt der Bundeszentrale für politische Bildung ebenso wie Kanzlerin Angela Merkel, unter dem Einfluss der Israellobby zu stehen . Über die Präsidentin der Zentralrats sagt sie: „Charlotte Knobloch unterstützt alles, was er ( Broder) gegen mich ( Hecht-Galinski ) sagt.“ Auch gegen die personifizierte Israellobby Nürnbergs,  Arno Hamburger,  richtete an diesem Abend die Empörung der regionalen Friedensgruppe.  Ähnlich , wie zuvor bei NPD Kundgebungen, wurde beklagt, dass Arno Hamburger,  Vorsitzender der IKG Nürnberg und Stadtrat, die Meinungsfreiheit einschränken würde- natürlich in seiner Abwesenheit. Als Sprecher der angeblich unterdrückten Meinung, trat ein Pfarrer im Ruhestand auf, der in einem evangelischen Mitteilungsblatt sein Verständnis für die Morde an acht Talmudschülern äußern konnte. Der Nürnberger Presse gegenüber erklärte der Pfarrer, „er missbillige zwar jede Art von Terror, auch den staatlich sanktionierten der israelischen Besatzungsmacht,  «dem aufmerksamen Leser meines Artikels müsste aber klar sein,  warum ich die Attentäter in  der Toraschule verstehen kann«.“ Nicht das Verständnis für Terror empörte die christliche  Friedensgruppe , sondern die Reaktion des Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde.

Das Zerrbild vom „verzweifelten Araber

Evelyn Hecht-Galinski wirft dem jüdischen Staat Rassismus vor. Sie schildert , wie sich in der Westbank hungernde Palästinenser von Müllkippen ernähren würden , dabei würden sie  „die Essensreste jüdischer Siedler bevorzugen“. Damit wird das diskriminierende Zerrbild vom “ verzweifelten Araber“ vermittelt, dem nichts anderes übrig bleibt, als sich zutiefst zu demütigen oder den Staat Israel  zu bekämpfen. Dass Palästinenser in arabischen Staaten seit Jahrzehnten ein elendes Leben in Flüchtlingslagern führen, weil ihnen die Rechte als Staatsbürger versagt werden, findet sie richtig: „Die  gehören nach Palästina!“ die Vertreterin der Israelkritik bestimmt, wo Menschen  hingehören. Und was den Bürgern Israels zu gute kommt, schadet aus ihrer Sicht den Palästinensern. Sie spricht Organisationen wie Keren Hayesod , die sich sowohl um die Integration jüdischer Neueinwanderer als um zusätzliche Bildungsmöglichkeiten für junge arabische und jüdische Israelis bemühen , das humanitäre Anliegen ab.
Die Vertreterin der Israelkritk bestimmt,  wer die Palästinenser vertritt. Dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, Verhandlungspartner der israelischen Regierung, traut sie nicht zu, die  palästinensischen Bevölkerung hinreichend zu vertreten. Fakten werden dabei gern unterschlagen. Sowohl Präsident  Abbas als auch die israelische Regierung wollen einen palästinensischen Staat. Israel braucht sichere Grenzen und Palästinenser ein Ende des Status quo. Einigkeit besteht auch in einer anderen wesentlichen  Frage:  was Palästinenser und Israelis nicht brauchen , ist der Terror der Hamas.

Wem nützt Propaganda gegen den jüdischen Staat ?

Frau Hecht- Galinski beschwert sich zunächst über die,  in deutschen Medien gängige Bezeichnung, “ radikal – islamische “ Hamas. Den PR Strategen der Hamas ist durchaus bewusst , wie nützlich ein friedfertiges Image in Europa sein kann. Man unterscheidet zwischen Hasstiraden gegen Juden und Holocaustleugnung  etc. nach innen und einer etwas freundlicheren Darstellung nach außen. Hamas Vertreter , die Friedensfreunde aus Europa, darunter deutsche Politiker  empfangen , sind längst nicht so naiv , diesen Gästen gegenüber erst einmal den Holocaust zu bestreiten, oder Juden für den Holocaust verantwortlich zu machen (  wie Amin Dabur , Leiter des palästinensischen Zentrums für strategische Forschung , in seinem TV Auftritt 2008 feststellt : “ perfekte Show , von Ben Gurion inszeniert“  ) Das Engagement der „Europäischen Juden für einen gerechten  Frieden“, wird den islamistischen Terror Organisationen Hamas und Hisbolla durchaus willkommen sein. Frau Hecht- Galinski behauptet , der Autor Henryk Broder würde die Holocaustüberlebende Hedy Epstein „verleumden „. Auch , nachdem wir auf die bittere Ironie hinweisen , dass es sich aus Sicht der Hamas bei der 88 jährigen Friedensaktivistin Hedy Epstein,  nicht um eine Holocaustüberlebende handeln kann , weil es aus Sicht der Hamas (  seit der Erklärung  eines Hamas Gründers, Ar-Rantisi  : „größte Lüge “ werden verschiedene Varianten verbreitet   )  keinen Holocaust gegeben hat- und sich Henryk Broder  in satirischer Form auf diesen Widerspruch bezieht , bleibt Hecht- Galinski  bei ihrer Behauptung. Sie weiß offensichtlich nicht , was sie sagt- und die „Friedensfreunde “ bekommen zu hören, was sie hören wollen.  Sowohl Prof. Rolf Verleger wie Evelyn Hecht-Galinski und Felicia Langer bieten immer das gleiche Programm . Dabei dient die eigene Familiengeschichte der Agitation. Im Gegensatz zu seiner Kollegin lehnt Rolf Verleger jedoch persönliche Anfeindungen ab. Warum agitieren deutsche Juden gegen Israel?  An diesen beiden Experten zeigt sich, wie wenig eine Diskussion um Selbsthass lohnt. Der eine handelt politisch motiviert, die andere , um beachtet zu werden.
Staatsräson – und Antisemitismus
Warum entscheiden sich katholische Organisationen wie „Pax Christi“ und evangelische Friedensgruppen für Propaganda gegen Israel ? Warum lassen Repräsentanten  beider Kirchen zu, dass mit christlichem  Anspruch Hetz-Parolen gegen Israel verbreitet werden ?
Wenn heute in Einrichtung der Kirche,  wie in Nürnberg , zum Boykott israelischer Waren aufgerufen wird und ganz normale Bürger, darunter Pfarrer und Lehrer , begeistert zustimmen, zeigt sich der Hass auf Israel mit  zurechtgelegten Worten. Sie sprechen nicht vom „Judenvorsteher “ wie NPD  Redner , wenn sie den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde der Stadt für “ ein bestimmtes Klima “ ( gegen die Meinungsfreiheit ) verantwortlich machen, Sie sprechen auch nicht vom „Judenstaat “ sondern von einem  „zionistischen Staat „, wenn sie Israel anklagen,  mit einer „verbrecherischen Politik in ganzes Volk in einem “ Megagefängnis “ bzw “ Ghetto einzusperren „.  Mit der Analogie Israel – NS Staat  drückt sich eine Perversion von Schuldempfinden aus . Yehoshua Chmiel ,Vorsitzender von „Am Echad „München :“ Aus der kollektiven Erfahrung des  stillschweigenden Zulassens des Holocaust, der historischen Erfahrung von Täter und Mitwisserschaft , resultiert dann ein zwanghaftes Bedürfnis,  nachzuweisen, dass Juden ( Israelis ) zu , wenn schon nicht identischen , so doch zumindest zu ähnlichen kollektiven Verbrechen fähig sind. Der Nahostkonflikt spielt hier nur eine Stellvertreter Rolle nach dem Motto : kannst du den Reiter – den Juden , nicht schlagen, schlag das Pferd- Israel. „
Wenn deutsche und arabische Friedensdemonstranten mit dem  Ruf “ Israel -Mörderstaat ! “ durch die Straßen ziehen, artikuliert sich selten lauter Protest. Kleine politische Gruppen meist junger Menschen, erklären mit der Flagge Israels ihre Solidarität mit dem jüdischen Staat. Und wer sich als Jude dazu stellt, kann erleben, wie es ist , von selbst ernannten Antifaschisten als „Nazi „beschimpft zu werden. Wie ein rotes Tuch wirkte der Magen David bei dieser Gelegenheit auch in Nürnberg . Aggressionen aus den Reihen der Friedensdemonstranten musste die Polizei stoppen.  „Wer andere als Nazi beschimpft, kann kein Antisemit sein “  , dieser Denkfehler macht sich in solchen Momenten sehr offen bemerkbar. 
Schweigen nach Diffamierungen

Reicht die Information: “ für den Frieden – gegen  Israel “ , als würde eine  besondere historische Verpflichtung für Deutsche darin bestehen, den jüdischen  Staat vor allen anderen in der Welt zu diffamieren ? Die Evangelische Landeskirche Bayern nimmt nicht Stellung zu der  Tatsache, dass unter dem Titel “ Israel will alles – nur keinen gerechten Frieden “ eine Veranstaltung in einem Haus ihrer Kirche stattfinden konnte. Man verweist auf die Zuständigkeit des  Nürnberger Stadtdekanats . Das gleiche Verhalten legen auch politische Organisationen, Grüne wie Linke und Gewerkschaften an den Tag, wenn Verantwortung auf regionale Vertreter übertragen wird. Der Stadtdekan akzeptierte jedoch den Propaganda Abend, vermutlich aus Unkenntnis , weil er keine Zensur auf die Friedensgruppe seiner Kirche ausüben wollte. Ein Vorgespräch reichte ihm aus  , an der Veranstaltung nahm er nicht teil . Zunehmend tolerieren die mittleren Ebenen gesellschaftlicher Institutionen den als Israel -Kritik  verpackten Antisemitismus. So hätte die Nürnberger Veranstaltung bereits aufgrund ihres Titels abgelehnt werden müssen.
In seiner Stellungnahme beantwortet  Prof. Dr. h.c. Arno Lustiger die Frage nach der Definition von Antisemitismus:
„27 Mitglieder der Europäischen Union haben durch  ihre Arbeits- und Dokumentations-Stelle in Wien EUCM  eine Arbeitsdefinition zur Frage, „Was ist  Antisemitismus? “ erarbeiten und veröffentlichen lassen  Unter anderem wird dort folgendes festgestellt: 

„Die Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet und verlangt wird, ist Antisemitismus“

Der Titel “  Israel will alles- nur keinen gerechten   Frieden “  insinuiert, dass Israel allein für den  faktischen  Kriegszustand mit Palästina  verantwortlich sei.  Tatsache ist jedoch, dass die terroristische Organisation  Hamas im Gaza- Streifen und die ebenfalls terroristische Hisbolla im Libanon jeglichen Frieden mit Israel ablehnen.   Die Schuld am Unfrieden Israel allein anzulasten,  ist Antisemitismus. Die Evangelische Kirche muss sich fragen lassen, ob dies eines von ihren Desiderata  ist.“ 
*Doris Kalveram , Ilia Choukhlov (  Vorstandsbeirat , Bundesverband jüdischer Studierender in Deutschland )


Hinterlasse eine Antwort