„Gegossenes Blei“ auf Gaza

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Jerusalem, 27. Dezember 2008 – Aus heiterem Himmel griffen 60 israelische Kampfflugzeuge und Hubschrauber mit Raketen zeitgleich um 11:30 Uhr fünfzig ausgewählte Ziele im Gazastreifen an. „Sämtliche“ feste Einrichtungen der Hamas, Polizeistationen und Trainingslager, seien „ausnahmslos“in Schutt und Asche gelegt worden, behauptete das von der Hamas geführte Innenministerium im Gazastreifen. Die „Befehlskette“ der Hamas wurde zerstört. Den Oberbefehlshaber der Hamas-Kämpfer, Ahmad Dschabri, ereilte der Tod zusammen mit seinen frisch ausgebildeten Offizieren bei der Abschlusszeremonie ihres Trainingskurses. Der Fernsehsender Al Dschesira zeigt immer wieder den Hof jener Militäreinrichtung, wo die zerfetzten Leichen noch in Reih und Glied liegen, so wie sie zuvor bei der Zeremonie gestanden haben. 
Der Luftschlag kam für die Hamas völlig überraschend, weil sie nicht mit dem Beginn der israelischen Offensive am Sabbat gerechnet hätte. Unter den 155 Toten, wie sie die Hamas nach den Angriffen vermeldete, seien hauptsächlich Kampfer in Uniform und kaum Zivilisten, zumal die israelische Luftwaffe nach monatelanger Aufklärungsarbeit und Vorbereitung die Zeit genutzt hatte, die Ziele „punktgenau“ zu treffen, wie aus dem Gazastreifen verlautete.
„Gegossenes Blei“ heißt der Codename der „rollenden Operation“, die ohne Stoppuhr durchgeführt werde. „Wir werden tun, was wir tun müssen“, erklärte der israelische Militärsprecher Avi Benijahu.
Und während im Gazastreifen Panik herrschte, wurde die israelische Bevölkerung im Umkreis von über 20 Kilometern rund um den Gazastreifen aufgerufen, sich in die Luftschutzkeller zu begeben. Netivot, Ofakim und  Kirjat Gat befinden sich erstmals in der Reichweite von Raketen, die Hamas bisher nicht eingesetzt hat und mutmaßlich von Iran an die Hamas im Gazastreifen geliefert worden seien. In Netivot gab es bei dem Volltreffer einer Rakete auf ein Wohnhaus einen Toten und fünf Verletzte. Im Krankenhaus  von Aschkelon  wurden möglichst viele Patienten nach Hause geschickt und ganze Abteilungen in die Luftschutzkeller verlegt.
Ägypten hat angeblich seine Grenze zum Gazastreifen für Verletzte geöffnet, aber nach Angaben des Hamas-Fernsehsenders El-Aksa TV an der Grenze Lastwagen mit aufgepflanzten Maschinengewehren in Position gestellt. Ägypten fürchte eine Massenflucht aus dem Gazastreifen und ein Durchbrechen des Grenzzaunes wie im vergangenen Januar. Für diese Information gibt es allerdings noch keine unabhängige Bestätigung. In der arabischen Welt wurde Kritik vor allem an Ägypten laut, weil „Ägypten den Angriff auf den Gazastreifen hätte verhindern können“. Ohne jede Reaktion des ägyptischen Außenministers Abdul Reid habe am Donnerstag die israelische Außenministerin Zipi Livni mitten in Kairo der Hamas mit Gewalt drohen können.
In der jordanischen Hauptstadt begannen unmittelbar nach bekannt werden der israelische Angriffe Demonstrationen der Moslembrüder. Dabei seien grüne Flaggen geschwenkt worden. Etwas später kam es in vielen arabischen Ortschaften in Israel und in Ramallah zu spontanen Demonstrationen, bei denen Flaggen der PLO geschwenkt wurden. Eine islamistische Organisation in Israel rief zu den Protesten gegen die „israelische Aggression“ auf. In Jerusalem gab es Steinwürfe von Arabern auf Juden und Fahrzeuge.
Ministerpräsident Ehud Olmert habe schon vor einer Woche die beiden Oppositionschefs Benjamin Netanjahu und Avigdor Liberman über den Beschluss des Sicherheitskabinetts informiert, militärisch gegen die Hamas wegen des Raketenbeschusses vorzugehen. Von einem Ultimatum oder einer Bedenkzeit, wie in den deutschen Medien berichtet, war bisher aus keiner israelischen Quelle etwas zu hören, zumal der Überraschungsangriff am Samstag Morgen beweist, dass es kein derartiges Ultimatum gegeben hat.
Israels Verteidigungsminister Ehud Barak warnte die israelische Bevölkerung vor eine „langen Probezeit“. Der israelische Rundfunk berichtete von insgesamt „über 100 angegriffenen Zielen“ im Gazastreifen und „etwa 30 Raketen“, die seit Beginn des israelischen Luftangriffs auf Israel abgeschossen worden seien.

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