Der Krieg läuft nach Plan

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Jerusalem, 28. Dezember 2008 – Am Samstag Morgen hat die israelische Luftwaffe mit 60 Kampfflugzeugen und Hubschraubern innerhalb von 3:40 Minuten alle rund zweihundert militärischen Einrichtungen der Hamas zerstört und nach Angaben der Hamas etwa 180 Polizisten und Kämpfer getötet. Am Sonntag waren Regierungsgebäude in Gaza an der Reihe und das Zentralgefängnis, das gleichzeitig als Verhör- und Folterzentrale galt. Es sei „völlig zerstört“ worden. Unter den Trümmern werden noch Vermisste gesucht. Zwischen den beiden zutiefst verfeindeten palästinensischen Parteien, der Hamas im Gazastreifen und der Autonomiebehörde unter Präsident Mahmoud Abbas im Westjordanland führte das israelische Bombardement des Gefängnisses zu einem scharfen verbalen Krieg. Die Hamas habe bewusst die gefangenen Fatah-Leute des Präsidenten Abbas im Gefängnis belassen, damit sie durch die israelischen Bomben sterben mögen, hieß es in Ramallah. Doch die Hamas kontert, am Samstag vorausschauend 200 Gefangene eiligst freigelassen zu haben, um ihr Leben zu retten. Nur zehn „besonders gefährliche Verbrecher“ seien in den Zellen zurückgelassen worden.
Solange die Hamas nicht die angekündigten Namenslisten der Todesopfer im Gazastreifen freigibt, wird dieser Streit nicht aufgeklärt werden können. Doch jetzt schon ist immerhin vom El Aksa Fernsehen der radikal-islamischen Hamas eingestanden worden, dass 180 der 220 Toten des israelischen Erstschlags am Samstag Kämpfer und Polizisten gewesen seien.
Am Sonntag blieb es zunächst relativ ruhig. Wieder flogen einige Grad-Raketen bis ins 30 Kilometer vom Gazastreifen entfernte Aschdod, wo sich Israels größter Hafen befindet. Die Hamas hat so ein gut gehütetes Geheimnis preisgegeben. Sie besitzt also doch im Iran produzierte Katjuscharaketen mit einer Reichweite, die alle größeren Städte im Süden Israels treffen könnten. Diese Raketen haben einen größeren Sprengkopf und bessere Zielgenauigkeit, als die im Gazastreifen hergestellten relativ primitiven Kassamraketen, deren Sprengstoff aus Kunstdünger destilliert wird. Der Einsatz dieser schweren Raketen verändern die bisher geltenden „Spielregeln“ in dem seit Jahren andauernden Kleinkrieg zwischen Israel und der Hamas. Das kann als Verzweiflungstat der Hamas gewertet werden, die am Samstag einen unerwartet schweren Schlag erlitten hatte.
Am Sonntag begannen die seit Monaten vorbereiteten Israelis mit dem dritten Projekt. Mit schweren Bomben zerstörten sie 40 Schmugglertunnel unter der Grenze zu Ägypten. Durch die Erschütterungen seien weitere Tunnel eingestürzt. Zwei tote Palästinenser und 20 Verletzte wurden gemeldet. Viele Tonnen Dieselöl und Benzin fingen Feuer. Schwere Rauchpilze erschreckten die Bewohner der Grenzstadt Rafah und jagte sie in die Flucht nach Ägypten. Die Tunnel waren eine Art Nabelschnur für den völlig  abgeriegelten Gazastreifen zur Außenwelt. Nicht nur Munition und in Einzelteile zerlegte Grad-Raketen gelangten durch die Tunnel nach Gaza, sondern auch Zigaretten, Drogen, Modeschuhe, Bräute, ganze Rinderherden und sogar Giraffen und andere Tiere für den Zoo der Grenzstadt Rafah. Zudem verdiente die Hamas Millionenbeträge durch eine Sondersteuer. Die Betreiber dieser Tunnels zählen zu den reichsten Familienclans im Gazastreifen zählen. Um die Geschäfte und die Belieferung des Schwarzmarktes  nicht zu stören, wurden regelmäßig Warenterminals an der Grenze zu Israel attackiert. Der so erzeugte künstliche Mangel trieb die Preise der Waren aus den Schmugglertunnels in astronomische Höhen.
Was als nächstes auf dem Kriegsplan der Israelis steht, wird nicht veröffentlicht. Aber schon wurden Panzer und Truppentransporter rund um den Gazastreifen zusammengezogen. 6500 Reservisten erhielten den Einzugsbefehl. Das ist noch längst keine allgemeine Mobilisierung, wie während des Libanonkrieges im Sommer 2006. Aber eine Bodenoffensive steht offenbar bevor.
Israel dürfte seine Lehren aus dem Debakel des Libanonkrieges 2006 gezogen haben. Seitdem ist klar, dass man einen Krieg gegen „Terroristen“, sei es die Hisbollah im Libanon oder jetzt die Hamas im Gazastreifen, nicht allein mit Luftangriffen gewinnen kann. Doch ob Israel jetzt mehr Kriegsglück hat und ob seine Armee die bestens trainierten Guerillas der Hamas tatsächlich bezwingen kann, könnte ein neues Kapitel der Kriegsgeschichte eröffnen. Niemand kann heute vorhersagen, wie dieses Kapitel aussehen wird und ab wann es geschrieben werden kann.

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