Waffenstillstandsbemühungen

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Jerusalem, 31. Dezember 2008 – Die Beratung des israelischen Verteidigungsministers mit einigen Militärs und einem halben Dutzend „Gästen“ war zum Hintergrundgespräch deklariert worden. Ehud Barak dachte laut über einen Waffenstillstand nach. Er wollte, dass seine Ideen veröffentlicht würden, aber nicht in seinem Namen. So entstanden am Dienstag die Gerüchte um einen Waffenstillstand, den angeblich „israelische Militärkreise“ anstrebten. Der Militärsprecher dementierte ganz offiziell. Die Gerüchteküche entbehre jede wahre Grundlage. Politiker wie Chaim Ramon, der dem Premierminister Ehud Olmert nahe steht, empörte sich über diesen „unverantwortlichen“ Vorstoß von Barak. Experten, darunter ex-Generale, und Politiker beteiligten sich an der öffentlichen Diskussion über den Sinn- oder Unsinn einer Waffenruhe mitten in einer nach Plan rollenden Militäroperation.
Gleichzeitig kamen auch aus dem Ausland Rufe und Vorschläge zu einem Waffenstillstand, jenseits der wirkungslosen Aufforderung zu „gegenseitiger Zurückhaltung“ und „Mäßigung“. In den meisten Fällen wurde allein Israel aufgefordert, seine Attacken umgehend einzustellen, während die Raketenangriffe der Hamas kaum beachtet wurden. Ägypten und Türkei verkündeten einen Vier-Punkte-Plan, während die EU jenseits einer auf 48 Stunden befristeten „humanitären Waffenruhe“ auch schon über einen beständigen Waffenstillstand nachdachte. Am Montag will der europäische Ratspräsident Nicolas Sarkozy nach Israel fliegen, zwei Tage vor der Übergabe der Präsidentschaft von Frankreich an die Tschechei.
Derweil hat Außenministerin Zipi Livni das Ansinnen eines Waffenstillstandes zu diesem Zeitpunkt zurückgewiesen. Bei einer Beratung des Sicherheitskabinetts am Sonntag Morgen wurde das Thema nicht einmal zur Sprache gebracht. Gleichwohl will Livni am Donnerstag nach Paris fliegen, um Sarkozy´s Besuch vorzubereiten.
Gemäß israelischen Medienberichten, die von Geheimdienstchef Juval Diskin und Militärs genährt wurden, sei es problematisch, jetzt die Operation „Gegossenes Blei“ zu unterbrechen. Die israelischen Kampfflugzeuge hätten mit ihren bunkerbrechenden Bomben viele der Schmugglertunnels zwischen dem belagerten Gazastreifen und Ägypten gründlich zerstört. Während sich die von Israel vorgewarnten Ägypter rechtzeitig aus dem Zielgebiet in Sicherheit gebracht haben, explodierten Gas- und Benzindepots auf der palästinensischen Seite und Lager mit frisch eingeschmuggelten Raketen aus Iran. Manche dieser Raketen stiegen nach einem israelischen Treffer auf und landeten ziellos in der Umgebung. Ebenso seien die Labors zur Herstellung von Raketenbenzin und Sprengstoff, vermutlich in der islamischen Universität, „völlig zerstört“ worden. Die Hamas sei so schwer geschlagen worden, „dass sich ihre Aktivisten als Ärzte verkleidet in zwei Hospitälern“ aufhalten, so Diskin. Am Dienstag wurde gemeldet, dass Israel die Räumung von Teilen des zentralen Schifa-Hospitals in Gaza gefordert habe, weil sich dort Kämpfer der Hamas aufhielten. Offenbar wollte Israel das für „militärische Zwecke“ missbrauchte Hospital angreifen. Von ursprünglich 3000 abschussbereiten Raketen, teilweise mit einer Reichweite von 40 Kilometern, seien nur noch 2000 übrig geblieben. Doch diese israelischen Siegesmeldungen werden durch Raketentreffer in leeren Kindergärten und Schulen in Beer Schewa und Aschdod relativiert. Weil der Schulbetrieb in Reichweite der Raketen bis auf weiteres eingestellt worden ist, und sich etwa eine Million Israelis in der Nähe von Schutzräumen und Bunkern aufhalten, gab es bisher nur relativ wenige israelische Opfer.
„Noch ist der Punkt nicht erreicht, dass wir die Motivation der Hamas im Gazastreifen zerbrochen hätten, Israel weiter mit Raketen zu beschießen.“ Das sagte am Mittag Innenminister Meir Schitrit und umriss so auch das Kriegsziel Israels, also nicht die physische Zerstörung der Hamas, oder ihrer Entmachtung, wie es Ägyptens Präsident Hosni Mubarak in einer Rede gefordert hatte, und was der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas seit dem „illegalen“ Putsch der Hamas im Juni 2007 unablässig herbeiwünscht. Auch wenn die Hamas im Gazastreifen offenbar schwer geschlagen wurde, will sie aus ideologischen und taktischen Gründen keineswegs die weiße Flagge hissen und kapitulieren. Deswegen holte sie ihre besten Raketen aus den Verstecken hervor und jagt sie vor Allem im Schutze der Nacht auf israelische Großstädte. Das Ringen des übermächtigen Israel mit der hochmotivierten wie ideologisch verblendeten Hamas erreicht einen kritischen Punkt. Ein vorzeitiger Abbruch der israelischen Attacken, die bisher 330 Hamas-Aktivisten und 60 Zivilisten in Gaza das Leben gekostet haben, würde bedeuten, dass früher oder später der Raketenbeschuss durch die Hamas wieder aufgenommen werden könnte. Das will Israel ausschließen, ehe es durch internationalen Druck zur Feuereinstellung gezwungen würde. Da die Hamas von niemandem anerkannt wird, ist sie weitgehend resistent gegen Druck von Außen. 
Ein „im Bunker“ versteckter Hamassprecher sagte, dass die Hamas derzeit keinen Waffenstillstand wünsche, weil das einem Eingeständnis gleich käme, die Schlacht verloren zu haben.

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