Klinkenputzen in Nahost

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Jerusalem, 11. Januar 2009 – Der französische Präsident Sarkozy, die europäische Troika, die EU-Ratskommissarin und der EU- Außenminister Javier Solana haben gerade erst Jerusalem verlassen, freilich ohne den Krieg in Gaza beenden zu können, und schon kommt der bundesdeutsche Außenminister Fank-Walter Steinmeier angeflogen, um „Voraussetzungen für Dauerhaftigkeit“ zu schaffen. Unmittelbar nach ihrem Gespräch mit Steinmeier steht auf dem Terminkalender der israelischen Außenministerin Zipi Livni ein Treffen mit dem NATO Generalsekretär Jaap de-HHHoop Scheffer.
Inzwischen hat die UNO mit ihrer Resolution 1860 einen Waffenstillstand gefordert, sodass die jetzt angereisten Politiker sich bemühen können, die notwendigen Bedingungen für einen Waffenstillstand und einen Rückzug der Israelis aus Gaza zu schaffen. „Die UNO-Resolution war ein entscheidender Schritt. Der Text muss jetzt die Bedingungen am Boden ändern“, sagte Steinmeier, nachdem die Bell Boys in der Jerusalemer Nobelherberge King David Hotel auch für ihn den roten Teppich ausgerollt hatten.
Steinmeier berichtete von seinem Besuch in Kairo und der Fahrt nach Rafah. Die Stadt ist geteilt und steht jeweils zur Hälfte im Gazastreifen und in Ägypten. Als er gerade auf dem Dach eines Hauses beim Grenzübergang stand, explodierte in geringer Entfernung eine israelische Bombe. „Das haben die wohl extra für uns gemacht“, witzelte der deutsche Minister, während ein mitgereister Journalist erzählte: „Ich habe die Druckwelle so richtig spüren können.“ Dort an der Grenze zum Gazastreifen konnte Steinmeier auch mit eigenen Augen den Ernst der humanitären Krise im Gazastreifen beobachten. Er sah nämlich Krankenwagen, die palästinensische Verletzte über die Grenze in ägyptische Hospitäler evakuierten.
Steinmeier wollte vor Ort prüfen, wie deutsche Hilfe, etwa bei der Überwachung der Grenze und einer Schließung der Schmugglertunnel unter der Grenze, einen „Mehrwert für die Sicherheit Israels“ bringen könnten. Gleichzeitig, so Steinmeier, reagieren die Ägypter sehr „sensitiv“, wenn sie das Gefühl hätten, dass die ausländische Hilfsbereitschaft die ägyptische Souveränität beschneide. Deutsche technische Hilfe oder Zollbeamte müssten deshalb den Ägyptern unterstellt werden. Wegen dieser Empfindlichkeit Kairos sei wohl auch nicht an die Entsendung fremder Truppen  zu denken. Das würde den stolzen Ägyptern das Gefühl vermitteln, als halte man sie für unfähig, die geforderten Aufgaben selber zu meistern.
Bei europäischen Diplomatenkreisen ergaben sich Sorgen und Vorstellungen, über die bisher im Nahen Ostern noch niemand diskutiert hat. So stellte ein Kenner der Region fest, dass die Schmugglertunnel doch eine große Industrie seien, an der viele Beduinen im Sinai und palästinensische Familienclans Millionenbeträge umgesetzt hätten. Bekanntlich hat die Hamas durch hohe Steuern auch gut mitverdient. Sollten die Tunnels effektiv geschlossen und der Schwarzmarkt im Gazastreifen ausgetrocknet werden, müsste diesen Menschen eine Alternative geboten werden. Durch Ausbildung und neue Jobs wäre da den Europäern ein neues Feld für Entwicklungshilfe geboten. Die Europäer erwähnten freilich nicht, dass auch die Raketenschützen der Hamas im Falle eines Waffenstillstands arbeitslos würden.
Während die Israelis beklagen, dass die im Gazastreifen verfügbaren Raketen aus chinesischer oder iranischer Produktion durch die Tunnels geschmuggelt worden seien, behauptete der Diplomat, dass die Tunnels zu 99 Prozent für die Einfuhr von Waren täglichen Gebrauchs verwendet worden seien, weil Israel seine Grenzen im Rahmen einer Blockade gesperrt hätte. Präsident Mubarak hatte der israelischen Außenministerin Livni erklärt, dass Waffenschmuggel über Ägypten auszuschließen sei. Israelis ulkten schon, dass die Waffen wohl „vom Himmel gefallen“ seien. Die Europäer wissen es besser. Die Hamas habe erhebliche Bestände israelischer Waffen erbeutet, die Israel beim Rückzug aus dem Gazastreifen zurückgelassen habe. Ebenso seien die Israelis wohl unfähig, Waffenschmuggel mit abgetauchten Fässern über das Mittelmeer zu unterbinden. Da es vor der Küste des nur 40 Kilometer langen Gazastreifens eine kräftige Meeresströmung in Richtung Israel gibt, ist unklar, wieso keine solche mit Waffen gefüllte Fässer an Israels Stränden angeschwemmt werden.


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