Israelische Marine beschießt Hilfsschiff

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Jerusalem, 5. Februar 2009 – Mit hysterischen Schreien berichtet Salam
Hader, eine Reporterin des arabischen TV-Senders Al Dschesira, von Bord der
„Tali“, einem in „Bruderschaft“ umbenannten Hilfsschiff amerikanischer und
palästinensischer Menschenrechtsorganisationen. Am Dienstag hatte das mit 60
Tonnen Nahrungsmitteln, Spielzeug, Büchern und Medikamenten beladene
zypriotische Schiff von der nordlibanesischen Stadt Tripoli aus Kurs auf den
Hafen von Gaza genommen. Demonstrativ sollte die israelische Blockade des
Gazastreifens werden. „Die Israelis beschießen unser Schiff. Soldaten haben
unser Schiff geentert und die Mannschaft verprügelt“, schrie die Reporterin
ins Mikrofon. Dann war die Funkverbindung unterbrochen. Die israelischen
Soldaten hätten die Funkgeräte zerstört, behauptete der Fernsehsender aus
Qatar, das vor wenigen Tagen seine diplomatischen Beziehungen mit Israel aus
Protest gegen den Gazakrieg abgebrochen hatte.
Zunächst war die Reporterin die einzige Quelle zu den Vorgängen um das
Schiff, das offenbar 32 Kilometer vor der Küste des Gazastreifens in
internationalen Gewässern von der israelischen Marine abgefangen worden ist.
Während Hubschrauber über der Tali und fünf Kriegsschiffen kreisten, wurde
der Kapitän aufgefordert, seinen Kurs zu ändern und in Richtung El Arisch in
Ägypten abzudrehen. Angeblich drohte die Marine, das Schiff zu versenken,
falls es den Aufforderungen nicht Folge leiste. Der Kapitän sei dennoch fest
entschlossen, die Blockade zu durchbrechen und nach Gaza zu gelangen. Später
hieß es, dass die Kriegsschiffe die Tali „an ein unbekanntes Ziel“
geleiteten.
Die zypriotischen Behörden hatten vor der Abfahrt des Schiffes die Ladung
geprüft, um sicher zu stellen, dass es keine Waffen für die
Hamas-Organisation mitführe.
In Tripoli schlossen sich nach langen Verhandlungen mit dem libanesischen
Innenminister weitere acht Menschenrechtsaktivisten dem in „Bruderschaft“
umgetauften Schiff an. Unter ihnen war auch der 84-jährige ehemalige
Erzbischof der griechisch-katholischen Gemeinde in Jerusalem, Hilarion
Capucci.
Capucci war in den siebziger Jahren Erzbischof der Melkiten von Jerusalem.
1974 entdeckte der israelische Geheimdienst versteckte Waffen und
Sprengstoff in seinem Fahrzeug. Als Kirchenoberhaupt fuhr er in einem Wagen
mit diplomatischem Kennzeichen. So fühlte er sich sicher, Waffen für die PLO
zwecks Terroranschläge in Israel schmuggeln zu können. Capucci dementierte
zunächst, von dem Waffenschmuggel in seinem Fahrzeug gewusst zu haben. Doch
ein handschriftlicher Zettel mit der Telefonnummer des PLO-Aktivisten, für
den die Waffen bestimmt waren, überführten ihn. Capucci geriet in Verdacht,
weil er über fünfzig Mal pro Jahr in seinem Auto zwischen Libanon, Jordanien
und dem Westjordanland verkehrte. Er galt als das wichtigste Bindeglied
zwischen der damaligen PLO-Zentrale in Beirut und Terroristen in den
besetzten Gebieten. Der Erzbischof wurde von einem israelischen Gericht
wegen Beihilfe zu Terror zu einer 12-jährigen Gefängnisstrafe verurteilt.
Der Vatikan übte Druck auf Israel aus. 1977 wurde Capucci aus der Haft
entlassen und des Landes verwiesen. Der Vatikan verpflichtete sich „hoch und
heilig“ gegenüber Israel, dass Capucci nicht nach Israel zurückkehre und
sich politischer Aktivitäten gegen Israel enthalte. Gleichwohl blieb der
ehemalige Erzbischof politisch aktiv. Israelische Proteste nützten nicht
viel.
Am Mittag bestätigte der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak den
Vorfall auf hoher See. Das „kleine Motorboot“, so Barak, habe zunächst nach
Warnungen der Marine Kurs auf den ägyptischen Hafen El Arisch genommen.
„Doch dann hat das Schiff gedreht und versucht, erneut in ägyptischen
Gewässern nach Gaza zu schleichen“, sagte der Minister. Daraufhin habe die
Marine das Schiff beschossen, Soldaten hätten es geentert und gezwungen zum
israelischen Hafen von Aschdod zu fahren.
Im vergangenen Jahr hatten immer wieder Aktivisten der linksgerichteten
Organisation „Befreit Gaza“  versucht, mit Jachten von Zypern aus den Hafen
von Gaza zu erreichen. Wohl um den propagandistischen Effekt zu mindern,
ließ die israelische Marine mehrere Boote passieren. Mitgefahren waren
jeweils Journalisten, Holocaustüberlebende, Ärzte, Nobelpreisträger und
sogar die Schwägerin des ehemaligen britischen Premiers Tony Blair. Auch
israelische Linksaktivisten reisten so nach Gaza und wurden festgenommen,
als sie auf dem Landweg nach Israel zurückkehrten. Die bekannte israelische
Journalistin Amira Hass wurde mit lebensbedrohenden Warnungen ihrer
Hamas-Aufpasser aus dem Gazastreifen vertrieben. In jüngster Zeit hat Israel
Schiffen aus Iran und Libyen die Durchfahrt nach Gaza verweigert und
gezwungen, abzudrehen.


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