30 Jahre nach der islamischen Revolution im Iran

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30 Jahre nach der islamischen Revolution im Iran
 

Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE

 

Todesstrafe und Hinrichtungen, Auspeitschungen und körperliche Amputationen kennzeichnen die bittere Realität des Iran, 30 Jahre nach der Islamischen Revolution. Bedroht vom herrschenden Gesetz sind insbesondere die Bahai.

Mehrangiz Kar arbeitete 22 Jahre als Anwältin in der „Islamischen Republik Iran“ bis sie in die USA emigrierte. In einer Analyse der iranischen Strafgesetzgebung kommt Kar zu dem Ergebnis, dass nach 30 Jahren islamischer Revolution rohe Gewalt gegen Frauen, Männer, Kinder, Muslime und Nicht-Muslime eine legitime Form angenommen hat und gesetzlich verankert ist.
Der folgende Text basiert auf der persischen Fassung der Analyse von Mehrangiz Kar, die am 11.2.2009 in
Roozonline erschien.

Zudem wird abschließend auf die besorgniserregende Lage der Bahai hingewiesen.

Todesurteile
Gemäß Artikel 90 wird ein Mann oder eine Frau hingerichtet, wenn sie mehrfach fremd gehen. Und laut Artikel 95 können sogar Geisteskranke unter diesem Vorwurf hingerichtet werden.
Im Gesetz wird betont, dass das islamische Gesetz im Land der Feinde des Islam nicht umsetzbar sei. Andererseits wird in Artikel 7 betont, dass die Iraner, die im Ausland derartige Taten begehen, im Iran verurteilt werden können, wenn sie im Iran verhaftet werden sollten. Daher sind Exiliraner und Europäer, die mit Iranerinnen eine sexuelle Beziehung pflegen, nicht automatisch geschützt vor dem islamischen Gesetz, zumindest dann nicht, wenn sie in den Iran gehen.
Laut Artikel 179 wird ein Mann oder eine Frau hingerichtet, wenn diese(r) mehrfach, wegen des Konsums von alkoholischen Getränken erwischt und ausgepeitscht wird und dennoch weiterhin Alkohol konsumiert. Die Hinrichtung erfolgt beim vierten Mal des nachgewiesenen Alkoholkonsums. Laut Artikel 180 können auch Geisteskranke, die mehrfach getrunken haben, hingerichtet werden.

Laut Artikel 157 wird im Falle des unerlaubten sexuellen Verkehrs, nachdem drei Mal Auspeitschungen erfolgt sind, beim vierten Mal das Todesurteil ausgesprochen.
Gegenüber Nicht-Muslimen ist besonders Artikel 82 diskriminierend. Wenn ein Nicht-Muslim mit einer muslimischen Frau unerlaubten sexuellen Verkehr hat, wird der Nicht-Muslim direkt beim ersten Mal hingerichtet. Will heißen, dass ein Europäer, der mit einer Iranerin in Europa nichtehelichen Sexualverkehr hat, nach iranischem Gesetz im Iran hingerichtet werden kann, wenn er dort gefasst wird. Denn ein solcher Sexualverkehr gilt als Vergewaltigung der Muslimin. Im selben Artikel 82 wird auch für Vergewaltigung im allgemeinen die Todesstrafe festgelegt.

Gemäß Artikel 111 werden zwei Homosexuelle, die volljährig und bei Verstand sind, im Falle einer eindeutigen sexuellen Beziehung hingerichtet.
Nach Artikel 112 wird ein erwachsener Mann, der Sexualverkehr mit einem Minderjährigen hatte, hingerichtet. Falls der Minderjährige sich freiwillig hingegeben hat, wird dieser mit 74 Peitschenhieben bestraft.
Nach Artikel 122 werden zwei Männer beim vierten Mal hingerichtet, wenn sie drei Mal Sexualverkehr hatten, aber nicht ineinander eingedrungen waren und drei Mal ausgepeitscht worden sind.
Wenn zwei lesbische Frauen schon drei Mal wegen sexueller Beziehung zueinander ausgepeitscht worden sind, werden sie gemäß Artikel 131 beim vierten Mal hingerichtet.

Zwar ist im islamischen Gesetz, so wie es im Iran festgeschrieben worden ist, für einen Mörder die Todesstrafe vorgesehen, aber nicht immer wird ein Mörder hingerichtet, denn es gibt auch die Möglichkeit der Entschädigung , die im Blutgesetz niedergelegt ist.

Nur ein muslimischer Mann gilt als ein vollständiger Mensch

Das Blutgesetz ist das Gesetz des ius sanguinis, das die Ungleichheit der Menschen festlegt.
Die Blutgesetze sind besonders diskriminierend gegenüber Nicht-Muslimen und Frauen. Nur ein muslimischer Mann gilt als ein vollständiger Mensch, der den höchsten Blutpreis besitzt.
Eine muslimische Frau ist halb so viel wert wie ein muslimischer Mann. Der iranischen Juristin Frau Kar zufolge wird ein Muslim nie zum Tode verurteilt, wenn dieser einen Nicht-Muslim tötet. Wenn ein Muslim eine Muslimin tötet, wird er nicht zum Tode verurteilt. Wenn aber die Familienangehörigen der getöteten Frau die Hälfte des Blutpreises des Mörders an den Mörder zahlen, kann der Mörder bestraft werden. D.h. die Familienangehörigen des Opfers müssen obendrein Geld zahlen, damit der Mörder überhaupt strafrechtlich verfolgt wird.
Wenn ein Vater oder der Großvater ein Kind oder Enkelkind tötet, wird er nie zum Tode verurteilt. Denn Kinder sind nach islamischem Recht das Eigentum des Vaters. Nach Artikel 220 kann der Vater bestenfalls dazu verurteilt werden das Blutgeld für das Kind zu zahlen.

Wenn ein Mann auch nur annimmt, dass seine Frau einen Ehebruch begangen hat und sie tötet, wird er nie hingerichtet. Das islamische Gesetz schützt den Mörder, der seine Annahmen nicht beweisen muss. Dieser kann straflos weiter leben. Beim geringsten Verdacht darf der Mann seine Frau und deren vermeintlichen Liebhaber töten und geht straffrei davon. Der Mörder wird nach Paragraph 630 noch nicht einmal verhört.

Die Juristin Mehrangiz Kar schreibt, dass die Morde, die von Menschen, die sich den Anschein der Frömmigkeit, des „Schutzes der islamischen Werte“ geben, nicht wegen ihrer Taten hingerichtet werden.
Das Gericht kann von einer Verurteilung absehen, wenn der Getötete als Mahdur al-dam, als jemand, dessen Blut nichts wert ist, gilt. Kar führt das Beispiel der Kettenmorde an Intellektuellen an, die in den 90er Jahre begangen wurden. Die Verantwortlichen wurden nicht belangt, da die Intellektuellen antiislamisch argumentiert haben sollen.
Frau Kar führt auch das Beispiel der Bahai auf, deren Blut keinen Wert hat, zumindest nicht in der „Islamischen Republik Iran“. Kar schreibt, dass sie sich in ihrer gesamten Dienstzeit von 22 Jahren in der „Islamischen Republik“ als Anwältin nicht daran erinnert, dass jemand wegen der Tötung eines Bahai hingerichtet worden sei. Auch erinnert sich die Anwältin nicht daran, dass ein Mörder eines Christen oder eines Juden die Todesstrafe erhalten habe.
Zwar betone die iranische Justiz stets, dass wenn der Mörder eines Angehörigen einer anerkannten religiösen Minderheit, die der Christen und der Juden, von einem Nicht-Muslim ermordet werde, dieser die Todesstrafe verdiene, aber ein muslimischer Mörder braucht so viel nicht zu fürchten. Schutz für den muslimischen Mörder von nicht-Muslimen bieten Artikel 226 und Artikel 295, die Freiräume für den muslimischen Richter schaffen.

Gemäß Artikel 222 darf auch ein Geisteskranker von einem gesunden Muslim getötet werden.

Auspeitschung ist Folter
Gemäß Artikel 84 der iranischen Strafgesetzgebung werden ein verheirateter alter Mann oder eine verheiratete alte Frau, die fremd geht, gesteinigt. Bevor diese gesteinigt werden, müssen sie 100 Peitschenhiebe bekommen.
Gemäß Artikel 83 wird eine verheiratete Frau, die mit einem Jugendlichen sexuell verkehrt zu 100 Peitschenhieben verurteilt.
Gemäß Artikel 88 werden eine unverheiratete Frau oder ein unverheirateter Mann, die unerlaubten Geschlechtsverkehr eingehen zu 100 Peitschenhieben verurteilt.
Gemäß Artikel 174 wird jeder Mensch, der Alkohol konsumiert zu 80 Peitschenhieben verurteilt.
Gemäß Artikel 121 werden zwei Männer, die nicht ineinander eingedrungen sind, aber sexuell verkehrt haben, jeweils zu 100 Peitschenhieben bestraft. Wenn der aktive Mann ein Nicht-Muslim war, wird der Nicht-Muslim mit dem Tode bestraft.
Gemäß Artikel 123 werden zwei nackte Männer, die unter einer Decke entdeckt werden, zu 99 Peitschenhieben bestraft.
Wenn zwei Frauen miteinander sexuell verkehren, bekommen sie gemäß Artikel 129 jeweils 100 Peitschenhiebe.

Hinrichtung plus Folter
Wenn eine verheiratete Frau, die mit ihrem Ehemann eine sexuelle Beziehung hat, dennoch fremd geht, wird sie gesteinigt. Wenn sie das Vergehen gesteht, muss gemäß Artikel 83 und Artikel 99 zuerst ein Kleriker den Stein werfen, dann die Menge. Wenn sie das Vergehen nicht gesteht, aber Zeugen es bestätigen, muss zuerst die Menge den Stein auf sie werfen und erst dann der Kleriker.
Laut Artikel 101 muss der Richter die Bevölkerung vom Termin der Steinigung unterrichten.
Laut Artikel 102 wird der Mann bis zur Hüfte und die Frau bis zur Brust eingegraben, bevor die Steinigung beginnt. Die Frau soll keine Fluchtmöglichkeiten haben.
Laut Artikel 104 sollen die Steine nicht so groß sein, dass die Person schon nach einem oder zwei Würfen stirbt. Der Stein soll aber auch nicht zu klein sein. Die Person soll jedenfalls gequält werden, bevor sie stirbt.

Die Anwältin, Frauen- und Menschenrechtlerin Kar betont, dass speziell in Bezug auf sexuelle Vergehen die Zeugenaussage der Frau überhaupt nicht zur Geltung kommt. Die Stimme einer Zeugin zählt nicht. In anderen Fällen zählt die Zeugenaussage einer Frau halb so viel wie die Zeugenaussage eines Mannes, aber manchmal gilt die Stimme der Frau überhaupt nicht.
Körperamputationen sind ein anderes Kapitel der islamischen Strafgesetzgebung: Vier Finger, der rechte Arm oder das linke Bein eines Diebes können gemäß Artikel 198 und 201abgehackt werden. Das linke Bein wird abgehackt, wenn der Dieb weiterhin stiehlt, auch wenn seine vier Finger schon abgehackt worden sind.

Laut Gesetz sind Männer ab fünfzehn und Frauen ab sage und schreibe neun Jahren strafmündig. Dies legt Artikel 49 der iranischen Strafgesetzgebung fest. Das Gesetz bestraft kleine Mädchen also sechs Jahre früher als Jungen.
Wenn ein fünfzehnjähriger Junge oder ein neunjähriges Mädchen einen Mord begehen, kann der Richter für Minderjährige die Todesstrafe aussprechen. Hingerichtet werden sie ab siebzehn Jahren.

Die besorgniserregende Lage der Bahai
Abschließend soll die Lage der Bahai hervorgehoben werden. Sie gelten als vogelfrei. Ihr Blut hat keinen rechtlichen Wert. Sie können willkürlich getötet werden. Gegenwärtig werden sieben Führungsmitgliedern Spionage für Israel vorgeworfen. Ihnen droht die Todesstrafe.
Die Bahai verfügen über keine Bürger- und Menschenrechte im Iran. Noch nicht einmal Ayatollah Montazeri ist bereit den Bahai wirkliche Bürgerrechte zu geben.
Ayatollah Montazeri, der nach dem Tode Khomeinis Führer der „Islamischen Republik Iran“ werden sollte, ging wegen seiner Kritik der Massenhinrichtungen von 1988 in eine legale Opposition. Bis heute ist er der Meinung, dass die Ziele der Islamischen Revolution nicht umgesetzt worden sind.
Am 14. Mai 2008 gab Ayatollah Montazeri eine Fatwa und sprach den Bahai das Recht auf Wasser und Blut zu. Dieses Gesetz geht auf das alte persische Reich von vor 2000 Jahren zurück, ein Recht, das den land- und besitzlosen Bauern zugesprochen worden ist. Ein Lebensrecht ohne vollständige Bürgerrechte.
Am 14. Juni 2008 schrieb Ayatollah Montazeri, dass die Bahai Ungläubige seien und politisch bekämpft werden müssen. Ohnehin ist die Bahai-Administration seit 30 Jahren verboten. Und die Bahai dürfen ihre Identität nicht öffentlich preisgeben. Sie sind als gesellschaftliches Subjekt seit 30 Jahren verboten. Sie dürfen nicht studieren, sogar ihre Gräber werden infolge der staatlichen Anordnung zerstört. Da Pogromstimmung gegen Bahai existiert, spricht sich Ayatollah Montazeri gegen Völkermord aus, will den Bahai aber nur dann Rechte als Iraner einräumen, wenn sie zum Islam übergetreten sind. Die Bahai werden nicht als Angehörige einer religiösen Minderheit im Iran anerkannt, auch wenn sie die größte religiöse Minderheit des Iran sind.

Bürgerrechte und Menschenrechte für jeden Iraner können nur in einem freiheitlichen demokratischen Staat und bei einer Trennung von Staat und Religion Wirklichkeit werden.
Abschließend kann geschlussfolgert werden, dass die islamische Strafgesetzgebung des Iran eine ernsthafte Barriere ist für die Demokratisierung des Iran.

 

 

 

 


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