Tapeten gegen Bomben

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Kibbuz Mefalsim am Gazastreifen, 13. Februar 2009 – „Die Geheimnistuerei
israelischer Firmen macht es schwer, deren patentierte Erfindungen trotz
Nachfrage in aller Welt zu verkaufen“, klagt ein deutsch-israelischer
Geschäftsmann. Auf Achse zwischen Indien, Aserbeidschan und New York
verkauft er eine in Israel entwickelte „Tapete gegen Bomben“. Die
Wandverkleidung kann mit Blümchenmuster übermalt werden und bietet
handfesten Schutz gegen Autobomben oder Raketeneinschlag.
In einem schmucklosen Büro in Petach Tikwa stehen mit Schutzwesten
bekleidete Schaufensterpuppen herum. Drei Israelis bieten erstmals einem
Journalisten einen Blick auf ihre Produkte. „Alles was wir verkaufen, wird
vom Verteidigungsministerium genehmigt. An Iran oder an die Hisbollah würden
wir niemals liefern“, versichert Amos Zuaretz. Dan Zarchin wirft eine
unübersichtliche Präsentation auf die weiße Wand. Neben der israelischen
Armee werden da die Bundeswehr, die UNO und Südafrika als Kunden angegeben.
Deren Firma hatte ihre erste Fabrik ausgerechnet am Erez-Grenzübergang zum
Gazastreifen. 130 Palästinenser verdienten da ihren Lebensunterhalt, bis das
Industriegebiet wegen Raketenbeschuss der Hamas und der Explosion einer von
Hamas-Chef Scheich Jassin ausgesandten Selbstmordattentäterin geschlossen
wurde. „Wir hatten kurz zuvor der Armee angeboten, auf unsere Kosten die
Zimmer des Kontrollpunktes zu tapezieren. Dann hätte es keine Toten gegeben.
Aber die Bürokratie verhinderte es“, erzählt Beno Dvir.
Auf dem Tisch liegt zwischen Kaffeetassen und salzigem Gebäck ein grünes
Paket mit einer Schuhhalterung. Stolz öffnet Zarchin das Stoffpaket. Wie
sehen zwei Luftkissen und Schläuche zum Aufblasen. „Das sind Spezialschuhe
für Minensucher.“ In langer Forschungsarbeit wurde der Sonderschuh
entwickelt, mit dem Feuerwerker gefahrlos Minenfelder betreten können. Die
nach Vorschrift aufgeblasenen Luftkissen verteilen das Gewicht des Soldaten.
Der Schuh gibt an keiner Stelle mehr als 5 Kilo an den Druckzünder einer
vergrabenen Mine ab. Der Feuerwerker kann sogar einen verletzten Kollegen
aus dem Minenfeld tragen, ohne wegen erhöhten Gewichts in die Luft zu
fliegen. Oberstleutnant a.D. Beno Dvir schwärmt: „Dachdecker könnten damit
auf einem abschüssigen Dach gehen, ohne die Ziegel zu zerbrechen.“ Das Paar
kostet 1500 Euro im militärischen Spezialhandel.
Eine Stunde später treffen wir Ran Naor. Am Himmel schwebt ein weißer
Zeppelin und beobachtet das Geschehen im Gazastreifen. Das Gebiet liegt in
Reichweite der Raketen der Hamas. Naor erklärt die Funktion der
Anti-Bomben-Tapete, wie sie schon weltweit in israelischen Botschaften und
geheimen militärischen Einrichtungen an die Wände geklebt worden sei. Ein
Spezialstoff, wie ihn nur eine in Österreich produzierte Maschine weben
kann, wird in eine feuerfeste Farbe getunkt und mit einer anderen
Spezialmaschine genau nach Maß mit „bombensicheren“ Nähten zusammengesetzt.
Am Boden und an der Decke wird die zwei Millimeter dicke Tapete mit
Metallleisten verankert und an die Wände geklebt.
In verlassenen Steinbrüchen habe die israelische Armee mit Autobomben und
nachgebauten Kassamraketen tapezierte Mauern getestet. Während die
Betonmauern durch die Druckwelle zerbröselten, hielt die Spezialtapete.
Weder Splitter der Bombe noch Steine der einbrechenden Mauern trafen
Menschen im Innern der geschützten Räume. Der Discovery Channel berichtete,
wie Wände im Pentagon standhielten, als am 11. September 2001 ein
Passagierflugzeug in das Gebäude flog. So erfuhren die Israelis zufällig,
dass ihre amerikanischen Partner heimlich das Pentagon „tapeziert“ hatten.
Im Kibbuz Miflasim geht Naor auf den Kindergarten zu. Er ist angeblich „der“
Experte für Zivilschutz. „Hier gab es Opfer durch eingeschlagene
Kassamraketen.“ Über dem alten Kindergarten mit billigem Asbest-Dach steht
auf Säulen ein dickes Betondach mit Waben aus Querbalken, als Schutz gegen
Direkttreffer. Wenn aber eine Rakete neben dem Fertighaus einschlüge, wären
die Kleinkinder des Kibbuz den Splittern schutzlos ausgeliefert. Das
Verteidigungsministerium finanziert deshalb das „Tapezieren“. Die Fenster
aus Panzerglas werden in die Tapete eingenäht und mit fingerdicken
Stahlröhren zusätzlich verankert, um bei einer Explosion nicht wie ein
tödliches Geschoss in den Raum zu fliegen. „In Kiew hatten örtliche
Hilfskräfte nur vier statt der vorgeschriebenen sechs Schrauben verwendet.
Bei einem Bombenanschlag auf die israelische Botschaft flog eines
tonnenschweres Fenster aus der Verankerung und tötete einen ukrainischen
Wachmann. Dank unserer Tapete gab es beim Botschaftspersonal weder Verletzte
noch Tote“, erzählt Dvir.
Rund um den Gazastreifen werden Privathäuser und öffentliche Gebäude gegen
Raketenbeschuss abgesichert. Es geht um Millionenaufträge an israelische
Spezialfirmen. Jeder Quadratmeter „Tapete“ kostet über 100 Euro. Wenn auch
noch Stahltüren und Fenster aus Panzerglas eingebaut werden müssen, liegen
die Kosten pro Klassenzimmer oder Wohnzimmer weit höher.

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