Anti-Bahaismus im Iran

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Anti-Bahaismus im Iran
 

Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE
 
 
Die staatliche Hasspropaganda und die Verschwörungstheorien gegen die Bahai im Iran nehmen kein Ende. Jetzt sollen sogenannte „Kryptojuden“, auch „Anusim“ genannt, für die Verbreitung der Babi- und Bahai-Religion im Iran verantwortlich gewesen sein.

Farsnews ist nicht irgendeine iranische Nachrichtenagentur. Es ist eine staatliche Nachrichtenagentur und ein Sprachrohr der iranischen Militärs. Ein Beispiel für staatliche Hasspropaganda erschien am 1. März 2009.

Staatliche Lügen: Kryptojuden sind schuld an der Verbreitung der Bahai-Religion

Abdollah Schahbazi, der Autor des in Farsnews erschienenen Artikels, ist im Iran kein unbekannter Name. Er war ein aktives Mitglied der zu Zeiten der Sowjetunion moskauorientierten kommunistischen Tudeh-Partei. Er gründete Ende der 80er Jahre ein Forschungsinstitut, das offen und eng mit dem Geheimdienst der „Islamischen Republik Iran“ zusammenarbeitete. Er gehörte zu den namhaften Figuren, die die Wahl von Ahmadinejad bei den neunten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2005 unterstützten.
Schahbazi, der Alt-Kommunist und Neu-Islamist, der Antisemit und Anti-Bahai, meint ernsthaft in seinen Forschungen entdeckt zu haben, dass „Kryptojuden“ eine „wichtige Rolle bei der Entstehung und Verbreitung des Babismus und Bahaismus in der neueren Geschichte des Iran gespielt haben.“

Natürlich sind die Juden schuld

Schahbazi gehört zu den iranischen Autoren, die seit Jahren gegen die Bahai hetzen. Schahbazis Verschwörungstheorien bestehen aus Halbwahrwahrheiten, die letztlich der Verleumdung der Bahai und natürlich der Juden dienen.

Shahbazi glaubt zu wissen, dass in den Anfängen der Entstehung der Babi-Religion im 19. Jahrhundert nicht Muslime zur Babi-Religion und Bahai-Religion übergetreten seien, sondern Kryptojuden, die lediglich muslimische Namen angenommen hatten.
Wahr ist, dass die Babi-Religion im Iran auf Drängen des schiitischen Klerus im Keime erstickt worden ist und die Bahai seit der Entstehung ihrer Religion im Iran verfolgt werden. Wahr ist auch, dass eine Reihe von Juden, aber auch viele Zoroastrier und Muslime Bahai wurden.
In verschiedenen Schriften behauptet der immer einflussreicher werdende Hasspropagandist der „Islamischen Republik Iran“ Schahbazi, dass jüdische Zionisten vor etwa 150 Jahren zunächst beschlossen haben einen neuen Glauben zu erfinden. Sie seien aber nicht erfolgreich gewesen. Deswegen seien einige von ihnen zunächst zum Islam übergetreten, um dann als Muslime den Babi-Glauben anzunehmen. Als Juden seien sie gescheitert, deswegen wollten sie als Muslime die Babi und Bahai unterstützen. Die Logik des Ahmadinejad-Anhängers ist schlicht und einfach und falsch: Ein guter Muslim kann doch kein Babi oder Bahai werden, denkt er. Also müssen es Juden gewesen sein, die Babi und später Bahai wurden.
Es entspricht den Tatsachen, dass viele Juden zu Beginn der Entstehung der Bahai-Religion den neuen Glauben annahmen. Ebenso wahr ist, dass trotz der Verfolgung und Hasspropaganda des muslimischen Klerus viele Zoroastrier und Muslime Bahai wurden.
Ein historischer Fakt ist, dass die meisten Babi tatsächlich aus dem Islam übergetreten waren. Historischer Fakt ist auch, dass die mehr als zwanzigtausend Babi, die im 19. Jahrhundert auf Druck des Klerus und der staatlichen Obrigkeit getötet wurden, alle konvertierte Muslime waren. Aber genau das können die Ideologen des heutigen Terrors nicht zugeben und müssen daher antisemitische Geschichten erfinden.

Comte de Goubineau

Schahbazi zitiert sogar aus Berichten des damaligen französischen Botschafters im Iran, des bekannten Rassentheoretikers Comte de Goubineau, der 1855 von Napoleon III in den Iran gesandt wurde. Tatsächlich hatte der französische Botschafter Goubineau, der die Menschheit in verschiedene Rassen einteilte und zu den Begründern der Theorie des europäischen Rassismus gehörte, auch über die Babi-Bewegung geschrieben. Goubineau schrieb aber positiv über die Babi-Bewegung, dieses Mal nicht aus rassistischen Gründen, sondern weil er wahrscheinlich den revolutionären Geist der Babi bewunderte. Die Babi setzten sich entschieden für eine Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse im Iran ein. Der Bab hob sogar einige aus heutiger Sicht reaktionäre islamische Gesetze auf. Beispielsweise traten die Babi für mehr Rechte für Frauen ein. Der Botschafter Napoleons III in Teheran bewunderte daher die Babi-Bewegung, unabhängig von seiner Rassenlehre.
Schahbazi, der Altkommunist und heute islamistischer Anhänger von Ahmadinejad interessiert sich gar nicht für die Beweggründe, aus denen der Gesandte Napoleons III, Goubineau, beispielsweise auf einen Mullah Yazdi eingeht, der sehr gelehrt gewesen sein soll und eine wichtige Rolle zu Beginn der Babi-Bewegung gespielt haben soll.
Schahbazi ist es nur wichtig, dass dieser Mullah Yazdi angeblich ein Kryptojude gewesen sein soll und den neuen Glauben in der Provinz Khorassan verbreitet habe, um den Islam zu zerstören.
Für Goubineau war es gar nicht wichtig, ob der Mullah Yazdi ein Konvertierter war, wahrscheinlich wusste er es gar nicht. Schahbazi aber, der offenbar Goubineau gelesen hat, macht die große Entdeckung, als ob wirklich iranische Juden eine religiöse Bewegung hervorgerufen haben, die als Bahai-Religion inzwischen weltweit mindestens fünf Millionen Anhänger hat.
Es wäre untertrieben, wenn man diese Haltung von Schahbazi als paranoid bezeichnen würde. Denn diese Propaganda ist keine staatliche „Rhetorik“, sondern dient der realen Verfolgung der iranischen Bahai.
Für Schahbazi ist es wichtig, dass ein Kryptojude (Anusim) nie ein wirklicher Muslim werden kann und daher „heimlich“ Jude bleibt, als „heimlicher“ Jude wird er also bestenfalls Babi oder Bahai, um den Islam zu bekämpfen. Ja, insbesondere die jüdischen Bahai seien berühmt für ihre Feindseligkeit gegen den Islam.
Wahr ist aber, dass die Bahai den Islam als eine historische Religion respektieren, auch wenn Baha’u’llah, der Offenbarer der Bahai-Religion die islamische Strafgesetzgebung und viele andere Gesetze des Islam aufgehoben hat. Die Bahai gehen in der Tat nicht davon aus, dass Mohammad das „Siegel der Propheten“ war.
Wahr ist schließlich, dass die „Islamische Republik Iran“ mit totalitärem Willen anachronistische Gesetze durchsetzen will gegen den Willen der Gesellschaft. Dabei hemmt die totalitäre Diktatur die Entwicklung und den Fortschritt der iranischen Gesellschaft. Anti-Bahaismus und Antisemitismus sind keine „rhetorischen“ Formeln im Iran, wie manche Journalisten und Wissenschaftler behaupten, sondern feste Bestandteile der herrschenden Ideologie und Praxis der sich religiös legitimierenden Diktatur.

Meinungsfreiheit vs. Meinungsäußerungsfreiheit

Es ist eine historische Tatsache, dass in der „Islamischen Republik Iran“ gedachte Meinungen zwar frei sind, aber nicht die Äußerung der Meinung, wie der iranische Oberstaatsanwalt Ayatollah Dori Najafabadi kürzlich bestätigte. Als gesellschaftliche Subjekte sind die Bahai seit 30 Jahren vernichtet. Aktuell sollen sieben führende Bahai verurteilt werden, weil sie angeblich für Israel spioniert haben. Es wird befürchtet, dass sie hingerichtet werden. Tatsächlich werden die Bahai nur wegen ihrer weltoffenen Glaubensvorstellungen verfolgt und hingerichtet. Die Bahai International Community hat einen lesenswerten offenen Brief an Ayatollah Najafabadi geschrieben. Darin wird verdeutlicht, dass im Iran nicht nur keine Meinungsfreiheit existiert, sondern die Freiheit des Gewissens der gesamten iranischen Nation und nicht nur die der iranischen Bahai auf dem Spiel stehe.

 


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