Netanjahu und der palästinensische Staat

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Jerusalem, 1. April 2009 – Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas beeilte sich, den neuen Ministerpräsidenten Israels zu rügen. Zwar wolle der die Friedensgespräche fortführen, aber die Beziehungen mit Israel würden sich sehr schwierig gestalten, da Netanjahu in seinem Regierungsprogramm die Schaffung eines palästinensischen Staates nicht erwähnt habe. Die Europäer äußerten sich schon während der Koalitionsverhandlungen ungehalten. EU-Außenminister Javier Solana forderte von der noch gar nicht bestehenden Regierung Zugeständnisse für die fast komplette Liste palästinensischer Forderungen, als ob Israel kein Recht auf Einwände, Forderungen und Verhandlungen zustehe.
In seiner Regierungserklärung betonte Netanjahu einen Wunsch nach Frieden mit den Palästinensern. Er wolle auf drei Ebenen verhandeln. Netanjahu bietet den Palästinensern wirtschaftlichen Aufschwung, Unterstützung für einen palästinensischen Mechanismus, den Terror zu bekämpfen und politische Gespräche. „Wir wollen nicht über ein anderes Volk herrschen“, sagte Netanjahu.
Das Zauberwort eines unabhängigen, souveränen, selbstständigen palästinensischen Staates kam nicht über seine Lippen. Doch alles, was er sagte, entspricht den Zutaten eines eigenen Staates für die Palästinenser und des Endes der israelischen Besatzung.
Nur in einem Punkt will Netanjahu den Palästinensern Fesseln anlegen. Auch künftig soll ihnen nichts erlaubt sein, was die Sicherheit Israels  gefährden könnte.
Netanjahu wiederholte nur, was alle seine Vorgänger gesagt haben, darunter auch Jitzhak Rabin, der mit Jassir Arafat die Osloer Verträge abgeschlossen hat. Israel will den Palästinensern Selbstständigkeit und Eigenstaatlichkeit zugestehen, nicht aber die Fähigkeit, Israel zu bekriegen oder gar fremde Armeen einzuladen, vom palästinensischen Territorium aus Krieg gegen Israel zu führen.
Das entspricht dem Zustand Deutschlands beiderseits des eisernen Vorhangs bis 1989. Die russischen und amerikanischen Besatzer gewährten den deutschen Staaten Souveränität, beschränkten aber deren militärische Handlungsfreiheit.
Netanjahus Konzept, den „Konflikt zu beenden“, steht im Widerspruch zu Jassir Arafats Vorstellung, Verträge mit Israel abzuschließen, Land entgegen zu nehmen, seine Kämpfer mitsamt Waffen in die autonomen Gebiete zu bringen und die Palästinenser mit eigenen Pässen auszustatten, nicht aber den „Konflikt“ zu beenden. Arafat wollte für eine Fortsetzung des „legitimen Widerstandes“ weiterhin freie Hand behalten.
In seiner Rede in der Knesset hat Netanjahu alles angeboten, was die Palästinenser für eine staatliche Unabhängigkeit wünschen und benötigen, mit nur einer Ausnahme. Anstatt die Gelegenheit beim Schopfe zu ergreifen und Netanjahus Angebote einzufordern, kommt aus Ramallah wieder nur eine pauschale Ablehnung. Wirtschaftlicher Aufschwung, politische Unabhängigkeit, ein Ende der Besatzung sollten doch eigentlich die wichtigsten Ziele der Palästinenser sein. Die Reaktion von Mahmoud Abbas in einem Interview mit dem TV-Sender El Arabia lässt jedoch vermuten, dass nicht ein eigener Staat und Selbstständigkeit das höchste Ziel der Palästinenser ist, sondern vielmehr der Wunsch, Israel militärisch zu zerstören. Das ist freilich eine Absicht, der kein israelischer Premierminister zustimmen kann, weder ein „Hardliner“ wie Netanjahu noch so „gemäßigte“ Politiker wie Rabin, Ehud Barak oder Ehud Olmert. Mal wieder verpassen die Palästinenser keine Gelegenheit, eine Chance zu verpassen, wie es einst der frühere Außenminister Abba Eban formuliert hatte.


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