Diplomatische Verwerfungen Israel-Vatikan

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Jerusalem, 10. Mai 2009 – Nur einen Tag vor der Ankunft des Papstes in Israel kommt es zu diplomatischen Spannungen zwischen Israel und dem Vatikan. Regierungschef Benjamin Netanjahu will unbedingt beim Empfang des Papstes auf dem Flughafen eine Rede halten, obgleich ihm das laut Protokoll nicht zusteht. Denn dem Papst ebenbürtig ist nur Staatspräsident Schimon Peres, nicht aber ein Regierungschef. Ebenso forderte Netanjahu vom Papst, ins Ministerpräsidentenamt zu kommen, und nicht – wie schon mit seinem Vorgänger Ehud Olmert abgesprochen – bis nach Nazareth zu reisen und sich vom Papst empfangen zu lassen. Dann schlug Netanjahu vor, dass der Papst ihn in seiner Residenz in Jerusalem aufsuchen sollte, was Vertreter des Vatikans empört zurück wiesen. Jetzt versucht er, laut Zeitungsberichten, seine Begegnung mit dem Papst von Nazareth nach Kapernaum am See Genezareth zu verlegen.
Diplomatische Differenzen gab es angeblich auch zwischen dem Vatikan und dem Bürgermeister Jerusalems, Nir Barkat. Am Dienstag Abend, um 20:45 Uhr, hat der Bürgermeister zusammen mit dem Tourismusminister die päpstliche Delegation und die mitreisende Presse zu einem „magischen Abend in Jerusalem“ eingeladen. Sie versprechen den Ehrengästen eine „spektakuläre Sound & Light Show“ in der Zitadelle am Jaffator in der Altstadt Jerusalem. Doch die Zitadelle liegt im Ostteil der Stadt, den Israel 1967 eroberte. Weil der Vatikan die israelische Herrschaft über Ostjerusalem nicht anerkennt, verlangte der Vatikan angeblich vom Bürgermeister, bei dem Empfang zu schweigen und keine Rede zu halten. Tourismusminister Stas Misezhnikov, Mitglied der nationalistischen „Israel-Beiteinu-Partei“ des Avigdor Lieberman, habe daraufhin dem Vatikan mitgeteilt: „Er wird eine Rede halten. Der Bürgermeister ist der Gastgeber. Wir müssen auf unsere nationale Ehre achten. Wer (zu dem Empfang) kommt, der kommt. Das Ereignis wird in jedem Fall stattfinden.“ Auf Anfrage bestätigte eine Sprecherin der Stadtverwaltung diese Geschichte und meinte: „Es gibt Dinge, die man lieber im Stillen abhandeln sollte. Wir werden aus dieser Kontroverse unsere Lehren für die Zukunft ziehen.“
Der Tourismusminister hatte vom Vatikan zuvor schon eine Abfuhr erhalten, nachdem er darum gebeten hatte, dass der Papst in seinen Reden oder Predigten ausdrücklich christliche Pilger auffordern sollte, Israel zu besuchen. Misezhnikov wurde jedoch beschieden, dass der ganze Besuch des Papstes gute Werbung für Israels Tourismusindustrie sei, und dass der Papst deshalb nicht zusätzlich Reklame machen werde.
Kapital aus dem Besuch schlägt auch Israels nationale Fluggesellschaft EL AL. Sie lädt die Presse ein, am Mittwoch die Boeing 777 zu besichtigen, die am Freitag mit dem Sonderflug LY2009 mit einem aufgeklebten Papstwappen am Bug den Heiligen Vater nach „seinem historischen Besuch in Israel“ heim fliegen werde. Am Mittwoch werde EL AL mitteilen, welches (koschere) Menü dem Papst vorgesetzt werde. Am Freitag fliegt der Papst um 13:00 Uhr los, „sodass das Flugzeug rechtzeitig vor Beginn des Sabbat in Rom landet“, wie eine Sprecherin der Fluggesellschaft auf Anfrage versicherte.
Weniger freundlich und teilweise mit giftigen Kommentaren berichteten israelische Zeitungen am Sonntag über den bevorstehenden Besuch des Papstes ab Montag. „Un-POP-ulär“ titelt Jedijot Achronot auf einer Doppelseite zur Visite des deutschen „Gesegneten“ (Benediktus), der einst Hitlerjunge und Wehrmachtssoldat war. Ein bekannter Holocaustüberlebener, Noah Kliger, erinnert an eine Rede des Joseph Ratzinger in Auschwitz im Januar 2006. Der Papst habe damals nur 200 von 2300 Worten seiner Rede dem Millionenfachen Mord an Juden gewidmet. Benedikt XVI habe „sich offenbar nicht von seiner eigenen Vergangenheit lösen können“, schreibt Kliger, indem der Papst das deutsche Volk von jeder Mitschuld an der Schoa freigesprochen habe. Laut Papst sei  das deutsche Volk während der Nazizeit von einer „Handvoll Verbrecher“ beherrscht worden. Giftig kontert Kliger, dass Hitlers Nationalsozialistische Partei von 43 Prozent der Deutschen gewählt worden sei, und dass die Deutschen dem Hitler „begeistert“ in den Krieg gefolgt seien.
Kliger schließt seinen Kommentar zu seinen „gemischten Gefühlen“ mit der Anmerkung: „Bekanntlich sind Gottes Wege dem Menschen, Juden wie Christen, verborgen. Das gilt offenbar auch für die Wege von Gottes Stellvertreter auf Erden.“
Derweil hätten schon 80.000 Polizisten und Agenten zu ihrer „Operation weißer Umhang“ Position bezogen, dem „größten Sicherheitsmanöver in der Geschichte Israels“. Nahe dem Tempelberg wurde zwei Araber aus dem Norden Israels verhaftet mit Flugblättern, die zum Boykott des Papstbesuches aufriefen. Und an der Grenze zwischen Bethlehem und Jerusalem, wo es noch keinen Sicherheitszaun und keine Mauer gibt, wurde ein Palästinenser mit einem versteckten Klappmesser aufgegriffen. Er wollte angeblich, den ersten besten Juden, der ihm begegnete, umbringen.


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