Im Papamobil zum Tal des Endgerichts

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Jerusalem, 12. Mai 2009 – Die Israelis hatten sich von ihrer Bestürzung über die Rede des Papstes in der Holocaustgedenkstätte noch nicht erholt, als schon der nächste Eklat seine Runde machte. Beim interreligiösen Dialog im Notre Dame Zentrum am Montag Abend riss plötzlich der muslimische Scheich Taisir Al-Tamimi das Mikrofon an sich. Auf arabisch „brüllte“ er in den Saal, dass Saladin die Christen verschont habe. Jetzt aber würden die Juden in Gaza „unsere Frauen und Kinder abschlachten“. Deshalb sollten sich Christen mit Moslems zum gemeinsamen Kampf gegen die Juden rüsten. Eigentlich war alles getan worden, einen ähnlichen Hassausbruch Tamimis beim Besuch von Johannes Paul II zu verhindern. Der Papst blieb freundlich dreinschauend auf seinem Thron sitzen. Der Kardinal neben ihm auf der Bühne klatschte freundlichen Beifall. Der Papst stand dann auf und schüttelte dem Scheich sogar die Hand. Benedikt XVI hat freilich kein Wort verstanden. Erst dann wurde die Veranstaltung vorzeitig abgebrochen. Der Austausch von Geschenken fiel aus.
Die israelischen Zeitungen waren am Dienstag voll mit bestürzten Kommentaren zu der Rede des Papstes in der Holocaustgedenkstätte Jad Vaschem. In ihr gab es keine Täter des Holocaust, „einige  Millionen“ getötete Juden, und die mit Bibelversen unterlegte Feststellung, dass Gott so wie Abraham und Jakob die Juden im Holocaust „getestet“ habe.
Den zweiten Tag seines Besuches nutzte der Papst freilich nicht, um am jüdischen Heiligtum der Klagemauer den negativen Eindruck zu korrigieren. Kühl und schnell verlas der Papst eine Rede, in der er Jerusalem als „spirituelles Heim der Juden, Christen und Moslems“ bezeichnete. Offen trug er sein goldenes Kreuz an der Brust, obgleich manche Rabbiner zuvor behauptet hatten, dass sie „offene Tragen religiöser Symbole“ nicht dulden zu wollten. Doch Diplomaten hatten erklärt, dass die Gastfreundschaft gebiete, dem Papst keine Vorschriften zu machen oder ihn zu bitten, das Kreuz zu verdecken. Schnellen Schrittes lief Benedikt XVI zu der 2000 Jahre alten, von Herodes errichteten, Mauer und steckte seinen Spickzettel zusammengefaltet in eine Gesteinsritze. Vor neun Jahren hatte sein Vorgänger einen offenen Brief in die Mauerritze gelegt. Darin bat er das jüdische Volk um Vergebung für die Verbrechen der Vergangenheit.
Im Eiltempo raste die Kolonne mit Audi-Limousinen zum Oberrabbinat. Der sephardische Oberrabbiner Schlomo Amar hatte sich beraten lassen, wie er sich vor dem goldenen Kreuz auf der Brust des Papstes schützen könne. Der Rabbi, in der malerischen mit Goldbrokat bestickten Diplomatenuniform,  erschien tatsächlich mit einem Brustschild aus Silberblech. Darin waren die ersten zehn Buchstaben des hebräischen Alphabets eingestanzt, symbolisch die zehn Gebote. Es wirkte wie eine mittelalterliche Ritterrüstung.
Der aschkenasische Rabbi Jona Metzger zählte nun alle positiven Absprachen mit dem Vatikan auf, so auch ein Versprechen des Papstes, jegliche Judenmission zu unterlassen. Doch dann knüpfte er an ein Motiv der Rede des Papstes in Jad Vaschem an, wonach man keinem der Opfer der Schoa den Namen rauben könne. Metzger forderte vom Papst „Transparenz“ zu den von Christen während des Holocaust geretteten jüdischen Kindern. Viele seien getauft worden. Man habe ihnen den Namen und die jüdische Identität geraubt. Da keine Klarheit zu schaffen komme dem Versuch der Nazis gleich, das jüdische Volk auszurotten.
Beim Besuch des Papstes auf dem Haram esch Scharif, dem Tempelberg, mit seinen muslimischen Heiligtümern, war keine live-Fernsehübertragung erlaubt. Die Polizei hatte einen Beobachtungszeppelin an den Himmel gehängt. Ein Helikopter kreiste und Scharfschützen standen in den Minaretten, wo sonst der Imam mit einem „Allah uakbar“ zum Gebet ruft. Nachdem der Papst seine kostbaren Schuhe der Marke Prada abgestreift hatte, besichtigte er zehn Minuten lang ohne Fotografen den Felsendom, wo einst das Allerheiligste stand.
Mittags meldete der Verkehrsfunk, dass alle Straßen zum riesigen jüdischen Friedhof auf dem Ölberg gesperrt seien. Nur die Tote und Trauernde würden für Begräbnisse durchgelassen. Denn im Tal zu Füßen des Ölbergs, wo Gott am Ende der Tage die versammelten Völker der Erde richten will für das „was sie meinem Volk Israel angetan haben“, versammelten sich schon der ersten christlichen Gläubigen zur großen Papstmesse unter freiem Himmel. Innerhalb weniger Tage waren die Olivenbäume ausgerissen, das Tal planiert und eine riesige Bühne vor dem Absalom-Grab errichtet worden. Die breite Treppe hinab ins Tal war zubetoniert worden, damit der Papst erstmals mit seinem Papamobil vorfahren könne.


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