Papst kittet zerschlagenes Porzellan

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Jerusalem, 15. Mai 2009 – Am Ben Gurion Flughafen, wenige Minuten ehe er eine EL AL Boeing bestieg, um sich an einem köstlichen mediterranen Menü zu ergötzen, das ihm, entsprechend den Bedürfnissen der Delegation, Stewards der drei monotheistischen Religionen servierten, kittete Papst Benedikt XVI das Porzellan, das er in Jerusalem zerschlagen hatte. Anstatt in Jad Vaschem, der Holocaust Gedenkstätte, die Verbrechen gegen Juden beim Namen zu nennen, das „Todeslager Auschwitz“ und die Täter dieser Verbrechen, „die brutale Vernichtung unter einem gottlosen Regime, das eine Ideologie des Antisemitismus und Hasses propagierte“, besann er sich darauf erst bei seiner Verabschiedung. Hat der Papst dazu gelernt? Hat er erst durch die heftigen kritischen bis ablehnenden Reaktionen in Israel verstanden, welches Unheil er mit seiner „theologischen Predigt“ in Jad Vaschem angerichtet hat?
Die „Pilgerreise in das Heilige Land“, wie es der Heilige Vater im Schatten der für den Sonderflug LY 2009 bereitstehenden Boeing 777 beschrieb, war aus Sicht der nicht-christlichen und nicht-katholischen Gastgeber in Jordanien, in Israel und in den palästinensischen Autonomiegebieten vor allem eine hochpolitische Via Dolorosa. Die Gebete, Messen und Andachten wurden von ihnen nur als kuriose „Füller“ gesehen. Denn weder Juden noch Moslems verstehen die auf lateinisch ausgesprochenen geheimnisvollen Friedensbotschaften jenes Mannes mit den wunderschönen Hüten auf dem Kopf und mit Goldbrokat gestickten märchenhaften Mänteln.
So wetteiferten die Juden um eine erneute Anerkennung des von ihnen erlittenen Holocaust, ein erneutes Schuldbekenntnis der Kirche und ein paar persönliche Erklärungen des deutschen Papstes, der einst Hitlerjunge und Soldat bei der Wehrmacht war. „Johannes Paul II kam als Opfer, der in Polen den Holocaust selber miterlebt hat. Benedikt XVI kam als Täter, der in die Machtmaschine der Nazis selber eingebunden worden war. So verpatzte Ratzinger eine nie wiederkehrende einmalige Chance in den zweitausendjährigen Beziehungen zwischen Judentum und Christenheit.“ So formulierte es ein Vatikankenner und Mitglied der mitreisenden Journalistendelegation aus Rom. Ob die Wiedergutmachung auf dem Flughafen dem jüdischen Volk genügt, wird sich noch erweisen, denn in Erinnerung bleiben vor Allem die Eindrucksvollen aber inhaltlosen Bilder aus Jad Vaschem.
Beim politischen Wettrennen haben Israelis und Palästinenser gleich gut und gleich schlecht abgeschnitten. Der Papst verurteilte zwar den Sperrwall, die so genannte Mauer, vergaß aber nicht, ihre Ursache zu erwähnen und ebenso zu verurteilen: den Terror. Ehe er seine Rede mit einem „Schalom“ abschloss, erwähnte er den „traurigsten Anblick“ seiner Pilgerfahrt: die Mauer. Als er sie bei Bethlehem passierte, habe er ein Gebet gesprochen, damit die Völker im Heiligen Land künftig in „Frieden und Harmonie“ zusammenleben könnten, und dass „solche Instrumente der Sicherheit und Trennung überflüssig werden mögen… indem allen Formen der Gewalt und Aggression eine Absage erteilt werde“.
Den Israelis sagte er: „Möge es universell anerkannt sein, dass der Staat Israel ein Recht auf Existenz hat und ein Recht auf Frieden wie Sicherheit in international zugestimmten Grenzen.“ Mit diesen Worten geißelt  der Papst nicht nur jene antisemitische Kritiker Israels, die bis heute unermüdlich Israels Errichtung und Legitimität in Frage stellen. Damit dürfte der Papst auch einen Wink in Richtung Iran gemacht haben, dessen Oberbefehlshaber erst kürzlich von der Fähigkeit des Iran gesprochen hatte, „Israels Existenz“ innerhalb von elf Tagen auszulöschen, falls der Iran angegriffen werde. Am Donnerstag hatte Israels Ministerpräsident in Nazareth den Papst auf die Bedrohung des Iran angesprochen, und der Papst habe die antisemitischen Absichten des Iran verurteilt.
Auch die Palästinenser können politisch voll zufrieden sein. Am Flughafen nahe Tel Aviv betonte der Papst, nicht nur als „Freund der Israelis“ gekommen zu sein, sondern auch als „Freund des palästinensischen Volkes“. Es bleibt zu prüfen, ob diese leicht unterschiedliche Formulierung eine tiefere politische Bedeutung hat.
Während seiner Rundreise in Israel und den palästinensischen Gebieten hatte der Papst ausdrücklich nicht die „Zwei-Staaten-Lösung“ ausgesprochen und auch nicht von einem „palästinensischen Staat“ geredet. Vielmehr verwendete er die ungewöhnliche Formel eines „homeland“ (Heimatland), auf das die Palästinenser ein Anrecht hätten.
Am Flughafen endlich sprach der Papst aus, was seit einer Woche fälschlich in aller Welt berichtet wird, nämlich. „Lasst die Zwei-Staaten-Lösung eine Wirklichkeit werden, und nicht ein Traum bleiben.“
So konnte der Papst dann doch mit Genugtuung das Flugzeug besteigen und sich zufrieden über einen Auberginensalat mit Kichererbsen beugen.


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