Hillary Clinton und Israels Siedlungspolitik

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Jerusalem, 7. Juni 2009 – Die Erklärung der amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton zur israelischen Siedlungspolitik, wonach es keinerlei schriftliche Absprachen zwischen Präsident George Bush und Ariel Scharon gäbe, wird brüchig. In ihrem ersten „Sonntags-Interview“ bei ABC kehrte sie nicht mehr zu ihrem kategorischen „Nein“ zu jeglicher Bautätigkeit in den israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland zurück.
Clintons Behauptung, hatte in Jerusalem Unruhe ausgelöst. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu berief den ehemaligen Scharon-Berater Dubi Weisglas zu sich, um zu erfahren, ob es da noch unbekannte Papiere in irgendwelchen Schubladen gebe.
Regierungssprecher Mark Regev erinnert sich noch gut an die Bush-Briefe. „Die stehen doch alle auf der Homepage des Außenministeriums“, sagte er auf Anfrage. „Wir sind bemüht, da eine Lösung zu finden. In ihrem Interview bei ABC klang Clinton schon ganz anders.“ Regev ließ durchblicken, dass Clintons Sinneswandel auf israelische diplomatische Avancen zurückgehe.
Nicht nur bei Clinton, sondern auch bei Netanjahu ist das historische Gedächtnis ziemlich kurz. Ein ausführlicher Brief von Präsident Bush vom 14.4.2004 ist auf mehreren israelischen und jüdischen Internetseiten in voller Länge zu finden, nicht aber in den elektronischen Archiven des State Departement oder des Weißen Hauses. Ohne Bautätigkeit zu erwähnen, gesteht Bush den Israelis zu, die grenznahen Siedlungsblöcke zu behalten. Ein Rückzug Israels hinter die „Waffenstillstandslinie von 1949″ sei angesichts der geschaffenen „Realitäten“ unzumutbar. Bush gesteht Israel „sichere Grenzen“ zu. Das wurde in Israel als amerikanisches Einverständnis zu Grenzkorrekturen und für den Ausbau der Siedlungsblöcke interpretiert.
Israel stand damals vor einem historischen Wandel seiner Politik. Scharon hatte im Dezember 2004 seinen Beschluss angekündigt, den Gazastreifen räumen zu wollen. In der Likudpartei drohte ein Aufstand. Scharon wusste, dass 76 Prozent der Bevölkerung hinter ihm stand. Seiner Partei bot er ein Referendum an. Es endete damit, dass der Parteivorsitzende Scharon seine Partei vor die Tür setzte und mit rechten wie linken Abgeordneten die Kadima-Partei gründete.
Keine zehn Tage nach Erhalt des Bush-Briefes wandte sich Scharon an die Knesset. Er rechtfertigte darin den Bau des Sperrwalls wie auch den Rückzug aus dem Gazastreifen sowie vier Siedlungen im Norden des Westjordanlandes mit amerikanischen „Verpflichtungen“ zu sicheren Grenzen, wie zum Verbleib der Siedlungsblöcke bei Israel. Scharon stellte damals klar, dass der Rückzug und Abbau von Siedlungen im Gazastreifen an entsprechende schriftliche amerikanische Zugeständnisse konditioniert war.
Einen Verbleib der „Siedlungsblöcke“ bei Israel hatte zuvor schon Präsident Bill Clinton ausformuliert. Am 23. Dezember 2000 legte er einen knappen einseitigen „Friedensplan“ vor. Clinton empfahl einen Rückzug Israels aus „Mitte 90 Prozent“ des Territoriums des Westjordanlandes, wobei die Siedlungsblöcke bei Israel bleiben sollten. Israel akzeptierte den Plan. Arafat lehnte ihn ab.
Während die Israelis einen Baustopp in jenen Siedlungen ablehnen, die sogar nach amerikanischer Vorstellung Israel zugeschlagen werden sollen, gibt es seit 30 Jahren wiederholte amerikanische Versuche, ein „Einfrieren“ der Siedlungen zu erzwingen. 1992, als Israel mit Einwanderern aus Russland überschwemmt worden war, und von den Amerikanern eine 10 Milliarden Dollar Bürgschaft erwartete, stellte Washington den damaligen Premierminister Jitzchak Schamir vor die Alternative: Siedlungsbau oder Geld. Schamir blieb stur und verlor prompt an Jitzchak Rabin die Wahlen. Die Mehrheit der Israelis war nicht bereit, wegen der umstrittenen Siedlungen die Zukunft und Wohlfahrt des ganzen Staates aufs Spiel zu setzen. Rabin machte den Amerikanern habherzige mündliche Versprechen und erhielt die Bürgschaft, während die Bautätigkeit in den Siedlungen niemals völlig unterbrochen wurde.
Die israelische Siedlungspolitik liefert seit Jahrzehnten Stoff für Missverständnisse und Druck. Gleichzeitig wird sie im politischen Tauschgeschäft für gegenseitige Zugeständnisse benutzt. Weder in Israel noch in den USA ist beim Thema Siedlungen eine klare Linie auszumachen. Zu oft wechselten die Positionen. Im Augenblick üben die USA Druck auf Israel aus, die „Siedlungen zu stoppen“, wie Obama in Kairo sagte, um den arabischen Staaten eine Anerkennung Israels abzuringen und den Friedensprozess mit den Palästinensern wieder in Gang zu setzen. Die Wirkung dieses amerikanischen Drucks ist umso größer, wie Netanjahu sich (noch) verweigert und nicht einmal das Zauberwort „Zwei-Staatenlösung“ in den Mund nimmt.


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