Wer wird iranischer Revolutionsführer?

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Wer wird iranischer Revolutionsführer? 

Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE

 

Im Iran geht es nicht um die Frage, wer Präsident wird, sondern hinter dem aktuellen Konflikt steht die Frage, wer der künftige Revolutionsführer wird, meint Abol-Hassan Banisadr, der seit 1981 im Exil lebt.

Abol-Hassan Banisadr wurde im Januar 1980 Präsident des Iran, floh aber schon im Juli 1981 aus seinem Land, wegen Differenzen zum Revolutionsführer Ayatollah Khomeini.

In einem Artikel, den Peykeiran veröffentlichte, schreibt Banisadr, dass der Konflikt um die Frage, wer in Zukunft Führer des Iran werde, von dem „weißen Putsch“ – so wird die letzte „Wahl“ am 12. Juni 2009 Ahamdinejads bezeichnet – bewusst kaschiert werde.

Er fügt hinzu, dass die blutige Zerschlagung der Studentenproteste noch nicht einmal erlauben würde vom „weißen Putsch“ zu sprechen.

Wer steckt hinter dem Putsch?

Banisadr geht auf das Jahr 1981 zurück und behauptet, damals habe ein „erster Putsch“ stattgefunden, gegen ihn. Damals haben Hashemi Rafsanjani gemeinsam mit Ali Khamenei und mit der Zustimmung des Ayatollah Khomeini den damaligen Präsidenten, ihn selbst, in die Flucht geschlagen. Nun begründet Banisadr, warum und wie Rafsanjani als zukünftiger Revolutionsführer verhindert werden solle.

An dem Wahlbetrug oder nach Banisadrs Analyse dem „Putsch“, seien diverse Kräfte beteiligt gewesen. Zuallererst Ali Khamenei selbst. Zudem seien die „Mafiabanden“ beteiligt gewesen, die dem Revolutionsführer nahe stünden, wie die Gruppen der „Fedaijn des Führers“ (Opfer des Führers), der Prinzipialisten und andere Hardliner. Selbstverständlich gehörten auch die Bassiji und ein Gros der Revolutionsgardisten zu diesen „Putschisten“. Ferner sollten finanziell starke Stiftungen, wie die „Stiftung der Armen“ (Bonyade Mostasafan) dazu gezählt werden, meint Banisadr. Ebenso müssen die staatlichen Medien und etwa 60 Mitglieder des islamistischen „Parlaments“ (Majless) genannt werden. Auch Teile der Justiz und der Freitagsprediger zählt Banisadr zu diesen Putschisten, und natürlich hohe Funktionäre in wichtigen Ministerien wie dem Verteidigungs- und Innenministerium.

Khamenei instrumentalisiert Ahmadinejad, sagt Banisadr

Banisadr setzt seine Analyse mit zwei Annahmen fort: Falls Khamenei tatsächlich gesund sei, was manche in Frage stellen, würde jeder zukünftige Präsident außer Ahmadinejad seine Macht in Frage stellen.
Wer könnte aber nach Khamenei der neue „Führer“, Rahbar, des Iran werden. Im Gespräch sei beispielsweise Mojtaba Khamenei, der Sohn des Revolutionsführers. Banisadr argumentiert, dass die „militärische und die Finanzmafia“ all ihre Kräfte einsetzen müssten, um potentielle Rivalen von Khamenei zu beseitigen. Dafür sei ein „großer chirurgischer Eingriff“ vonnöten. Um dieses Ziel zu erreichen, werde Ahmadinejad instrumentalisiert, denn nur er könne dafür sorgen, dass Mojtaba Khamenei auch der zukünftige Führer des Iran werde. Mojtaba Khamenei wünsche daher, dass Ahmadinejad Präsident bleibe. Damit Khamenei seine Ziele erreiche, müsse Hashemi Rafsanjani entmachtet werden. Rafsanjani ist gegenwärtig Vorsitzender des Expertenrates und des Schlichtungsrates.

Geplantes Kalkül?

Banisadr meint, es sei von vornherein ein geplantes Kalkül gewesen, alle vier Präsidentschaftskandidaten ins Rennen zu bringen, um die Bevölkerung zu überlisten. Es habe zum Plan gehört, vor der Wahl die Möglichkeit vorzutäuschen, dass die zwei Reformkandidaten gewählt werden können. Rund zwei Wochen vor den Wahlen konnten die Rivalen von Ahmdinejad ihn sogar kritisieren.

Banisadr hebt aber hervor, dass Stimmen davor gewarnt haben an den Wahlen überhaupt zu partizipieren. Wenn dann die Wahlbeteiligung niedrig gewesen wäre, hätte die Legitimität des Regimes abgenommen und die Bevölkerung hätte auf den Straßen ein Nein zum Welayate Faqih, ein Nein zur absoluten Herrschaft des Klerus ausrufen können.

Legitimität durch Partizipation

Banisadr schreibt, dass Khamenei folgende Ziele verfolgt habe: Eine hohe Partizipation der Bevölkerung, um dem politischen System eine Legitimität zu verleihen; die Säuberung aller oppositionellen Gruppen nach der Wahl; Beseitigung aller gefährlichen Rivalen für das zukünftige Amt des Führers; Absetzung von Rafsanjani von seinen Ämtern; Ausschaltung von Klerikern, Militärs, Politikern, die nicht hundertprozentig hinter Khamenei stünden und die Unterdrückung der protestierenden Bevölkerung nach der Wahl.

Banisadr weiß, dass sogenannte „mobile Wahlurnen“ dazu gedient haben, mehr als 6 Millionen gefälschte Wahlzettel für Ahmadinejad aufzunehmen. Eine massive Beeinflussung der Wahlen zugunsten von Ahmadinejad sei nur möglich gewesen, da mindestens 15.000 Wahlurnen von Revolutionsgardisten kontrolliert wurden.

Eine neue Phase der absoluten Herrschaft des Klerus

Gemeinsam mit Ahmadinejad könne Khamenei nun eine neue Phase von Säuberungen vornehmen, meint Banisadr. Als er selbst Anfang der 80er Jahre als gewählter Präsident ausgeschaltet worden sei, sei Rafsanjani ein naher Mitarbeiter Khameneis gewesen. Heute solle Rafsanjani, wohl auch Hassan Rohani und Nateq Nuri von der Machtzentrale ausgeschlossen werden.

Der Klerus ist gespalten

Banisadr benennt rund 20 Ayatollahs, die eingestanden haben Ahmadinejad nicht gewählt zu haben und genau deswegen wolle Khamenei ein Gros der alteingesessenen Kleriker ausschalten. Stattdessen wolle er junge Kleriker, die gegenwärtig meist mit den Revolutionsgardisten zusammenarbeiten in die Machtzentralen befördern. Eine junge Generation von Klerikern, die eng mit den Revolutionsgardisten kooperieren und natürlich auch Ahmadinejad und Khamenei folgen, sollen den Platz der alten Garde von Klerikern einnehmen und die Macht des Regimes absichern.

Anhänger von Rafsanjani beispielsweise sollen tatsächlich die Kritik geäußert haben, dass Khamenei in den letzten Jahren auch in den Reihen der Revolutionsgardisten Säuberungen durchgeführt habe und altbewährte islamistische Generäle gegen neue Offiziere ausgetauscht habe, ähnlich wolle er nun die politische Bühne der iranischen Machthaber säubern.

Ahmadinejad erhalte gleichzeitig Unterstützung von Klerikern wie Ayatollah Mesbahe Yazdi oder Jannati oder Mohammad Yazdi. Khamenei habe gegenwärtig die Möglichkeit den religiösen Konsens, der darin bestanden habe, dass der Klerus mit dem Islam identifiziert wurde, aufzuheben, manche Kleriker von der staatlichen Macht auszuschließen und manche neu zu integrieren. Damit würde er seine Macht und die Macht Ahamdinejads absichern. Khamenei könne aber auch, was unwahrscheinlich sei, sich von Ahmadinejad distanzieren, denn wenn Moussavi die Wahl gewinne, würde auch Rafsanjani als einer der Unterstützer Mussawis faktisch als Sieger da stehen. In diesem unerwünschten Fall würde der Revolutionsführer Khamenei sich mit einer zu großen islamistischen Konkurrenz konfrontiert sehen.

Tatsächlich war es Rafsanjani gewesen, der Anfang Juni, nach einer Fernsehdebatte zwischen Moussavi und Ahmdinejad in einem öffentlichen Brief an Khamenei deutlich machte, dass er die „Fortsetzung der gegenwärtigen Lage für gefährlich“ halte.
Rafsanjani griff damit eindeutig Ahmadinejad an. Khamenei hat aber nach der Wahl befohlen, dass „alle die Wahl des Präsidenten Ahmadinejad unterstützen müssen und ihm helfen müssen.“

In den letzten Tagen wurden Dutzende mit Ahmadinejad rivalisierende und ihn kritisierende reformislamistische Politiker verhaftet.

Shirin Ebadi fordert die Annullierung der Wahlen
Shirin Ebadi forderte am 18. Juni 2009 die Annullierung der Präsidentschaftswahlen und Neuwahlen unter Aufsicht der UNO, berichtete
BBC-Persian.
Indessen haben Ayatollah Yussef Sanei und Ayatollah Mussawi Ardebili ihr „Mitgefühl“ mit den Angehörigen der ermordeten Studenten geäußert. Das iranische Innenministerium hat dagegen erklärt, dass Neuwahlen zur Wahl des zehnten iranischen Präsidenten kaum möglich seien.

 


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