Verfall der Geistlichkeit im Iran

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Verfall der Geistlichkeit im Iran

Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE
 
 
Die Widersprüche im islamischen Establishment im Iran werden immer größer. Eine iranische Professorin, die in Teheran lebt, spricht vom „Tod der Geistlichkeit als Institution“. Ahmadinejad meint dagegen, dass seine Wahl ein „Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte“ sei. Indessen geht die staatliche Zerschlagung der protestierenden Bevölkerung weiter.

Der persischsprachige Dienst der Deutschen Welle hat ein Interview mit Frau Fateme Sadeghi geführt.
Sie ist Professorin für Politikwissenschaft und die Tochter von Ayatollah Sadegh Khalkhali, der zu Beginn der Revolution den Befehl zum Vollzug von Tausenden von Hinrichtungen gab. Der aus dem iranischen Azarbaijan stammende Kleriker verstarb am 26. November 2006.

Fateme Sadeghi kündigt nun den „Tod der Geistlichkeit als Institution“ an. „Ich meine nicht den Tod einzelner Kleriker“, hebt sie hervor. Die Tatsache, dass ein Kleriker in höchster Instanz alle Entscheidungen treffe, trage zum „Entzug der Legitimität der Geistlichkeit“ bei. Die Gesellschaft betrachte „schon seit langer Zeit die Geistlichkeit mit Pessimismus.“ Nun sei dieser Pessimismus stärker geworden. Sadeghi fügt hinzu: „Wie auch immer das zukünftige System des Iran aussehen wird, die Geistlichkeit wird eine geringere Rolle darin spielen.“

Der „politische Tod der Geistlichkeit“

Sie meint, dass die gegenwärtige Krise den „politischen Tod der Geistlichkeit besiegelt“ habe. Ein Teil des Klerus habe in der Khatamibewegung eine große Rolle gespielt, aber je stärker die Geistlichkeit vom Zentrum der Macht absorbiert worden sei, desto mehr habe sie ihre Unabhängigkeit und ihren Einfluss auf die Bevölkerung verloren. Fateme Sadeghi ist sich sicher, dass die Rolle der Geistlichkeit in der politischen Zukunft des Iran stark abnehme.

Fateme Sadeghi verneint zudem, dass ein Klassenkonflikt die gegenwärtigen Proteste beeinflusse. Ihrer Meinung nach würden manche Beobachter davon ausgehen, dass gegenwärtig eher die Oberschichten demokratische Forderungen nach mehr Freiheit aufstellten und die unteren Schichten eher Ahmadinejad gewählt hätten. Aber diese These treffe nicht zu. Sie begründet ihre Position damit, dass auch ärmere Schichten und Stadtrandbewohner von der Innenpolitik von Ahmadinejad, die sich „soziale Sicherheit“ nennt, negativ betroffen seien. Daher gäbe es keine Begründung dafür zu behaupten, dass die Stadtrandbewohner und die Menschen auf dem Land hauptsächlich Ahmadinejad gewählt hätten.

Totalitäre Tendenzen

Die Proteste der Bevölkerung würden sich gegen „totalitäre Tendenzen“ richten. Seit 30 Jahren würde sich die Diskussion um die „individuelle Freiheit“ aller Klassen der Gesellschaft drehen . Die totalitären Tendenzen würden die unteren Klassen sogar mehr interessieren und betreffen als die oberen. Denn im Falle von Verhaftungen beispielsweise könnten Mitglieder des Mittelstandes „Schmiergelder“ zahlen, um ihre Freiheit wieder zu erlangen, aber den unteren Klassen würde das Geld dafür fehlen. Sie bestreitet aber nicht, dass materielle Interessen manche iranische Wähler beeinflusst haben Ahmadinejad zu wählen.

Fateme Sadeghi weiß nicht, warum überhaupt noch auf den Namen „Islamische Republik Iran“ gepocht werde. Viele Beobachter würden von einer „neuen Phase“ sprechen, die viel mehr die Bezeichnung „Hokumate Eslami“, übersetzt „islamische Herrschaft“ oder „islamischer Staat“ verdient hätte als „Islamische Republik“. Sie würde sogar bei einer solchen Bezeichnung nur vorsichtig den Begriff islamisch verwenden, denn es sei auch nicht klar, inwiefern die gegenwärtigen Ereignisse etwas mit dem Islam zu tun hätten. Viele der Ereignisse würden auch der gegenwärtigen Verfassung widersprechen. Sie sei der Meinung, dass gegenwärtig ein „System errichtet wird, das besser nicht mit dem Adjektiv islamisch versehen werden sollte.“

Verfall der Geistlichkeit

Auf die Frage, warum Mussawi sich an den herrschenden Instanzen orientiere, antwortete sie: „Unter den existierenden Verhältnissen suchen viele nach friedlichen Wegen. Die Bevölkerung unterstützt nicht die legalen Institutionen wie den Wächterrat und die Versammlung zur Erkennung der Systeminteressen und unterstützt nicht das Majless (Islamisches Parlament). Denn es sieht so aus, als ob sie schon im voraus beschlossen haben die allgemeinen Forderungen der Bevölkerung zu ignorieren.“
Sie hebt hervor, dass sie von einem „Verfall der Geistlichkeit“ ausgehe.

Wie Mehrnews am 24. Juni berichtete, ist Ahmadinejad der Überzeugung, dass seine Wahl ein „historischer Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte und der Geschichte der Revolution“ sei.

Infolge der Krise bleibt nicht mehr viel Zeit

Solche Aussagen des Präsidenten und die oben ausgeführten Aussagen von Fateme Sadeghi tragen auch zum Verständnis eines Videos einer Geheimsitzung bei. Ahmadinejad hat gemeinsam mit einigen hochrangigen Klerikern in Ghom am Sonntag, den 21. Juni 2009 getagt.

Ob dieses Video absichtlich ins Internet gesetzt wurde, um die Macht der totalitären Diktatur zu demonstrieren oder ob dieses Video jemandem im Exil zugespielt worden ist, der es ins Youtube setzte, kann gegenwärtig nicht überprüft werden. Tatsache ist, dass das Video authentisch ist und Ahmadinejad auf dieser Sitzung zugibt, dass infolge der Krise im Land nicht mehr viel Zeit verbliebe und schnell gehandelt werden müsse. Der Präsident des Iran geht aber in seiner Rede davon aus, dass die Zeit reif sei, um die Ziele der Islamischen Revolution umzusetzen. Ahmadinejad betonte in seinem Vortrag, dass die Islamische Revolution nicht auf eine Region oder auf eine bestimmte Zeit begrenzt sei. Er weiß aber auch, dass eine schwierige Zeit vergangen sei, aber eine „noch schwierigere Zeit bevorstehe.“

Das islamische Modell

Er sprach nicht direkt die Demonstrationen gegen ihn an, sprach aber von einer „großen Energie, die richtig gelenkt“ werden müsse. Eigentlich sei die Zeit reif, um die Ziele der islamischen Revolution nach 30 Jahren umzusetzen. Tatsächlich sprach Ahmadinejad nicht von einer „Islamischen Republik“, sondern benutzte nur noch den Begriff „Hokumate Islami“, „die islamische Herrschaft“ oder der „islamische Staat“. So hieß in der Tat auch das Hauptwerk von Ayatollah Khomeini, der ein Kalifat und nicht eine Republik verfocht.

Ahmadinejad rief auf dieser Sitzung dazu auf, dass „alle intellektuellen Potentiale“ eingesetzt werden müssten, um endlich das „islamische Modell zu realisieren.“ Auch auf den Universitäten müsse das „islamische Konzept“ umgesetzt werden. Ahmadinejad meint auch zu wissen, dass die Jugend des Iran teilweise verführt sei. Nicht nur die iranische Bevölkerung, sondern die ganze Welt dürste in Wirklichkeit nach der „wahren Kultur“, die für ihn die khomeinistische Interpretation des Islam ist.

Proteste und Repressionen

Der islamische Revolutionsführer, Ali Khamenei, der stets im Namen des Volkes spricht und Ahmadinejad deckt, meinte, dass das „islamische System und die Bevölkerung sich um keinen Preis der Gewalt fügen werden.“

Auf der anderen Seite meint Mehdi Karrubi, dass die Regierung von Ahmadinejad, die aus den vergangenen Wahlen hervorgegangen sei, „keine Legitimität habe“, er akzeptiere nicht die Ergebnisse, die das Innenministerium bekannt gegeben habe.
Indessen rief Moussawi noch am 25. Juni seine Anhänger dazu auf ihre Proteste im Rahmen der Gesetzgebung und friedlich fortzusetzen.
Die islamische Diktatur aber hat eine Jagd gegen die Demonstranten, die für Demokratie und gegen Diktatur eingetreten sind, begonnen. Gerdab veröffentlichte Photos von Demonstranten, die von der Bevölkerung identifiziert werden sollen, damit „diese Feinde“ verhaftet werden können.

Gemeint sind die Demonstranten, die nicht nur „Tod dem Diktator“ riefen, sondern unter anderem auf ihren Plakaten schrieben: „Wir wollen nicht nur unsere Stimmen wieder haben, sondern unseren Iran.“ Die jungen Demonstranten meinen ihren Iran jenseits der islamistischen Diktatur.

Der iranische Geheimdienstminister Gholam-Hossein Mohseni-Ejei ist der absurden Meinung, dass die demonstrierenden iranischen Bürger, die für ihre Freiheiten und gegen den offensichtlichen Wahlbetrug eingetreten sind von dem CIA und der Exilorganisation der Volksmojahedin geführt worden seien, meldete BBC.

 

 


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