Schönstes Mosaik Israels wieder freigelegt

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Jerusalem, 1. Juli 2009 – Für Miriam Avissar, eine von Hamburg 1965 nach Israel ausgewanderte Archäologin, ist es das schönste Mosaik Israel. In jedem Fall ist es mit 180 Quadratmetern das größte, das jemals im Heiligen Land gefunden worden ist und noch dazu 1700 Jahre alt. Durch Zufall wurde es gefunden, als man in der vernachlässigten Kleinstadt Lod nahe dem internationalen Ben Gurion Flughafen eine Straße erweitern wollte. Wie es das Gesetz vorschreibt, wurden erst einmal die Archäologen gerufen, eine Notgrabung zu machen, um zu prüfen, ob der Untergrund frei von historischem Ballast sei. Denn wo immer in Israel die Bagger ihre Schaufeln ansetzen, könnte kulturelles Welterbe im Untergrund verborgen liegen. Sogar in Lod, wo in den fünfziger Jahren zwischen verfallenden Ruinen arabischer Häuser und Karawansereien billige Plattenbauten für jüdische Flüchtlinge aus arabischen Ländern errichtet worden sind. 1921 wurden während des arabischen Aufstands alle Juden aus Lod vertrieben. 1948, während des Unabhängigkeitskrieges Israels, flohen die meisten der 17.000 arabischen Einwohner. Heute leben etwa 50.000 Menschen in Lod. Zwanzig Prozent von ihnen sind muslimische und christliche Araber.
Das „Mosaik von Lod“ machte 1996 nach seiner Entdeckung weltweite Schlagzeilen. 30.000 Israelis strömten an einem einzigen Wochenende nach Lod, um es zu bewundern. Doch mangels Geld wurde es wieder zugeschüttet, in der Hoffnung, es eines Tages vom schützenden Sand zu befreien und zugänglich zu machen. Dank der Spende einer jüdisch-amerikanischen Stiftung tat sich jetzt die Möglichkeit auf, das Mosaik zu entblößen. Die Presse wurde gerufen, es ein letztes Mal in seinem Originalzustand zu dokumentieren. Es soll aufgerollt in Labors der Antikenbehörde zur Restaurierung gebracht werden. Dann wird es nach New York geflogen zu einer Sonderausstellung im Metropolitan Museum of Art. Und schließlich soll es nach Lod zurückgebracht werden, nach der Errichtung eines „Besucherzentrums“.
Die Archäologin Avissar datiert das riesige Mosaik ins dritte Jahrhundert, weil die jüngste bei dem Mosaik gefundene Münze dem römischen Kaiser Diokletian gewidmet war. Der herrschte von 284 bis 305. Spätestens dann muss ein steinreicher Jude oder Christ das Mosaik bei einem Künstler aus Sizilien bestellt haben. „Das können wir anhand des Stils feststellen“, sagt Avissar. Die Mosaikkünstler präsentierten den reichen Leuten der damaligen Zeit regelrechte Motivkataloge. Auf dem Mosaik von Lod sind zwei prächtige Handelsschiffe abgebildet und viele zum Teil groteske Fische. Der Villenbesitzer scheint Reeder oder Händler mit internationalen Kontakten gewesen zu sein. Auf dem Mosaik sind viele Tiere abgebildet: ein Trauben-fressender Hase, ein Elefant, eine Giraffe, ein Tiger, der ein Pferd attackiert.
„Am Wichtigsten ist das, was da nicht vorkommt“, erklärt Avissar im leichten Hamburger Platt. So gibt es keine Inschrift, die typisch für Mosaiken in öffentlichen Gebäuden ist, wo der Stifter erwähnt werden müsse. Und im zentralen Medaillon sind Tiere abgebildet, nicht aber der typische Ophelius oder Bacchhus, wie auf heidnischen Mosaiken. „Der Besitzer muss Jude oder Christ gewesen sein, der sich über die Heiden lustig machte“, meint Avissar.
„Das Mosaik soll den Tourismus in Lod fördern“, sagt Yoram Ben Arusch, Stadtsprecher, und verteilt einen hebräischen Hochglanz-Stadtplan von Lod an die ausländischen Journalisten. Ganz begeistert erzählt er vom „Friedenspark“ mitten in Lod. In trauter Nachbarschaft gebe es dort eine Synagoge, eine Moschee und die griechisch-orthodoxe St. Georgs Kirche, dem in Lod geborenen Drachenbezwinger und Schutzpatron Englands gewidmet.
Plastiktüten fliegen durch die Luft, weil Lod wohl keine Müllabfuhr hat. Unbeschreiblich viel Dreck säumt die schlaglöchrigen Straßen. Bürgersteige und Straßenschilder gibt es nur sporadisch. Die Moschee mit der grünen Kuppel ist verschlossen. Ein mächtiges Eisengitter steht etwa 20 Zentimeter vor der benachbarten Kirchenmauer. Offenbar wollten die orthodoxen Griechen den Moslems zeigen, dass deren Grundstück nicht an der Mauer, sondern 20 Zentimeter davor endet. Vor dem verriegelten Eisentor der St. Georgs Kirche stehen vier malerisch gekleidete  junge Frauen aus Georgien. „Die Griechen scheinen am Mittwoch ihren Sabbat zu feiern“, klagen sie. Ein großes Schild verkündet jedoch eine Öffnungszeit zwischen 9 und 16 Uhr. Vom kunstvoll mit jüdischen Symbolen gestalteten Gitter um die Synagoge haben Vandalen einige Zacken abgebrochen. Ein aufgespritztes Graffiti an der Mauer des „Friedensplatzes“ verkündet: „Nur Sex bringt Frieden“.
Immerhin wird Lod schon in der Bibel und auf einer Liste von Städten Kanaans des Pharao Thutmoses III aus dem Jahr 1465 vor Chr. erwähnt. Laut Apostelgeschichte hat Petrus dort einen Kranken geheilt. Vielleicht verirren sich künftig doch mal Touristen nach Lod, das bislang als Hochburg von Drogenhändlern und sozialer Probleme galt.

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