Genozid der iranischen Bahai ist möglich

  • 0

Genozid der iranischen Bahai ist möglich

 
Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE
10.07.2009 – 11.24 Uhr
 
 

Laut einer Studie des Senitel Projektes sind Genozide voraussagbar. Christopher Tuckwood kommt in dieser Studie zu dem Schluss, dass das iranische Regime bestimmte Vorbereitungen treffe, um einen Genozid an den iranischen Bahai durchzuführen, falls der politische Befehl dazu komme.

Der folgende Text basiert auf den zentralen Aussagen einer Studie des Senitel Projektes, in der überzeugend dargelegt wird, dass bestimmte Faktoren einen Genozid der Bahai wahrscheinlich machen.

Von Anbeginn ihrer Entstehungsgeschichte wurden die Angehörigen der Bahai-Religion verfolgt. Zwar wurden die Menschenrechte auch vor der Islamischen Revolution nicht eingehalten, aber seit 1979 werden die Menschenrechte der Bahai im Iran systematisch verletzt.

Ein Genozid ist wahrscheinlich

Wachsende ökonomische Not in der Gesellschaft erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Genozids an den iranischen Bahai. In Bedrängnis geraten, sucht die Mehrheitsgesellschaft stets Sündeböcke, die für alle Probleme herhalten müssen. Die Mehrheitsgesellschaft macht die Minderheit für ihre eigenes Unglück verantwortlich und reagiert ihr gegenüber besonders aggressiv.

Gleichzeitig sucht die Bevölkerungsmehrheit ihre Sicherheit bei radikalen und charismatischen Führern, besonders wenn diese der Mehrheit versprechen, für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen zu sorgen. Meistens sind es arbeitslose Jugendliche, die die Bereitschaft mit sich bringen die Minderheiten zu attackieren. Zwar beträgt die offizielle Arbeitslosenquote im Iran nur 12,5% im Jahr 2008. Tatsächlich liegt die Zahl viel höher; hinzu kommt, dass die Löhne sehr niedrig sind.

Der iranische Staat kontrolliert die Medien

Als einen weiteren Faktor, der einen Genozid möglich macht, führt Tuckwood den starken Staatsapparat an. Der iranische Staat kontrolliert die Medien und kann auf polizeiliche, militärische, paramilitärische und geheimdienstliche Ressourcen zurückgreifen. Ein solches System ist in der Lage einen Genozid durchzusetzen ohne eine Strafmaßnahme befürchten zu müssen.

Außerdem handelt es sich um ein ideologisch motiviertes revolutionäres Regime, das utopische Visionen verfolgt, die für Minderheiten sehr gefährlich werden können.

Tuckwood schreibt zu Recht, dass es zwar schwer ist zu bestimmen, ob das Regime tatsächlich eine genozidale Vernichtung der Bahai-Gemeinde plant, aber es sind in der Tat ausreichend Dokumente vorhanden, die belegen, dass die Überlebensfähigkeit der Bahai-Gemeinde verhindert werden soll.
Staatliche Dokumente, die seit 1993 öffentlich sind, belegen, dass die iranische Regierung den „Fortschritt und die Entwicklung“ der Bahai-Gemeinde „blockieren“ will. Die Bahai sollen nicht an den Universitäten studieren dürfen und ihre religiösen Aktivitäten sollen unterbunden werden. Es war unter der Präsidentschaft von Hashemi Rafsanjani als in einem Geheimpapier gefordert wurde, dass „ihre kulturellen Wurzeln im Ausland zerstört werden müssen.“

Härtere Methoden der Diktatur können nicht ausgeschlossen werden

Ende 2005 gab es einen Befehl der iranischen Armee, die iranische Polizei, die Geheimdienste und Revolutionsgardisten mögen alle iranischen Bahai identifizieren.

Zwar wird nicht direkt gefordert, dass die Bahai physisch ausgelöscht werden sollen, aber offenbar sollen die Bahai gezwungen werden ihren Glauben aufzugeben und zum Islam überzutreten. Noch versucht die iranische Regierung ihre Ziele der Erstickung der Bahai-Gemeinden mit „soften“ Ansätzen durchzusetzen, aber härtere Methoden der Diktatur können nicht ausgeschlossen werden.

Indizien und Stufen eines genozidalen Prozesses

Der Autor dieser Studie geht davon aus, dass die Verfolgung der iranischen Bahai große Ähnlichkeiten aufweist mit historisch bekannten Genoziden.

Erstens werden die Angehörigen der Bahai Religion im Iran nicht als eine religiöse Minderheit klassifiziert und haben daher keine Rechte und erfahren keinen staatlichen Schutz.

Zweitens hat die Mehrheit der Iraner überhaupt keine persönlichen Erfahrungen mit einzelnen Bahai gemacht und ist lediglich von der staatlichen Propaganda beeinflusst worden. Eine solche Tatsache ist wichtig für die Formation von Stereotypen und die Dehumanisierung von Zielgruppen, schreibt Tuckwood.
Drittens zeigt die staatliche und mediale Hasspropaganda im Prozess der Dehumanisierung der Bahai ihre Wirkung. Die Bahai werden als Häretiker betrachtet, weil sie an einen Propheten glauben, der nach Mohammad erschienen ist. Außerdem wird den Bahai vorgeworfen für ausländische Mächte, wie für die USA und für Israel zu arbeiten. Bahai werden als „Prostituierte“ beschimpft. Sie sollen „inzestuös“ sein und „schmutzig“. Tuckwood meint zu Recht, dass es für die Täter leichter ist Bahai zu ermorden, wenn sie zuvor dehumanisiert werden. Gleichzeitig dient die Dehumanisierung den neutralen Beobachtern entweder dazu sich an den Morden zu beteiligen oder still zu halten.

Personen werden willkürlich verhaftet

Viertens verfügt der iranische Staat über Kräfte, die einen Genozid durchaus möglich machen. Die konventionelle Armee, Revolutionsgardisten, Polizei und die Bassij-Milizen. Da die Bassij-Milizen und die Ansare Hisbollah, zwar von staatlichen Stellen geleitet, aber weniger angebunden sind, können diese in einer sehr breiten Form Anti-Bahai-Gewaltakte durchführen. Im übrigen geschieht dies bereits, indem Häuser von Bahai angezündet werden oder Friedhöfe zerstört werden oder Einzelpersonen willkürlich verhaftet werden.

Fünftens ist das Ziel der iranischen Regierung die Bahai von der Gesellschaft zu trennen. Jedem Iraner, der eine Gleichbehandlung der Bahai mit den Muslimen fordert, wird daher vorgeworfen mit ausländischen Mächten zusammenzuarbeiten.

Sechstens hat die iranische Regierung längst Schritte unternommen, um die gesellschaftliche Position der Bahai abzuwerten. Dadurch wird eine mögliche Vernichtung der Gemeinde vorbereitet. Als Vorbereitungsmaßnahmen gelten, Ausschluss von staatlichen Stellen, Einschränkung ihrer wirtschaftlichen Partizipation und Ausschluss von akademischer Ausbildung.

Das Regime ist potentiell in der Lage die iranische Bahai-Gemeinde zu vernichten

Der Autor der Studie geht davon aus, dass das iranische Regime entschlossen ist die kulturelle Überlebensfähigkeit der iranischen Bahai-Gemeinde zu zerstören. Zudem besitzt das Regime das Potential die Bahai-Gemeinde physisch zu vernichten. Zwar hat das Regime einen solchen Schritt zur physischen Zerstörung noch nicht unternommen, aber einige Faktoren weisen darauf hin, dass die Verfolgung intensiviert werden soll oder gar ein genozidales Massaker durchgeführt werden soll.

Die Sicherheitslage der Bahai kann sich unter folgenden Bedingungen verschlechtern:
– Wenn sich die ökonomische Lage im Iran verschlechtert, kann dies zu verstärkten sozialen Konflikten führen, mit dem Ergebnis, dass die arbeitslosen Jugendlichen sich noch mehr radikalisieren, sich von Volksmilizen der Bassiji rekrutieren lassen und größere Anti-Bahai-Feindseligkeiten entwickeln.

– Je mehr die radikal-konservativen Kräfte die Hebel der Macht monopolisieren, desto mehr werden sie die Gelegenheit nutzen religiöse Minderheiten, insbesondere die Bahai, zu unterdrücken.

– Wenn die konservative Macht sich besonders herausgefordert fühlt, kann ihr Verbrechen immer größer werden.

– Die Machthaber können noch aggressiver vorgehen, wenn sie gewahr werden, dass die sanfteren Mittel der „Bekehrung“ der Bahai zum Islam gescheitert sind, mit der Konsequenz, dass die physische Vernichtung der Bahai-Gemeinde geplant werden könnte.

Potentielle Faktoren, die einen Genozid möglich machen

Bei wachsenden externen Bedrohungen könnte sich das Regime veranlasst fühlen die als solche wahrgenommenen internen Feinde zu vernichten. Ein solches Dilemma kann wahrscheinlicher werden, wenn Israel oder die USA den Iran militärisch angreifen sollten. Zumal die Bahai ohnehin als die „fünfte Kolonne“ dieser Staaten gelten. D.h. bei wachsender Kriegsgefahr steigt auch die Gefahr eines Genozids.
Auch inländische Unruhen und Protestbewegungen, seien diese von politischen Rivalen oder ethnischen Minderheiten, können die Gefahr steigern, dass die Machthaber die Verfolgung der Bahai intensivieren.

Welche Faktoren weisen auf eine zukünftige Eskalation hin?

Es gibt einige Faktoren, die den Weg eines Genozids anbahnen: Die Regierung versucht Fluchtwege, die die verfolgte Zielgruppe nutzen könnte, um in das Ausland zu reisen, zu sperren. Die Bahai Gemeinde könnte ghettoisiert werden, so dass eine massenhafte Verhaftung leichter wird. In der Geschichte der Genozide wurden die Männer von Frauen einer Community getrennt. Es gibt zudem die Gefahr, dass Bahai-Kinder von ihren Eltern getrennt werden, da das Ziel des Regimes die Konversion der Bahai zum Islam zu erzwingen, gescheitert ist. Eine Trennung der Kinder von ihren Familien könnte dazu dienen, das Wachstum der Gemeinde zu verhindern.

Das iranische Regime könnte seine militärischen und paramilitärischen Instrumente einsetzen, um seine Ziele zu erreichen: Armee, Revolutionsgardisten, Polizei, Bassij-Milizen, Ansare Hisbollah oder die Hojjatieh-Gruppe.

Abschließend kommt die Studie zu dem Schluss, dass zwar keine konkreten systematischen genozidalen Absichten des Regimes vorliegen, aber die Absicht den Bahai-Glauben zu zerstören sei deutlich und weitere Schritte könnten auf diesem Wege beschritten werden. Die iranische Bahai-Gemeinde sei verarmt, ohne Führung und ohne einen gesetzlichen Schutz. D.h. das iranische Regime hat bereits viele Vorbereitungen getroffen, um einen Genozid der iranischen Bahai-Gemeinde durchzuführen, falls der politische Befehl dazu komme.

Im übrigen erinnert dieses Warten auf den Befehl für einen Genozid gegen die iranischen Bahai an das iranische Atomprogramm. Kein Geringerer als Hans Rühle, von 1982 bis 1988 Leiter des Planungsstabes im Bundesverteidigungsministerium, machte in einem Artikel deutlich, dass der Iran auf dem Niveau einer ‚virtuellen Macht‘ verharren wolle, „um für den letzten Schritt auf eine günstige weltpolitische Gelegenheit zu warten.“

Aktuell sind weitere Todesstrafen möglich

Im Schauprozess gegen sieben führende Bahai im Iran wird am 11. Juli 2009 ein Urteil erwartet. Ihnen wird zu Unrecht „Spionage für Israel und USA“ vorgeworfen. Beweise wurden bisher nicht geliefert. Die iranischen Bahai werden lediglich wegen ihrer Glaubensvorstellungen verfolgt, weil sie davon ausgehen, dass Mohammad nicht der letzte Gottesoffenbarer war.

Payam Akhavan, kanadischer Völkerrechtsprofessor, der an der Mc. Gill Universität lehrt, befürchtet, dass die staatlichen Repressionen in Massenexekutionen und Folter von Führern der Reformbewegung enden können. Staatlich begangene massive Menschenrechtsverletzungen müssen bestraft werden, so wie Präsident Solobodan Milosevic bestraft worden ist. Die Vereinten Nationen müssen die Botschaft verbreiten, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht ungestraft bleiben, so der Professor für Völkerrecht Akhavan.

Völkerrechtsprofessoren fordern Tribunal gegen das iranische Regime

Auch der Völkerrechtsprofessor und Kanadas Exjustizminister Irwin Cotler strebt eine Klage gegen Ahmadinejad vor einem Weltstrafgericht an. Die iranischen Machthaber würden nicht nur die Bahai massiv unterdrücken, sondern auch zum Hass und Genozid der Juden in Israel aufrufen. Dies mache sie zum Komplizen des Verbrechens gegen die Menschheit. Die iranische Regierung müsse völkerrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden.

 

 


Hinterlasse eine Antwort