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  1. RADIO UTOPIE Israel, eine Ethnokratie? Eine Herrenvolk-Demokratie? – Preußen am Mittelmeer?
    Unter der liberalen amerikanischen Intelligenzija herrscht die fast weltweite Vermutung vor, dass die israelische Besatzung zwar unterdrückerisch und abscheulich ist, Israel selbst sei aber ein offener, ganz und gar demokratischer Staat mit einer lebendigen, argumentativen und sehr freien Presse.
    Gott bewahre! Nachdem ich drei Monate mit einem Forschungsstipendium in Israel war, kann ich sagen, dass fast jeder aus der liberalen israelischen Intelligenz , mit dem ich ins Gespräch kam, etwas ganz anderes sagte: dass die Medien des Landes schwer angeschlagen sind und versäumen, auf unterstem Niveau fair zu berichten und ernsthafte kritische Erkundigungen einzuziehen, die wichtige Pfeiler einer offenen Gesellschaft seien.
    Amerikaner, die nicht Hebräisch lesen oder Nachrichten im israelischen Fernsehen sehen, mögen eine verzerrte Sicht der Situation bekommen. Sie vermuten auch, dass die Tageszeitung Haaretz – mit geringerer Auflage als die anderen und vor allem von den Intellektuellen und der politischen Klasse gelesen, und die von Ausländern verschlungene Englisch Online -Ausgabe , repräsentativ sei. Und sie vermuten, dass kritische Kolumnisten wie Gideon Levy, Akiva Eldar und Amira Hass in allen anderen Medien auch vorkommen. Das ist aber nicht so. Die größeren Tageszeitungen wie Yediot, und Maariv als auch die Jerusalem Post und die TV-Nachrichten neigen viel mehr zur Rechten – genau wie die US-Medien, die Israel in dieser Hinsicht sicher nichts beibringen können.
    Und was den offenen, so sehr demokratischen Staat betrifft, so reden die Leute, mit denen ich gesprochen habe, von einem beunruhigenden Dissens der letzten Jahre, der parallel mit den Wahlen zunehmend in rechte Regierungen läuft. Der Tiefpunkt kam während des Gaza“krieges“ im Januar 2009. Ich habe dies selbst im Mikrokosmos hier in Beer Sheva an der Ben-Gurion-Universität (BGU) erlebt.
    Vor ein paar Tagen wurde Noah Slor, die im Programm für Jungakademiker der BGU-Abteilung für Nahoststudien ist, auf Order der Campussicherheitsleuten von der Polizei verhaftet und mehrere Stunden festgehalten, weil sie ganz still Flugblätter verteilt hatte. Es ging um die Ablehnung einer der Knesset vorliegenden Gesetzesvorlage, in der das Gedenken an die Nakba zu einem kriminellen Akt erklärt wird. Sie stand an einer Stelle außerhalb des Haupteinganges zum Campus, wo Studenten aus Tradition alles verteilen, von einer Party-Einladung bis zur Information über politische Demonstrationen, wobei sie nie von Sicherheitskräften belästigt werden.
    Aktivisten, Studenten wie Professoren, bestätigen ein Muster von politisch motivierten Schikanen durch Campus-Sicherheitsleute. Slor, eine Aktivistin der Gruppe „Der Süden für Frieden“, die sich erst vor kurzem aus Arabern und Israeli im Raum Beer Sheva gebildet hat, kämpft gegen Rassismus und für Gleichheit und Koexistenz von Arabern und Juden. Sie erzählte mir, dass zu dem Zeitpunkt ihrer Verhaftung einer der Sicherheitsleute ihr sagten: „Hör zu, gibt nicht vor, du seiest so naiv, Ich habe dich in der Vergangenheit bei Demos gesehen. Alles wird berichtet und notiert und alles wird dokumentiert“ sie kann es nicht beweisen, aber sie ist davon überzeugt, dass die Sicherheit hinter ihr her ist, weil sie gegen das Nakba-Gesetz ist; das war eigentlich gemeint,“ sagte sie mir.
    Die Studenten nahmen das nicht einfach hin. Am selben Abend hielten sie eine Demo und protestierten gegen die Verhaftung, in dem sie sich bei einer Universitätsfeier versammelten, zu der eine Reihe Persönlichkeiten aus der Regierung und andere Würdenträger erwartet wurden. Sie hatten sich Krepppapier über ihren Mund geklebt und hielten Poster, auf denen zu lesen stand: „Die Sicherheitsabteilung leitet die Universität“ und „Sicherheitsabteilung = Geheimpolizei“. (In einer Antwort auf Fragen über den Vorfall sagte der Uni-Sprecher Amir Rosenblit, dass es Studenten nicht erlaubt sei, auf dem Campus Flugblätter zu verteilen – warum denn nicht?) und dass Noah sie in einem Bereich verteilt habe, der noch zum Campus gehört – auch wenn es außerhalb des Tores war) 
  2. TAGESSPIEGEL „Die Dinge beim Namen nennen“
    Felicia Langer wehrt sich gegen Kritik und verteidigt ihr Engagement für eine andere Politik in Israel. 
    B
    erlin – Sie ist es gewöhnt, auszuteilen und einzustecken. Die Anwältin und Autorin Felicia Langer ist kompromisslos, ihre harsche Kritik an der israelischen Palästinenserpolitik hat immer polarisiert. Diplomatie ist ihre Sache nicht. Doch die Reaktionen in Deutschland auf die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes haben die 79-jährige Juristin, die seit 1990 in Tübingen lebt, überrascht. „So verletzende Anschuldigungen und Verleumdungen habe ich selten erlebt“, sagt Langer. In Israel, wo sie als erste israelische Anwältin nach dem Krieg von 1967 palästinensische Häftlinge verteidigt hat, war sie zwar auch nicht unumstritten. Aber die Kritik sei nicht „so vehement und schrecklich“ gewesen. Besonders trifft sie der Vorwurf, sie habe Israel mit Nazi-Deutschland verglichen. Das habe sie nie gesagt, und der Vergleich sei natürlich falsch. Generell bedauert sie in Deutschland, dass Kritik an Israel oft als „Antisemitismus“ hingestellt werde. „Dieser Missbrauch des Antisemitismus ist tragisch“, findet Langer.
    Als Israel-Hasserin sieht sich Langer nicht: „Ich fühle mich als Israelin, ich habe dort 40 Jahre gelebt und habe eine kolossale Bindung an das Land.“ Dennoch wanderte sie 1990 nach Deutschland aus, wo ihr Sohn und seine Familie leben. Sie kehrte dem „gelobten Land“ lautstark und „aus Protest“ den Rücken. Sie sah nach eigenen Angaben als Anwältin keine Möglichkeit mehr, Palästinensern im israelischen Justizsystem zu ihrem Recht zu verhelfen. Sie übernahm Lehraufträge an den Universitäten Bremen und Kassel, hält Vorträge über Menschenrechte und Rassismus und ist Schirmherrin des Tübinger Vereins zur Unterstützung palästinensischer Flüchtlingskinder im Libanon, der unter anderem gewaltfreie Erziehung fördert. Seit einigen Monaten besitzt sie auch die deutsche Staatsbürgerschaft.
  3. swr2 über ilan pappe:
    SWR2 
    Der israelische Historiker Ilan Pappé und die Vertreibung der Palästinenser – Von Martina Sabra
    Mit der Staatsgründung Israels verloren etwa 750.000 Palästinenser ihre Heimat. Flucht oder Vertreibung? Dieser Frage haben sich israelische Historiker wie Benni Morris, Tom Segev schon seit längerem gestellt. Ihr Kollege Ilan Pappé geht weiter. Er spricht von geplanter und generalstabsmäßig ausgeführter ethnischer Säuberung. In Israel ist der Sohn deutscher Juden, die in den 30er-Jahren aus Nazi-Deutschland nach Palästina geflüchtet waren, wegen seiner zionismuskritischen Forschungen unter heftigen Beschuss geraten. Die Universität Haifa wollte ihm sogar die Lehrbefugnis entziehen. Aus diesem Grund hat Ilan Pappé seiner Heimat nun den Rücken gekehrt. Zur Zeit lebt er mit seiner Familie in Großbritannien, wo er an der Universität Exeter eine Professur für Geschichte inne hat. Autorin Martina Sabra hat ihn dort besucht.
    Alle Sendetermine:  27.07.2009, 10.05 Uhr, SWR2 Leben, SWR2 

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