Aufstände im Iran – Habermas & Co. sind schuld

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Aufstände im Iran – Habermas & Co. sind schuld

 Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE

 

Said Hajjarian, Ex-Geheimdienstler und reformislamistischer Politstratege, hat vor einem iranischen Gericht ein Zwangsgeständnis abgelegt. Ihm war vorgeworfen worden, für den Versuch einer „samtenen Revolution“ mitverantwortlich zu sein. Hajjarian macht Theorien von Weber und Habermas für die Proteste verantwortlich.

Hajjarian ist einer der Begründer des nach der Revolution neu gegründeten iranischen Geheimdienstes und zählt zu den intelligentesten Reformstrategen des Iran. Farsnews veröffentlichte am 25. August seine „Verteidigungsrede“.
Er habe seine „Verteidigungsrede“ handschriftlich geschrieben, heißt es dort. Nur vorlesen wollte er sein Geständnis nicht. Er begründete dies mit „Sprechproblemen“. Dabei gilt er als ein gewandter Redner.

Die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi bezeichnete in einem Interview mit Radio Free Europe solche Verteidigungsreden als „juristisch wertlos“. Solche Prozesse seien „illegal“ und eine „Parodie der iranischen Justiz“.

Zwei Kriege im Osten und Westen des Iran

Die handschriftliche Fassung des Zwangsgeständnisses, das Farsnews veröffentlichte, ist sechs Seiten lang. Eine sinngemäße Zusammenfassung soll einen Einblick in die Machenschaften des iranischen Regimes geben:
Hajjarian ging zu Beginn seines Zwangsgeständnisses auf die zehnte Präsidentschaftswahl im Iran ein. Es sei das erste Mal, dass es bei iranischen Wahlen offen zu illegalen Handlungen, zu Morden und zur Zerstörung privaten und öffentlichen Eigentums gekommen sei. Hajjarian bezichtigte die Demonstranten, den Feinden des Iran gedient zu haben.

Hajjarian erklärte seinen „Hass gegen alle Maßnahmen, die die Sicherheit des Staates gefährdet haben.“ Iran befinde sich in einer unruhigen Region, zwischen zwei Kriegen im Osten und Westen des Landes. Die Feinde des Iran würden versuchen mit Hilfe von Sanktionen und Drohungen den Fortschritt des Iran zu verhindern. Die Pflicht der Iraner sei aber die „Einhaltung der nationalen Einheit“.

Abweichlerische westliche Schriften sind schuld

Hajjarian entschuldigte sich für alle seine „unrechtmäßigen Analysen, die als Grundlage vieler falschen Handlungen gedient haben“. Hajjarian gestand, in den letzten 15 Jahren in verschiedenen Publikationen „abweichlerische“ Schriften veröffentlicht zu haben. Es habe sich um Analysen gehandelt, die auf „abweichlerischen westlichen Schriften“ beruhten und an iranischen Universitäten gelehrt wurden.

Hajjarian gestand, dass eine der wichtigsten abweichlerischen Theorien, die Max Webersche Sultanismus-Theorie sei. Er kritisierte vor dem islamischen Gericht die Webersche These von der „Patrimonialherrschaft“, die auf Iran übertragen worden sei. Sozialwissenschaftliche Schriften, seien diese marxistisch oder neoliberal, seien kritiklos auf Persisch übersetzt worden. Sogar poststrukturalistische, postmarxistische und feministische Bücher würden auf Persisch an Universitäten gelehrt werden. Dies habe bisher dazu gedient westliche Denkschulen zu verbreiten.

Hajjarian schildert, wie er dazu gekommen sei die falschen Theorien von Max Weber zu übernehmen. Er sei „kritiklos in die Falle solcher abweichlerischen Theorien“ geraten.

Max Weber ist schuld

Nach dem Tode von Ayatollah Khomeini im Jahre 1988 sei er politischer Sekretär des Zentrums für strategische Forschung geworden. Er habe sich damals viele westliche sozialwissenschaftliche Theorien angeeignet, ohne sich damit kritisch auseinander zu setzen. Er erklärte den Richtern im Gerichtssaal, dass Max Weber die Theorie der patrimonialen Herrschaft oder des Sultanismus aus der Geschichte der osmanischen und chinesischen Imperien entwickelt habe. Ganz anders sei es aber mit der absoluten Herrschaft des Klerus. Die Thesen Max Webers ließen sich nicht auf den Iran übertragen.

Es ist aus sozialwissenschaftlichem Erkenntnisinteresse wahrlich belanglos auf seine Argumente einzugehen, warum die Webersche Theorie sich nicht auf die Zustände im Iran übertragen ließen: Die „Islamische Republik“ sei ein revolutionäres System. Im Iran gebe es direkte und indirekte Wahlen. Außerdem würde die islamische Herrschaft im Iran ihre Legitimität aus der Erwartung der Wiederkehr des verschwundenen zwölften Imam ziehen.

Auch der „Oberste Rat der Kulturrevolution“ ist schuld

Hajjarian entschuldigte sich immer wieder, zumal Max Weber für den Iran überhaupt keine Bedeutung habe. Er forderte die iranischen Intellektuellen und Professoren auf, kritischer auch mit den „größten Denkern der Welt“ umzugehen.

Hajjarian beschuldigte sogar den „Obersten Rat der Kulturrevolution“ und die Verantwortlichen der Bildungspolitik im Iran an solchen „Abweichungen“ beteiligt gewesen zu sein. Es gäbe zu viele iranische Universitäten, an denen kritiklos Sozial- und Geisteswissenschaften gelehrt würden. Zwar würden viele abweichlerische Ideen im Namen der Wissenschaft gelehrt werden, aber nach den zehnten Präsidentschaftswahlen wisse man nun, dass viele solcher Ideen zur Grundlage von Protesten würden, die die „nationale Einheit gefährdeten.“

Auch manche Politiker und politische Aktivisten, die er nicht namentlich nennt, seien verantwortlich für die Proteste. Solche Gruppen haben, laut Hajjarians Zwangsgeständnis, die „Feinde erfreut, wenn sie nicht direkt von ihnen Befehle erhalten haben.“

Habermas und Parsons sind auch schuld

Hajjarian erinnerte an die Worte des Ayatollah Khomeini, der immer vor dem Westen und dem sozialistischen Osten gewarnt habe. Früher hätten Marxisten versucht, sich gegen den Islam zu stellen und heute würden Neoliberale solche Versuche unternehmen. Aber die islamische Revolution habe nicht dazu gedient, dass Muslime vor diesen Ideen kapitulieren. Hajjarian machte die Theorien von Parsons, von Max Weber und von Habermas für die Proteste der letzten Monate verantwortlich.

Demonstrativer Austritt aus der linksislamistischen Partizipationsfront

Abschließend erklärte Hajjarian, dass er von der linksislamistischen „Partei“ der Partizipationsfront austrete. Er sei zwar noch im elften Kongress der Partizipationsfront als einer der Hauptdenker dieser „Partei“ aktiv. Heute erkenne er aber, dass die Ziele dieser Organisation sich gegen die Ideen des Ayatollah Khomeini richten würden.

Hajjarian forderte das iranische Volk auf, ihn und andere Verantwortliche zu entschuldigen, für die Schäden, die sie bereitet haben. Er entschuldigte sich auch direkt beim iranischen Führer Ayatollah Khamenei.

Solche Geständnisse beweisen tatsächlich die Zuspitzung der totalitären Diktatur. Nach der Revolution von 1979 ging es gegen die Säkularen, dann gegen die Nationalreligiösen. Heute stehen die Reformintellektuellen vor den Gerichten, die wie in den 80er Jahren Zwangsgeständnisse propagieren. Nun werden Intellektuelle vorgeführt, die sogar beim Aufbau des khomeinistischen Geheimdienstes und in wichtigen Institutionen der totalitären Diktatur gearbeitet haben.

 

 


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