Verfall der religiösen Despotie im Iran

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Verfall der religiösen Despotie im Iran 

Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE

 

Der Philosoph Abdolkarim Soroush kritisiert in einem Brief an den Revolutionsführer Ali Khamenei den „Verfall der religiösen Despotie“ im Iran. Soroush verwendet gar den Begriff Faschismus. Indessen befürchtet der Politikwissenschaftler Sadegh Zibakalam eine zweite „islamische Kulturrevolution“.

Abdolkarim Sorush hat einen offenen Brief an den iranischen Revolutionsführer Ali Khamenei geschrieben, der am 9.9.2009 in Akhbare Rooz veröffentlicht worden ist.

Der Brief ist datiert mit Ramadan 2009, in der noch laufenden islamischen Fastenzeit.
In diesem Schreiben spricht der iranische Philosoph Soroush vom „Verfall der religiösen Despotie“ im Iran.

Eine neue Zuspitzung der Diktatur im Iran

Tatsächlich setzen die khomeinistischen Machthaber des Iran eine neue Stufe der Zuspitzung der totalitären Diktatur im Iran durch. Sadegh Zibakalam, Professor für Politische Wissenschaften an der Teheraner Universität, spricht von einer „zweiten islamischen Kulturrevolution.“ Ayatollah Khomeini selbst prägte zu Beginn der Islamischen Revolution den Begriff der „islamischen Kulturrevolution“, abgeleitet von der maoistischen Kulturrevolution.
Die Ironie der Geschichte ist, dass Soroush selbst maßgeblich an der ersten Kulturrevolution zu Beginn der Islamischen Revolution beteiligt war, als die Universitäten, das Bildungssystem und der Staatsapparat weitgehend von säkularen Kräften gesäubert und islamisiert wurden. Heute gehört er zu den scharfen muslimischen Kritikern des Systems, die vergeblich die totalitäre Diktatur reformieren wollten.

Der Revolutionsführer hat seine Legitimität verloren, sagt Soroush

Abdolkarim Soroush schreibt in seinem Brief an den Revolutionsführer, – der hier nur auszugsweise wiedergegeben wird – dass Khamenei billigend in Kauf genommen hat, dass die „Menschen ihren Glauben an die Religion und an den Propheten verlieren, aber gegenüber der absoluten Herrschaft des Klerus gehorsam bleiben sollen.“ Soroush meint, der Revolutionsführer wolle nicht, dass die Wahrheit ans Licht komme. Es gehe ihm lediglich um die Sicherung der eigenen Herrschaft.

Soroush wirft dem Revolutionsführer vor einen „schweren Fehler begangen zu haben.“ Er habe dem Revolutionsführer schon vor zwölf Jahren empfohlen gesellschaftliche Freiheiten für Parteien, für Vereine, für Kritiker, für Lehrer und Schriftsteller und für Medien einzuführen. Der Revolutionsführer habe dagegen noch nicht einmal allen muslimischen Klerikern Schutz geboten. Stattdessen habe er die „Mörder belohnt“.

Soroush schreibt an Khamenei, dieser habe seine „Legitimität verloren.“ Der Philosoph bekennt sich zu der Grünen Bewegung im Iran und schreibt weiter: „Wir werden den Verfall der religiösen Despotie feiern.“ Er wirft dem iranischen Revolutionsführer vor, den „Faschismus“ in Kauf genommen zu haben. Khamenei könne mit solchen Methoden die Korruption nicht stoppen. Er hätte die Pressefreiheit gewährleisten müssen, dann hätten die Medien manche Korruptionen aufgedeckt und die Presse hätte sogar dafür gesorgt, dass der Revolutionsführer selbst nicht despotisch werde.

Abweichende Verhaltensformen

Am 8. September veröffentlichte Fararu, eine iranische Onlinezeitung, deren Redaktion betont, aus dem Iran und im Rahmen der iranischen Gesetzgebung zu agieren, ein Interview mit dem Teheraner Professor für Politikwissenschaften Sadegh Zibakalam.

In dem Interview geht es um die Frage der Umgestaltung und Islamisierung der humanwissenschaftlichen Fächer an iranischen Universitäten. Die Frage sei, ob die im Iran gelehrten Fächer wirklich die „abweichenden Verhaltensformen“ mancher iranischer Studenten verursacht haben, d.h. ob die Studenten durch die akademische Lehre zu „Areligiosität und Ablehnung des herrschenden Systems“ bewegt worden sind.

Die Unzufriedenheit iranischer Studenten

Der Universitätsprofessor Sadegh Zibakalam meint, dass selbst wenn auch nur „die Inhalte, die im Sinne des Obersten Rates der Kulturrevolution sind, gelehrt würden, dennoch bestimmte Probleme immer wieder an den Universitäten vorkommen werden“.

Die Unzufriedenheit der iranischen Studenten, die zu den Protesten geführt haben, sei keineswegs auf humanwissenschaftliche Fakultäten beschränkt. Daher könnten die Proteste nicht direkt und nur mit dem Fach der Humanwissenschaften in Zusammenhang gebracht werden.

Islamische Sicht auf westliche Theorien

Zibakalam argumentiert trickreich, dass auch vor der islamischen Revolution westliche Humanwissenschaften an den iranischen Universitäten gelehrt worden seien, dennoch habe es eine islamische Revolution gegeben. Viele junge Menschen, die sogar in der Schahzeit ausgebildet worden seien, seien in den 80-er Jahren in den Krieg gegen den Irak gezogen. Der iranische Politologieprofessor besteht darauf, dass Kenntnisse über Platon, Hegel, Marx, Hobbes oder Mill im Rahmen der islamischen Gesetze gelehrt werden können und den Islam längst nicht in Frage stellen müssen.

Zibakalam erläutert, dass nach der islamischen Kulturrevolution in der ersten Hälfte der 80-er Jahre, die Bildungsministerien entschieden hätten, genauso wie zu Schahzeiten, westliche Humanwissenschaften zu lehren. Es sollte jedoch eine islamische Sicht auf diese westlichen Theorien gebildet werden.

Die „zweite islamische Kulturrevolution“

Zibakalam meint verzweifelt, dass es die iranische Politikwissenschaft ohnehin nicht geschafft habe, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu erweitern. Daher betont er, dass auch wenn die Politikwissenschaft als Fach an den iranischen Universitäten abgeschafft werden würde, die wissenschaftliche Erkenntnis nicht geringer würde.

Zibakalam schließt mit der These, dass eine „zweite islamische Kulturrevolution“ auf dem Wege sei. Er fragt aber, welche Früchte eine solche „zweite Kulturrevolution“ tragen könnte. Er beantwortet selbst diese Frage, dass bestenfalls die Universitäten wieder für zwei oder drei Jahre geschlossen werden könnten, wie in den 80-er Jahren. Wie bei der ersten Kulturevolution könnten sogar wieder Tausende Lehrkräfte entlassen werden. Im Übrigen wurden in den letzten vier Jahren bereits Hunderte entlassen. Ein solcher Prozess könnte zwar dazu führen, dass die Kritiker nicht mehr sichtbar sein würden, aber einen Erfolg könnten die Machthaber genau so wenig erwarten, wie nach der ersten Kulturrevolution.

 

 


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