Reporter ohne Grenzen aber mit eigener Meinung

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Jerusalem, 22. Oktober 2009 – Die internationale Organisation „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) hat am Dienstag ihre neueste Weltrangliste der Pressefreiheit 2009 veröffentlicht und dabei festgestellt, dass Europa seine Vorrangstelle verliere.
So hat beispielsweise Frankreich (43.) im Vergleich zum vergangenen Jahr acht Ränge verloren, Italien (49.) ist um fünf Plätze abgestiegen und die Slowakei (44.) sogar um 37 Plätze. Auch Bulgarien (68.) zeigt einen Abwärtstrend. Der EU-Beitrittskandidat Türkei sinkt um 20 Plätze im Ranking und steht damit auf Rang 122.
Damit werden eine Reihe von EU-Staaten in diesem Jahr von Staaten mit parlamentarischem System in Afrika – Mali (30.), Südafrika (33.) und Ghana (27.) – sowie in Lateinamerika – Uruguay (29.) und Trinidad und Tobago (28.) – überholt.
Deutschland steht in diesem Jahr auf Platz 18 (2008: 20): Als kritisch bewertet wurde unter anderem das im vergangenen Januar in Kraft getretene BKA-Gesetz, das dem Bundeskriminalamt die Möglichkeit der Durchführung von Online-Durchsuchungen und Überwachung der Telekommunikation einräumt. Negativ ins Gewicht fielen auch Tendenzen der Pressekonzentration, der immer noch unzureichenden Zugang zu öffentlichen Informationen sowie vereinzelte Fälle von körperlichen Übergriffen auf Journalisten, heißt es in einer Pressemitteilung der Organisation.
Lediglich zwei Länder, die USA und Israel, erhalten von ROG ein separates negatives Ranking wegen Einsätzen „außerhalb“ ihrer Grenzen. Bei den USA wurde der Einsatz im Irak unter die Lupe genommen und bei Israel der Gaza-Krieg.
Während die USA intern auf Platz 22 zwischen Groß-Britannien und Jamaika rangieren, rutschten die USA (außerhalb der USA) auf Platz 108, nach Ländern wie Mongolei, Elfenbeinküste, Kenia und Sambia.
Israel erhielt Platz 93, nach Georgien, Uganda und den Vereinigten Arabischen Emiraten, punktet aber immer noch besser als Katar, dem Sitz des Fernsehsenders „Al Dschesira“. Doch Israel (außerhalb Israels) steht auf Platz 150 sogar schlechter da als Sudan und Afghanistan, aber immer noch vor Belarus, Fidschi und Russland.
Auf Anfrage bei ROG, ob denn allein die USA und Israel militärische Einsätze außerhalb ihrer Grenzen führen, antwortete die Pressereferentin von Reporter ohne Grenzen e. V., Anja Viohl:  „Sie haben natürlich grundsätzlich mit Ihrem Einwand recht, dass auch andere Staaten internationale Einsätze in Kriegs- und Krisengebieten haben und Zensur ausüben.  Wir haben uns dennoch entschieden, bei der Rangliste die Kategorien „außerhalb des eigenen Territoriums“ auch in diesem Jahr für die Länder Israel und die USA beizubehalten.“
Weiter schreibt sie, dass der Nahost-Konflikt die Meinungen in der Welt stark polarisiert, und deshalb in besonderem Maße im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit stehe. Ähnliches schreibt sie über Afghanistan, wo die USA eine „führende Rolle“ spielen.
In der Anfrage wurde jedoch betont, dass im Irak nicht nur die USA, sondern auch die Briten und Polen aktiv seien. In Afghanistan seien auch bundesdeutsche Truppen tätig, die kürzlich viele Zivilisten bei einem Luftangriff auf einen Tanklastwagen töteten und mutmaßlich keine völlig freie Berichterstattung zulassen, ähnlich wie die USA oder Israel in Kampfzonen.
Die Pressereferentin gesteht: „Die Überlegung, auch andere Länder mit aufzunehmen, die in Afghanistan und im Irak aktiv sind, ist aber sinnvoll. Wir werden auf jeden Fall prüfen, wie wir dieser Entwicklung in den kommenden Ranglisten Rechnung tragen können.“
Angesichts der Anfrage und der Antwort von ROG stellt sich die Frage, welchen Wert diese Rangliste überhaupt hat, wenn diese Organisation nach ihren eigenen Angaben nicht objektive Maßstäbe ansetzt, sondern sich von „Meinungen“ leiten lässt, die die Welt „stark polarisieren“ und deshalb „in besonderem Maße im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit stehen“.   Auch das Argument, dass zahlreiche Länder der Welt, die außerhalb ihrer Grenzen Krieg führen, ausgespart wurden, stellt die gesamte Rangliste in Frage. 
Die Palästinensischen Gebiete bilden auf Platz 161 fast das Schlusslicht der Rangliste, nach Pakistan und Usbekistan, aber immerhin noch vor Saudi Arabien, Syrien und Jemen. Doch wie können die als eine Einheit dargestellt werden, wenn die Hamas im Gazastreifen 2007 geputscht hat, eine „de facto Regierung“ gebildet hat, und nichts mehr mit der offiziellen Autonomiebehörde in Ramallah zu tun hat? Unter diesen Umständen wäre vermutlich eine separate Bewertung der Zustände im Westjordanland und im Gazastreifen sinnvoll. 


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