Die Verbrechen des iranischen Regimes

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Die Verbrechen des iranischen Regimes  

Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE


Die renommierte iranisch-amerikanische Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights Documentation Center (IHRDC) hat im September 2009 einen Bericht über Massenhinrichtungen in iranischen Gefängnissen, die im Juli 1988 stattgefunden haben, veröffentlicht. In diesem Bericht wird nachgewiesen, dass die Verantwortlichen des iranischen Regimes Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. Vergleichbare staatliche Verbrechen wurden am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda behandelt

Menschenrechtsorganisationen, die Berichte über die massiven Menschenrechtsverletzungen im Iran liefern, sind ein wichtiger Hebel zur Unterstützung der iranischen Zivilgesellschaft. Eine vergleichbare historische Erfahrung ist aus der Unterstützung der demokratisch orientierten Zivilgesellschaft in ehemaligen sozialistischen Ländern durch Westeuropa bekannt.

Bevor ein Überblick über die Verbrechen gegen die Menschlichkeit des iranischen Regimes geliefert wird, soll Frau Rene Redman, Geschäftsführerin des Iran Human Rights Documentation Center zu Wort kommen. In einem Interview klärte sie am 22.10.2009 über die Gefahr der Schließung des Menschenrechtszentrums auf:

„Seit der Gründung des Zentrums hat das US-State-Department rund 3 Millionen Dollar zur Unterstützung der Arbeit des Zentrums zur Verfügung gestellt. Im Juli 2009 hat das State Department einen weiteren Antrag des Zentrums abgelehnt. Es war nicht das erste Mal, dass das State Department einen Antrag des Zentrums abgelehnt hat. Aber wir waren überrascht, als unser Antrag im Juli abgelehnt wurde, als die Welt zuschaute, wie die iranische Regierung jede abweichende Meinung brutal unterdrückte. Die IHRDC ist eine unabhängige und überparteiische Organisation, die mitnichten vom State Department abhängig ist. Wir werden weiterhin vehement nach anderen Finanzierungsmöglichkeiten suchen, so dass wir auch in Zukunft die Menschenrechtsverletzungen im Iran dokumentieren können. Leider werden wir im Juni 2010 schließen müssen, falls wir keine weiteren Finanzierungsmöglichkeiten bekommen.“

Der 112-seitige Bericht ist die Geschichte vom organisierten Verbrechen, von systematischen Folterungen und Hinrichtungen von Tausenden von politischen Gefangenen in iranischen Gefängnissen.

In dem Bericht, dessen Inhalt im Folgenden zusammengefasst wiedergegeben wird, geht es um Massenhinrichtungen in iranischen Gefängnissen im Sommer 1988.

Der Bericht wurde im September 2009 zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, als gerade Hunderte Demonstranten wegen ihres Protests gegen den Wahlbetrug in iranischen Gefängnissen saßen und die Welt Zeuge von brutalen Zwangsgeständnissen wurde. Die IHRDC hofft mit diesem Bericht die iranischen Bürger und die Welt aufzuwecken, damit weitere systematische Verbrechen gegen die Menschlichkeit verhindert werden, unabhängig davon wer den Iran regiert.

Heimliche Massenhinrichtungen im Sommer 1988

Es handelte sich bei den willkürlich Getöteten um Gefangene, die nicht bereit waren ihre politischen Vorstellungen aufzugeben. Viele dieser Gefangenen waren Teenager als sie verhaftet wurden. Sie waren Anhänger der Volksmojahedin oder von kommunistischen Organisationen. Manche der Hingerichteten gehörten gar der Tudeh-Partei an, der moskauorientierten Partei, die bis 1983 das islamische Regime unterstützte. Die Hingerichteten gehörten nicht zur Führung dieser Organisationen. Diese war in den ersten Jahren nach der Revolution entweder geflohen oder hingerichtet worden. Im Jahre 1988 waren nur noch einfache Mitglieder in Haft, die von ihren politischen Ideologien überzeugt waren.
Der Bericht der IHRDC beruht auf authentischen Aussagen von Familienangehörigen der hingerichteten Gefangenen der Massaker vom Sommer 1988.

Eine Fatwa von Ayatollah Khomeini

In dem Bericht der IHRDC wird betont, dass die Hinrichtungen von 1988 nicht die ersten Massenhinrichtungen seit der islamischen Revolution waren, aber die systematische Ermordung in einem kurzen Zeitraum und besonders die Art und Weise, wie das Regime diese Hinrichtungen bis heute verheimlichen will, machen den besonderen Charakter dieses Verbrechens aus.

Die Hinrichtungen gingen auf eine Fatwa, ein Urteil des damaligen Revolutionsführers Ayatollah Khomeini zurück, das kurz nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages mit dem Irak ausgesprochen wurde. Offenbar war es den Verantwortlichen des Regimes sehr bewusst, dass die Vollstreckung der Fatwa von Ayatollah Khomeini sowohl dem internationalen Völkerrecht als auch dem nationalen Recht des Iran widersprechen würde. Deswegen wird bis heute alles unternommen, um dieses staatliche Verbrechen zu verheimlichen.
Die Vertuschungsstrategie war entlarvend: Die Gefangenen durften von heute auf morgen keinen Besuch mehr empfangen. Gleichzeitig fanden einige öffentliche Hinrichtungen statt, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von den Massenhinrichtungen hinter geschlossenen Türen der Gefängnisse abzulenken. Viele Familienangehörige der hingerichteten politischen Aktivisten wissen bis heute nicht wo und in welchen Massengräbern ihre Angehörigen begraben sind. Das Regime hat kürzlich sogar den Friedhof Khavaran in Teheran mit Bulldozern vollständig zerstört. Offenbar glauben die iranischen Machthaber, dass sie mit immer mehr Gewalt die Geschichte ihres eigenen Verbrechens auslöschen können.

Die Eliminierung der gesamten politischen Opposition

Bis heute ist eine exakte Zahl der hingerichteten politischen Gefangenen nicht bekannt, hebt die Studie des IHRDC hervor. Im Februar 1989 spricht Hashemi Rafsanjani von weniger als 1000 politischen Gefangenen, die exekutiert worden seien, hebt die Studie hervor. Im Jahr 1990 schätzte amnesty international die Anzahl von etwa 2000 getöteten politischen Gefangenen. Ayatollah Montazeri schreibt in seinen Memoiren, dass etwa 2800 bis 3800 allein der Volksmojahedin getötet worden seien. Montazeri spricht zudem von etwa 500 nicht-religiösen politischen Gefangenen, die Opfer dieser Massaker geworden sind.
Die Volksmojahedin sprechen selber von 30.000 Menschen, die hingerichtet worden sind und haben bisher die Namen von 3.208 der Hingerichteten veröffentlicht, hebt IHRDC hervor.
Nima Parvaresh, ein Linksintellektueller, der aus der Haft entlassen wurde und geflohen ist, berichtet von 4.500 bis 5.000 hingerichteten Gefangenen im Sommer 1988.

Viele der Exekutierten hatten während der Revolution Ayatollah Khomeini zur Macht verholfen, wenige Jahre später wurden sie als Andersdenkende getötet. Ein Gros der getöteten Gefangenen waren einfache Mitglieder oder Sympathisanten der Volksmojahedin und einiger sozialistischer und kommunistischer Gruppierungen.

Ein unparteiischer Bericht

Der Bericht des IHRDC geht auch auf die verschiedenen Ideologien der Organisationen ein, deren Mitglieder und Sympathisanten der unteren Ränge im Sommer 1988 hingerichtet wurden.
Beispielsweise wird deutlich berichtet, dass die Volksmojahedin zunächst Ayatollah Khomeini und sogar die Besetzung der US-amerikanischen Botschaft in Teheran unterstützten. Sie boykottierten aber die Volksbefragung über die Durchsetzung der neuen khomeinistischen Verfassung. Die Volksmojahedin gingen wieder in den bewaffneten Kampf gegen das neue Regime, genauso wie sie das Schahregime bewaffnet bekämpft hatten.

Die Massenhinrichtungen begannen schon zu Beginn der islamischen Revolution. Das khomeinistische Regime reagierte und exekutierte zwischen den Monaten Juni und November 1981 zwischen 1800 bis 2665 politische Oppositionelle. Darunter viele Mitglieder der Volksmojahedin und von linken Organisationen.

In dem Bericht geht es nicht um die Gesinnung der Opfer, sondern um die Unrechtmäßigkeit von Massenmord.

Ayatollah Khomeini rief zum Massenmord auf

Ayatollah Montazeri, der sich seit Jahren in Hausarrest befindet, gehörte zu den Wenigen, die sich gegen die Fatwa Khomeinis gestellt haben.
Wichtige Kleriker befürworteten aber den systematischen Massenmord. Beispiel: Abdul-Karim Mousavi Ardebili war 1988 Justizchef. Er ist ein Groß-Ayatollah und ein Lehrer des islamischen Rechts in der für Muslime heiligen Stadt Qom. Im Juli 1988 sagte Ardebili in einer Freitagspredigt, dass das Regime die Hinrichtung von Tausenden politischen Gefangenen ohne einen Gerichtsprozess plane. Es wurde auch öffentlich bekannt, dass Ayatollah Mousavi Ardebili den islamischen Revolutionsführer Ayatollah Khomeini gefragt hatte, ob diejenigen Gefangenen, die noch nicht verurteilt oder diejenigen, die einen Teil ihrer Strafe abgesessen hatten, hingerichtet werden sollten. Khomeini sei auch gefragt worden, ob Provinzgerichte die Hinrichtungen unabhängig vollziehen dürften. Khomeini habe darauf in einem weiteren Urteil geantwortet: „In all den Fällen, in denen die Person in jedweder Stufe oder zu jedem Zeitpunkt auf ihrer Position als Heuchler besteht, muss die Exekution ausgeführt werden.“
„Heuchler“ wurden insbesondere Muslime genannt, die einen anderen politischen Kurs oder eine andere Interpretation des Islam als die khomeinistische Ideologie verfolgten.

Khomeini rief regelrecht zum Massenmord auf und fügte hinzu:
„Merzt die Feinde des Islam sofort aus.“

Es war Ayatollah Khomeini gewesen, der zur höchsten Beschleunigung der Tötung von Andersdenkenden aufrief.

Es gab auch eine weitere Fatwa für die nicht-religiösen politischen Gefangenen, die als Apostaten galten und nach der Auffassung der staatlichen Ideologen vom Glauben abgefallen waren.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Die Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights Documentation Center (IHRDC) sorgt dafür, dass die dunkelsten Seiten der iranischen Geschichte niemals in Vergessenheit geraten. Das IHRDC betont in seinem Bericht, dass der Iran verpflichtet ist die international gültigen Menschenrechte zu befolgen. Das Regime habe dagegen verstoßen, in dem es die Menschen wegen ihrer religiösen und politischen Überzeugungen verhaftet, gefoltert und getötet habe. Die Gefangenen seien niemals eine „Bedrohung für die Sicherheit des iranischen Staates“ gewesen, hebt die Studie hervor.

In dieser Studie wird auch hervorgehoben, dass die Hinrichtungen, die Folterungen und die Entführung von Zivilpersonen Tatbestände für eine Strafverfolgung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, insbesondere weil diese Verbrechen weit verbreitet und systematischer Natur gewesen seien.
Kraft des Befehls des obersten Revolutionsführers Ayatollah Khomeini wurde ein System geschaffen, das sich auf Kommissionen gründete, die über die Exekutionen entschieden. Insofern sind die Straftäter für ihre Verbrechen haftbar zu machen.

Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass die nachweisbaren Verbrechen, die von den Verantwortlichen der Islamischen Republik begangen worden sind, die Voraussetzungen erfüllen, als Verbrechen gegen die Menschlichkeit geahndet zu werden.

Hervorgehoben wird, dass nicht nur willkürliche Exekutionen und Folter völkerrechtlich bestraft werden müssen. Seit dem Rom-Statut aus dem Jahr 1998 können auch die Verantwortlichen eines Staates belangt werden, die dafür gesorgt haben, dass Menschen mit Gewalt verschollen sind. Völkerrechtlich können die Verantwortlichen eines Regimes bestraft werden, wenn sie noch nicht einmal den Familienangehörigen der Hingerichteten erlaubt haben ihre Angehörigen zu begraben, oder wenn die Verantwortlichen sich geweigert haben die Gräber der Hingerichteten zu identifizieren.

Die Studie kommt zu der Schlussfolgerung, dass das Massaker an politischen Gefangenen im Jahr 1988 schon lange vor der Fatwa von Ayatollah Khomeini geplant war. Es wird angenommen, dass Ayatollah Khomeini eine islamische Republik ohne Opposition hinterlassen wollte. Zwar sei die politische Opposition schon kurz nach der Revolution vernichtet worden, aber nun sollte auch die Opposition, die sich in den Gefängnissen aufhielt, ausgelöscht werden.

Verantwortliche werden genannt. Einige Beispiele:

Beispiel Seyyed Hossein Hosseinzadeh: Er war Leiter der Gefängniswächter in Teheran gewesen. Gleichzeitig war er Mitglied der „Todeskommissionen“, die darüber entschieden, wer hingerichtet werden soll.

Beispiel Mojtaba Halvai Asgar: Er war der Leiter der Sicherheitsabteilung des Evin-Gefängnisses im Jahr 1988. Er soll direkt mit der Frage verstrickt gewesen sein, welche Gefangene in Teheran der Todeskommission vorgeführt werden.

Beispiel Davood Lashkari: Er war Leiter der Sicherheitsabteilung des Gohar-Dasht-Gefängnisses. Nach Augenzeugenberichten hat er die Todeskommissionen beraten.

Beispiel Mohammad Moghissei: Er war der Direktor des Gohar Dasht-Gefängnisses und arbeitet heute im iranischen Justizapparat. Er war Mitglied einer Todeskommission.

Beispiel Morteza Eshraghi: Er war ein iranischer Staatsanwalt und Mitglied einer der genannten Todeskommissionen, die auf der Grundlage von Ayatollah Khomeinis Fatwa Mordbefehle aussprachen.

Beispiel Ebrahim Raissi: Er ist Staatsanwalt, 1988 war er Mitglied einer Todeskommission. Heute ist er Vorsitzender einer staatlichen Aufsichtsbehörde.

Beispiel Hossein Ali Nayyeri. Er war Mitglied einer der Todeskommissionen. Nayyeri ist gegenwärtig Vorsitzender des Obersten Gerichts der „Islamischen Republik Iran.“

Beispiel Mostafa Pour-Mohammadi: Er war Geheimdienstminister und Mitglied der Todeskommission. Er war Mitglied von Ahmadinejads Kabinett und berät gegenwärtig den Revolutionsführer Khamenei bei Fragen der nationalen Sicherheit.

Beispiel Ali Mobasheri: Er war 1988 ein religiöser Richter im Evin-Gefängnis. Er hat häufig Nayyeri in der Todeskommission vertreten. Gegenwärtig ist er der Präsident der „revolutionären Gerichte“ des Iran.

Beispiel Esmail Shushtari: Er war der Direktor aller staatlichen Gefängnisse und war bis 1989 Justizminister. Er war häufig Mitglied einer der Todeskommissionen.

Beispiel Mohammad Mohammadi Reyshahri: Er war im Jahre 1988 Geheimdienstminister. Heute vertritt er den Revolutionsführer Ali Khamenei bei speziellen Fragen, wie der Pilgerfahrt nach Mekka.

Beispiel Akbar Hashemi Rafsanjani: Im Februar 1989 sagte Rafsanjani, dass „in den letzten Monaten“ weniger als 1000 Gefangene exekutiert worden seien. Gegenwärtig ist er Vorsitzender des so genannten Schlichtungsrates und des Expertenrates.

Beispiel Ayatollah Seyyed Ali Khamenei: Der gegenwärtige Revolutionsführer war 1988 iranischer Präsident und wurde dann „Führer“. Auf die Frage zu den Exekutionen des Jahres 1988 antwortete er: „Wir haben in der Islamischen Republik die Todesstrafe für diejenigen, die es verdient haben hingerichtet zu werden. Glauben Sie, wir sollten den Gefangenen, die mit den Aktivitäten der Heuchler in Verbindung stehen Süßigkeiten geben?“

Auch Mir Hossein Mousavi wird genannt, der 1988 Premierminister war. Zwar bezieht sich Mousavi heute noch auf Ayatollah Khomeini, aber einer seiner Unterstützer soll auf die Frage, welche Rolle er bei den Massenmorden von 1988 gespielt habe, gesagt haben, dass Mousavi sich inzwischen verändert habe.

 

 

 


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