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  1. Süddeutsche zum ärgern – „750 km Betonmauer“…
     
  2. „Freizeitantisemit“ Watzal ist sehr aktiv
    Und noch ein weiterer Text von dem alt-bekannten „Freizeitantisemiten“ Watzal von der BpB…
    BETWEEN THE LINES
    Obama steps into Israel`s shoes
    It seems as if the Obama’s administration is as fixated on Israel as his predecessor’s was. Why on earth did he make his government denounce the Goldstone report with Israeli terminology? „One-sided“, „deeply flawed“, and „unfair“. Goldstone`s report was exactely the opposite. A small difference in style in defamation could be detected between the attacks by the U.S. and Israel against the author: The American side did not call him an „anti-semite“. Goldstone, incidentally, is an ardent Zionist. His report was way too balanced where Israel´s crimes were concerned. These crimes against humanity were equated to the shelling by Hamas of Israeli towns with home-made Kassam-rockets. The Israeli military attacked a practically defenceless population with the most modern weapons which it obtained from the United States. While the number of dead Palestinians, most of them women and children, reached 1,400, thirteen Israelis died, thereof four from so-called friendly fire.
    The Obama administration should know that the bad US-American reputation in the Muslim world is based on its one-sided support of Israel´s 42 year old occupation and colonisation of Palestinian land. The US-American government threatened to use the veto power in the UN Security Council to prevent further proceedings about the Goldstone report. Instead of standing on the side of international law, the Obama administration supports uncritically the position of the occupiers. Even under Obama the US is no honest broker in the Middle East. It is a mistake that only „facts on the ground“ count. 

    1. Wie gesagt, „Freizeitantisemit“ Watzal ist sehr aktiv momentan…
      BETWEEN THE LINES
      Der Palästinakonflikt
      Vor genau 21 Jahren hat Alexander Flores ein Buch über die Hintergründe des Ausbruchs der ersten Intifada – der Abschüttelung der israelischen Besatzungsherrschaft – geschrieben, dessen Analysen bis heute Bestand haben. Er lehrt Wirtschaftsarabistik an einer Hochschule in Bremen. Mit dem vorliegenden Büchlein behandelt der Autor alle Facetten des unendlichen Palästinakonfliktes. 
      Das Buch gliedert sich in sieben kurze Kapitel, die sehr übersichtlich – durch farbliche Hervorhebungen und Ausstellungen zentraler Begriffe – ästhetisch gut aufgemacht sind. Der Autor lässt die Entstehung des Konfliktes mit dem Aufkommen der zionistisch inspirierten Besiedlung Palästinas beginnen. Jüdisches Leben hat es in Palästina immer gegeben, und Probleme zwischen palästinensischen Araber und palästinensischen Juden waren vor der Kolonisierung durch den Zionismus unbekannt. „Ein Problem schuf erst die zionistisch inspirierte Einwanderung.“ Diese „europäische Siedlerkolonie“ sei der autochthonen palästinensischen Bevölkerung von den Europäern aufgezwungen worden. Die zionistischen Kolonisatoren trafen auf eine Bevölkerung, die im Begriff war, ihr eigenes „nationales Selbstbewusstsein“ herauszubilden. Der Widerstand gegen die Inbesitznahme ihres Landes war durch alle Gesellschaftsschichten von Beginn an vorhanden und wurde als Bedrohung ihrer Existenz angesehen. Es könne keine Rede davon sein, dass „gewisse Elemente“ dagegen aufgehetzt worden seien, wie die israelische Geschichtsmythologie behauptet.  

    2. Noch ein Text von „Freizeitantisemit“ Watzal…
      BETWEEN THE LINES
      The Nobel Peace Prize as a Curse for Obama?
      At the end of the Nobel Peace Prize nomination period Barack Hussein Obama was just twelve days in office. The Nobel Peace Prize will be a curse for Obama and will haunt him till the end of his presidency. For which political achievement did he receive it? Was this prize intended for his rhetorical abilities? In this field, Obama is brilliant. So far, he hasn’t changed anything in the political arena. We have not seen the intended closure of the prison camp in Guantanamo nor have we seen him ending the occupation in Iraq or the de-escalation of the war in Afghanistan and Pakistan. Predominant in this respect is his failure in the Middle East where Israel´s Prime Minister Benyamin Netanyahu demonstrated to him what is and what is not, what can and what cannot be done; not to speak of his recent domestic flops. Obama did not even react when he was humiliated by his general Stanley McChrystal who told him publicly what he had to do. Who is the Commander-in-Chief? Obama should have sacked this man on the spot. Who is McChrystal? He was once running the assassination wing of the military’s joint special-operations command. For less, Harry S. Truman dismissed the WorldWar II hero General Douglas McArthur when he committed an offense against the political dress code.
      It seems as if President Obama is loosing control of the political process. He is haunted and hunted by the Republican party; by Dick Cheney and his neoconservative cronies and by the the Christian-fundamentalists. His presidency will fail if he does not change course at once and face these dark forces head on. For the first time in history, there has been a call for a military coup against a President of the Untied States. John L. Perry called in a column on „Newsmax“ that a military coup could „resolve the Obama problem“. This guy wrote that a coup, while not „ideal“ may be preferable to „Obama’s radical ideas“. It would „restore and defend the Constitution.“ This has to be seen against the background that there are plenty of influential right wing and anti-democratic radicals in the US. That Obama is the first non-white President becomes increasingly a political issue. Perhaps it explains some of the absurd reactions of the opponents of his policy. 
    3. Der „Freizeitantisemit“ Watzal von der BpB ist weiterhin sehr aktiv in seiner „Freizeit“. Das ihm ein Buch wie dieses gefallen würde, war vorhersehbar..
      BETWEEN THE LINES  –
      Jüdische Geschichte, Jüdische Religion
      Israel Shahak gehörte neben dem israelischen Religionsphilosophen Yeshayahu Leibowitz zu den streitbarsten Persönlichkeiten in Israel, deren Werk auch über ihren Tod hinaus Bestand haben wird. Er starb leider viel zu früh am 2. Juli 2001. Als Kind ging er durch die Hölle von Bergen-Belsen und emigrierte nach dem Ende der Nazi-Barbarei nach Palästina. Er absolvierte seinen Militärdienst und studierte Biochemie und wurde Professor an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Aus einem Bewunderer David Ben-Gurions wurde er 1956 einer seiner schärfsten Kritiker. Anlass war die Offenlegung der wirklichen Kriegsziele Israels. Ben-Gurion erklärte damals in der Knesset, dem Parlament Israels, dass der wirkliche Grund für den 1956er Krieg „die Wiederherstellung des Königreichs Davids und Salomons„ gewesen sei. Sein direktes gesellschaftspolitisches Engagement begann 1965 als er Augenzeuge wurde, wie ein ultrareligiöser Jude die Erlaubnis verweigerte, sein Telefon am Sabbat zu benutzen, um einen Rettungswagen für einen Nicht-Juden herbeizurufen. Shahak wandte sich an das Rabbinische Gericht in Jerusalem, um dessen Meinung zum Verhalten des ultrareligiösen Juden einzuholen. Das Gericht erklärte, dass der Jude nach den Religionsgesetzen richtig, ja sogar fromm gehandelt habe. Dieser Zwischenfall machte ihn stutzig gegenüber seiner eigenen Gesellschaft, insbesondere dem Judentum. Hinzu kam seine Zionismus-kritische Einstellung. Sie hat ihn vor vielen Fehlurteilen gegenüber der israelischen Politik bewahrt. Schon frühzeitig kämpfte er gegen jede Art von Diskriminierung von Nicht-Juden, insbesondere von palästinensischen Israelis und Palästinensern in den von Israel besetzten Gebieten. Er war jahrelang Vorsitzender der Liga für Menschenrechte. In den letzten Jahren hat er sich dem Studium der jüdischen Religion gewidmet und insbesondere ihre Interpretation durch die Orthodoxie scharf verurteilt. In ihr sieht er die Wurzeln für den Rassismus gegenüber allen Nicht-Juden und auch die Ursache für den Mord an Ministerpräsident Yitzhak Rabin. 

  3. JPPresident Obama promotes Israel critic
    Retired Sen. Chuck Hagel to co-chair Intelligence Advisory Board with former Sen. David Boren.

  4. BERLINER KURIER Gerechtigkeit für den Iran – Jürgen Elsässer präsentiert ein neues „COMPACT“  Von Charly Kneffel
    Mit einigen Schwierigkeiten, die sich aus dem Aufsehen, das die „Volksinitiative“ ausgelöst hat, ergeben, ist die seit einigen Monaten von Jürgen Elsässer im Kay-Homilius-Verlag herausgegebene COMPACT-Buchreihe an die Öffentlichkeit getreten. Elsässer hat sich vorgenommen, der politisch-korrekten Ideologie, die den Interessen des Finanzkapitals nütze, etwas entgegenzustellen. In COMPACT 14, das er heute im Russischen Haus in Berlin präsentiert, hat er „Fakten gegen westliche Propaganda“ (so der Untertitel) zusammen gestellt.
    Ausgestattet wie die ganze Reihe, als schmales, leicht lesbares Paperback mit rund 100 Seiten, enthält der Band zehn Aufsätze (plus Vorwort und abschließendem Dokumententeil), von denen Elsässer fünf selbst verfaßt hat. Weitere Beiträge stammen von Virginia Tilley , Professorin in Südafrika, Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann (Gruppe Arbeiterfotografie), Thierry Meyssan, Shayan R. Arkian, Islamwissenschaftler in Ghom sowie Wilhelm Langthaler von der Antiimeprialistischen Koordination aus Österreich, der schon oft Ziel wüster Angriffe aus dem antideutschen und pro-imperialistischen Bereich geworden ist (ebenso wie übrigens Fikentscher/Neumann).

  5. WESTFALENBLATTWestfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Amnesty-Kritik an Israel
    Bielefeld (ots) – Durch den Bericht von Amnesty International werden Einschätzungen von vielen Beobachtern im Westjordanland bestätigt. Auf der einen Seite sprengen iraelische Siedler ihren Rasen im Garten, während einige hundert Meter weiter palästinensische Bauern Mühe haben, ihre Aussaat mit genügend Wasser zu versorgen. Letztlich wird der Amnesty-Bericht von der israelischen Regierung nicht einmal in der Substanz bestritten. Der Amnesty-Einschätzung von einem durchschnittlichen täglichen Wasserverbrauch von 70 Litern pro Person auf palästinensischer Seite und 300 Litern bei den Israelis kann die israelische Wasserbehörde nur entgegensetzen, dass Israelis täglich etwa 400 Liter, die Palästinenser 200 Liter zur Verfügung haben. Aber es geht letztlich nicht nur um Wassermengen, es geht für die Palästinenser um die alltägliche Erfahrung, von den israelischen Besatzern drangsaliert und bevormundet zu werden, ohne sich wirksam wehren zu können. Einem wirklichen Frieden mit den Palästinensern näher kommen können die Israelis nur, wenn sie den Palästinensern alltägliche Benachteiligungen auf Dauer ersparen.

  6. JUNGE WELT Deportation von Kindern – Von 2000 »illegalen« sollen mindestens 1200 nichtjüdische Mädchen und Jungen aus Israel abgeschoben werden  Von Karin Leukefeld
    Um den »jüdischen Charakter der israelischen Gesellschaft zu schützen«, will Israel mindestens 1200 nichtjüdische Kinder abschieben. Sollte das nicht geschehen, werde er die Leitung der Einwanderungsbehörde abgeben und an den Ministerpräsidenten überstellen, drohte Israels Innenminister Eli Yishai, der auch Vorsitzender der ultraorthodoxen Schas-Partei ist. Den rund 200000 Arbeitsmigranten, die mit Vertrag nach Israel kommen, ist es verboten, Kinder zu haben. Frauen, die schwanger werden, werden abgeschoben. Viele Kinder werden dennoch in der Illegalität geboren, die Bildungsbehörden gehen derzeit von rund 2000 solcher »illegalen« Kinder aus. Die Eltern »nutzen die Kinder, um einen legalen Status in Israel« zu erzwingen, behauptete Innenminister Yishai.
    Eine massive Abschiebung, die am 1. August beginnen sollte, war wegen Protesten um drei Monate verschoben worden und sollte im November beginnen. Aus »humanitären Gründen« stimmte Yishai nun erneut einer Verschiebung der Deportation der Kinder auf Mitte 2010 zu, um sie nicht mitten im Schuljahr aus den Klassen zu reißen. Danach aber werde es keine Verzögerungen mehr geben, betonte der Innenminister. Auf keinen Fall werde den Kindern ein Aufenthaltsrecht oder gar die israelische Staatsbürgerschaft gegeben, denn das »beschädigt die jüdische Identität des Staates, stellt eine demographische Gefahr dar und erhöht die Gefahr der Assimilation«, erklärte Yishai der Tageszeitung Haaretz.

  7. From: h
    Subject: Re: Nahost-Reisebericht

    anbei sende ich euch Norman Paechs Bericht über seine Reise nach Israel und Palästina Anfang Oktober.

    Bericht einer Reise nach Palästina und Israel vom 3. bis 10. Oktober 2009
    Anfang Oktober bin ich zum letzten Mal in meiner Funktion als Bundestagsabgeordneter in den Nahen Osten gereist, begleitet von meiner Mitarbeiterin Eva Grotenhuis. Die Ziele unserer Reise sollten Tel Aviv, der Gazastreifen, Jerusalem, Ramallah und Bil´in sein – an allen Orten wollten wir mit Politikern und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen
    (NGO) über die politische und gesellschaftliche Situation in Israel und Palästina sprechen.
    Das Auswärtige Amt riet mir – wie immer – aus Sicherheitsgründen von einem Besuch im Gazastreifen ab. Es folgten langwierige Telefon- und Mailkontakte mit dem Auswärtigen Amt, der Deutschen Botschaft in Tel Aviv und der Israelischen Botschaft in Berlin. Beide Botschaften erklärten sich schließlich bereit, unserem Einreisegesuch in den Gazastreifen bei der israelischen Regierung zu unterstützen. Vorbedingung allerdings war, ich zitiere: „Der israelischen Seite zweierlei zu versichern: 1. Im Gazastreifen werden keine Kontakte mit der Hamas wahrgenommen. 2. Beim geplanten Aufenthalt in Bil´in sind keine Aktivitäten geplant, die zu Zusammenstößen mit den Israel Defence Forces (IDF) oder anderen israelischen Sicherheitsorganen führen könnten.“ Beide Bedingungen konnte ich akzeptieren, da wir ohnehin keine Kontakte mit der Hamas vorbereitet hatten. An Zusammenstößen mit der Israelischen Armee hatten wir schon aus Gründen der eigenen Gesundheit kein Interesse. Ich gab jedoch zu bedenken, dass wir nicht jeden unserer möglichen Gesprächspartner in Gaza vor der Begrüßung fragen können, ob er in der Hamas organisiert sei. Die Israelische Botschaft wollte sich darüber hinaus um Termine mit israelischen Politikern und Parlamentsmitgliedern in Jerusalem trotz der Feiertage des Laubhüttenfestes bemühen. Diese Bemühungen waren offensichtlich vergebens, denn von der Israelischen Botschaft hörte ich nichts mehr und somit sahen wir Jerusalem dieses Mal nur aus dem Autofenster auf dem Weg von Tel Aviv nach Ramallah.
    Tel Aviv
    Unser erster Gesprächspartner in Tel Aviv ist Peter Prügel, Gesandter an der Deutschen Botschaft. Prügel berichtet von der Ausgrenzung arabischer Israelis in Israel, die seines Erachtens stärker geworden ist. Verantwortlich hierfür macht er die umfassenden Gesetzesinitiativen des Israelischen Außenministers und Vorsitzenden der rechten Partei Israel Beitenu, Avigdor Lieberman. Was die Zukunft im Nahen Osten unter dem Einfluss Obamas angeht, so ist Prügel sich sicher, dass Obama positive Veränderungen bewirken kann, es frage sich nur, ob der US-Präsident auch wirklich will. Beim Dreiertreffen zwischen Obama, Netanjahu und Abbas hat der israelische Ministerpräsident den US-Präsidenten vorgeführt. Netanjahu, so Prügel, ist ganz klar als Sieger aus Washington zurückgekehrt und wurde für seine harte Haltung dem Siedlungsbau gegenüber gar belohnt.
    Im Abbau einiger Roadblocks sieht der Gesandte keine politische Handlung, sondern lediglich eine Geste der Israelis gegenüber der US-Regierung. Die neue israelische Regierung hält Prügel für konzeptlos. Sie verfolgt einen pragmatischen Ansatz, eine Lösung bzw. eine Annäherung an eine Lösung im Nahost-Konflikt schwebt ihr nicht vor.
    Zum Iran, erklärt Prügel, dass die Israelis mit dem Bewusstsein leben, dass sie bei einem Angriff auf den Iran und einem dann folgenden Gegenschlag stets die USA und Europa hinter sich haben würden. 60% der israelischen Bürger sind für einen Angriff auf den Iran. Er führt an, dass die israelische Psyche eben eine andere als die unsere ist.
    In Deutschland heißt es:
    Nie wieder Krieg, in Israel jedoch: Nie wieder Opfer.
    Am nächsten Tag treffen wir in den Räumen der Rosa-Luxemburg- Stiftung, die die folgenden Gespräche für uns organisiert hat, Inna Michaeli, eine der Koordinatorinnen der Coalition of Women for Peace. Die NGO ist ein Zusammenschluss von zehn Menschenrechtsorganisationen und eine der führenden Stimmen in der israelischen Friedensbewegung. Inna Michaeli berichtet von ihrer Arbeit als Friedensaktivistin in Israel, über die Repressionen, die ihr und den anderen Israelis, die sich gegen die Besatzung aussprechen, widerfahren. Verhaftungen von friedlichen Demonstranten sind keine Seltenheit, Büros von Menschenrechtsorganisationen werden von der israelischen Polizei durchsucht, Computer mitgenommen. Die Frage, ob heute mehr Demonstranten und Aktivisten gegen die israelische Politik protestieren, muss Inna Michaeli verneinen. Ein Grund für den leiser werdenden offenen Protest ist, so vermutet sie, die immer stärker werdende Kriminalisierung derjenigen Menschen in Israel, die sich für einen Frieden im Nahen Osten und gegen die Besatzungspolitik der israelischen Regierung aussprechen.
    Menschenrechtsaktivisten werden häufig als Feinde der israelischen Gesellschaft bezeichnet, die mit ihrem Protest das Land schwächen, sich antidemokratisch verhalten, und den Töchtern und Söhnen an der Waffe, die Israel gegen Palästina verteidigen, in den Rücken fallen. Inna Michaeli berichtet von 800 Personen, die während des Gazakrieges im Januar
    2009 in Israel verhaftet wurden und ins Gefängnis kamen. Die Mehrheit der Verhafteten waren arabische Israelis. In den Presseerklärungen der israelischen Polizei war zu lesen, dass diese 800 Personen während gewaltsamer Ausschreitungen verhaftet wurden. Von Inna Michaeli erfahren wir jedoch, dass die Polizei bei den meisten von ihnen mitten in der Nacht gewaltsam in die Wohnung eingedrungen ist, um sie dort festzunehmen.
    Ein weiterer Gesprächspartner in Tel Aviv ist Nissim Mizrachi, Professor am Institut für Soziologie und Anthropologie an der Universität Tel Aviv. Er forscht in Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung zum Thema „Ethnic Divides. Social Inequality and Public Participation in Peace Movements in Israel“. Wir sprechen mit ihm über die Rolle der Mizrahim, der in Israel lebenden Juden aus arabischen Ländern. Nissim Mizrachi berichtet von der großen gesellschaftlichen Kluft zwischen den Mizrahim und den Ashkenazim, den in Israel lebenden Juden aus Europa und Nordamerika. Obwohl sie 50% der Gesellschaft ausmachen, gab es in der Geschichte Israels noch nie einen Ministerpräsidenten aus der Gruppe der Juden aus arabischen Ländern, in der Fakultät von Mizrachi sind weniger als 9% der Mitarbeiter Mizrahim. Ein großes Problem der israelischen Friedensbewegung ist die Tatsache, dass sie die Mizrahim nicht erreicht. Friedensbewegte Israelis sind meist gebildete Ashkenazim aus der höheren Mittelschicht. Juden aus arabischen Ländern, die den Palästinensern in der Regel kulturell näher stehen, protestieren kaum öffentlich gegen die Besatzung. Für die israelische Friedensbewegung ein Dilemma. Nissim Mizrachi erklärt dieses Phänomen damit, dass die Mizrahim, um in Israel mehr Partizipation und Integration zu erreichen, sich von ihrer arabischen Identität stark distanzieren.
    Sie leugnen ihre eigene Kultur, denn diese ist die des Feindes – der Araber. So ist auch nicht weiter verwunderlich, dass sich die Mizrahim nicht nur nicht friedenspolitisch engagieren, sondern vorwiegend rechte Parteien wie Likud und Israel Beitenu (Lieberman) sowie die religiöse Schas-Partei wählen. Nissim Mizrachi hält eine Annäherung und Gleichberechtigung zwischen Ashkenazim und Mizrahim innerhalb Israels für den friedlichen Dialog zwischen Israelis und Palästinensern für unabdingbar.
    Wie die Friedensaktivistin Inna Michaeli, so hat auch Nissim Mizrachi keine großen Hoffnungen in die aktuelle israelische Regierung. Er erwartet von ihr keinen signifikanten Schritt in Richtung Frieden, vielmehr hat er den Eindruck, dass Netanjahu als ein zweiter Menachem Begin in die Geschichte eingehen möchte.
    Am Abend treffen wir Eitan Bronstein, Direktor von „Zochrot“. Zochrot („sich Erinnern“) ist eine jüdisch-israelische NGO, die die Geschichte der „Nakba“ (Katastrophe), die palästinensische Geschichte des Verlustes der Heimat 1948 innerhalb der jüdischisraelischen Öffentlichkeit thematisiert. Dabei versteht sie die Nakba als die tabuisierte „Gegengeschichte“ zum offiziellen israelischen Diskurs der Staatsgründung Israels als „Befreiungskampf“ von der britischen Mandatsherrschaft. Zochrot betreibt aktive Erinnerungsarbeit in ehemaligen palästinensischen Dörfern und Städten in Israel mit Besichtigungen, Dokumentationen und Veranstaltungen an diesen Orten.
    Dabei sprechen sie gezielt ein jüdisch-israelisches Publikum an mit dem Ziel, durch das Aufbrechen dieses tabuisierten Themas eine größere Anerkennung und Übernahme von Verantwortung für die Folgen dieser Politik durch die israelische Gesellschaft zu erreichen. Sie ermöglichen dabei Begegnungen von jüdischen und palästinensischen Israelis, häufig ehemalige BewohnerInnen der während der Nakba zerstörten palästinensischen Dörfer und Städte. Im Weiteren erhoffen sie sich dadurch einen Beitrag zu einer gerechten Lösung des Konflikts, besonders im Bezug auf die palästinensischen Flüchtlinge. Zochrot engagiert sich auch in der Dokumentation der palästinensischen Nakba und seine Folgen durch Oral History, Karten, Fotos und schriftliche Dokumente und Veröffentlichung dieser Materialien für ein hebräischsprachiges Publikum. Dabei entsteht die erste und bislang einzige hebräische Datenbank zur palästinensischen Flucht- und Vertreibungsgeschichte.
    Am Morgen unseres letzten Tages in Tel Aviv sprechen wir mit Issam Makhul. Er ist Direktor des Emil Touma Institut in Haifa und ehemaliger Knessetabgeordneter der kommunistischen Partei Chadasch. Auch das Emil Touma Institut beschäftigt sich mit der Diskriminierung der in Israel lebenden Araber. An das Gespräch mit Nissam Mizrachi anknüpfend sprechen wir mit Makhul über das Zweiklassensystem, das die israelische Gesellschaft teilt. Er nennt Fälle von Diskriminierung arabischer Israelis und erklärt, dass sein Institut diese dokumentiert, verfolgt und an die zuständigen Behörden und Gerichte weiterleitet. Nach dem Phänomen der konservativen und rechts wählenden Araber in Israel gefragt antwortet Makhul, dass Israel im Umgang mit den Arabern einen großen Erfolg verbuchen konnte: Die Israelis haben es geschafft, dass sich die meisten arabischen Israelis von ihrer Kultur distanziert haben. Um als Araber ein guter Israeli zu sein, müsse er stärker noch als ein Israeli gegen die Araber sein, so Makhul. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger im Direktorium des Instituts, dem jetzt in London lebenden Prof. Ilan Pappe, der eine Einstaatenlösung für die Zukunft Palästinas befürwortet, sieht Makhul nur eine Zweistaatenlösung als realistisch an.
    Gazastreifen
    Am Tag vor unserer geplanten Fahrt in den Gazastreifen wurde mir in Tel Aviv von der Deutschen Botschaft mitgeteilt, dass mein Einreiseantrag sowie der meiner Mitarbeiterin abgelehnt worden sei. Sofort mussten wir dort alle Termine absagen, änderten unsere Reiseplanung und fuhren am nächsten Tag direkt nach Ramallah. Dort beriet ich mit dem Leiter der Rosa Luxemburg Stiftung, Peter Schäfer, die Situation. Wir entschieden, am folgenden Tag gemeinsam zum Erez-Checkpoint zu fahren, um allein gestützt auf unsere Dienst- und Diplomatenpässe, die Einreise zu versuchen. Meine Mitarbeiterin musste mangels eines solchen Passes in Ramallah bleiben. In Gaza hatte das „Deutsch-Palästinensische Ärzteforum“ (PalMed), welches vor kurzem dort ein Büro eröffnet hatte, mir angeboten, mich zu begleiten und meine Gesprächstermine bei der UNO und internationalen Hilfsorganisationen wie dem Roten Halbmond und den „Physicians for Human Rights“ zu koordinieren. Verabredet war zudem ein Treffen mit dem – parteilosen – Gesundheitsminister Dr. Basem Naim.
    Wir brachen um 6 Uhr in Ramallah auf, erreichten Erez-Checkpoint um 8 Uhr und benötigten keine 10 Minuten, um durch die Passkontrolle in das von der niederländischen Firma „Interwand“ maßgeblich mitgestaltete neue Erez-Terminal zu gelangen.
    Auf der Firmenwebsite preist „Interwand“ sein Produkt als „benutzerfreundlich“ an, welches „für die Bevölkerung im Gazastreifen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor“ ist. „Für die zahlreichen Grenzgänger bedeutet dies eine Verbesserung ihrer Lebensqualität.“ „Der `Erez Terminal erhält durch Kontrollen mit visueller Technologie eine echte Transparenz.“ „Durch das Terminal gestaltet sich der Alltag der lokalen Bevölkerung um einiges freundlicher. Lange Wartezeiten gehören der Vergangenheit an, da nun Smartcards verwendet werden und die Kontrolle der Passanten auf Distanz erfolgt. Personen mit Gütern werden schnell erkannt und Touristen in einen der anderen Tunnels geleitet. Auf diese Weise können pro Stunde 4000 Personen den Terminal passieren.“ „Die Bedienung des gesamten Terminals erfolgt durch Personen in Zivilkleidung, so dass der optische Unterschied zur Bevölkerung minimal ist.“ Diese „Produktinformation“ ist von der Realität in etwa so weit entfernt wie die Verheißung des Paradieses für die zukünftigen Märtyrer. Kein Wort über die Nacktscanner, unzähligen Überwachungskameras, stählerne Drehtüren, Panzerglas und Röntgengeräte.
    Gegenwärtig passieren dieses futuristische Gebilde täglich lediglich einige Diplomaten, UNBedienstete und Mitarbeiter internationaler NGO sowie einige medizinische Notfälle.
    Nach ca. einer halben Stunde entlassen uns die Gänge, Drehtüren und Tunnel in die Realität Gazas. Gleich rechts neben dem Ausgang liegen unverändert die Trümmer der ehemals von den Israelis erbauten Industriezone Erez, die sie selbst vor zweieinhalb Jahren mit Raketen und Bulldozern „aus Sicherheitsgründen“ dem Erdboden gleichgemacht hatten, der Arbeitsplatz für ca. 5000 Palästinenserinnen und Palästinenser.
    Dr. Abunada von PalMed, den wir noch am Checkpoint über unsere Ankunft informiert haben, hat einige Treffen und Termine mit Parlamentsabgeordneten spontan wieder einrichten können. Wir beschließen, die Nacht über im Gazastreifen zu bleiben, da der Checkpoint anlässlich der Feiertage schon um 14.00 geschlossen wird und ich von der Israelischen Botschaft keine Nachricht über die für Jerusalem am 7. Oktober vorgesehenen Termine erhalten habe. Gesundheitsministers Dr. Basem Naim hat die Organisation unserer Treffen und den Transport im Gazastreifen übernommen. Er informiert uns über die katastrophale Situation der Gesundheitsversorgung infolge der langjährigen Blockade und des Krieges im Januar 2009. UN-OCHA berichtet regelmäßig über die akuten Mängel des Gesundheitssystems, sodass sich niemand auf Unkenntnis berufen kann.
    Eines der zentralen Probleme ist der Finanzboykott, der auch von privaten Spendenorganisationen nicht aufgewogen werden kann, da mit ihren Spenden keine langfristige Finanzplanung möglich ist. Bis zu 80 wichtige Medikamente sowie ca. 120 medizinische Instrumente fehlen vollkommen. Selbst im Ausland gekaufte Ersatzteile und Ausrüstungen, von Rollstühlen bis zu Röntgengeräten, können nicht importiert werden, da sie nach israelischen Kriterien nicht zu den humanitären Gütern gehören, die über die Grenze dürfen. Auf Grund der unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten der Krankenhäuser müssen täglich zwischen 60 bis 80 Patienten in die Nachbarländer Israel, Jordanien und Ägypten sowie in die Westbank geschickt werden. Die Schließung der Grenzen hat dazu geführt, dass 360 Patienten starben, weil sie den Gazastreifen nicht verlassen konnten. Der Krieg hat nicht nur 1400 Tote, sondern auch an die 6000 zum Teil schwer Verwundete und andauernd Behinderte hinterlassen. Den psychischen Folgen des Krieges und den starken Traumatisierungen steht man schon allein wegen des fehlenden ärztlichen Personals machtlos gegenüber. 60 bis 70% der Kinder leiden trotz der Versorgungsleistungen der UNWRA an Unterernährung und Anämie.
    Eine zusätzliche Gefährdung der Gesundheit rührt von dem völlig überalterten und durch den Krieg weithin zerstörten Abwassersystem, welches auf Grund des israelischen Boykotts von Baumaterialien nicht saniert werden kann. Die Abwässer fließen ungeklärt ins Meer oder werden in großen Abwasserlagunen aufgefangen, aus denen sie oft überfließen und die Umgebung verpesten. Die Pumpstationen versagen, die Gullys laufen über und das stinkende Wasser ergießt sich in die Straßen. Deutschland hatte mit einigen anderen europäischen Staaten eine Kläranlage für 70 Mio. Euro in Gaza bauen wollen. Das Projekt wurde 2007 nach der Machtübernahme der Hamas eingestellt. Nun stehen nur noch 10 Mio.
    Euro für Einzelprojekte zur Verfügung, die jedoch wegen Materialmangels nicht begonnen werden können.
    Ein weiteres zentrales Problem ist die vollkommen unzureichende Versorgung mit Energie.
    Israel hat seit November 2008 die Lieferung von Benzin und Diesel gestoppt. Das einzige Kraftwerk Gazas, welches etwa 55% des Stroms produziert, wird von der EU mit Diesel beliefert. Insgesamt ist jedoch die Stromversorgung so knapp, dass die Spannung permanent schwankt und der Strom im ganzen Gazastreifen regelmäßig zwischen 18 und 20 Uhr zusammenbricht. Die Generatoren sind nicht immer in der Lage, den fehlenden Strom zu liefern, denn sie benötigen viel Diesel. So fließen durch die Tunnel nach Ägypten derzeit täglich 100.000 Liter Benzin und 100.000 Liter Diesel, den es auf dem offiziellen Markt nicht gibt.
    Die einzige geregelte Versorgung der Bevölkerung wird durch etwa 2000 Tunnel an der südlichen Grenze nach Ägypten organisiert. Denn, wie uns der Bürgermeister von Gaza- Stadt, Rafik S. Mikki, erklärt, kommen täglich lediglich 50 bis 60 Lastwagen mit sog.
    humanitären Gütern über die Grenzen, obwohl 800 wie vor 2006 für die normale Versorgung der Bevölkerung notwendig wären. In den ersten fünf Monaten 2007 vor der Machtübernahme der Hamas passierten durchschnittlich noch 400 Lastwagen täglich die Grenze. Wir fahren zu den Tunneln. Spezialsicherungskräfte begleiten uns, da uns die Deutsche Botschaft auf die Gefahr der Entführung durch die dort operierenden Salafiten hingewiesen hat. Im August hatten Sicherungskräfte der Hamas hart gegen diese fundamentalistische Gruppe durchgegriffen, die einen Aufstand in Rafah angezettelt hatte – Entführungsfälle hatte es allerdings bisher noch keine gegeben.
    Die Tunnel gehen bis zu 27 m tief unter die Erde und sind zwischen 100 und 1000 Meter lang. Auf ägyptischer Seite enden sie zumeist in Häusern an der Grenze. Durch sie wird alles transportiert, was zum Leben nötig ist: Nahrungsmittel aller Art, sogar tiefgefrorener Fisch, da die Israelis die Fischerei vor der Küste Gazas verboten haben, Medikamente, Esel oder Kühlschränke, selbst Autos werden zerlegt und durch die Tunnel gebracht. Pipelines liefern Benzin und Diesel. Waren im Februar noch kaum Autos auf den Straßen zu sehen, herrscht jetzt ein reger Autoverkehr. Denn der Preis von sechs Shekel für einen Liter Benzin aus Israel ist auf 1,5 Shekel ägyptisches Tunnelbenzin gesunken.
    Israelische Flugzeuge und Raketen greifen regelmäßig gezielt Tunneleingänge bei Rafah an, durch die auch Waffen und wichtige Ersatzteile geschmuggelt werden.
    Erst wenige Tage vor unserem Besuch waren zwei Palästinenser durch Raketenbeschuss getötet und 11 verletzt worden. Israelische Zeitungen bezeichneten die Angriffe als Vergeltungsschläge für Raketen, die von Gaza aus auf israelisches Gebiet geschossen worden waren. Die Zielfindung wird durch Kollaborateure erleichtert, die an den Tunneleingängen SIM- Karten von Handys liegen lassen, die aus der Luft leicht geortet werden können. Das Tunnelsystem ist jedoch inzwischen derart weit verzweigt und wird permanent erweitert, so dass es nur mit einer kompletten Eroberung des sog. Philadelphi-Streifens oder einer Flächenbombardierung mit außerordentlich schwerwiegenden Folgen für die hier noch wohnende Bevölkerung zerstört oder lahm gelegt werden könnte. Es ist aber auch ein gefährliches Unternehmen für die Tunnelgräber. Zwei Männer wurden in der Woche unseres Besuchs durch Einsturz und Stromschlag getötet. Andererseits sind die Tunnel das einzige Lebensventil, welches die Blockade der Grenzübergänge noch nicht zu einem Zusammenbruch allen Lebens hat eskalieren lassen.
    Die politische Zukunft Gazas wie auch ganz Palästinas wird von den Parlamentsabgeordneten, die wir in einem Seitenflügel des nach wie vor zerstörten Parlaments treffen, äußerst skeptisch eingeschätzt. Das Parlament ist wegen der territorialen und politischen Trennung zwischen der Westbank und dem Gazastreifen aber auch wegen der entführten und immer noch in israelischen Gefängnissen sitzenden Abgeordneten praktisch arbeitsunfähig. Von den vornehmlich Ende Juni 2006, aber vereinzelt auch noch in den folgenden Jahren entführten 50 Abgeordneten befinden sich immer noch 25 in israelischer Haft. Der Abgeordnete Musheer Al-Masry von der „Internationalen Kampagne zur Befreiung der entführten Abgeordneten“
    überreicht mir ein Schreiben an Bundestagspräsident Norbert Lammert mit den Namen der Entführten und den Daten ihrer Entführung mit der Bitte, sich für die Freilassung dieser gegen alle internationale Normen festgehaltenen Kolleginnen und Kollegen bei der israelischen Regierung einzusetzen und sich der internationalen Kampagne anzuschließen. Der Deutsche Bundestag hatte sich seinerzeit zu keiner Stellungnahme gegen diese eindeutig völkerrechtswidrigen Entführung von Parlamentsabgeordneten, die in allgemein als frei und fair verlaufenen Wahlen gewählt worden waren, entschließen können. Die Abgeordneten gehören überwiegend dem „Change and Reform Bloc“ (Hamas) an, zwei der Fatah und einer der PFLP.
    Insbesondere Mahmoud Zahar, Anfang der neunziger Jahre von Fatah- Anhängern schwer gefolterter ehemaliger Außenminister, jetzt einflussreicher Abgeordneter, sieht weder bei der israelischen Regierung noch bei der neuen US-Administration konkrete Anzeichen für einen Wechsel der bisherigen Besatzungspolitik. Während Außenminister Lieberman öffentlich den Nahost-Konflikt für unlösbar erklärt, mit dem alle, leben müssten, ist vom USSonderbeauftragten George Mitchell, der sich zur gleichen Zeit zu Gesprächen mit der israelischen Regierung in Jerusalem und mit Präsident Abbas in Ramallah aufhält, keine Stellungnahme zu erfahren.
    Das für die letzte Oktoberwoche in Kairo geplante Treffen aller palästinensischen Parteien sieht Mahmoud Zahar ebenfalls mit allergrößter Skepsis. Vor allem vor dem Hintergrund des Einverständnisses von Präsident Abbas, den Goldstone-Bericht auf Drängen der USA vorerst nicht an den UN-Sicherheitsrat zu überweisen, hat sich das ohnehin sehr gespannte Verhältnis zwischen Fatah und Hamas weiter verschlechtert. Die Glaubwürdigkeit nicht nur von Abbas, sondern der Fatah insgesamt hat erneut stark gelitten, auch selbst wenn innerhalb der Fatah die Kritik an der Entscheidung zu einer schweren Krise geführt hat. Zahar ließ es offen, ob Hamas unter diesen Umständen überhaupt noch an der Konferenz und dem geplanten Übereinkommen interessiert sei und teilnehmen wird. Den Ägyptern wird von allen Seiten eine entscheidende Rolle zugewiesen. Sie haben bereits mit ihrem Fünf-Punkte Plan die Basis für die Verhandlungen geliefert: Reform der PLO, Versöhnung zwischen den Parteien, Neuformulierung des Wahlrechts, Restrukturierung der Sicherheitsapparate und Regierungsbildung.
    Größter Streitpunkt auf dem Treffen in Kairo wird nach Meinung von Ahmed Yussef, ehemaliger Berater von Präsident Ismael Hanijeh und gegenwärtiger Vizeaußenminister sowie Leiter des „House of Wisdom“, eines palästinensischen Instituts für Konfliktlösung und Governance, die Restrukturierung der Sicherheitskräfte sein. Auch er sieht das Verhältnis zur Fatah schwer belastet durch Abbas` Fehlentscheidung, das gegenseitige Misstrauen sei das größte Problem für eine Versöhnung. Yussef gilt im Gegensatz zu Mahmoud Zahar als moderater Vertreter der Hamas und ist optimistischer angesichts der wiederholten Kriegsdrohungen Israels auch gegenüber Iran, die er als psychologische Kriegsführung einstuft. Weder glaubt er an weitere Angriffe gegen den Gazastreifen noch gegen Iran. Er ist der Überzeugung, dass Obama es ernst nimmt mit einer neuen Nahostpolitik, jedoch in der Innen- und Außenpolitik an zu vielen Fronten und mit zu großem Widerstand kämpfen muss, als dass ihm ein Durchbruch gelingen könne. So bleibt ein fatalistischer Rest bei allen Abgeordneten: keine Perspektive der Hilfe von außen aber auch keine Perspektive in einem gewaltförmigen Widerstand.
    Interessant ist die Einschätzung der für Menschenrechte zuständigen Abgeordneten Jamila El Shanti, die die erhöhte Sicherheit seit der Übernahme der Macht durch die Hamas im Juni
    2007 sowie das Wirken von insgesamt fünf internationalen Menschenrechtsorganisationen im Gazastreifen für die Verbesserung der Menschenrechtssituation verantwortlich macht.
    Die Regierung versuche nicht, in das Leben der Menschen einzugreifen.
    Die Situation von Frauen hat sich in den letzten drei Jahren verbessert, 13% mehr Frauen sind jetzt in öffentlichen Ämtern – Einschätzungen, die dem üblichen Bild nicht entsprechen und genauer überprüft werden müssten. Auch hat sich das Verhältnis zur christlichen Kirche deutlich verbessert. Kritisch allerdings sieht sie das Wirken verschiedener NGO, die die Spaltung im Lande verstärken – ohne dass die Zeit ausreicht, die Vorwürfe zu konkretisieren.
    Die Kriegsspuren im Gazastreifen sind dem Besucher nur noch durch die zahlreichen Ruinen erkennbar, die Märkte bieten reichlich Tunnelware aller Art an und vor den UNVerteilungsstellen herrscht reges Transporttreiben mit Eselskarren. Die vollkommen zerstörte Industriezone östlich von Gaza-Stadt ist weitgehend aufgeräumt, zeigt aber nur vereinzelt Wiederaufbau mangels Materials, das, wie z.B. Zement, nur unzureichend durch die Tunnel nach Gaza kommt. Landwirtschaft ist der einzig produktive Zweig einer Mangelwirtschaft am unteren Rand der Überlebensfähigkeit. Wie fragil der Waffenstillstand ist, zeigt der Zwischenfall am Tag unserer Einreise, als die Ash- Shuhada Jungenschule in Gaza-Stadt zum vierten Mal nach dem Krieg von den Israelis mit Granaten beschossen wird.
    Bisher waren dabei vier Schüler getötet worden. Tags zuvor war nordwestlich von Beit Lahia ein sechszehn Jahre alter Junge angeschossen und verwundet worden, als er sich dem Grenzzaun näherte. Die UNO berichtet ferner von neuen Vorfällen in dieser Woche, in denen Armee-Panzer und Bulldozer einige hundert Meter auf palästinensisches Gebiet vorgedrungen sind und die Bauern zum Verlassen ihrer Felder gezwungen haben.
    Palästinensische Fischerboote wurden durch israelische Patrouillen beschossen und mussten zum Strand zurückkehren.
    Ramallah
    Zurück aus Gaza treffen wir am nächsten Tag Mustapha Barghouti, Abgeordneter der Palestinian National Initiative und Gründer des Palestinian Medical Relief Committee.
    Barghouti nimmt in unserem Gespräch kein Blatt vor den Mund: Noch vor meiner ersten Frage übt er scharfe Kritik an Fatah und der US-Administration und bezieht seine Kritik auch auf die aktuellen Geschehnisse um den Goldstone-Report, der Israel und der Hamas schwere Kriegsverbrechen während des Gazakrieges vorwirft. Barghouti bemerkt neben seiner harschen Kritik an Abbas, dass dieser ganz einfach dem immensen Druck Israels und der USA nicht standhalten konnte. Die im März begonnenen Verhandlungen zwischen Fatah und Hamas seien in den verschiedenen Kommissionen faktisch nie zum Erliegen gekommen, wie in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden sei. Barghouti sieht in der Einigung der verschiedenen palästinensischen Parteien eine unabdingbare Notwendigkeit für die Verhandlungen mit Israel. Er ist verhalten optimistisch hinsichtlich einer Einigung in Ägypten.
    Im weiteren Gesprächsverlauf diskutieren wir über die Zweistaatenlösung, die in Barghoutis Augen die einzig realistische ist. Unter der rechtskonservativen Regierung Netanjahus jedoch ist die Chance auf zwei gleichberechtigte Staaten in weite Ferne gerückt. Die Israelis sind weder bereit, die „ethnische Säuberung“ in Jerusalem noch den Siedlungsbau in der Westbank zu stoppen, schließt er pessimistisch.
    Unsere nächste Gesprächspartnerin in Ramallah ist Khalida Jarrar, Abgeordnete der Popular Front for the Liberation of Palestine (PFLP). Auf Obama angesprochen schüttelt die Politikerin den Kopf und erklärt, dass sie sich vom neuen US- Präsidenten nichts erhofft, was den Friedensprozess im Nahen Osten antreiben könnte. Sie betont, dass ihre Partei grundsätzlich gegen weitere, wie bisher geführte Friedensverhandlungen ist, grundsätzlich gegen Verhandlungen mit der israelischen Regierung, speziell mit der aktuellen unter Netanjahu. Jarrar glaubt nicht an einen Friedensprozess auf der Basis von Gesprächen zwischen einzelnen Politikern, die – so zeige es die Geschichte – die fundamentalen Rechte der Palästinenser ignorieren. Über die Selbstbestimmung der Palästinenser und die Rückkehr aller Flüchtlinge lässt sich nicht diskutieren, so Jarrar, diese Rechte der Palästinenser müssten durch eine internationale Konferenz umgesetzt werden, die sich auf Internationales Recht und die UN-Resolutionen stützt. Für die PFLP komme nur eine Einstaatenlösung in Frage.
    Nach unserem Gespräch in ihrem Büro in Ramallah eilt Khalida Jarrar direkt zum nächsten Termin: Sie wird die Palästinenserinnen treffen, die vor einigen Tagen von der israelischen Regierung freigelassen wurden. Im Gegenzug erhielten die Israelis ein Lebenszeichen von dem seit Juni 2006 von der Hamas festgehaltenen israelischen Soldaten Gilad Shalit.
    Als nächstes sprechen wir mit Azzam Al-Ahmad, Fraktionsführer der Fatah im Parlament. Er hatte mich im Namen des palästinensischen Parlaments nach Ramallah eingeladen.
    Anwesend sind darüber hinaus drei Fatah-Abgeordnete aus Kalkilja, Jenin und Ramallah. Wir sprechen über den Goldstone-Bericht und Al-Ahmad beschreibt seine Fassungslosigkeit, als er erfuhr, dass Abbas dessen Weiterleitung an den Menschenrechtsrat verschieben wollte.
    Hier in der Fatah-Runde zeigt sich ganz deutlich, wie allein Abbas mit dieser – unter Druck gefällten – Entscheidung steht. Was die anstehenden Verhandlungen zwischen Fatah und Hamas Ende Oktober in Kairo angeht, sind alle Anwesenden sehr zuversichtlich und gehen fest davon aus, dass beide Parteien ein Versöhnungsabkommen unterzeichnen werden. Al- Ahmad spricht von 22 arabischen Außenministern, der Arabischen Liga, Vertretern des Nahost-Quartetts und Javier Solana, die alle nach Kairo kommen werden, um den Abschlussverhandlungen der Fatah und Hamas beizuwohnen. Auch Al-Ahmad sieht in den Punkten Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Palästinenser und Siedlungsbaustopp keine Bedingungen, über die sich diskutieren lasse, sondern fällige Verpflichtungen. Zu den Lebensbedingungen in der Westbank befragt, erklärt der Fatah- Politiker, dass die Sicherheitslage sich zwar verbessert habe, die Lebensbedingungen für die Menschen jedoch immer schlechter werden.
    Eine kurzfristig ausgesprochene Einladung zu einem Treffen mit dem Außenminister der Palästinensischen Autonomiebehörde, Riad Malki, konnte ich wegen der Überschneidung mit meiner Fahrt in den Gazastreifen nicht wahrnehmen.
    Am Abend halte ich einen Vortrag in der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Ramallah zum Thema:
    „Die Bundestagswahlen in Deutschland mit einem Fokus auf DIE LINKE.“
    Die Liste der Teilnehmer findet sich im Anhang.
    Am nächsten Morgen, noch vor unserer Fahrt nach Bil´in treffen wir den Leiter des deutschen Vertretungsbüros in Ramallah, Dr. Klaus Burkhardt. Wir sprechen u.a. über die aktuelle Situation in Ost-Jerusalem. Dort hatte sich in den letzten Tagen der Konflikt um den Haram el Scharif (Tempelberg) zugespitzt. Die israelischen Behörden gestatteten nach Auseinandersetzungen Ende September nur Musliminnen und männlichen Muslimen über 50 Jahren mit israelischer Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz in Ost- Jerusalem den Zugang zum Tempelberg. Jüngeren Muslimen, die am Freitag in der Moschee beten wollten, war dies weiterhin verboten. Jüdische Gläubige durften dagegen an der Klagemauer beten.
    Burkhardt weiß zu berichten, dass die Fatah neben Demonstrationen auch zu einem Generalstreik „zur Verteidigung Jerusalems“ in den Palästinensergebieten aufgerufen hat.
    Auf Bil´in angesprochen erklärt Burkhardt, dass die allwöchentlichen Demonstrationen seit einiger Zeit zu einem Ritual wechselseitiger Konfrontation geworden sind – und stellt damit ihre Legitimation in Frage. Inzwischen finden neben Bil´in auch in über zehn anderen Orten ähnliche Demonstrationen gegen die Mauer statt.
    Bil´in
    Wir fahren von Ramallah in das 12 Kilometer entfernte Dorf Bil´in.
    Seit fast fünf Jahren protestieren in Bil´in die Bewohner und mit ihnen zahlreiche Friedensaktivisten aus der ganzen Welt gewaltlos gegen die fortdauernde israelische Landnahme, die Zerstörung von Olivenhainen und Obstplantagen und gegen die Mauer und den Zaun. Die Israel Defence Forces (IDF) antwortet mit Tränengas, Stink- und Schallbomben und immer neuen Schikanen. Immer häufiger kommt es zu nächtlichen Razzien, in denen die IDF gewaltsam in die Häuser der Dorfbewohner eindringt und Väter vor den Augen ihrer aus dem Schlaf gerissenen Kinder festnimmt. Mehr als 50 Prozent des Bil’iner Ackerbodens, Felder, Gärten und Plantagen werden durch Mauer und Zaun de facto annektiert. Am 4.  September 2007 entschied der Oberste Gerichtshof Israels, dass der Verlauf der Mauer bei Bil’in illegal sei und sie eingerissen werden müsse. Doch die Entscheidung blieb bisher ohne Konsequenzen.
    In Bil´in treffen wir Mohammad Khatib, einen der Koordinatoren der Proteste. Im Schatten eines Olivenbaums berichtet er von seinem Dorf, vom Leben hier unter der Besatzung und der Idee, jeden Freitag nach dem Moscheebesuch friedlich zu demonstrieren. Wir bleiben nicht lange alleine: nach und nach setzen sich Friedensaktivistinnen aus Israel und Frankreich, ein britischer Journalist und ein Fotograf aus Australien zu uns. Auf der Straße beginnt währenddessen ein reges Treiben – bunte Luftballons, Transparente und „Freedom for Palestine“-Fahnen ziehen vorbei. Die etwa 100 Demonstrantinnen und Demonstranten treffen sich für ihren Marsch durchs Dorf hin zum Sicherheitszaun.
    Auch unsere kleine internationale Gruppe reiht sich ein.
    Wir haben vor unserer Reise viel über Bil´in gelesen und gehört. In Deutschland nur Wohlwollendes von Unterstützern, auf unserer Reise gab es dann jedoch Stimmen, die Bil´in herunterspielten und die den Grund der Eskalationen auch bei den Palästinern und Demonstranten sahen. Auch die Israelische Botschaft in Berlin hatte uns in einem Gespräch vor der Reise gewarnt, dass die Demonstrationen in letzter Zeit gewalttätig geworden seien.
    Doch als wir uns in der Gruppe der Demonstranten umschauen, laufen junge und alte Bewohner Bil´ins mit ihren Kindern neben jungen und alten Menschen aus der ganzen Welt mit Luftballons in den Händen durch ein verschlafenes palästinensisches Dorf. Alle wirken sehr friedlich. Am Zaun angekommen ernten die Demonstranten in einem symbolischen Akt die Früchte der palästinensischen Felder. Sie sammeln die Hülsen und Patronen der Tränengas- und Gummigeschosse der IDF und stecken sie in große weiße Säcke, die sie dann gemeinsam ins Dorf tragen. An diesem Tag fällt die „Ernte“ nicht sehr groß aus, denn schon nach wenigen Minuten schießt die IDF das erste Tränengas auf die Demonstranten. Kein Demonstrant hat zuvor einen Stein geworfen oder irgendetwas unternommen, was die Soldaten vom IDF hätte provozieren können. Diese schießen nun wieder und immer wieder Tränengas auf die Menge auf der anderen Seite des Zaunes, bis diese sich in einen kleinen Olivenhain zurückzieht. Die Demonstration ist vorbei, hustend und sich Tücher vor Augen, Mund und Nase haltend ziehen die Menschen zurück ins Dorf. Die Bewohner des kleinen Ortes kehren in ihre Häuser zurück, in denen sie nachts nicht mehr sicher sind, die übrigen Friedensaktivisten fahren nach Hause: nach Israel, England, Frankreich, Australien und Japan. Dort stellen sie die eben gemachten Fotos und Filme ins Internet und tragen Bil´in in die Welt.
    Schlussbetrachtung
    Als vordringlicher Eindruck dieser Reise bleibt ein tiefer Pessimismus fast aller unserer Gesprächspartner über die Zukunft Palästinas haften. Dieser Pessimismus bezieht sich nicht nur auf den Verhandlungs- und Friedenswillen der gegenwärtigen israelischen Regierung, sondern auch auf die Einflussmöglichkeiten und den Einflusswillen der europäischen Regierungen sowie der US-Administration. Auch die Chancen für einen Versöhnungsprozess zwischen Fatah und Hamas werden überwiegend skeptisch beurteilt. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Überzeugung, dass die israelische Politik die Spaltung fördert, da sie die palästinensische Seite schwächt, und die Blockade des Gazastreifens durch die EU und USA die Kluft zwischen den beiden größten palästinensischen Parteien vergrößert. Dennoch wird die Versöhnung zwischen Fatah und Hamas als absolute Notwendigkeit und Vorbedingung für effektive Friedensverhandlungen mit Israel angesehen.
    Die Rolle Deutschlands wird von allen Gesprächspartnern als weit hinter den eigentlichen Möglichkeiten zurückbleibend angesehen. Man ist höflich und hat Verständnis für die Hypothek, die aus der deutschen Vergangenheit auf der Nahost-Politik aller Bundesregierungen lastet. Unsere Gesprächspartner verstehen jedoch nicht, dass daraus die Duldung und Unterstützung einer offen völkerrechtswidrigen Besatzungs-  und Siedlungspolitik sowie die Tatenlosigkeit gegenüber einem Krieg mit schweren Kriegsverbrechen und der immer noch andauernden Blockade des Gaza- Streifens mit seinen katastrophalen Auswirkungen auf die Bevölkerung folgen muss.
    Das unzweifelhaft starke finanzielle Engagement der Bundesregierung vor allem zur Errichtung neuer Industriezonen und zur Ausbildung der Sicherheitskräfte in der Westbank wird zwar offiziell gelobt, allgemein aber scharf kritisiert, da es an der Besatzung nichts ändere, sie allenfalls erträglicher mache und dadurch nur stabilisiere. In diesem Zusammenhang wird zwar auch die Vermittlerrolle des BND zur Befreiung des gefangenen israelischen Soldaten Gilat Shahit begrüßt. Die Mission wird aber vor allem als im Interesse Israels liegend angesehen und nur vage Hoffnungen an sie geknüpft, dass sie weitere Fortschritte auch für die palästinensische Seite bringen könnte.
    Die deutsche Außenpolitik hat sich mit ihrer Blockadepolitik gegenüber der Hamas in eine äußerst problematische Abhängigkeit zur israelischen und US- amerikanischen Boykottstrategie begeben. Sie wirkt sich faktisch als Kollektivbestrafung der Bevölkerung aus, die völkerrechtlich verboten ist. Damit hat sie sich zugleich ideologisch derart fest eingemauert, dass sie nicht in der Lage ist, drei Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen:
    1. Hamas hat damit, dass sie die Bildung eines Staates in der Westbank und Gaza akzeptiert, de facto die Anerkennung Israels demonstriert.
    2. Hamas hat das ausschließliche Verhandlungsmandat von Präsident Mahmoud Abbas über den zukünftigen Status Palästinas immer anerkannt und erklärt, einen von Abbas ausgehandelten Friedensvertrag zu akzeptieren, wenn er durch ein Referendum der palästinensischen Bevölkerung ratifiziert werde.
    3. Hamas hat mehrere Waffenstillstände mit Israel eingehalten und Jahrzehntelange Waffenruhe gegen einen Rückzug Israels aus der Westbank und Gaza angeboten.
    Es ist ein Erfahrungssatz der politischen Psychologie, dass die Strangulierung des politischen Gegners, wenn er nicht zu dessen Tod oder Aufgabe führt, nur die Eskalation der Gewalt und die Blockade einer Lösung bewirkt. Nicht nur breite Schichten der palästinensischen Bevölkerung sind der Ansicht, dass genau diese Konsequenz mit der gegenwärtigen Boykottpolitik verfolgt wird.
    Eine aktuelle Studie der CIA, die die Möglichkeit voraussagt, dass Israel die nächsten 20 Jahre nicht als Staat überleben wird, hat bei unseren Gesprächspartnern große Nachdenklichkeit erzeugt. Die Voraussage beruht auf der Annahme, dass in dieser Zeit etwa 1,5 Mio. Juden das Land verlassen werden, auf der anderen Seite aber ein Großteil der arabischen Flüchtlinge in die besetzten Gebiete zurückkehren wird. Unabhängig von der Stichhaltigkeit dieser Annahmen schwindet unter den Palästinenserinnen und Palästinensern zunehmend der Glaube an eine Zwei-Staaten-Lösung, da die ungebremste Siedlungstätigkeit und der offenkundige Annexionswillen der politischen Klasse in Israel keine territoriale Basis für einen separaten palästinensischen Staat mehr übrig lässt. Israel steht also vor dem Paradoxon, dass seine Siedlungs- und Annexionspolitik das von Netanjahu wieder propagierte Ziel eines separaten „jüdischen Staates“ untergräbt und damit seine eigene Staatlichkeit gefährdet. Es ist gut möglich, dass Israel an diesem Widerspruch zerbricht, gleichsam „implodiert“, so wie in der jüngsten Vergangenheit bereits andere Staaten wie Südafrika, die Sowjetunion und die DDR an ihren eigenen Widersprüchen zerbrochen und implodiert sind. Jede Politik, die diesen Kurs Netanjahus weiter gewähren lässt, muss ebenfalls die Verantwortung für die Zuspitzung der Widersprüche tragen. Die Regierungen, die nicht müde werden, das Existenzrecht Israels in ihren offiziellen Reden zu garantieren, sehen offensichtlich nicht, dass ihre tägliche Politik die Existenz des israelischen Staates in hohem Maße gefährdet.
    Norman Paech
    Berlin, 27. Oktober 2009
    Liste der Gesprächspartner
    Tel Aviv
    Peter Prügel, Gesandter der Deutschen Botschaft Inna Michaeli, Koordinatorin der Coalition of Women for Peace Dr. Nissim Mizrachi, Professor an der Universität Tel Aviv Eitan Bronstein, Gründer und Direktor von Zochrot Issam Makhul, Direktor des Emil Touma Center, ehem.
    Knessetabgeordneter
    Gaza
    Dr. Abunada, Deutsch-Palästinensisches Ärzteforum (PalMed) Dr. Basem Naim, Gesundheitsminister Rafik S. Mikki, Bürgermeister von Gaza Musheer Al-Masry, Abgeordneter Change and Reform Bloc Mahmoud Zahar, Abgeordneter Change and Reform Bloc, ehem.
    Außenminister
    Ahmed Yussef, Vizeaußenminister, Leiter House of Wisdom Jamila El Shanti, Abgeordnete Change and Reform Bloc Eyad el-Sarraj, Direktor des Gaza Community Mental Health Programme Ramallah Mustapha Barghouti, Abgeordneter der Palestinian National Initiative, Gründer Palestinian Medical Relief Committee Khalida Jarrar, Abgeordnete der Popular Front for the Liberation of Palestine (PFLP) Azzam al-Ahmad, Fraktionsführer der Fatah im Parlament Dr. Klaus Burkhard, Leiter des deutschen Vertretungsbüros Teilnehmer der Veranstaltung „Die Bundestagswahlen in Deutschland mit einem Fokus auf DIE LINKE“:
    Daoud Talhami, Autor
    Naseef Muallem, Direktor Palestinian Center for Peace and Democracy Mohammad Aruri, Gewerkschaftsfunktionär und Internationaler Sekretär Palestine Democratic Union Qais Abdelkarim, stellvertr. Generalsekretär der Democratic Front for the Liberation of Palestine (DFLP) Bassam Salhi, Generalsekretär der Palestinian People´s Party (PPP) Issam Aruri, Aktivist der Strömung für Demokratie und Fortschritt, Palestinian People´s Party (PPP)
    Dr. Khalil Nakhleh, Autor des Buches „The Myth of Palestinian Development“
    Yusef Ziadeh, politischer Sekretär von Bassam Salhi, Palestinian People´s Party (PPP) Dr. Abdelrahman Haj Ibrahim, Vorstandsmitglied Ramallah Center for Human Rights Studies Bil´in Mohammad Khatib, Koordinator Bil´in´s Popular Committee

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