Redetexte von Prof. Dr. Salomon Korn und Dr. Dieter Graumann anläßlich Gedenkstunden zum 9. November, ein Essay zum Thema Antisemitismus und Deutsche Medien und mehr…

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Redetexte von Prof. Dr. Salomon Korn und Dr. Dieter Graumann anläßlich Gedenkstunden zum 9. November,
ein Essay zum Thema Antisemitismus und Deutsche Medien
und mehr
 


INHALTSANGABE
  1. TEIL 1 – Redetext von Dr. Dieter Graumann, anläßlich der Gedenkstunde zum 9. November, vom 9.11.2009, aus der Paulskirche in Frankfurt am Main – Doppelt Unterwegs: Pluraler und Normaler
  2. TEIL 2 – 
    Redetext von Prof. Dr. Salomon Korn, anläßlich der Gedenkstunde zum 9. November, vom 9.11.2009, aus der Westendsynagoge in Frankfurt am Main Die Spuren der „Reichskristallnacht“
  3. TEIL 3 – Essay: Propagieren deutsche Medien antisemitische Einstellungen?
  4. TEIL 4 – Vier Beiträge zum Thema Mauer nicht gleich Mauer
  5. TEIL 5 – SONSTIGES... 

TEIL 1 – Redetext von Dr. Dieter Graumann, anläßlich der Gedenkstunde zum 9. November, vom 9.11.2009, aus der Paulskirche in Frankfurt am Main  

Redetext von Dr. Dieter Graumann
(Vizepräsident des Zentralrates der Juden)
anläßlich der diesjährigen Gedenkstunde zum 9. November

aus der Paulskirche in Frankfurt am Main

Doppelt Unterwegs:
Pluraler und Normaler



Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland ändert sich ganz gewaltig – und kaum einer merkt’s.

Ihr Gesicht hat sich in den letzten 20 Jahren dramatisch gewandelt – seit so viele jüdische Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion zu uns gekommen sind.

Das Judentum in Deutschland spricht mittlerweile weit überwiegend russisch – und das zu fast 90%!

 

Das große Thema dieser Zuwanderung und ihrer radikal nachhaltigen Folgen für das Judentum in Deutschland – ist gewiss gewaltig, gewichtig, mächtig, aber natürlich auch ziemlich kompliziert.

Was denn auch sonst?

Was im jüdischen Leben wäre denn schon jemals einfach gewesen?

 

Aber das Thema ist andererseits auch viel zu wichtig, um sich davor zu drücken.

Wie sagt Ernst Bloch:

„Wer sich NICHT in Gefahr begibt, kommt darin um.“

 

Ich selbst glaube jedenfalls fest:

Dieser Zuzug ist, alles zusammen genommen, eine echte, eine grandiose Erfolgsstory.

 

Natürlich: Jede Geschichte hat immer auch ihre weniger aufregenden und weniger eindrucksvollen Seiten, ja: sogar auch ihre Schattenseiten.

 

Und: Ob diese ganze Story am Ende wirklich zu einem traumhaft perfekten, geradezu Hollywood-reifen Happy-End führt, sozusagen zu einem „Finale Grande“, kann heute natürlich niemand sicher sagen.

 

Aber den absolut totalen Erfolg gibt es im wirklichen Leben doch ohnehin nur höchst selten.

Allenfalls, und wenn überhaupt, in der Liebe, und sogar und selbst da auch nicht immer für immer.

 

Und doch:

Wenn wir nun Zwischenbilanz ziehen, sehen wir denn doch einen großartigen Erfolg, einen wirklichen Gewinn, persönlich und politisch und menschlich und jüdisch gesehen für alle Beteiligte.

 

Und gerade aus der Sicht derer, die schon hier waren, ist zu sagen:

Unsere neuen Mitglieder sind für uns alle ein Glück, ein Geschenk, eine Gnade, ein Segen.

Ohne sie wäre unsere Gemeinschaft inzwischen vergreist, verkümmert und fast verwelkt.

Wir wären heute hier längst im Status einer Liquidations-Gemeinschaft und müssten uns womöglich schon bald überlegen, wer denn am Ende das Licht ausschaltet.

Denn: Die neue Zahl schlägt hier rasch in frische Substanz und in neue Zukunft um.

Haben wir so doch überhaupt erst die numerische Basis bekommen, um den Aufbau jüdischen Lebens in Deutschland auf eine ganz neue Ebene katapultieren zu können.

Nur deshalb können wir doch in diesen Jahren eine ganze Serie von neuen jüdischen Gemeinden, von neue jüdischen Zentren und Synagogen bejubeln.

 

Wir haben so einen frischen, kraftvollen Schub bekommen an Vitalität, an Dynamik, an Substanz, an Zukunft. 

Unsere neuen Mitglieder haben uns menschlich enorm bereichert und perspektivisch gestärkt.

Wir haben sie aber nicht nur gebraucht – nein: wir haben sie auch ausdrücklich gewollt.

Gerade deshalb haben wir hier ja auch mächtig und leidenschaftlich darum gekämpft, dass sie kommen konnten und hoffentlich auch noch kommen werden.

 

Aber gerade auch aus Sicht der nicht-jüdischen Gesellschaft in Deutschland sind die jüdischen Zuwanderer keineswegs eine Belastung, sondern ein großer Gewinn.

Juden waren in der ehemaligen Sowjet-Union immer absolute Bildungselite.

Mit ihrer tiefen Kultur, ihrem Wissen, ihren besonderen Lebenserfahrungen bereichern die jüdischen Zuwanderer uns alle hier, und ihre Kinder sind oft angetrieben von einem ehrgeizigen Bildungshunger und einer strebsamen Lernbeflissenheit, wie wir sie bei anderen Kindern hier, die oft schon saturierter scheinen, nicht immer ohne weiteres finden.

Und außerdem: Es ist doch nach allem, was war, ein enormes Kompliment, wenn heute wieder jüdische Menschen ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder diesem Land und seinen Menschen hier anvertrauen wollen.

Kann es denn überhaupt jemals einen größeren Vertrauensbeweis geben?

 

Und wenn denn gelegentlich, da und dort auch provozierend, danach gefragt wird, weshalb die neue Mehrheit in unseren Gremien politisch, vor allem in den Spitzenpositionen, noch unter-repräsentiert ist, so kann ich alle beruhigen: Geduld, wartet doch nur noch ein Weilchen.

Denn auch hier wird mit Sicherheit das Gesetz der Zahlen zuverlässig wirken, am Ende funktioniert denn doch die kalte Mechanik von Zahl und Mehrheit: Führung braucht Mehrheit, Mehrheit wiederum begründet Führung.

Das ist so sicher wie das Amen in der Synagoge.

 

Inzwischen müssen wir uns aber gemeinsam den Veränderungen und den Herausforderungen, denen wir ausgesetzt sind, auch wirklich stellen

 aktiv, offensiv, kreativ und resolut.

 

Die jüdische Gemeinschaft hier formiert sich ganz neu, sie wächst neu, sie muss auch ganz neu zusammen wachsen.

Was wird am Ende entstehen?

Eine ganz neue, frische Mischung, sicherlich.

Und mehr als das.

Ich glaube, was hier allmählich wächst, das ist:

das plurale neue deutsche Judentum der Zukunft.

Das ist spannend, das ist eine wundersame Chance, eine gewaltige Herausforderung obendrein – und wir sind sogar schon längst mittendrin.

 

Dieses Plurale Neue Deutsche Judentum –

es wird bestimmt ganz anders sein als das große deutsche Judentum von früher, das sich so schrecklich deutsch wähnte, das verzweifelt, ja zwanghaft dem immer unerfüllten und immer unerfüllbar gewesenen Traum von deutsch-jüdischer Symbiose nachjagte.

Dieses träumerische, naive – und: gescheiterte –  deutsche Judentum, erfüllt und getragen von der stets einseitig und unerwidert gebliebenen Liebe zu Deutschland, gibt es nicht mehr – und wird es so gewiss nie mehr geben.

 

Die Stärkung des Judentums in Deutschland muss künftig ganz anders und neu von innen kommen.

Es muss seinen eigenen Weg suchen:

kreativ, kommunikativ, innovativ, plural und phantasievoll.

 

Gemeinsam müssen wir uns schwierige Fragen stellen:

Was und wie wollen wir denn überhaupt sein als Juden hierzulande?

Wir müssen hier in Deutschland ganz gewiss nicht das Judentum generell ganz neu erfinden.

Wohl aber müssen wir uns selbst neu finden, uns neu positionieren, uns neu verorten.

Mit Respekt für unsere neue Vielfalt müssen wir uns aufmachen zu einer neuen, gemeinsamen Identitätssuche.

 

Natürlich bleibt die Bewahrung der Erinnerung an die Shoah für immer unsere gemeinsame Verpflichtung, ja ganz bestimmt auch ein Stück unsere moralische Mission.

Und auch die Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion werden diese Fackel des Gedenkens ganz sicher weiter tragen:

Zwar stammen sie selbst oft nicht, wie wir, aus den sprichwörtlichen „Holocaust-Familien“, sondern haben oft ganz andere, wenn auch gleichfalls dramatische Familienbiografien.

Aber ganz sicher ist: Die Erinnerung an den Holocaust ist inzwischen in das kollektive Gedächtnis und in die gemeinsame Gefühlswelt aller Juden auf der Welt fest eingebrannt – und niemand sollte sich sorgen, oder etwa hoffen, dass dieses Gedenken mit der Zeit verwässert wird.

 

Wir beobachten vielmehr das genaue Gegenteil:

Die Erinnerung wird schwächer, aber das Gedenken wird sogar noch stärker.

 

Das ist eine uralte, starke Tradition und immer wieder intensiv ausgelebte Erfahrung in der langen jüdischen Geschichte.

 

Freilich:

Das Selbstverständnis der Juden darf sich in Zukunft aber eben doch nicht primär auf Verfolgungsgeschichte und alleine auf den Kampf gegen den Antisemitismus gründen – und schon gar nicht dürfen wir selbst es etwa darauf verengen und begrenzen.

 

Wir Juden sind eben nicht nur Opfer, und nicht einmal in erster Linie Opfer, sondern vor allem Träger einer außergewöhnlich wertvollen, kostbaren Religion, Tradition, Geschichte, Gedankenwelt und Kultur.

Dieses Bewusstsein muss bei allen wachsen, wieder ganz neu wachsen – gerade aber auch erst einmal bei uns selbst.

 

Shoah und Antisemitismus bleiben natürlich für immer für uns ganz wichtige Themen, ja: absolute Herzenssache.

Aber niemals dürfen sie zur ERSATZIDENTITÄT werden

– schon gar nicht etwa zur ERSATZRELIGION.

 

Das Judentum verfügt schließlich über eine eigenständige, außergewöhnliche Stärke.

Judentum ist eine religiöse, eine philosophische, eine moralische, eine emotionale, eine spirituelle Kraftquelle.

 

Das müssen wir überall, gerade aber unseren jungen Menschen, vermitteln.

Gerade auch den Kindern unserer neuen Mitglieder, die das Judentum dann ihrerseits, andersherum als früher, von sich aus in ihre Familien transportieren.

Und es selbst später weitertragen sollen, wie es nun immerhin schon über 100 Generationen von Juden vor uns getan haben.

 

In einer solchen Zeit der Veränderung muss sich natürlich dann auch irgendwann einmal die politische Vertretung der Juden in Deutschland, der ZENTRALRAT, eines fernen Tages eventuell neu besinnen und die eigene Rolle dann offen und selbstkritisch und frisch überdenken.

Dabei wissen wir natürlich selbst ganz genau, dass es hier eine frische Wunsch-Veränderungsperspektive geben muss – irgendwann.

 

Vom tristen, ewig ungeliebten Dauermahner und vom chronisch brummigen Dauer-Warner zum putzmunteren Antreiber und Impulsgeber,

Phantasie statt Rituale,

weniger sauertöpfische Übellaunigkeit und mehr frischer Einfallsreichtum,

weniger oberlehrerhafte, moralinsaure Besserwisserei und mehr offener, aber durchaus auch kontroverser Dialog,

weniger Empörungsmaschinerie, weniger Empörungsroutine und mehr quicklebendige Kreativität,

entschlossener Einsatz für die gemeinsame jüdische Einheit mit Phantasie und Begeisterung und mit Leidenschaft, gepaart mit glaubwürdigem Respekt für unsere neue Vielfalt und deren Wurzeln,

nicht nur immerzu laut hinaus schreiend, wogegen wir Juden sind, sondern auch einmal endlich: wofür eigentlich,

endlich heraus aus der bleischweren Rolle des Moralwächters, heraus aus der Dauer-Mecker-Ecke und auch aus der so unendlich traurigen Opferrolle überhaupt

und mitten hinein ins bunte Feld von leidenschaftlicher Debatte, von frischer Diskussion, von lebendiger Kultur und dem neugierigen Forschen nach den vielen, wertvollen, positiven Schätzen, die das bunte Judentums auch heute anzubieten hat.

 

Hier gibt es also für uns selbst Veränderungsbedarf, aber auch die gemeinsame Veränderungsperspektive, die wir alle uns nur wünschen können.

 

Allerdings: Von Ignatz Bubis haben wir alle aber auch gelernt:

Dass wir Juden hierzulande auch gelegentlich den offenen, auch harten Streit, die Kontroverse, den Konflikt in Kauf nehmen und dann aber auch wirklich annehmen müssen:

Kämpferisch, resolut, mit Herz und Feuer und Leidenschaft und ohne Furcht.

Das ist nicht immer so schrecklich bequem, ein behaglicher, lauwarmer Kuschel-Kurs wäre schon oft viel komfortabler.

 

Aber wir machen nicht, was wir tun, um Popularitätswettbewerbe zu gewinnen.

Wer immer nur lächelt, wird niemals zubeißen können.

Und wer niemals zubeißen kann, der wird am Ende auch nicht respektiert.

 

Und ehrliches Engagement tut manchmal eben auch weh – allen Beteiligten. Damit werden wir, und andere, wohl leben müssen.

 

Wir Juden in Deutschland wollen ganz gewiss keine Krawallmacher sein.

Und wir müssen mit Sicherheit auch keine Konflikte suchen.

Vielmehr gilt: Die Konflikte suchen und finden uns schon, und das sogar noch viel öfter, als uns das oft lieb wäre.

 

Wenn wir selbst aber nicht für uns sind – wer soll denn dann überhaupt noch für uns sein?

Den couragierten, kämpferischen Einsatz für uns selbst können und dürfen und werden wir niemals einfach an andere delegieren.

Wir freuen uns zwar über jeden Freund und jeden Verbündeten von Herzen. Aber die mächtigen Gefühle, die uns bewegen – und das sind als Juden in diesem Land noch immer zu oft zu komplizierte Gefühle – haben eben doch nur wir selbst, sie treiben, sie bewegen, oft quälen sie uns sogar. 

Und gar nicht so selten beherrschen sie uns noch mehr als wir sie.

 

Unsere neue Zukunft hier wird und muss natürlich auch die neue Vielfalt im Judentum in Deutschland widerspiegeln:

Pluralität ist neue jüdische Normalität.

Es wird daher eine ganz bunte, lebendige, frische Mischung sein aus sehr Vielem: aus Deutschem natürlich, aber auch aus Russischen, aus Ukrainischem, Israelischem und Anderem, sie wird orthodox sein und progressiv, konservativ und liberal, traditionell und modern.

 

Egal, jedenfalls- plural.

Und : Hauptsache – Jüdisch!

Denn jüdisch wird sie sein und jüdisch muss sie sein.

 

Und die neue Pluralität im Judentum lebt, wie das neue jüdische Leben eben inzwischen plural geworden ist – speziell hier in Deutschland, wo uns die sehr diversen Wurzeln und die wertvollen Traditionen unserer neuen Mitglieder ganz besonders stärken und nun eine frische, neue Zukunft versprechen.

 

Wir haben von der Pluralität auch überhaupt gar nichts zu befürchten.

 

Außerdem: Wir können ja auch nicht als jüdische Gemeinschaft immer wieder laut und kämpferisch die Pluralität in der gesamten Gesellschaft einfordern – und eben genau diese Pluralität innerhalb unserer eigenen Gemeinschaft dann plötzlich etwa verweigern.

Das wäre absolut inkonsequent und unglaubwürdig.

 

Und Pluralität – statt Uniformität –  ist ja gerade oft ein Zeichen und ein Indikator für die Frische, die Lebendigkeit, die Lebenskraft, die Energie, die Vitalität, die Zukunftsfähigkeit  einer Gemeinschaft.

 

Vielfalt müssen wir nicht etwa ertragen, so wie man einen Schnupfen nun mal erträgt, weil es eben sein muss – nein wir sollten gemeinsam die neue jüdische Vielfalt im Land als kreativ und kraftvoll empfinden und würdigen und schätzen, als ein munteres Schwungrad, das uns alle lebendig hält,  und uns alle enorm bereichert.

 

Freilich: Was uns verbindet, muss natürlich allemal immer viel stärker als alles, was uns trennen mag.

In Würdigung unserer Vielfalt  müssen wir daher auch das Gemeinsame hüten und pflegen und schützen und beschützen.

 

Denn: Die zentrifugalen Kräfte, die uns Juden in Deutschland politisch auseinander treiben, und manchmal auch auseinander treiben wollen, werden stärker.

 

Unsere Gemeinschaft ist viel größer geworden.

Aber auch viel heterogener.

 

Es wird in den nächsten Jahren einer enormen, gewaltigen Kraftanstrengung bedürfen, um die jüdische Gemeinschaft politisch zusammen zu halten.

 

Zusammen halten und zusammen führen ist hier auch allemal mühsamer, aber denn doch so viel wichtiger als bloßes zorniges Zuspitzen.

 

Wir Juden in Deutschland wollen politisch aber mit einer Stimme sprechen.

Wir dürfen uns nicht aufspalten.

Wir müssen unsere Kräfte bündeln.

Bei uns muss politisch zusammen bleiben, was politisch zusammen gehört.

 

Dann, und nur dann, behalten wir auch unsere politische Kraft

Gemeinsam, als Einheit in der Vielfalt, haben wir alle aber alles zu gewinnen:

 

Die Vielfalt im Sinn und das Gemeinsame im Herzen.

Das müssen wir alle verstehen, verinnerlichen und auch vorleben.

 

Unterdessen stellen wir fest:

Juden können sich in Deutschland inzwischen immer mehr tatsächlich auch heimisch fühlen, allen ärgerlichen Aufregungen und hässlichen Irritationen zum Trotz, wie sie leider immer wieder und denn doch viel zu häufig auftreten – und mit denen ich mich heute einmal gar nicht beschäftigen werde.

 

Das Gefühl, hier nicht nur Bleibe sondern wirklich Zuhause empfinden zu können, kam für viele von uns selbst häufig überraschend:

Der entscheidende Impuls mag zwar individuell höchst unterschiedlich gewesen sein, aber zur eigenen Verblüffung wuchs in den letzten Jahren die Einsicht bei uns behutsam mehr und mehr:

Wir sind hier doch wieder zuhause.

Und es verbleibt allerdings noch reichlich Raum zum weiteren Anwachsen und zur weiteren Festigung dieses noch höchst frischen und fragilen Gefühls.

 

Sind wir Juden hier somit jetzt gerade im Übergangs-Stadium, im Zustand des Provisoriums?

Nun wissen wir aus der langen jüdischen Geschichte:

Selten im Leben gibt es etwas Dauerhafteres als ein Provisorium.

 

Und unsere besondere Erfahrung sagt uns auch:

Wir müssen gelegentlich einiges ändern, manchmal sogar auch ein klein wenig uns selbst, gerade um die jüdische Substanz zu bewahren.

 

Das gilt generell natürlich, aber auch im sehr Speziellen, zum Beispiel auch für den ZENTRALRAT, über den in diesen Wochen doch so häufig und auch so heftig geschrieben wurde.

Denn: Auch den Zentralrat werden wir am Ende nur bewahren können, nicht: obwohl, sondern INDEM wie ihn gemeinsam entschlossen ein Stück verändern.

 

Wir Juden in Deutschland sind also kräftig unterwegs und mitten in einem  spannenden Wandel.

 

Wir sind sozusagen doppelt unterwegs:

Auf dem Weg zum pluralen neuen deutschen Judentum – und zugleich schon seit einiger Zeit im Transit auf dem Weg zur vielfach beschworenen Normalität.

 

Freilich: Eine Sache ist, allem ungeduldigen Drängen zum Trotz, ganz bestimmt noch nicht normal, wenn ständig hektisch und nervös danach gefragt wird, ob sie denn normal sei.

Eine verordnete Normalität wird es jedenfalls bestimmt niemals geben.

Wenn man nicht mehr nach ihr fragte, nie mehr nach ihr fragen müsste – dann, ja dann erst wäre sie wirklich erreicht.

So weit sind wir aber denn doch noch nicht.

Denn: Nach den schweren Brüchen, den schmerzhaften Verletzungen, die noch so lange schmerzen werden, dem Menschheitsverbrechen schlechthin wird es noch dauern und muss es sogar noch dauern – alles andere wäre gerade un-normal.

 

Das Judentum der Zukunft hier wird jedenfalls geprägt sein von sehr viel mehr bunter, munterer , frischer Pluralität nach innen und von neuer, stetig anwachsender Normalität im Verhältnis zur nicht-jüdischen Gesellschaft in Deutschland.

 

Es wird also sein:

Pluraler und normaler.

 

Diese Veränderung erreichen wir gewiss nicht auf einen Schlag oder an einem womöglich sogar präzise zu bestimmenden Datum.

Auf einen festen Fahrplan mit fixen Ankunftszeiten werden alle peniblen – soll man sagen: typisch deutsch-pedantischen? – Ordnungsfanatiker leider verzichten müssen.

Es ist auch mehr ein ganz gleitender Übergang

– kein paukenschlagmäßig einsetzendes „fortissimo“, vielmehr ein ziemlich sachtes, feines „glissando“.

 

Die frische Etappe auf der langen, so dramatisch windungsreichen und schicksalsträchtigen Reise des Judentums in Deutschland hat daher doch schon längst begonnen.

Gegen alle Gesetze der Wahrscheinlichkeit – und allen düsteren Ereignissen um den 9. November 1938 und dem noch viel Schlimmeren, was dann erst noch folgte, zum Trotz – gibt sie uns nun begründete Hoffnung auf eine erneuerte Zukunft.

Diese neue Zukunft wird nun freilich nicht einfach blind über uns hereinbrechen.

Sie wird vielmehr am Ende genau das sein, was wir selbst nun gemeinsam aus ihr machen werden.

  

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TEIL 2 – Redetext von Prof. Dr. Salomon Korn, anläßlich der Gedenkstunde zum 9. November, vom 9.11.2009, aus der Westendsynagoge in Frankfurt am Main  
 

Die Spuren der „Reichskristallnacht“

 

Ansprache, gehalten am 9. November 2009

in der Westendsynagoge Frankfurt am Main

 

Von Prof. Dr. Salomon Korn

 

 

Seit dem Tod meiner Mutter im Dezember 2008 gehe ich frühmorgens in die Synagoge, um dort das Kaddisch der Trauernden zu sagen. Auf meinem Weg fielen mir zunächst schöne Altbauten beidseits der Straße auf. Noch vor einigen Monaten hatte ich im Vorbeifahren deren Detailreichtum nie wahrgenommen. Je öfter ich an ihnen vorüberging und je häufiger ich hinsah, desto schärfer wurde meine Wahrnehmung. Schließlich erblickte ich Fassaden, die dem dahinterliegenden Baukörper kulissenhaft vorgeblendet sind und hinter denen sich unansehnliche Nachkriegsbauten verbergen. Was zu Beginn meiner morgendlichen Spaziergänge harmonische Straßenbilder zu sein schienen, verwandelte sich bei genauerem Hinsehen in Spuren, die der letzte Weltkrieg in Frankfurt hinterlassen hat.

 

Sein Beginn liegt nun siebzig Jahre zurück. Und dennoch kann wer will,  dessen Langzeitfolgen hinter der Geschäftigkeit des Alltags an vielen Stellen noch heute wahrnehmen: die sichtbaren und weniger sichtbaren Spuren des von Deutschland einst ausgegangenen Zweiten Weltkriegs.

 

Auf meinem täglichen Weg zur Synagoge fallen mir vor dem einen und anderen Altbau sogenannte „Stolpersteine“ im Bürgersteig auf. Darauf sind Namen jener Frankfurter Bürger und Bürgerinnen jüdischen Glaubens verzeichnet, die bis zu ihrer Deportation in Konzentrations- und Vernichtungslager hier wohnten. Hinter jedem der in den Gehweg eingelassenen metallischen Gedenksteine verbirgt sich eine menschliche Tragödie. Was mag den heutigen Bewohnern durch den Kopf gehen, wenn sie täglich über diese stummen Monumente hinweg das Haus verlassen oder betreten. Rückt dann die sich hier einst abgespielte, auf den „Stolpersteinen“ nur angedeutete Geschichte ihnen buchstäblich auf den Leib? Oder werden diese Menetekel in der Alltagsroutine kaum noch wahrgenommen?

 

Sichtbare und weniger sichtbare Spuren – siebzig Jahre nach Kriegsbeginn.

 

Für die deutschen Juden begann dieser Krieg 1933 und erreichte einen ersten Höhepunkt am

9. und 10. November 1938. Mit der Zerstörung von über 1400 Synagogen während und nach der „Reichskristallnacht“ verschwand eine deutsche Baugattung nahezu vollständig aus dem Bewusstsein der Deutschen. Die Schuldigen wurden nie bestraft.

 

 

Das 1949 verabschiedete erste Straffreiheitsgesetz für Verbrechen unter dem Nationalsozialismus erging vor allem zugunsten jener Täter, die während der „Reichskristallnacht“ Verbrechen begangen hatten. Unmittelbar nach dem Novemberpogrom war – mit Ausnahme jener, die „Rassenschande“ wegen Vergewaltigungen jüdischer Frauen begangen hatten – kein Täter der „Reichskristallnacht“ zur Rechenschaft gezogen worden. Und nach dem Amnestiegesetz von 1949 blieb ein Großteil der während des 9. und 10. November 1938 begangenen Verbrechen ungesühnt. Mitte der fünfziger Jahre musste fast niemand mehr befürchten, wegen seiner NS-Vergangenheit angeklagt zu werden.

 

Während zahlreiche Nationalsozialisten über die Amnestiegesetze von 1949, 1951 und das Straf-

freiheitsgesetz von 1954 wieder zu Amt und Würden kamen und ihre großzügig bemessenen Pensionsansprüche erhielten, machten viele überlebende Opfer bei Beantragung von Wiedergutmachungs- und Entschädigungsansprüchen bittere Erfahrungen: Derselbe Finanzbeamte, welcher vor 1945 die finanzielle Ausplünderung organisiert hatte, trat nun als scheinbar neutraler Sachverständiger in den „Wiedergutmachungs“-Verfahren auf; dasselbe Personal, das einst die „Arisierung“ jüdischen Vermögens und jüdischer Wertsachen im Auftrag des nationalsozialistischen Staates durchgeführt hatte, verzögerte, verschleppte und sabotierte jetzt die materielle „Wiedergutmachung“ an den Opfern des Nationalsozialismus.

 

Ein Unrechtsbewusstsein im Hinblick auf die „Arisierung“ und millionenfache Ausplünderung  jüdischer Nachbarn war bei der großen Schar der Schnäppchenjäger, Profiteure und „Ariseure“ nicht vorhanden, zumal die „Ariseure“ weder von Gesetzes wegen kriminalisiert noch gesellschaftlich geächtet waren – und es bis heute nicht sind.

 

Sichtbare und weniger sichtbare Spuren des Krieges: weniger sichtbar, ja, oft unsichtbar für die noch lebenden einstigen Profiteure und deren Nachkommen, schmerzlich sichtbar für die überlebenden Opfer und deren Nachkommen, mit allen daraus entstandenen, transgenerationell wirksam gebliebenen seelischen Folgen.

 

Ich war elf Jahre alt, als ich an jenem Sommertag des Jahres 1954 in den Keller unseres Hauses im Frankfurter Westend hinabstieg. Eine Kiste mit Büchern weckte mein Interesse. Ich wühlte darin herum, bis ich ein Buch aufschlug, dessen Bilder mich auf abstoßende Weise anzogen: Ausgemergelte Gestalten in längsgestreiften Anzügen und Mützen schoben Leichen auf fahrbaren Gestellen. Männer hatten mit überlangen Zangen Skelette gepackt, die sie hinter sich herzogen. Vor Verbrennungsöfen standen Häftlinge: aus dem Buch heraus starrten sie mich an. Was fraß sich damals in die schutzlose Kinderseele?

 

Später habe ich gehört und gelesen, dass nicht nur Nachfahren der überlebenden Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen mit Traumata kämpfen müssen. Auch Erfahrungen in „Täterfamilien“ hatten in Kindern pathogene Spuren hinterlassen. Es hat in Deutschland einer nahezu fünf Jahrzehnte dauernden „Latenzzeit des Schweigens“ bedurft, bis über dieses unter dem Verdacht der Schuldaufrechnung stehende Thema angstfrei gesprochen werden konnte.

 

Von einigen meiner nichtjüdischen Freunde hatte ich erfahren: ihre Väter waren als Soldaten und Offiziere überzeugte Nationalsozialisten gewesen. Unserer Freundschaft tat dies keinen Abbruch – im Gegenteil: Ihre kritische Distanz zur Vergangenheit der eigenen Familie und ein rationaler  Umgang damit ist einer der Gründe für unsere Freundschaft. Daraus erwachsene seelische Schäden habe ich bei ihnen nie wahrgenommen – vermutlich wegen ihres aufrichtigen Zugangs zur eigenen Familiengeschichte. Gegenteiliges habe ich vor einigen Jahren bei einer etwa fünfzigjährigen Frau erlebt. Während eines Abendessens in kleinem Kreis erzählte sie von ihrem Vater, einem hohen, einflussreichen SS-Offizier. Seine Vergangenheit hatte er ihr gegenüber hinter eisigem Schweigen verborgen. Auch nach einer 15jährigen, immer noch fortdauernden Psychotherapie – so schilderte sie uns in sympathischer Offenheit – hielt ihre psychische Deformation an, sei es ihr nicht gelungen, aus dem kalten Schatten des übermächtigen Vaters herauszutreten.

 

Die meist verdrängten Spuren des nationalsozialistischen Menschheitsverbrechens in den Seelen von Nachkommen der Opfer, Profiteure und Täter – siebzig Jahre nach Kriegsbeginn.

 

In der „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“ in Ludwigsburg sind auf knapp 1,7 Millionen Karteikarten Täter, Tatorte und Zeugen verzeichnet. Gegen 106.000 Beschuldigte ist wegen NS-Verbrechen ermittelt worden, aber es gab nur 6.498 Urteile. Die Fahnder von Ludwigsburg sammeln sämtliches Material über nationalsozialistische Gräueltaten und bemühen sich, mutmaßliche Verbrecher ausfindig zu machen. Sind die Vorermittlungen abgeschlossen, wird das zusammengetragene Beweismaterial an die zuständige Staatsanwaltschaft geleitet. So auch jüngst im Fall von Iwan „John“ Demjanjuk. Im Juli 2009 wurde er wegen des Vorwurfs der Beihilfe zum Mord in 27.900 Fällen in München angeklagt.

 

Der in Kürze anstehende Prozess gegen den fast 90-jährigen Demjanjuk hinterlässt bereits heute einen bitteren Nachgeschmack. Gleichgültig, wie das Verfahren gegen ihn ausgehen mag: wie die große Mehrheit der Nazi-Verbrecher hatte er ein insgesamt gutes Leben. Die meisten Überlebenden des von Deutschen verübten nationalsozialistischen Menschheitsverbrechens dagegen leiden bis heute an Traumatisierung, seelischen Schäden und leben nicht zuletzt in materieller Not.

 

Es gibt zu denken, wenn dem Ukrainer Demjanjuk mit großem Aufwand der Prozess wegen mutmaßlichen Massenmords in Deutschland gemacht wird, Massenmörder, Profiteure und Nazirichter in ihrer Mehrheit nie vor Gericht gestellt wurden.

 

Siebzig Jahre nach Kriegsende hat die Gerechtigkeit nur schwache Spuren hinterlassen, während  neonazistische Hetze im Internet umso deutlichere hinterlässt .

 

Dem Jahresbericht von „jugendschutz.net“ zufolge wächst die braune Online-Szene. Das Internet wird immer attraktiver für rechtsextreme Propaganda, weil sich günstig und mit geringem Aufwand viele Menschen, vor allem Jugendliche, erreichen lassen. Seit dem Start der Videoplattform You Tube stellen Nazis zunehmend Videos ins Netz: Hitler-Reden oder indizierte Hass-Musik konnten auf diese Weise für jeden zugänglich gemacht werden. Plattformen finden sich seit geraumer Zeit immer wieder Videos mit rassistischen, antisemitischen oder volksverhetzenden Inhalten. (?)

 

Die virtuellen Spuren des Antisemitismus im Worldwideweb – 70 Jahre nach Kriegsbeginn.

 

Deutschland ist eine stabile Demokratie. Undenkbar, dass sich wiederholen könnte, was zwischen 1933 – 1945 im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich geschah. Doch Deutschland ist, gemessen an den meisten seiner westlichen Nachbarn, eine junge Demokratie – eine, in der als Folge einer Geschichte permanenter Krisen und militärischer Niederlagen das Nationalbewusstsein nach wie vor von Fragilität gekennzeichnet ist – der Fahnenpatriotismus, ein häufig beschworener kritischer Patriotismus und Appelle, die in forcierter Vaterlandsliebe münden, sind Belege dafür. Die im Raum stehende Frage lautet daher: wie wird sich angesichts dieses immer noch ungefestigten Nationalbewusstseins die Mehrzahl der Deutschen gegenüber religiösen, ethnischen und nationalen Minderheiten verhalten, wenn in Zukunft die Wirtschafts- und Finanzkrise bedrohlicher werden sollte? Wird dann eine wachsende wirtschaftliche Instabilität Auswirkungen auf die mentale Stabilität der Deutschen und auf ihr bisheriges Demokratiebewusstsein haben? Lassen die Ergebnisse der letzten Bundestagswahl nicht auf erste Anzeichen von Gleichgültigkeit und politischem Verdruss schließen, wenn es darum geht, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten demokratische Mündigkeit und Verantwortung für das Gemeinwesen zu zeigen?

 

Siebzig Jahre nach Kriegsbeginn wächst erneut Verunsicherung: Wohin gehen wir?

 

Wenn ich nach dem täglichen Morgengebet die Synagoge verlasse, führt mein Weg mich zuweilen an dem Haus Liebigstraße 27 b vorbei. In den Gehweg davor sind neun „Stolpersteine“ eingelassen. Mehrere jüdische Familien haben vor dem Krieg oder während der ersten Kriegsjahre in diesem Haus gewohnt, darunter von April 1941 bis zum 18. August 1942 das Ehepaar Elise und Meier Grünbaum. Kurz vor ihrer Deportation versteckten die Grünbaums das Letzte, was ihnen geblieben war, hinter einer Wandverkleidung: Briefe, Dokumente, Fotos und Ausgaben des Jüdischen Nachrichtenblattes. Elise und Meier Grünbaum wurden am 18. August 1942 mit mehr als tausend anderen Juden von der Frankfurter Großmarkthalle aus nach Theresienstadt deportiert und dort am 3. beziehungsweise 22. September 1942 ermordet.

 

Ende der achtziger Jahre stießen Handwerker bei Sanierungsarbeiten an einem Fenster auf die Schriftstücke. Auf einer undatierten Notiz von Meier Grünbaum, vermutlich aus dem Jahre 1942, heißt es: „Leute, ich bin ja so unglücklich, Ihr wisst gar nicht wie unglücklich ich bin! Ich war doch immer ein rechtschaffener Mann und nun habe ich so ein Leben! Was soll ich noch leben, am besten ich wäre tot. Leute, wo kann ich Rat suchen. Leute, ich bin ja so unglücklich.“

 

67 Jahre nach der Ermordung des Ehepaares Elise und Meier Grünbaum, 70 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs und 71 Jahre nach dem 9. November 1938 nehme ich auf meinem morgendlichen Weg zur Synagoge Spuren der „Reichskristallnacht“ und Spuren des Krieges wahr. Gleich jenen schönen Altbaufassaden, die mit den hinter ihnen liegenden unansehnlichen Nachkriegsbauten auf den ersten Blick eine Einheit zu bilden scheinen, sind diese Spuren als Teil unserer täglichen Wahrnehmung weitgehend unsichtbar geworden.

 

Wer unter der Oberfläche des Alltags sie und ihre Langzeitfolgen dennoch sehen will, kann sie in unmittelbarer Nachbarschaft, im Stadtbild aber auch weit darüber hinaus nach wie vor erkennen.


        

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    TEIL 3 – Essay: Propagieren deutsche Medien antisemitische Einstellungen?... 

    Der folgende Beitrag basiert auf dem Beitrag „Deutsche Mainstream-Medien als Propagierer antisemitischer Einstellungen am Beispiel des Nahost-Konlikts?“, veröffentlicht in Berger/Römer-Hillebrecht (Hrsg.), „Juden und Militär in Deutschland„, 2009.

    cover


     

    Propagieren deutsche Medien antisemitische Einstellungen?

     

     

    Sacha Stawski, Frankfurt
    (Honestly Concerned e.V.; Koordinierungsrat deutscher Nichtregierungsorganisationen gegen Antisemitismus)

     

     

    Die Verbreitung antisemitischer Vorurteile, geschichtsrevisionistischer Positionen und des sekundären Antisemitismus sind ohne Massen-Medien undenkbar. Via Satellit wird antisemitische islamistische Propaganda in die Wohnzimmer, zum Bespiel der Migranten transportiert. Deren Kinder sehen weder ZDF noch ARD, sondern deren „heimische“ Medien und werden entsprechend vorprogrammiert. Mit den »Neuen Medien«, dem Internet, erreichen Antisemiten weltweit ein Publikum, das von sich aus keinen antisemitischen Zeitungen oder Flugblättern begegnen würde. Antisemitische Reden wurden in Hinterzimmern gehalten. Die entsprechenden Vereine führten eher ein Schattendasein. Deren Hetze wird inzwischen jedoch von einer breiten Öffentlichkeit »konsumiert«. Über relevante Schlagworte bei der Internetrecherche ist es heute Antisemiten möglich, völlig »unbedarfte Leser« zu erreichen. Etwa wenn ein Schüler ein Referat zum Thema »Jüdische Feiertage« schreiben muss[1], oder ein künftiger Bundeswehrsoldat, der sich über den Traditionsbruch zwischen Wehrmacht und der „Inneren Führung“ der Bundeswehr informieren will. Der Schüler wird unweigerlich auf Ritualmordlegenden zum jüdischen Pessachfest stoßen. Der Soldat wird auf rechtextreme Foren mit »Diskussionen« über die »judaisierte« Bundeswehr gelenkt. Oder er stößt auf »neurechte« Beiträge von ehemaligen Soldaten über fehlenden deutschen Patriotismus, weil man die Vergangenheit wegen der von »den« Juden »diktierten« Schulderinnerungskultur noch nicht »bewältigt« habe. Die Wehrmacht sei wegen »vereinzelter Verbrechen« in Bausch und Bogen für traditionsunwürdig erklärt worden. Für jede noch so obskure antisemitische Position findet man ein Internetforum. Mit der Eingabe von sogenannten „Tags“ und einer Vielzahl von Schlagworten sorgen Spezialisten dafür, dass die einschlägigen Seiten der Suchmaschinen hoch im Kurs stehen und als erste angegeben werden, während seriöse Seiten ohne politische Absichten bei den Tausenden „Treffern“ ins Abseits rücken.

    Vergleichbares wird in den seriösen Medien nicht geboten. Meinungsvielfalt und »Mediendemokratie« haben im Internetzeitalter auch ihre Schattenseiten…

    Neben den direkten antisemitischen Beeinflussungsversuchen eines Publikums, das nur über eine Satellitenschüssel oder einen Internetanschluss verfügt, formen auch »Mainstream-Medien« unsere Sicht auf die politischen Geschehnisse dieser Welt. Die Massenmedien filtern für die Meinungsbildung „wichtige Informationen und beeinflussen so das Bewusstsein der Menschen, für die sich die gesellschaftliche Realität zunehmend über die Medienrezeption erschließt.“[2] „In der modernen Kommunikationsgesellschaft leben wir in einer Welt von künstlich erzeugten Bildern. Sie definieren das, was wir für die Realität halten und wonach wir unser Denken, Meinen, Fühlen und Handeln ausrichten.“[3] Kommunikation wird so zum „strategischen Spiel“[4]. Verlierer ist, wer seine Sicht der »Wirklichkeit« nicht transportieren kann. Bei unendlich vielen realen politischen Fragen kommt es darauf an, ein politisches Problembewusstsein zu schaffen. Ebenso muss die eigene Sicht als vorherrschende Meinung zu der aktuellen Frage diktiert werden.

    Als Illustration kann das am Beispiel des Nahostkonflikts verdeutlicht werden: Die Häufigkeit der Berichterstattung über den Nahostkonflikt, wo mit „bemerkenswerter Akribie“[5] fast jeder Tote, und jedes noch so unwahre „Massaker“[6] vermeldet wird, steht im krassen Gegensatz zu der „Gleichgültigkeit, mit weit blutigeren Konflikten auf der Welt – vom anhaltenden Völkermord in Darfur mit seinen 400 000 Tote und mindesten 2,5 Millionen Flüchtlingen, dem Krieg im Kongo mit über vier Millionen Toten und Vertriebenen bis nach Tschetschenien, wo geschätzte 150.000 – 200.000 gestorben sind und bis zu einem Drittel der Bevölkerung vom russischen Militär vertrieben wurde. … Ginge es bei dem Nahostkonflikt um Streit unter Palästinensern und anderen Arabern, Moslems oder anderen Gegnern, hätte er nur einen Bruchteil des Interesses gefunden.“[7] Offenbar ist der israelisch-palästinensische Konflikt Teil eines politischen Interessenschwerpunktes.. Andere Konflikte jedoch nicht.

    Es gibt viele Begründungen für das auffällige Interesse ausgerechnet am Nahostkonflikt. Die mediale Aufmerksamkeit führt bei unterschiedlichen Interessengruppen und Konfliktparteien zu einem »Kommunikationszwang«: Sie müssen geradezu Position zu diesem Konflikt beziehen. Selbst ihr Schweigen wird noch interpretiert.

    Der dadurch verursachte Kommunikationszwang führt zum „Kampf um Vorteile in der öffentlichkeitswirksamen und mehrheitsbildenden Definition“[8] der »Wirklichkeit«. Was die Bewertung des Nahostkonflikts betrifft, bestätigten mehrere Untersuchungen[9] eine Tendenz, wonach die deutsche Presse zunächst ein durchgehend positives Israelbild zeichnete. Ab 1973 erfolgte eine Differenzierung und partielle pro-arabische Orientierung. Ab 1982, mit dem ersten Libanonkrieg, kam nachhaltige Kritik an Israel zum Tragen.

    Den nicht parteigebundenen Medien kommt eine besondere Verpflichtung zur neutralen Berichterstattung zu. Die wird aber durch zahlreiche Faktoren durchbrochen: Im Kampf um Zuschauerquoten zählen aufsehenerregende Bilder mehr als Hintergrundberichte, durch die notwendige Kenntnisse zum Verständnis der komplexen Sachverhalte vermittelt werden.[10] Die Verwendung von »Sensationsbildern« führt zu einer unwillkürlichen Parteinahme: So werden in der Berichterstattung über den Nahostkonflikt regelmäßig palästinensische Opfer gezeigt. Die werden von der palästinensischen Seite den Medien »verfügbar« gemacht, während israelische Opfer aus ethischen Rücksichten in der Regel nicht vor den Kameras präsentiert werden.[11]

    Da westliche Medien auf »inländische« Journalisten oder deren Bildmaterial zurück greifen, ist die Neutralität der Berichterstattung nicht gewährleistet, zumal die verantwortlichen westlichen Korrespondenten aus unterschiedlichen Gründen nicht „vor Ort“ sein können, weil sie befürchten müssen, von der Hamas im Gazastreifen entführt zu werden, oder weil Israel sie auch „Sicherheitsgründen“ nicht mehr in den Gazastreifen einreisen lässt.

    Die Überprüfung der Richtigkeit der Informationen in der schnelllebigen Nachrichtenwelt kann erfahrungsgemäß nicht mit der gebotenen Zeit und Sorgfalt erfolgen.[12] Die zahlreichen, regelmäßigen Skandale um gestellte oder gefälschte Bilder und Nachrichten aus den Palästinensergebieten oder dem Libanon, mitsamt der emotionalen Vereinnahmung des Zuschauers (getötete Kinder, zerstörte Gebäude etc.), führen jedoch nach der Entdeckung einer Fälschung nur in wenigen Fällen zu einer Richtigstellung. Nachdem im Jahr 2002 ein angebliches Massaker der Israelis an hunderten und gar Tausenden Palästinensern im Flüchtlingslager von Dschenin große Schlagzeilen gemacht hat, wen interessiert es dann noch, dass dort 23 israelische Soldaten und 52 Palästinenser getötete wurden, von denen zwei Drittel Kämpfer waren, die sich noch dazu der „Kriegsverbrechen“ schuldig gemacht haben?[13]

    Ein ähnliches Phänomen gab es 2006 im Libanon, als in Kana angeblich durch einen israelischen Luftangriff 50, 60 oder gar 80 Zivilisten im Keller eines vermeintlichen Wohngebäudes ums Leben kamen. Wie sich später herausstellte, wurden Tote aus den Leichenkammern des Krankenhauses von Tyros antransportiert, um sie in die Kameras zu halten. Das IKRK wusste schon an jenem Sonntag, dass es „nur“ 28 Tote gab. Als aber erst am Donnerstag die amerikanische Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch tatsächlich die Namensliste der 28 Toten veröffentlichte (wobei eine alte Frau aus Kana zufällig im Hospital von Tyros an einem Herzversagen verstorben und auch noch fälschlich bei den Opfern des israelischen Angriffs mitgezählt worden war) sahen sich die internationalen Nachrichtenagenturen dpa, Reuters, ap und andere nicht mehr veranlasst, die eigenen, zuvor veröffentlichten falschen Zahlen nach unten zu korrigieren.

    Gefälschte Fotos und Nachrichten[14] beeinflussen die reale Erinnerung des Publikums. Islamistische Terrororganisationen achten tunlichst darauf, medial nie als aktive Kämpfer in Erscheinung zu treten, sondern nur als Opfer oder als unterlegener palästinensischer jugendlicher Steinewerfer gegen einen israelischen Panzer. Andererseits lässt die israelische Armee die Presse zu. So entsteht beim Publikum zwangsläufig das unzutreffende Bild vom Aggressor Israel. Deutsche Medien räumen ab und zu durchaus selbstkritisch ein, dass auf diese Weise Fehleindrücke vermittelt werden.[15]

    Massenmedien filtern für die Meinungsbildung wichtige Informationen. Mit den Prinzipien neutraler Berichterstattung ist das oft nicht vereinbar. So beeinflussen sie die Einstellung der Menschen, für die sich die eigene gesellschaftliche Realität zunehmend über die Medienrezeption erschließt.

    Die kundengerechte Aufbereitung von Sachverhalten führt zudem zu »systemimmanenten« Vereinfachungen in der Berichterstattung. Das bietet Anknüpfungspunkte für antiisraelische Klischees und antisemitische Vorurteile. Eine solche Vereinfachung trifft für die vereinfachend-verfälschende Berichterstattung über die »Apartheitsmauer«[16] zu, jenem gegen Terrorismus errichteten Schutzzaun Israels. Man sieht es auch bei der angeblich für den Zuschauer »griffige«, aber zutiefst antijüdische Charakterisierung der Konfliktparteien gemäß dem »David-Goliath-Prinzip«, bei dem »der« Israeli immer der »Vergeltende«, der aktive wie rachsüchtige Kriegstreiber und militärisch überlegene Unterdrücker ist. Ähnlich ist der Konflikt von einer barbarischen »Auge-um-Auge«-Ethik des »Alten« Testament geprägt. Die Verwendung solcher antijüdischer Stereotype erfolgt häufig unbewusst. Vielen Journalisten sind der antisemitische Hintergrund und die Kontinuität dieser aus dem Frühchristentum stammenden Profilierungsabsicht des Christentums gar nicht bewusst.

    Zu dem Begriff „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ erklärt das Alte Testament, dass „Wenn der Herr seinem Sklaven ein Auge ausschlägt, der Herr dem Sklaven die Freiheit gewähren muss“. Das hat nichts mit Rache zu tun, sondern der Herr erhält eine Geldstrafe, weil er sich einen neuen Sklaven kaufen muss. Der geschädigte Skla­ve jedoch erhält die höchste damals denkbare Entschädigung, nämlich Freiheit.

    Als Antithese zur christlichen Ethik der Nächstenliebe wurde dem Judentum eine vermeintlich rachsüchtige Ethik zugeschrieben. Reaktionen Israels auf den Terror werden in den »Schlagzeilen« so dargestellt, dass danach die israelischen Soldaten als die aktiven Gewalttäter erscheinen[17]. Grund oder Anlass für israelische Militäraktionen werden einfach weggelassen oder bestenfalls nach der Aktionsschilderung erwähnt.[18] Pauschale Schilderungen sprechen von »jüdischen« Siedlungen statt von israelischen Siedlungen. Mit der zusätzlichen Qualifizierung „gemäß internationalem Recht illegalen jüdischen Siedlungen“ wird suggeriert, es  gebe ein Völkerrecht, das speziell Juden verbietet, in bestimmten Gebieten zu wohnen.

    Artikel 49 der Genfer Konvention von 1949, formuliert aufgrund der Erfahrungen mit Nazideutschland, sieht vor, dass der Besetzer nicht seine eigene Bevölkerung in das besetzte Land „deportieren oder verschleppen“ darf (deport oder transfer). Manche sagen, dass danach die so genannten „jüdischen“ Siedlungen, in denen auch christliche und sogar muslimische Familien „siedeln“, als völkerrechtswidrige Einrichtungen anzusehen seien. Gleichwohl hat wohl noch niemand ernsthaft behauptet, dass die israelischen Siedler mitsamt ihrer „radikalen“ Ideologie „deportiert oder verschleppt“ worden seien. Wenn umgekehrt argumentiert wird, dass in Israel ein blutiger Bürgerkrieg ausbrechen könnte, falls die Regierung es wagen sollte, diese vermeintlich „deportierten und verschleppten“ Siedler wieder in das Staatsgebiet Israels zurückzuführen, wird damit die gegen Israel gerichtete Deportationsthese deutlich widerlegt.

    Wahrheitswidrig wird ebenso behauptet, dass es sich bei der Mehrzahl der israelischer Einwohner im Gebiet jenseits der Demarkationslinie von 1949 um eine schießwütige, ultrarechte und von einer archaischen Ethik getriebene Radikalengruppe handele, die schutzlose Palästinenser unterdrücke. So ist es kein Wunder, wenn über die Hälfte der Befragten der seit 2002 jährlich durchgeführten Studie »Deutsche Zustände« kontinuierlich der folgenden Aussage zustimmen: »Was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip auch nichts anderes als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben«.  Bei einigen Befragten dient hier die Holocaust-Relativierung zur Entlastung der eigenen, oft fälschlich als Kollektivschuld empfundenen Zugehörigkeit zum »Tätervolks«. Diese »Erinnerungsabwehr« ist ein Phänomen des „sekundären Antisemitismus“.

    In Israel, der einzigen echten Demokratie in Nahost, gibt es einen lebhaften Diskurs über die Operationsführung der israelischen Armee. Kritik an der staatlichen Politik ist völlig legitim. Die innerisraelische Bewertung der Lösungsansätze einer »Zwei-Staatenlösung« ist Teil der heftig diskutierten Kontroverse um die eigene Zukunft. Sie hat nichts mit der von anderen betriebenen Dämonisierung Israels als »zionistischem Aggressor« und »imperialistischem Brückenkopf« oder als Exponent des von der »Ostküste der USA« gesteuerten Imperialismus zu tun. Einer derartigen »antizionistischen« Denkweise entspricht im Gegenbild häufig die „Idealisierung“ eines angeblich seit Jahrhunderten »judenfreien« Palästinas. Das Ziel der Argumentation ist dabei die Eliminierung der »jüdischen Kolonie« oder des »zionistischen Staatsgebildes«. In dieser Gut-Böse-Dichotomisierung wird »den« Juden als »unnatürlichem Volk« die Berechtigung auf ein eigenes Staatswesen abgesprochen.[19] Hier wird die Grenze zum Antisemitismus[20] deutlich überschritten.

     

    Diese Sichtweise ist oft mit einer Relativierung der Schoah durch einen Vergleich der israelischen Palästinenserpolitik mit der Judenverfolgung durch das NS-Regime verbunden. Es werden doppelte Standards angewendet, indem das israelische Verhalten nach anderen Maßstäben als die Politik anderer Staaten beurteilt wird. Es ist purer Antisemitismus, wenn antisemitische Stereotype auf den Staat Israel übertragen werden oder umgekehrt Kritik an Israel allen Juden in der Welt angelastet wird.[21]

    Derartige antisemitische Untertöne und Bewertungsverzerrungen werden nicht selten in die Berichterstattung aufgenommen, auch dadurch, dass die Auswahl von „Experten“ und kompetenten Augenzeugen auf bestimmte Persönlichkeiten beschränkt wird. Die deutschen Medien bedienen sich dafür z. B. gerne solcher Juden oder Israelis, die innerhalb der jüdischen Gemeinschaften oder Israels nur eine Minderheitsmeinung vertreten, aber die in Deutschland vorhandenen Vorurteile bestätigen. Immer wieder befragt werden linksextreme oder »postzionistische« Israelis, deren Gewicht und Bedeutung in der heterogenen jüdischen Diskurskultur bestenfalls im Promillebereich liegen. Einer der populärsten Interviewpartner in den deutschen Medien gestand einmal, seine ideologischen Anhänger in Israel in einer Telefonzelle versammeln zu können. Auch andere vielzitierte israelische „Experten“ gelten in ihrem Land als wenig beachtete Extremisten, deren Ansichten für die Gesamtbevölkerung als so repräsentativ angesehen werden wie etwa diejenigen eines Horst Mahler für Deutschland. Gleichwohl werden sie häufig in den Printmedien zitiert und fast täglich gebeten, die „tatsächliche“ Stimmung in Israel darzustellen.

    So entsteht auch mit Hilfe ausgewählter „israelkritischer“ jüdischer Globalisierungsgegner ein überzeichnetes, negatives Israelbild. Antisemitische Positionen können unter Berufung auf diese »Experten« dann mit einer scheinbar unwiderlegbaren Legitimation versehen werden.

    Ähnliches trifft auf »Expertenmeinungen« deutscher, nicht-jüdischer Interviewpartner und prominenter Talkshowgäste zu, die ihre kaum verdeckten antisemitischen Einstellungen oft unwidersprochen äußern dürfen.[22] Wenn angebliche Experten und Politiker sich über die Umwegkommunikation einer antiisraelischen Kritik offen antisemitisch präsentieren, treten Medien als Verstärker von Vorurteilen und nicht als Übermittler von Tatsachen zum Nahostgeschehen auf. Dieser »Diskurs« eines Teils der Medieneliten erzeugt einen »Handlungsbedarf«, der dann von den antisemitischen Vertretern an den »Stammtischen« eingeklagt wird. Vielleicht wird ein derartiges Vorgehen der Dramaturgie im Kampf um Zuschauerquote oder Auflagenstärke gerecht. Mit einer unvoreingenommenen Annäherung an die Wirklichkeit und einer sachlichen Auseinandersetzung hat es allerdings nichts zu tun.

    Die Mechanismen heutiger Berichterstattung und das vor Ort zur Verfügung stehende Pressepersonal haben häufig – gewollt oder ungewollt – eine, tendenziell antiisraelische Berichterstattung zur Folge. Manche Journalisten schöpfen zudem unreflektiert aus dem Jahrtausende alten antijüdischen Motivvorrat. Sie müssen sich dabei nur der verbreiteten Negativklischees gegenüber den Juden bedienen.

    Oft unbewusst, manchmal aber bewusst transportierte antijüdische Vorurteile verstärken so beim Publikum die Negativsicht »des« Israeli, bzw. »des« Juden.[23] Die dabei zu erkennenden Wirkungsmechanismen sind im  Einzelnen nicht immer leicht zu erfassen. „Die Medienwirkungsforschung hat es schwer, den Einfluss der veröffentlichten Meinung in den Massenmedien auf die Meinung und das Verhalten der Bürger nachzuweisen.“[24] Plausible Annahmen zu den Ursachenketten sind aber durchaus  möglich.

    Massenmedien können einen Vorurteilskomplex zumindest verstärken: Die Übertragung antiisraelischer Einstellungen auf »das« Judentum ist ein kontinuierlich in der Praxis bewiesener Tatbestand. Ein Beispiel: Während des »Gaza-Kriegs« 2009 wurde während des Endspiels eines Fußball-Jugendturniers in Frankfurt die A-Jugend des jüdischen Vereins Makkabi Frankfurt von den Zuschauern als »Kindermörder« und »Besatzer« ausgebuht.[25] Auf so genannten »Friedensdemonstrationen« gegen die israelische Militäroperation im Gazastreifen Ende 2008/Anfang 2009 schrieen Demonstranten »Juden ins Gas«[26], »Vergast die Juden«[27] oder »Tötet die Juden«[28]. Diese Übertragung der Verantwortung für das Vorgehen Israels auf das Kollektiv der Juden wird auch empirisch bestätigt: 44 Prozent der Befragten der Umfrage »Deutsche Zustände« (2004) stimmten der Aussage zu, angesichts der israelischen Politik könnten sie verstehen, wenn man etwas gegen Juden habe. Verschwörungstheoretische Bilder vom »Weltjudentum« wurden auf den Nahostkonflikt übertragen.

    Diese Interpretation entspricht auch der Vorstellung „Jews are more loyal to Israel than to their country“. Das ergab eine Erhebung der „Anti-Defamation League“ (ADL) im Dezember 2008 und Januar 2009 in sieben europäischen Staaten auch für Deutschland. 53 Prozent der deutschen Befragten stimmten zu. Übertroffen wurde dieser Prozentsatz nur noch durch Polen und Spanien.[29]

    Alle empirischen Untersuchungen im letzten Jahrzehnt zeigen einen signifikanten Zusammenhang zwischen klassischem Antisemitismus und antiisraelischen Einstellungen. Das legt offen, dass der so genannte Antizionismus sehr häufig nur eine Chiffre für Antisemitismus ist. In einer Überblicksstudie der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) in Wien wurde die Frage gestellt, ob Gewalt gegen Juden in Europa eher antiisraelisch oder antisemitisch motiviert sei. Eine klare Mehrheit antwortete auf diese Frage, dass der Grund im Hass auf Juden zu suchen sei. Dies belegt die Befunde früherer Umfragen, wonach zwar äußere Anlässe im Nahost-Konflikt die Zahl antisemitischer Straftaten anwachsen lässt, dahinter aber grundsätzlich antisemitische Dispositionen zu vermuten sind.[30]

    Mit Gewissheit ist die allgemeine Berichterstattung in Deutschland nicht pauschal antiisraelisch oder gar antisemitisch. Die Medienberichterstattung kann aber durch antisemitische »Untertöne« in ihrer Berichterstattung, durch die Auswahl der Interviewpartner und Bilder sowie durch die leichtfertige Übernahme von unzuverlässigen und gefälschten Informationen zur Bekräftigung und Verfestigung antisemitischer Vorurteile bei Zeitungslesern, Fernsehzuschauern und Radiohörern beitragen. Ihr Beitrag zur Sachaufklärung hält sich demgegenüber eher in Grenzen.

    Untersuchungen im Rahmen der Kultivierungshypothese[31] deuten auf eine gegenseitige Verstärkung der TV-Rezeption und der stereotypen Überzeugungen hin.

    Ein bescheidenes Korrektiv bieten in diesem Zusammenhang etwa die Anti Defamation League, MEMRI (Middle Eastern Media Research Institut, mit dem Schwerpunkt arabische Medien) und die deutsche Initiative Honestly Concerned.

    Der Presserat und vor allem die Journalistenschulen sollten in der Wahrnehmung und Bekämpfung von Antisemitismus vorbeugende Pressearbeit leisten: Nicht allein die Aufklärung über rechtsradikale Glatzköpfe, sondern die kritische, kontinuierlich begleitende Analyse der eigenen Arbeit sollten dabei die Grundlage bilden.

    Der Skinhead steht offen, für jeden erkennbar, zu seinen rechtsradikalen Ansichten. Die viel größere Gefahr kommt aus der Mitte unserer Gesellschaft, von all jenen Gutmenschen, die ihren Antisemitismus als Antizionismus tarnen. „Ausgewogenheit“ bedeutet keineswegs, genauso oft einen Israeli abzubilden wie einen Palästinenser, wenn dabei nicht der entsprechende Kontext beachtet wird[32]. Typisch dafür war eine Untersuchung der „Ausgewogenheit“ der Fernsehberichterstattung vor einigen Jahren. Die öffentlich-rechtlichen Sender bescheinigten sich darin eine angeblich unangreifbare Ausgewogenheit, weil sie Arafat und Scharon in Sekunden gerechnet fast genauso lang gezeigt hätten. Nicht geprüft wurde jedoch, wie diese beiden Kontrahenten gezeigt wurden. Wenn Arafat stets nur als Friedensaktivist dargestellt wird, während Scharon in der Berichterstattung für „Vergeltungsschläge“ zu (nicht gezeigten) Terroranschlägen steht, dann kann man nicht von „Ausgewogenheit“ sprechen.  

    Unwissenheit kann keine Entschuldigung für Multiplikatoren mit Verantwortung sein – weder in den Medien, noch in der Politik.



    [1]      David Gall, Gleichgültig? Unerfahren? Hilflos? Antisemitismus und Neue Medien, in: hagalil.com 05-02-2004.

    [2]      Christoph Butterwegge, Das Thema Migration in deutschen Massenmedien. Medienberichterstattung – Abbau oder Verstärkung von Vorurteilen?, in: Landeszentrale der politischen Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.), Zeitschrift Zuwanderung und Integration, 56. Jahrgang, Heft 4 2006, 254-259, 254.

    [3]      Richard Münch, Dynamik der Kommunikationsgesellschaft, Frankfurt am Main, 1995, 101.

    [4]      Richard Münch, a. a. O., 83.

    [5]      Ulrich Sahm, Deutsche Medien und der Nahostkonflikt, in: Klaus Faber/Julius H. Schoeps/Sacha Stawski (Hrsg.), Neu-alter Judenhass. Antisemitismus, arabisch-israelischer Konflikt und europäische Politik, Berlin, 2. Auflage, 2007, 133-144, 135.

    [6]      Siehe dazu z.B. SWR/REPORT MAINZ, Kriegsverbrechen im Libanon? Die schwierige Suche nach der Wahrheit, http://www.swr.de/report/-/id=233454/nid=233454/did=1386352/1fzat6m/index.html; NDR/ZAPP, Wahrheit und Fälschung – Bilderflut vom Krieg, 09.08.2006 23:15 Uhr, http://www3.ndr.de/sendungen/zapp/archiv/ethik_journalismus/zapp1714.html; AISH, Photo Fraud in Lebanon, http://www.aish.com/movies/PhotoFraud.asp

    [7]      Efraim Karsh, Israels Krieg gegen die Hamas und ein altes Vorurteil des Westens, in: Jerusalem Center for Public Affairs, Strategische Informationen zur Außen- und Sicherheitspolitik Israels, Jerusalem, 2009.

    [8]      Richard Münch, a. a. O., 84.

    [9]      Vgl. u. a. Hannah Bloch, Hochgerüstete High-tech-armee gegen ziellose Guerilla-truppe? Synchronisation der Berichterstattung deutscher Zeitungen über den Libanonkrieg, Wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister Artium im Fach Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität Berlin, München, 2006 sowie Astrid Hub, Das Image Israels in deutschen Medien zwischen 1956 und 1982, Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien, 1998 sowie Margot Sonnenberg, Die Friedenspolitik des Staates Israel und ihre Darstellung in der überregionalen Presse der Bundesrepublik Deutschland. Von der EG-Deklaration in Venedig, Juni 1980, bis Ende der ersten Amtsperiode Ministerpräsident Begins am 30. Juni 1981, Dissertation, Aachen, 1982.

    [10]     So berichtet der langjährige Nahost-Korrespondent und Journalist Sahm über die Mutter eines palästinensischen Selbstmordattentäters: „Die lachenden Kinder neben der Mutter sind ein Hinweis dafür, das an der Szene etwas nicht stimmte. Unglaubwürdig wird die »Trauer« dieser Mutter zudem, wenn man später in Nachrichtenagenturen lesen kann, wie sie die »Heldentat« ihres Sohnes lobt und sich wünscht, dass auch ihre anderen Kinder zum »Schahid« (Märtyrer) werden mögen. »Ich habe den Auftrag, ein emotionales Stück zu machen« sagte die Redakteurin eines deutschen Fernsehsenders. Deshalb waren für sie nur die Bilder der gestellten »Trauer« brauchbar. Der Wunsch, andere Kinder in den Tod zu schicken, passte »nicht ins Konzept«.“ Ulrich Sahm, Antisemitische Stereotypen in der Nahost-Berichterstattung, in: JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis (Hrsg.), D-A-S-H Dossier #7: Analysen und Statements zum Nahostkonflikt aus deutscher Sicht, München, 2005.

    [11]     Ulrich Sahm, a. a. O.: „Die Mentalität der Konfliktparteien führt zu unterschiedlich »starken Bildern« trotz identischer Wirklichkeit. So bemühen sich die Israelis, ihre eigenen Opfer möglichst nicht abzubilden. Kameras werden nicht in Krankenhäuser zugelassen, wenn blutüberströmte Verletzte behandelt werden. Bei Anschlägen bemühen sich die Kameraleute, allzu »grafische« Aufnahmen zu vermeiden. Bilder der Toten wurden nur in Ausnahmefällen freigegeben. … Die Palästinenser kennen keine Pietät gegenüber ihren Toten. TV-Kameras werden in Operationssäle der Krankenhäuser eingelassen, wo die Ärzte zur Seite rücken, damit der eintretende Tod gefilmt werden kann. Angehörige werden nicht gefragt, ob »ihr« Toter für politische Zwecke instrumentalisiert werden dürfe. Kameras filmen bei den Kühlschränken der Totenkammern. Im palästinensischen Fernsehen werden Nahaufnahme tödlicher Wunden in ständiger Wiederholung gesendet. Für die Palästinenser sind diese grausigen Bilder eine Stärkung des Kampfgeistes.“

    [12]     So berichtete der Norddeutscher Rundfunk/Fernsehen am 09. August 2006 selbstkritisch unter der Überschrift »Wahrheit und Fälschung. Bilderflut vom Krieg«: Eine Bilderflut überschwemmt täglich die Medien. Aber welchem Bild kann man noch trauen? Reuters musste bereits gefälschte Fotos zurückziehen. Über Inszenierungen und Instrumentalisierungen wird spätestens seit den Angriffen auf Kana und die Bilder der Kinderleichen spekuliert. Journalisten und Redaktionen sind geradezu hilflos, wenn es darum geht, Quellen zu überprüfen und Sachverhalte differenziert darzustellen.“

    [13]     Vgl. Tobias Kaufmann, In Blüms Dschenin. Journalisten und Politiker fördern durch Fahrlässigkeit, Unterlassung und Vorsatz die israelfeindliche Haltung deutscher Medienkonsumenten, in: Klaus Faber/Julius H. Schoeps/Sacha Stawski (Hrsg.), Neu-alter Judenhass. Antisemitismus, arabisch-israelischer Konflikt und europäische Politik, Berlin, 2. Auflage, 2007, 91-105, insbes. 98-99.

    [14]     Siehe z,B. Honestly Concerned e.V., „Pallywood 3 – Eine fast perfekte Inszenierung der Hamas“; http://honestlyconcerned.info/bin/articles.cgi?ID=PR16908&Category=pr&Subcategory=16

    [15]     Norddeutscher Rundfunk/Fernsehen am 09. August 2006 selbstkritisch unter der Überschrift »Wahrheit und Fälschung. Bilderflut vom Krieg«: „Sehr viele Zuschauer werfen uns vor, wir würden Hofberichterstattung leisten für die USA und für Israel. Wir würden einseitig zugunsten Israels berichten und wir würden das Vorgehen der israelischen Armee verharmlosen. Das ist eigentlich der Haupttenor der Rückmeldungen, die wir hier bekommen. Ganz sicher eine falsche Rückmeldung. Vielleicht die Folge von Bildern, die nur die israelischen Truppen in Aktion zeigen. Ihre Gegner, die Hisbollah-Kämpfer bleiben unsichtbar.“

    [16]     Vgl. Georg M. Hafner, Antisemitismus in den Medien? Der Nahostkonflikt und die westliche Presse, Vortrag zur Eröffnung der 22. Woche der Begegnung mit dem Judentum in Hamm am 12. März 2006, 4: „»Berliner Mauer«, »Schandmauer« oder »Apartheid-Mauer« lesen und hören wir, und die Bilder belegen das jeweils eindrucksvoll. Dass aber von den geplanten 640 km nur 37 km (5,3%) aus Beton sein werden, erfährt der Leser nicht. Der Zaun wird als Kriegsverbrechen gebrandmarkt, als Verletzung der Menschenrechte, als sei über Nacht der alte DDR-Sperrzaun wiedererrichtet und spalte ein einig Volk von Brüdern und Schwestern. Dabei ist der Zaun ein Zaun und er kann abgebaut oder verändert werden, alle Optionen sind offen. Die durch Selbstmordanschläge getöteten Menschen dagegen werden nie mehr ins Leben zurückfinden können. Und dass die Zahl palästinensischer Selbstmordanschläge durch den Zaunbau deutlich zurückgegangen ist, interessiert in diesem Zusammenhang die wenigsten. Wird anderswo ein vergleichbarer Zaun errichtet, bringt das keinen Journalisten in ernsthafte Wallung. Der Zaun zwischen Pakistan und Indien ist fast auf den Kilometer genau so lang wie der israelische, bestückt mit Minen und Sensoren, und er schafft einseitig Fakten, er bringt ebenfalls Beschlagnahmung von Land und die Separierung unschuldiger Bauern von ihrem Boden mit sich. Aber ein vergleichbarer Aufschrei ist mir nicht bekannt, eben so wenig bei der Sperrmauer zwischen Katholiken und Protestanten im nordirischen Belfast, auch sie meterhoch und Territorien zerschneidend. Und wenn sich die spanischen Enklaven Ceuta und Melilla gegen schwarze Emigranten aus Mali und Niger abschotten, mit Stacheldraht und Minen und mit bis an die Zähne bewaffneten Soldaten, dann gibt ist es Europa diskreten Beifall dafür und die Flüchtlinge, die bereits an dieser Grenze verblutet sind, werden als tragische, aber keineswegs unschuldige Opfer betrachtet. Schließlich gibt es kein Recht auf ein besseres Leben.“

    [17]     Vgl. Sacha Stawski, Das Bild Israels in den Köpfen der Menschen. Antisemitismus, Nahostkonflikt, Medienberichterstattung und Medienkritik seit Beginn der Al-Aqsa-Intifada, in: Klaus Faber/Julius H. Schoeps/Sacha Stawski (Hrsg.), Neu-alter Judenhass. Antisemitismus, arabisch-israelischer Konflikt und europäische Politik, Berlin, 2. Auflage, 2007, 117-131.

    [18]     Vgl. Esther Schapira/Georg M. Hafner, Entlastungsantisemitismus in Deutschland, in: Klaus Faber/Julius H. Schoeps/Sacha Stawski (Hrsg.), Neu-alter Judenhass. Antisemitismus, arabisch-israelischer Konflikt und europäische Politik, Berlin, 2. Auflage, 2007, 73-83, insbes.: 78-79.

    [19]     Vgl. ausführlich Lars Rensmann, Demokratie und Judenbild. Antisemitismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik, Wiesbaden, 2004, insbes. 318-321.

    [20]     Eine relativ einfache Faustregel zum Thema „Antisemitismus“ stellte Nathan Scharansky auf: „Der Kampf gegen Antisemitismus ist keine genaue Wissenschaft. […] Dazu müssen klare Kriterien entwickelt werden. Ich schlage dazu die Kriterien vor:
    Der Antisemitismus war immer an der Dämonisierung von Juden zu erkennen, dem Doppelstandard, mit dem Juden gemessen wurden, und der Delegitimierung von Juden. Tritt der Antisemitismus heute im Deckmäntelchen antiisraelischer Kritik auf, lässt er sich mit Hilfe dieser Kriterien von legitimer Israel-Kritik klar unterscheiden. Wird Israel dämonisiert, mit doppeltem Maßstab gemessen oder stereotyp delegitimiert? Dann ist es keine politische Kritik, sondern Antisemitismus, der sich „political correct“ gebärden will…“; WELT – „Der Feind unterscheidet nicht zwischen Israelis und Juden„, http://www.welt.de/print-welt/article310400/Der_Feind_unterscheidet_nicht_zwischen_Israelis_und_Juden.html.
    Eine wesentlich genauere „Working Definition“ von Antisemitismus kann auf den Seiten der European Union Agency for Fundamental Rights (ehemals EUMC) nachgelesen werden, siehe dazu auch http://honestlyconcerned.info/was_ist_antisemitismus.html.

    [21]     Vgl. Aribert Heyder/Julia Iser/Peter Schmidt, Israelkritik oder Antisemitismus? Meinungsbildung zwischen Öffentlichkeit, Medien und Tabus, in: Werner Heitmeyer (Hrsg.), Deutsche Zustände, Folge 3, Frankfurt/Main 2005, 144-165, 146-147.

    [22]     Vgl. hierzu Esther Schapira/Georg M. Hafner, a. a. O., etwa über Udo Steinbach, ehemaliger Leiter des Orientinstituts, 77-78.

    [23]     Vgl. Siegfried Jäger/Margarete Jäger, Medienbild Israel. Zwischen Solidarität und Antisemitismus, Münster-Hamburg-Berlin-Wien-London, 2003 sowie dazu Andrea D. Bührmann, Chancen und Risiken angewandter Diskursforschung, in: http://www.lrz-muenchen.de/~Diskursanalyse/doc/Vortrag_buehrmann.pdf, April 2004.

    [24]     Richard Münch, a. a. O., 85 zum generellen Problem.

    [25]     Hans Riebsamen, Auf dem Fußballplatz als „Kindermörder“ beschimpft, in: Rhein-Main-Zeitung vom 11. Februar 2009.

    [26]     Vgl. Sarah Maria Brech, Europas Antisemiten leben ihren Judenhass aus, in: Welt-Online, Politik, vom 7. Januar 2009.

    [27]     Honestly Concerned e.V., Januar 3, 2009 – Hamas Fahnen, „Vergast die Juden“ und „Allah-U-Akbar“-Rufe auf Frankfurts Straßen und mehr… – Fotos und Audio Aufnahmen, http://honestlyconcerned.info/bin/articles.cgi?ID=PR21609&Category=pr&Subcategory=16.

    [28]     Vgl. Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, 02/2009 – IGMG organisiert deutschlandweit Demonstrationen gegen Gaza-Operation Israels, 2.

    [29]     Vgl. Anti-Defamation League, Attitudes toward Jews in seven European countries,
    New York, 2009.

    [30]     Vgl. European Union Agency for Fundamental Rights, „Antisemitism Summary overview of the situation in the European Union 2001-2008″, Wien, 2009.

    [31]     Insbesondere Dauerkonsumenten des Fernsehens werden nach dieser These durch das Fernsehen kultiviert und sehen die Welt so, wie sie im Fernsehen vermittelt wird. Derartige Kultivierungseffekte durch Fernsehkonsum wurden in mittlerweile mehr als 300 Studien nachgewiesen. Mit Sicherheit muss allerdings von mehreren Einflussfaktoren und Korrelationen ausgegangen werden. Vgl. George Gerbner/Larry Gross, Living with Television: The Violence Profil, in: Journal of Communication. 26 (2), 1976, 173-199.

    [32]     Ulrich W. Sahm, „Weg von der Erbsenzählerei“, Evangelischer Arbeitskreis Kirche und Israel in Hessen und Dassau, http://www.lomdim.de/md2003/04/0403_12.htm

      
      
          

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    TEIL 4 – Vier Beiträge zum Thema Mauer nicht gleich Mauer  
      

    1. Medienspiegel der Deutschen Botschaft Tel Aviv, 05.11.2009 / JEDIOTH ACHRONOT – (S. 21, Eldad Beck) – Propaganda: Die Mauer zerstören (2)

      Das Festival internationaler Ereignisse zum 20. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer, das schon begonnen hat, verleiht der gut geölten palästinensischen Propaganda-Maschine einen neuen Anstoß gegen die Existenz des Trennzauns zwischen Israel und den Gebieten – einem System das weltweit breite Anerkennung findet.

      Der Trennzaun ist schon längst im vereinfachten Bewusstsein vieler Europäer eine Neuauflage der Berliner Mauer geworden, und so entstand ein ziemlich breiter Konsens, zum Sturz der „israelischen Mauer“ aufzurufen, im Namen der Prinzipien der Bruderschaft zwischen den Völkern und der Freiheit der Menschen. Angesichts dieses globalen Angriffs ist es eine Pflicht, eine Sache zu betonen, die eigentlich selbstverständlich sein müsste, die jedoch von vielen Menschen auf der Welt lieber ignoriert wird: Außer einer gewissen visuellen Ähnlichkeit gibt es und wird es keine Verbindung zwischen der Berliner Mauer und dem Trennzaun geben.

      Die Berliner Mauer trennte zwei Teile eines Volkes, die – in gewisser, wenn auch verschiedener Weise – danach strebten, sich im Rahmen eines gemeinsamen politischen Rahmens wieder zu vereinen. Der Trennzaun ist– in gewisser Weise – der Verlauf einer zukünftigen Grenze zwischen zwei Völkern, die nicht gemeinsam in einem Land leben wollen, sondern gewillt sind, ihr gemeinsames Land in zwei separate Länder zu teilen.

      Es ist schon überraschend, dass ausgerechnet diejenigen, die Jahre lang um das Recht der Palästinenser auf ihr eigenes Land gekämpft haben, nun fordern, den Trennzaun abzubauen.

      … Die Anschuldigungen, die formuliert werden wie in „Apartheid Zaun“, enthüllen die wahren Absichten der Palästinenser und ihrer Unterstützer, die gar keine Teilung des Landes und Koexistenz mit Israel wollen, sondern die Macht im ganzen Land übernehmen wollen.

      Es gibt eine andere Mauer im Nahen Osten, die Gegner des Trennzauns weigern sich jedoch, sie zu sehen, und wollen sie schon gar nicht bekämpfen, obwohl sie den Konflikt zwischen Juden und Arabern auf ewige Zeiten verankert: Die Mauer des Boykotts und der Isolierung, die von der Mehrheit der arabischen Welt seit der Staatsgründung über Israel verlegt wurde.

      … Nur der Sturz der Mauer, die Israel isoliert, wird den Friedensprozess voran treiben. Nur das wird eine Versöhnung zwischen Israelis und Arabern, zwischen Juden, Muslimen und Christen ermöglichen.

      … Jeder, der behauptet, dass es sein ehrlicher Wunsch ist, den Frieden zu fördern, muss sich für den Sturz der Mauer einsetzen, die Israel isoliert, als Vorbedingung für jeden seriösen Versöhnungsversuch. Denn das ist die wahre Erbin der Berliner Mauer.

    2. READERS EDITIONÜberblick: Antisemitismus, Mauerfall, Rabin-Gedenken
      Antisemitismus im 21. Jahrhundert: Was sind die bedeutensten und signifikantesten Eigenschaften der derzeitigen Angriffe gegen den Staat Israel und jüdische Gemeinden weltweit? Robert Wistrich, Direktor des Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism an der Hebräischen Universität Jerusalem stellt Schlüsseleigenschaften dieses Wandels und dieser Bedrohung heraus, welche auf den neuen Antisemitismus beruhen, inclusive dessen Verbindung zum globalen Islamismus. Er schlägt zudem mögliche Antworten und Strategien vor, um mit dieser Bedrohung umzugehen.
      Bizarres Mauerfall-Gedenken
      Pünktlich zum 20 jährigen Jubiläum des Mauerfalls darf auch in den Medien der Vergleich zwischen der Berliner Mauer und der „Mauer in Palästina“ nicht fehlen. Gestern abend nach Wetten dass…?, also zur besten Sendezeit, strahlte das ZDF-Heute-Journal einen Bericht über ein bizarres Mauerprojekt des Goethe-Instituts aus mit dem Namen Mauerreise aus, welches künstlerisch gestaltete Mauern aus den Orten der Welt für eine Ausstellung nach Berlin holt, wo auch heute noch Mauern stehen. Zu diesen, so Klaus Kleber, gehörten Mauern aus „Zypern, Yemen, Palästina und Korea“. Am 9. November sollen diese wie Dominosteine in sich zusammen fallen. Es sei eine „schöne Idee und eine Gelegenheit unsere eigene Geschichte mit den Augen Anderer zu sehen“, so Kleber weiter.
      Der Bericht fängt mit einer Ortsbesprechung in Südkorea an und geht weiter nach Palästina, wo die Mauer für die Palästinenserin Rana wie ein Gefängnis sei, die sie von den Dingen trennen würde, die sie liebe. „Es ist etwas, das wir nicht mögen und dem wir nicht zustimmen“, so Rana. „Unser Konzept war es, Ähnlichkeit zwischen der Mauer in Palästina und der Mauer in Berlin zu zeigen, die bereits gefallen ist“. Die Reporterin resümiert, dass Rana und ihre Freunde den Stein nach Berlin schicken, da sie sich wünschen, dass die Mauer, die sie umgibt fällt und es keine Grenzen zwischen ihren Familien mehr gäbe. 

    3. ULRICH W. SAHM – Kommentar: Mauer ist nicht gleich Mauer
      Jerusalem, 7. November 2009 – 20 Jahre Fall der Berliner Mauer sind Anlass für pro-palästinensische „Friedensaktivisten“ in Deutschland und Österreich, das Augenmerk auf die „Mauer“ in Nahost zu richten und ihren Abriss zu fordern, als gäbe es keine anderen Mauern in der Welt, an den Außengrenzen der EU, eine saudische Mauer auf jemenitischem Territorium, entlang der Grenzen Indiens und entlang der amerikanischen Grenze zu Mexiko. Die Bollwerke sollen Feinde, Terroristen oder arbeitssuchende Fremde aussperren, während die Berliner Mauer errichtet worden ist, um die Bevölkerung von einem Ausbruch aus ihrem DDR-Gefängnis abzuhalten.
      Die Berliner Mauer fiel zusammen mit dem Eisernen Vorhang. Nur in Korea wird bis heute noch ein Volk durch eine Mauer gespalten. Der Fall der Berliner Mauer ist ein Symbol für viel gewaltigere Vorgänge: das Ende des Kalten Krieges und die Wiedervereinigung Deutschlands. Solange die Europäer nicht bereit sind, sich mit Millionen Afrikanern überschwemmen zu lassen und die Israelis nicht wieder in Stadtbussen gesprengt werden wollen, ist es illusorisch, allein den Fall der Sperrwälle zu fordern, die Ursachen für deren Errichtung aber zu ignorieren. Nicht die Berliner Mauer verhinderte den „Frieden“, sondern die Teilung Deutschlands und der kommunistische Staat in der „sowjetischen Besatzungszone“.
      Es gibt weitere Gründe, weshalb die Berliner Mauer nicht mit der Mauer in Nahost verglichen werden kann. Israel und die Palästinenser führen miteinander Krieg. Sogar im Goldstone-Report wird den Palästinensern ein Recht auf bewaffneten Widerstand, Krieg gegen Israel, zugestanden. Die israelische Regierung jedoch hält es für ihre Pflicht, das Leben ihrer Bürger zu schützen. Die Palästinenser kämpfen seit der ersten Intifada ab 1987 für eine Grenze zwischen ihrem künftigen Staat und Israel. Und so wie die Zonengrenze niemals eine „international anerkannte Grenze“ war, gibt es zwischen Israel und den besetzten Gebieten nur „Waffenstillstandlinien“ aus dem Jahr 1949. Der Grenzverlauf muss noch ausgehandelt werden. Nicht die Mauer ist ein Hindernis für den Frieden, sondern der Krieg. Die Mauer hatte zu einem Ende der Intifada geführt und nach mehrjährigem Blutvergießen wieder Gespräche zwischen der Autonomiebehörde und Israel unter Ehud Olmert ermöglicht.

      • ULRICH W. SAHMIsraels Mauer und Zaun
        Jerusalem, 29. Oktober 2009 – Die Berliner Mauer war einst eine Touristenattraktion wie kein anderes Monument in der geteilten Hauptstadt Deutschlands. Heute begrüßt das israelische Tourismusministerium Pilger und Touristen auf dem Weg zur Geburtskirche in Bethlehem mit einem 10 Meter hohen Plakat an der Mauer mit dem Spruch: „Friede sei mit Euch.“ Nicht minder geschmacklos sind Graffiti, mit denen „Künstler“ die Mauer schmücken. Neben meterhohen Portraits von Arafat gibt es praktische Hinweise „Hier die Bombe ansetzen“ oder „Gott wird die Mauer zerstören“ und „Jesus weinte“. Palästinensische Geschäftemacher lassen sich Liebesverse und Protestparolen zuschicken und spritzen die gebührenpflichtig auf die graue Betonmauer. Die Mauer machte den ehemaligen palästinensischen Ministerpräsidenten Ahmad Qureia zum Multimillionär. Er lieferte den Zement für die 10 Meter hohen Segmente.
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        Friede sei mit Euch
        Die DDR nannte ihre Mauer seinerzeit zynisch „anti-faschistischer Wall“, als ob faschistische Westdeutsche in das sozialistische Paradies stürmen wollten. Genauso reden Palästinenser von einer „Berliner Mauer“, als ob der jüdische Staat seine Bürger bremsen müsse, in das palästinensische Paradies, etwa im Gazastreifen, zu fliehen. Auch Bezeichnungen wie „Apartheidmauer“ sind keine Reflektion der Wirklichkeit. Mit Rassismus hat der Wall wenig zu tun. Östlich der Mauer leben neben den von Israel ausgesperrten palästinensischen Bürgern der Autonomiebehörde auch 300.000 israelische Siedler, die meisten von ihnen Juden. Westlich der Mauer gibt es neben der jüdischen Mehrheit Israels auch noch 1,2 Millionen arabische Bürger des jüdischen Staates.
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        Abu Dis –
        Die Mauersegmente liegen bereit um aufgestellt zu werden; Eingemauert ist nur noch die Baumspitze zu sehen
         
        Katholische wie protestantische Bischöfe aus Deutschland lassen sich gerne vor den Propagandakarren rund um die „Mauer“ spannen. Ebenso Politiker aus aller Welt. So wurde Ramallah mit dem „Warschauer Ghetto“ verglichen, während zu Weihnachten aus dem „ummauerten Bethlehem“ berichtet wird. Dabei ist die Trennmauer zwischen Jerusalem und Bethlehem gerade mal einen Kilometer lang, während nach Osten und Süden alles offen ist. Inzwischen sind auch die meisten Straßensperren weggeräumt. Als eine deutsche Journalistengruppe zu einem Treffen mit der palästinensischen Tourismusministerin Choulud Daibes kam, ohne die Mauer zu passieren, und Daibes mit ihrem Klagelied über das „völlig ummauerte Bethlehem“ anhob, meinte eine Journalistin, dass sie gar keine Mauer gesehen habe. Daibes fragte den ortskundigen Reiseleiter, über welchen Weg die Gruppe zu ihrem Büro gelangt sei. Der antwortete: „Über Walladsche“. Daibes konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, meinte jedoch: „Das ist aber nicht nett.“
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        Das Tor zwischen Jerusalem und Bethlehem
        Während die Palästinenser teilweise zurecht und teilweise mit Übertreibungen nur über die Folgen der Mauer reden, von „Landraub“, „Wasserklau“ und einer Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit, redet das offizielle Israel von einem „Anti-Terror-Sperrwall“. Von geplanten 790 Kilometern sind etwa 500 Kilometer fertig gestellt. Nur etwa 5 Prozent sind Mauer, der Rest Zäune mit Patrouillenstraße, Gräben und elektronischer Überwachung. Die „Folge“ des Mauerbaus, aus israelischer Sicht, ist das Ende der Selbstmordattacken in israelischen Städten. Im Jahr 2002 ließ sich Ministerpräsident Ariel Scharon überzeugen, die Palästinenser mit physischen Sperren aus Israel fernzuhalten. Weil Selbstmordattentate kaum mehr durchführbar sind, beendete Scharon so die El Aksa Intifada. Sie hatte über 5000 Palästinensern das Leben gekostet und fast 1400 Israelis.
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        Eine „Grenze“, eigentlich nur eine Waffenstillstandslinie, verlief zwischen 1949 und 1967 mitten durch Palästina/Groß-Israel. Diese Linie verwischte sich völlig, bis die Palästinenser während der ersten Intifada ab 1987 forderten, dass Israel diese Linie wieder mit einem Zaun versehen möge. Linksgerichtete israelische Minister schlugen nach den Osloer Verträgen 1993 vor, die Grenze zu markieren, um den Palästinensern ihren „guten Willen“ in Richtung Zwei-Staaten-Lösung zu beweisen. Das Kabinett lehnte ab, weil das einem Vorgriff auf künftige Verhandlungen über den Grenzverlauf gleichgekommen wäre. Ohne mehr auf Verhandlungen zu warten, errichtete Scharon infolge des Terrors dann Zaun/Mauer und bestimmte ihren Verlauf gemäß seinen politischen, militärischen und anderen Interessen.
        Vor Allem rechtsgerichtete Politiker und Aktivisten auf beiden Seiten kritisieren die Existenz der Mauer, weil sie Palästinenser daran hindert Tel Aviv, Jaffo oder Ramle im „besetzten Palästina“ zu besuchen, und umgekehrt, weil sie Juden den Weg zu heiligen Stätten im biblischen Heimatland versperrt.
         
        (Fotos Copyright: Ulrich W. Sahm)

      • Mauern in der Welt
        Seit Limes und chinesischer Mauer, der Maginot-Linie und dem Eisernen Vorhang, schwer befestigten entmilitarisierten Zonen in Vietnam und Korea, werden in aller Welt fleißig weitere Mauern und Zäune hochgezogen, nicht nur um Vorgärten und Gefängnisse. Sie dienen, je nach Geographie, zum Ein- oder Aussperren.  Die nachfolgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
        Marokko – 2720 Km „Verteidigungsmauer“ gegen Polisario
        Südkorea – „Barriere“ gegen Nordkorea
        Botswana – elektrischer Zaun an Grenze zu Zimbabwe. Offiziell gegen Maul und Klauenseuche, tatsächlich, um Flüchtlinge ethnischer Säuberungs-Massaker fernzuhalten
        Saudi Arabien – Barriere, sieben Kilometer tief auf jemenitischem Territorium, gegen „Infiltrationen“
        Saudi Arabien – 700 Kilometer moderne Barriere entlang Grenze zu Irak
        Zypern – Mauer und Zaun zwischen türkischem Norden und griechischem Süden
        Thailand – ab 2007, 75 Kilometer Barriere an Grenze zu Malaysia gegen Eindringen von Terroristen
        Pakistan – 2400 Km Barriere an Grenze zu Afghanistan
        Indien – Barrieren an Grenzen zu: Bangladesch, Kaschmir, Pakistan, Myanmar, teilweise auf „feindlichem Territorium“ errichtet.
        Usbekistan – Barriere zu Tadschikistan
        Vereinigte Arabische Emirate – Barriere an Grenze zu Oman
        Kuwait – 215 Km Barriere zu Irak
        USA – Barriere an Grenze zu Mexiko, um Arbeitssuchende fernzuhalten
        Europa/Spanien – befestigter Zaun um Ceuta und Mellila, um hungernde Afrikaner aus Europa fernzuhalten
        Irland, Belfast – Mauern trennen zwischen Protestanten und Katholiken
         
         

      • AUSSERDEM:
        In der Vergangenheit haben wir, Honestly Concerned, mehrere
        Sonderausgaben dem Thema „Sicherheitszaun“ gewidmet, zuletzt unter dem Titel „SONDERAUSGABE – zum Thema „Der Sicherheitszaun revisited“„. Unter anderem haben wir auch Bilder von einer ausgiebigen Tour entlang des Sicherheitszaunes veröffentlicht, genauso wie wir viele Artikel und Präsentationen hinsichtlich der verschiedenen Aspekte betreffend des Zaunes veröffentlicht haben. Immer wieder waren wir darum bemüht darauf hinzuweisen, daß die von den Medien zumeist als „Mauer“ bezeichnete Sicherheitsgrenze nur ca. 3% der Gesamtstrecke ausmacht. Unter anderem haben wir hierzu auch die Erklärungen bezüglich des sehr leicht rechtfertigbaren „Mauer“-abschnitts entlang „Highway 6“ bei Tulkarem, sowie über den Abschnitt bei Kalkilja, von dem aus oft Anschläge verübt wurden, veröffentlicht. Auch heute bleibt es ein Fakt, daß nur einer sehr kleiner Teil dieser Sicherheitsgrenze aus Beton besteht. Der größte Teil (97%) besteht aus Zäunen und es gibt viele Maßnahmen, um den Durchgang von einer Seite auf die andere zu ermöglichen. Allerdings gibt es eben auch Abschnitte die aus Beton sind und dies hat erhebliche Auswirkungen auf das Leben der Menschen, die unmittelbar in der Nähe von diesen Abschnitten leben, i.B. in der Nähe von Jerusalem.
        Bei der Mauer in Jerusalem gibt es viele Aspekte die man berücksichtigen muß. Vor allem, muß man bei allen Überlegungen immer im Hinterkopf behalten, wie es zur Konzeptionierung und zum Bau der „Mauer“ gekommen ist. Der „Zaun“ wurde als Abwehrmaßnahme gegen den von Palästinensischen Terroristen geführten Krieg gegen die Israelische Zivilbevölkerung erbaut und tatsächlich beweisen Statistiken, daß diese Maßnahme sehr erfolgreich war und die Entscheidung zum Bau somit richtig war. Gleichwohl kann man und muß man natürlich immer wieder über den Verlauf nachdenken, der zumindest in Jerusalem sehr stark von politischen und weniger von menschlichen Überlegungen bestimmt zu werden scheint. Bei allem muß man aber auch immer wieder darauf hinweisen, daß es sich bei der heutigen „Sicherheitsgrenze“ nicht um eine endgültige Staatsgrenze handelt. Von Israelischer Seite wird immer wieder darauf hingewiesen, daß dies eine vorläufige Maßnahme zur Unterbindung von Terror ist. Der Verlauf kann genauso geändert werden (wie ja auch schon mehrfach bewiesen wurde), wie ein Abriß in der Zukunft nicht ausgeschlossen ist.

     

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    TEIL 5 – SONSTIGES
     

    1. NEWS ADHOC – Zentralrat der Juden besorgt
      Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, fordert anlässlich des Jahrestages der Reichpogromnacht am 9. November ein verstärktes Vorgehen gegen den Antisemitismus. Kramer sagte am Sonntag der Nachrichtenagentur ddp, «Judenhass» genieße in vielen Kreisen der deutschen Gesellschaft «Salonfähigkeit». Dies sei ein Anlass zur Sorge und belaste die Demokratie.
      Kramer warnte zugleich, der Mauerfall am 9. November 1989 sei zwar Grund zur Freude. Er dürfe aber niemals das Gedenken an die Reichspogromnacht im Jahr 1938 verdrängen und schon gar nicht zu einem «Feiertag 9. November» führen. Kramer fügte hinzu: «Für die jüdische Gemeinschaft ist der 9. November kein Tag für Bierzelte, Bratwurststände und Konzerte, sondern ein Tag der Erinnerung an die Millionen Toten der Shoa, des nationalsozialistischen Holocausts».
      Der 9. November 1938 sei der «Meilenstein auf dem Weg zur staatlich organisierten Entrechtung, Deportation und fabrikmäßigen Vernichtung des europäischen Judentums». Kramer verwies darauf, dass damals in ganz Deutschland Geschäfte und Wohnungen jüdischer Menschen geplündert und zerstört sowie zahlreiche Synagogen verbrannt wurden. Er fügte hinzu: «In dieser einzigen Nacht starben mehr als tausend Menschen durch den randalierenden, staatlich organisierten Mob.»
      Blicke man in die deutsche Gegenwart, so müsse «man feststellen, dass viele, aber nicht alle aus der Vergangenheit die nötigen Lehren gezogen haben». Die Bundesrepublik sei zwar nicht die Weimarer Republik. Man dürfe aber nicht vergessen, dass die erste deutsche Demokratie nicht an zu vielen Nazis, sondern an zu wenigen Demokraten zu Grunde gegangen sei. Kramer kritisierte: «Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus sind immer noch an der Tagesordnung.»

    2. DWZentralrat der Juden fordert mehr Beachtung für 9.11.1938
      MÜNCHEN: Die Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, hat eine stärkere Beachtung des Jahrestages der Pogromnacht am 9. November 1938 gefordert. In diesem Jahr werde das Gedenken von der Freude über 20 Jahre Mauerfall überlagert. In Zukunft müsse ein Weg gefunden werden, um beiden Ereignissen in angemessener Form zu gedenken. Bundespräsident Horst Köhler betonte, beide geschichtliche Ereignisse seien miteinander verbunden. 1938 sei aus der Diskriminierung der Juden eine systematische Verfolgung bis hin zum Massenmord geworden. Die Teilung Deutschlands habe 1989 auch deshalb überwunden werden können, weil die Deutschen die nötigen Lehren aus ihrer jüngeren Geschichte gezogen hätten. Darum habe die Welt Deutschland 1989 vertraut.
       
       

      1. RP ONLINE – Knobloch vermisst Pogrom-Gedenken
      2. SWR Nachrichten – Gedenken an den 9. November 1938 – Knobloch mahnt: Pogromnacht nicht vergessen
      3. tagesschau.de – Knobloch ermahnt: Pogromnacht 1938 nicht vergessen
      4. Yahoo! Nachrichten – Knobloch beklagt Jubelfeiern ohne Pogrom-Gedenken
      5. haGalil onLine – 9. November 1938 darf nicht in Vergessenheit geraten
    3. IKGSynagoge in Dresden mit Hakenkreuzen beschmiert Ermittlungen wegen Volksverhetzung
      Dresden (APA/AFP) – Das Gemeindezentrum der Neuen Synagoge in Dresden ist in der Nacht zum Sonntag mit Hakenkreuzen und verfassungsfeindlichen Parolen beschmiert worden. Die Schriftzüge richteten sich gegen die Jüdische Gemeinde, wie das Landeskriminalamt Sachsen mitteilte. Unbekannte hätten die Mauer auf einer Länge von neun Metern mit schwarzem Stift beschmiert.
      Eine Streife der Dresdner Polizei habe die Straftat in der Früh bemerkt, nach der Spurensicherung seien die Schmierereien im Laufe des Tages beseitigt worden. Nach ersten Ermittlungen durch die Dresdner Polizei übernahm die Sonderkommission Rechtsextremismus des Landeskriminalamtes Sachsen den Fall. Ermittelt wird unter anderem wegen Volksverhetzung.
      Die Neue Synagoge der sächsischen Landeshauptstadt war im November 2001 eingeweiht worden, 63 Jahre nach der Zerstörung des alten Gotteshauses durch die Nationalsozialisten in der Pogromnacht vom 9. November 1938.

      1. EJPSynagogue defaced with swastikas in eastern Germany
        Synagogue defaced with swastikas in eastern Germany
        Swastikas have been daubed on the wall of the new synagogue of Dresden on the eve of the anniversary of the Nazi’s 1938 Kristallnacht pogrom.
      2. MDRAntisemitismus – Dresdner Synagoge mit Hakenkreuz beschmiert
        Das Gemeindezentrum der Neuen Synagoge in Dresden ist in der Nacht zum Sonntag mit antisemitischen und antiisraelischen Parolen in englischer Sprache beschmiert worden. Nach Informationen von MDR 1 RADIO SACHSEN wurde auf die Außenmauer des Gotteshauses auch ein Hakenkreuz gezeichnet. Der Vorsitzende des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Sachsen, Heinz-Joachim Aris, zeigte sich entsetzt, dass eine solche Tat zum Jahrestag der Pogromnacht in Deutschland möglich sei.

        Synagoge Dresden

        Die Neue Synagoge in Dresden 
        Sonderkommission Rechtextremismus ermittelt 
        Nach Angaben von Paul Scholz, dem Chef des Landeskriminalamtes Sachsen, hat inzwischen die „Sonderkommission Rechtextremismus“ (Soko-Rex) die Ermittlungen aufgenommen. Gegenwärtig würden Spuren gesichert und die angebrachten Schriftzüge bewertet. „Es ist etwas übles, was die Täter gemacht haben. Wir zeigen deshalb, dass wird das nicht dulden und mit aller Kraft ermitteln“, sagte Scholz MDR 1 RADIO SACHSEN. Die Neue Synagoge wird mit Video-Kameras überwacht, deren Aufzeichnungen will die Polizei so schnell wie möglich auswerten. Die Ermittler vermuten Jugendliche hinter den Schmierereien.
        Die Neue Synagoge Dresden wurde im Jahr 2001 fertig gestellt. Sie befindet sich auf dem Grundstück der 1839/40 von Gottfried Semper errichteten Alten Synagoge. Das Gotteshaus war 1938 zerstört worden. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 hatte im Deutschen Reich die radikale Phase der Judenverfolgung durch das NS-Regime begonnen. Die Nationalsozialisten gingen zur offenen Gewalt gegen die jüdische Minderheit über. Nach Schätzungen von Historikern kamen während der Reichspogromnacht mehrere hundert Juden ums Leben. Die Mehrzahl der Synagogen und jüdischen Gebetshäuser ging in Flammen auf. 
      3. ddp«Diese Tat ist ein ungeheurer Frevel»
        Der Dresdner Bischof Joachim Reinelt hat die Hakenkreuz-Schmierereien an der Synagoge in der Stadt aufs Heftigste verurteilt. «Diese Tat ist ein ungeheurer Frevel», sagte Reinelt am Montag in Dresden. Es sei unfassbar, wie «feige, schändlich und verabscheuungswürdig» in der Stadt unmittelbar vor dem Jahrestag der Pogromnacht die Gefühle aller Dresdner verletzt würden. Mehr »
    4. SUEDKURIER  Konstanz – Eklat bei Gedenkfeier auf jüdischem FriedhofHeftiger Streit bei der Feier zum 9. November: Die Konstanzer Israelitische Kultusgemeinde hat ihre Teilnahme für die Zukunft aufgekündigt. Hintergrund sind Streitigkeiten mit dem Dachverband, unter anderem um den Bau der neuen Synagoge.
      Schuldzuweisungen und Missbrauchsvorwürfe haben die Gedenkfeier zu den Judenpogromen am 9. November 1938 überschattet. Auf dem jüdischen Friedhof attackierte Peter Stiefel, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde, erneut den Dachverband IRG und die Landesregierung. Minia Joneck, Vorsitzende der anderen Gemeinde, und Schirmherr Pfarrer Holger Müller zeigten sich empört. Auslöser des Streit war die Rede von Peter Stiefel und die nachfolgende öffentliche Kritik Holger Müllers. Der Pfarrer hatte Stiefel vorgeworfen, das Gedenken an die Pogrom-Opfer für persönliche Streitigkeiten zu missbrauchen. So hatte Steifel den Dachverband heftig kritisiert und zugleich für ein umstrittenes Projekt der Familie Nissenbaum geworben, die die Kultusgemeinde derzeit aus Privatmitteln finanziert…
    5. AUFMACHEREmma und die Juden

    6. DIE JÜDISCHE„Kristallnacht“ und darüber hinaus – Von Robert Wistrich -Bild 

      Am 9. November 1938 fand noch zu Friedenszeiten ein gewaltiges antijüdisches Pogrom im gesamten Territorium des Dritten Reiches statt. Der Vorwand für diese Orgie der Gewalt gegen die deutschen Juden war das Attentat Herschel Grynszpans, eines 17jährigen polnisch-jüdischen Flüchtlings, auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath in Paris.
      Das staatlich organisierte, von Hitler und Joseph Goebbels angestachelte Pogrom resultierte im in der Niederbrennung oder Beschädigung von mehr als 1000 Synagogen; dem Plündern von etwa 7500 Geschäften, der Ermordung von mindestens 91 Juden und der Deportation von weiteren 30 000 männlichen Juden in die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen.
      Der mörderische Angriff gegen das deutsche Judentum – von den Nazis zynisch als „Kristallnacht“ bezeichnet – war ein wichtiger Wendepunkt auf dem Weg zur „Endlösung“ der sogenannten „Judenfrage“.
      Er gab zu erkennen, dass das Naziregime den Rubikon überschritten hatte und sich bei seinem „Krieg gegen die Juden“ nicht länger von der öffentlichen Meinung im Westen würde abschrecken lassen.
      Die wirtschaftliche Enteignung der deutschen Juden, ihre völlige soziale Ächtung und öffentliche Erniedrigung folgten rasch. Juden wurde die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel untersagt, ebenso der Besuch von Konzerten,
      Theatern, Kinos, Einkaufszentren und Stränden sowie das Sitzen auf öffentlichen Bänken….
    7. ACHGUTBürger Moslem – Von Frank A. Meyer
      Sind die Muslime in Europa heute, was die Juden gestern waren? Eine verfolgte und gefährdete Minderheit? Sind Islamfeindlichkeit und Judenfeindlichkeit also letztlich dasselbe? Handelt, wer den Islam bekämpft, wie ein Antisemit?
      In der Debatte um ein Minarettverbot fallen Sätze wie der von Hisham Maizar, Präsident der Föderation islamischer Dachorganisationen Schweiz: «Es gibt eindeutige Parallelen zwischen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. Etwa die Sündenbockmentalität: Wenn in Afghanistan jemand hustet, dann ist der Schweizer Muslim dafür verantwortlich.»
      In Afghanistan wird nicht gehustet. In Afghanistan wird gemordet: durch schwer bewaffnete Stammeskrieger, durch Selbstmordattentäter, durch die Taliban, durch grausamste Fundamentalisten. Dagegen wird vom Westen Krieg geführt. Es ist ein Krieg für ein bisschen Freiheit und ein bisschen Gleichheit: für ein menschenwürdiges Dasein der Frauen, für Schulen, die auch Mädchen offenstehen.
      Niemand macht Schweizer Muslime für den Terror in Afghanistan – für das «Husten» der Taliban – verantwortlich. Auch nicht für andere Untaten, die im Namen Allahs begangen werden.
      Zwischen Islamgegnerschaft und Antisemitismus herrscht ein sehr wichtiger Unterschied:
      Ziel des Antisemitismus war stets die Verweigerung von gleichen Rechten. Juden wurden gesellschaftlich geächtet, indem man sie stigmatisierte, ihnen Kleidung aufzwang, die sie auf den ersten Blick als Juden erkennbar machte; indem man den Kontakt mit ihnen mied, christliche Kinder nicht mit jüdischen Kindern spielen liess; indem man Juden in Ghettos ausgrenzte; indem man sie verfolgte durch die Inszenierung von blutigen Pogromen….
    8. CLEMENS HENI – Suicide bombing is „not necessarily antisemitic“… – Suicide bombing against Jews in Israel is „not necessarily antisemitic“ – German Professor Wilhelm Kempf lectures in Dublin about today’s antisemitism
      Wilhelm Kempf, since 1977 professor of psychology at the University of Konstanz in the southwest of Germany, gave a lecture on „
      Israel-criticism and modern anti-Semitism“ at the conference of the International Society for Political Psychology in Dublin, June 14-17, 2009.
      Before analyzing his paper in detail, some more information about Kempf. He is not known as an expert in research on antisemitism, rather as psychologist with a background of „peace and conflict“ research. As early as 1999 he published a piece on the Israeli-Palestinian conflict in comparison with the conflict in Northern Ireland. He compares two incomparable conflicts by ignoring the ideological core of anti-Zionist Islamic antisemitism. He goes so far as to claim that a suicide killing by Hamas on April 6, 1994, in Afula, was not resulting „from the ‘extremism‘ of Hamas per se“.
      He does not analyze Hamas ideology. Instead he conforms with mainstream „peace research“, which is in fact a strange terminology for people who have no problem with fascist regimes like today’s Iran or dictatorships in the Arab World, often driven by religious, Muslim, fanaticism and antisemitic public or political culture (see cartoons in Egypt, Saudi, or Syrian newspapers etc.)….
    9. NACHRICHTEN.AT „Wer nicht hüpft, der ist ein Jude“ – 0:3 gegen Hapoel Tel Aviv hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Einige Rapid-Fans sollen durch antisemitische Parolen aufgefallen sein.
      So soll am Donnerstagabend, wie das Nachrichtenmagazin profil in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, „wenige Minuten nach Spielbeginn […] von einem Teil der Rapid-Fans folgender Sprechgesang deutlich zu hören“ gewesen sein: „Hey, hey, wer nicht hüpft, der ist ein Jude.“
      Rapids Pressechef Sharif Shoukry dementiert. „Stimmt nicht. Wir haben uns vorher mit den Fans abgestimmt, und es wurde lediglich gerufen: ‚Wer nicht hüpft, ist Israeli‘.“ Die UEFA hätte Rapid dafür in einem Report gelobt, erklärt Shoukry.
      Laut profil platzten mitten in den Jubel der Hapoel-Fans zum 0:1 Rufe wie „Judenschweine“ oder „Juden, kusch“.
      Erst vor zwei Wochen geriet der Vizemeister beim Auswärtsspiel in Tel Aviv in die Schlagzeilen, da auf TV-Bildern ein Rapid-Fan zu sehen war, der die Hand zum Hitlergruß hob. Gegen den Mann wurde ein dreijähriges Stadionverbot verhängt.
      Rufe wie den eingangs erwähnten gab es heuer schon ein Mal zu hören. Beim Champions-League-Qualifikationsspiel von Red Bull Salzburg gegen Maccabi Haifa sollen einige Salzburg-Anhänger den entbehrlichen Gesang ebenfalls zum Besten gegeben haben.
    10. DEUTSCHLANDFUNK„Wo es kritisch wird, schickt man häufig den Zentralrat vor“ – Vizepräsident des Zentralrats der Juden: Politik und Medien instrumentalisieren Zentralrat für unbequeme Themen -Salomon Korn im Gespräch mit Ernst Rommeney und Ulrich Ziegler
      Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, hat der deutschen Politik und den Medien vorgeworfen, den Zentralrat und „sogenannte Funktionsjuden“ für unbequeme Moralthemen zu instrumentalisieren.
      Salomon Korn, stellvertretender Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. (Bild: AP)
      Salomon Korn, stellvertretender Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. (Bild: AP)
      Deutschlandradio Kultur: Hat der Zentralrat mittlerweile noch den richtigen Namen?
      Salomon Korn: Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat den richtigen Namen, weil es der historischen Situation angemessen ist, dass er sich nicht umbenannt hat. Die Zuwanderung der Juden aus der ehemaligen Sowjetunion hat die Frage, die es ja schon vor zehn und 20 Jahren gab, ob der Zentralrat der Juden in Deutschland sich nicht umbenennen sollte in „Zentralrat der Deutschen Juden“, obsolet gemacht, weil es sicherlich noch ein, zwei Generationen dauern wird, bis diese Frage tatsächlich beantwortet werden kann.
      Deutschlandradio Kultur: Aber interessanterweise wird diese Frage wieder gestellt in den letzten Wochen und Monaten – von Rafael Seligmann, auch Charlotte Knobloch. Warum in dieser Zeit dennoch die Diskussion, wenngleich Sie sagen, wir haben eigentlich im Moment ein anderes Problem?
      Salomon Korn: Ich glaube, das hängt mit der Biografie derjenigen zusammen, die diese Frage aufwerfen. Charlotte Knobloch und Rafael Seligmann sind von ihrer Abstammung her deutsche Juden, wie man so schön sagt, und sind dem deutschen Kulturbereich wesentlich stärker verbunden als die Juden, die nach dem Krieg aus dem Osten Europas hierher gekommen sind und die heute noch im Wesentlichen die Geschicke der Gemeinden bestimmen. Das Bedürfnis, offensichtlich sich mehr und mehr zu Deutschland zu bekennen, ist bei den Juden, deren Eltern, Großeltern und Vorfahren hier groß geworden sind und hier gelebt haben, natürlich über ihre Biografie wesentlich größer und stärker als bei den anderen. Aber die anderen, die eben nicht aus dem deutschen Kulturbereich stammen, bilden die Mehrheit. Und die werden am Ende entscheiden, wann diese Umbenennung erfolgt, wobei das eine reine Etikettierung und eine völlig oberflächliche Angelegenheit ist. Denn es ist viel wichtiger zu wissen, wie man sich innerlich fühlt.
      Ich will Ihnen mal ein Beispiel geben, ein ganz banales: Also, in dieser Woche wurde Theo Zwanziger mit dem Leo-Baeck-Preis ausgezeichnet. Das hat mich an ein Bild erinnert, das ich schon mal früher gebraucht habe, wenn es darum geht zu zeigen, wie sich die Juden in Deutschland allmählich in diese Gesellschaft generieren – von Generation zu Generation. Die Generation, die unmittelbar hierher kam ’45 und danach und auch hier in Deutschland geblieben ist – es sind ja nicht so viele gewesen, ich glaube, 15.000 zunächst -, die hatten zu Deutschland mehr als nur ein ambivalentes Verhältnis. Sie hatten ein ablehnendes Verhältnis, einfach aus der Biografie heraus, weil ihre Eltern und ihre Familienangehörigen ermordet waren – von Deutschen. Für sie war diese Erde mit Blut getränkt und ist es wohl auch bis ans Lebensende. Daher wollen viele von ihnen auch nicht in deutscher Erde begraben werden, sondern haben sich ihr Grab in Israel gekauft.
      Diese Generation hat – jetzt komme ich sozusagen auf Theo Zwanziger zurück -, während die deutsche Nationalmannschaft spielte in den 50er- und 60er-Jahren, immer darauf gehofft, dass die deutsche Nationalmannschaft verliert, immer. Das hat sich mit der nächsten Generation geändert. Die nächste Generation war ambivalent gegenüber der deutschen Nationalmannschaft. Und es war ihr, ich weiß nicht, ob es ihr gleich war oder nicht oder ob sie heimlich doch dafür waren, dass die deutsche Nationalmannschaft gewinnt. Nach außen hin haben sie es nicht gezeigt, aber die ansässige Mannschaft, die ansässige Bundesligamannschaft – ob Bayern München oder Frankfurt oder Hertha BSC – zu der hat man gehalten in der zweiten Generation. Die musste gewinnen. Ob die deutsche Nationalmannschaft gewann oder nicht, das war dieser zweiten Generation nicht so wichtig. Jetzt, in der dritten Generation, stelle ich fest, es ist dieser dritten Generation sehr wichtig, dass sowohl die ansässige Bundesligamannschaft als auch die deutsche Nationalmannschaft gewinnt. 

      1. AD HOC NEWSPolitik instrumentalisiert Zentralrat für Moralthemen
        Medien und Gesellschaft würden sich nicht trauen, bestimmte moralische Fragen selbst zu behandeln Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, hat Politik und Medien vorgeworfen, den Zentralrat für unbequeme Moralthemen zu instrumentalisieren. So versuchten Politiker und auch ein Großteil der Bevölkerung, das unbequeme Thema extremistischer Tendenzen an den Zentralrat zu delegieren, kritisierte Korn am Samstag im Deutschlandradio Kultur.
        Die verantwortlichen Bürgermeister, Minister oder Ministerpräsidenten würden auf den Zentralrat vertrauen, statt sich selbst die notwendigen Gedanken zu machen.
        Medien und die Gesellschaft würden sich nicht trauen, bestimmte moralische Fragen selbst zu behandeln, kritisierte Korn. Er bezeichnete dieses Verhalten als «partielle Selbstentmündigung in moralischen und ethischen Fragen». Für Themen, die Juden, den Zentralrat oder Israel betreffen, würden in Deutschland «sogenannte Funktionsjuden» eingespannt, sagte Korn.
        Kurz vor dem 71. Jahrestag der Reichspogromnacht fühlten sich Juden in Deutschland zunehmend zu Hause, sagte Korn. Je stärker Generation für Generation in diese Kultur «mit ihren jüdischen, christlichen Wurzeln» eingebunden werde, desto stärker werde auch die Bindung an diese Kultur und dieses Land, sagte der Vizepräsident des Zentralrats. Korn verwies beispielhaft auch auf die Identifikation jüngerer Juden in Deutschland mit der Fußballnationalmannschaft.

      2. EVANGELISCH Zentralrats-Vize: Juden fühlen sich zunehmend zu Hause
        Wer baut, der bleibt: Modell der neuen Mainzer Synagoge, deren Grundstein vor einem Jahr gelegt wurde. Foto: dpa  
        Wer baut, der bleibt: Modell der neuen Mainzer Synagoge, deren Grundstein vor einem Jahr gelegt wurde. Foto: dpa
         
        Religionen –
        Die Bindung der in der Bundesrepublik lebenden Juden an Deutschland ist nach Einschätzung von Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, beständig gewachsen. In Deutschland leben rund 200.000 Juden. Viele von ihnen sind nach dem Ende des Kommunismus aus Osteuropa zugewandert. 
         
        „Juden fühlen sich in Deutschland zunehmend zu Hause“, sagte Korn am Samstag im Deutschlandradio Kultur. Er verwies auf die Identifikation jüngerer Juden in Deutschland mit der Fußball-Nationalmannschaft. So habe die erste Generation der Juden nach dem Zweiten Weltkrieg immer gehofft, dass die deutsche Mannschaft verliert. Die zweite Generation habe begonnen, zu den Bundesligamannschaften ihrer jeweiligen Städte zu halten. „Jetzt in der dritten Generation stelle ich fest, dass es dieser dritten Generation sehr wichtig ist, dass sowohl die ansässige Bundesligamannschaft als auch die deutsche Nationalmannschaft gewinnt.“
         
        Korn warf Politik und Medien vor, den Zentralrat für Moralthemen zu instrumentalisieren. So versuchten Politiker und auch ein Großteil der Bevölkerung, das unbequeme Thema extremistischer Tendenzen an den Zentralrat zu delegieren. Die verantwortlichen Bürgermeister, Minister oder Ministerpräsidenten würden auf den Zentralrat vertrauen, statt sich selbst die notwendigen Gedanken zu machen. Allerdings äußerte Korn auch Selbstkritik: „Ich gebe zu, wir sind tatsächlich manchmal wie die Gänse auf dem Kapitol. Wir schnattern, wenn wir glauben, dass was los ist. Und manchmal schnattern wir vielleicht einmal zu viel.“ Es könne sein, dass das zu einer Inflationierung führt. „Das will ich alles nicht bezweifeln, aber es ist ein Prozess auf Gegenseitigkeit“, sagte Korn.
    11. FR – Interview zum 9. November Ein anderes Land 
      Frau Korenke, was stört Sie an dem Gedenktag 9. November?
      Ich bin gegen den 9. November aus ganz vielen Gründen. Erstmal ist schon die Benennung dieses Tages ausgespochen seltsam. Warum heißt das Reichskristallnacht? Das ist von den Nazis vorgegeben. Das finde ich nicht akzeptabel. Als Gedenktag finde ich den Tag der Befreiung von Auschwitz am 27. Januar viel besser geeignet. Im Übrigen bin ich davon überzeugt, dass man die Mehrfachbedeutung des 9. November nicht in einen Gedenktag packen kann. Was am 9. November 1989 passiert ist, gibt uns Anlass zu größter Freude.
      Wie sehen Sie das, Frau Lior?
      Ich sehe das sehr differenziert. Für meinen Großvater markierte der 9. November 1938 eine Zäsur: Für ihn begann der Holocaust und es wurde ihm klar, dass er nicht länger in Deutschkland bleiben wollte. Er reiste gemeinsam mit meiner Großmutter nach Palästina und sie loteten aus, ob sie dort leben könnten. Denn mein Großvater hatte keinen Zweifel mehr, dass in einem Land, in dem man Bücher verbrennt, bald auch Menschen verbrannt werden könnten…

      Frau Korenke, der 9. November ist ein schwerer Tag, am 10. November ist alles vorbei. Komische Sache, oder?
      Die Erinnerungskultur der Deutschen ist in den USA wie in Israel anerkannt.
      Diese Erinnerungskultur ist ungeheuerlich.
      Was meinen Sie damit?
      Ungeheuer ausgeprägt in diesem Sinne: Wenn in Schwanheim ein Feuerwehrverein Jubiläum feiert, wird selbstverständlich derer gedacht, die damals ausgeschlossen worden sind, weil sie Juden waren. Wenn irgendwo ein Haus neu gebaut wird, gedenkt man selbstverständlich jener, die dort mal gelebt haben und Juden gewesen sind. Von den Stolpersteinen sind ja auch nicht wenige verkauft worden. Der 9. November ist für mich nur die Spitze dieser Aktivitäten. Warum aber gedenkt man überhaupt? Aus Reue? Hinter all dem Gedenken steckt der Wunsch nach Entlastung, deshalb ist auch oft am 9. November stets ein Israeli dabei. Weil wir den Israelis zumuten, dass sie uns verzeihen. Bestimmt haben die Gedenkenden hehre Motive, das zu tun, ich aber kann das wenig akzeptieren. Es kann doch dafür keinen Mechanismus geben. Mein Engagement kommt von einer ganz anderen Seite. Mir geht es um Israel. Ich kann überhaupt nicht verstehen, dass man für die toten Juden alles tut, aber man möglichst vermeidet, mit den lebenden Juden umzugehen... 
      Wenn wir in 20 Jahren des 9. Novembers gedenken, dürfte das dann nicht viel anders als heute sein, Frau Korenke?
      Ich bin mit solchen Verallgemeinerungen zurückhaltend. Ich habe erst kürzlich eine würdevolle Veranstaltung zum Gedenken erlebt, die von dem Bemühen von Schülern stark getragen worden ist. Und doch bleibt die Frage: Was bedeutet Erinnerung? Ist Erinnerung gleich „Nie wieder“? Oder ist Erinnerung Völkerverständigung? Gerade bei den Jungen ist die Distanz gegenüber Israel viel ausgesprägter als bei den Älteren, die würden sich doch gar nicht wagen, Israel zu kritisieren. Also bleibt die Frage nach dem Wert des Erinnerns.
      Was also könnte die Erinnerungskultur gut gebrauchen, Frau Korenke?
      Sie braucht eine Internationalisierung und eine Aktualisierung. Die Erinnerung bezieht sich nicht auf die Gegenwart, sie bleibt allein in Historie verhaftet.
      Das aber hängt vielleicht auch damit zusammen, dass es im Einwanderungsland Deutschland kein gemeinsames Geschichtsbewusstsein mehr gibt, das Identität stiften könnte.
      Deswegen ist es nötig, das Thema Erinnerungskultur ganz neu zu betrachten. Spätestens dann, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt. Dann brauchen wir neue Glaubwürdigkeiten.
      Wie diskutieren Sie die Zukunft der Erinnerung, Frau Lior?
      Die Deutschen wissen alles über den Holocaust, über diese Geschichte. Sie sind voll damit. In der Gegenwart wollen sie viel mehr über den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern erfahren. Ich bin in einem Land des Krieges aufgewachsen, junge Deutsche im Frieden. Sie verstehen die Lage in Israel nicht. Ich möchte auch in Frieden leben, aber so einfach wie sich das manche Deutsche vorstellen, ist das nicht zu machen. Ich kann junge Deutsche nur ermuntern, nach Israel zu kommen, um die Situation zu verstehen.
       
    12. LIZAS WELTRichard Wagners Negerküsse
      Daniel Barenboim dirigiert zum 9. November den „Lohengrin“ am Brandenburger Tor, und ein Herr namens Wagner findet das so toll wie sonst nur Negerküsse.

      Vorspiel

      Jubel, Trubel, Heiterkeit
      Seid zu Heiterkeit bereit
      Mein Name ist Hase, ich weiß Bescheid
      Wer eine schöne Stunde verschenkt
      Weil er an Ärger von gestern denkt
      Oder an Sorgen von morgen
      Der tut mir leid
      Mein Name ist Hase, ich weiß Bescheid   
      Trauerspiel

      Allenthalben begegnet einem die Forderung, doch nicht alles gar so negativ zu sehen. Und sie hat etwas Richtiges: Das Gute an den Feierlichkeiten zum zwanzigsten Jahrestag des Mauerfalls ist beispielsweise, dass sie in wenigen Stunden vorbei sind. Und auch historisch gesehen ist das größte anzunehmende Unglück nicht eingetreten: Das Vierte Reich ist nämlich ausgeblieben.
      Das real existierende Deutschland 2009 genügt aber schon. Der Schutzwall, der kein antifaschistischer war, sondern Zonenbewohner zuvörderst von kapitalismusinduziertem Konsum und demokratischen Mindeststandards abhielt, ist perdu, und mit ihm – das ist noch keine große Dialektik – auch die Versicherung gegen eine Wiederkehr deutscher Normalität. Nicht der blanke Wahn des Nationalsozialismus, sondern seine in demokratischen Jargon verpackte Fassung wurde nach 1989 restauriert: Was dem Antisemiten früher der Jude war, ist ihm nun der Judenstaat, und beim Blick zum „Bündnispartner“ tief im Westen verstaubt nicht die Sonne, sondern der Verstand, und es grönemeyert in nunmehr gesamtdeutschem Konsens: „Du kommst als Retter in jeder Not, zeigst der Welt deinen Sheriffstern, schickst Sattelschlepper in die Nacht, bringst dich in Stellung: Oh, Amerika, du hast viel für uns getan. Oh, Amerika, tu uns das nicht an.“ Die einstige Teilung Deutschlands zwischen Ost und West ist aufgehoben; ihr folgte die zwischen Stadt und Land. Während in den Metropolen tonangebend Linke, Liberale und selbsterklärte Alternative den Islamofaschismus vor der eigenen Haustür (geografisch genauer: meist „nur“ im benachbarten Stadtbezirk) als zu respektierende kulturelle Eigenart salvieren, geht es in den Provinzen, die oft nicht allein im Osten ausländerfrei geprügelt wurden, mit der NPD sowie ihren Kamerad- und Anhängerschaften noch sehr konventionell respektive führerkompatibel zu.….
       
      1. NRHZ – Aktuelles – Wagners Urenkel protestiert gegen „Lohengrin“-Vorspiel am 9. November – Reichspogromnacht vergessen?
    13. MATTHIAS KÜNTZEL Amerika auf Abwegen Obamas Dialogpolitik mit dem iranischen Regime
      Bei den jüngsten Irangesprächen in Genf und Wien waren es nicht die Winkelzüge der Iraner, die Erstaunen auslösten, sondern die Politik der USA. Während früher Washington den Druck auf Iran zu erhöhen suchten und Europa auf die Bremse trat, ist es heute Obama, der auf die Bremse tritt, während Frankreich und Großbritannien auf Sanktionen pochen. Während George W. Bush den Islamismus in Iran anprangerte, schmeichelt sich sein Nachfolger mit Komplimenten und Verharmlosungen ein. Während es früher die Europäer waren, die ihre Misserfolge im „Dialog“ als Erfolge präsentierten, übernimmt heute Washington diesen Part.
      Das Schlüsseldatum der alten amerikanischen Iranpolitik ist der 23. Dezember 2006. An diesem Tag hatten die USA nicht nur erreicht, dass der Sicherheitsrat die Mullahs einstimmig aufforderte, unverzüglich alle Arbeiten an der Urananreicherung und den Plutoniumprojekten einzustellen. Gleichzeitig wurden zur Durchsetzung dieser Forderungen Sanktionen gegen Iran verhängt. Diese Sanktionen verbieten bis heute jeden Nuklearhandel mit Iran. Ihre materielle Reichweite war und ist begrenzt – doch wiegt ihr juristisches Gewicht bis heute schwer. Einstimmig stufte damals der Sicherheitsrat die Atompolitik Irans in Resolution 1737 als eine Bedrohung des internationalen Friedens ein. Erstmals wurde für den Fall, dass Teheran den UN-Aufforderungen nicht nachkommt, mit einer Druckerhöhung nach Artikel 41, Absatz VII der UN-Charta gedroht. Artikel 41 listet auf, wie ein Staat nicht-militärische genötigt werden kann, UN-Beschlüsse zu befolgen: Durch die teilweise oder vollständige Einstellung der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen, durch Blockierung aller Verkehrsverbindungen, durch Unterbrechung des Post- und Funkverkehrs.
      Das Schlüsseldatum der neuen amerikanischen Iranpolitik ist der 11. September 2009. An diesem Tag willigten die USA in Irangespräche ein, bei denen die iranische Urananreicherung in Natanz und die neu entdeckte Geheimanlage in Qum ausdrücklich nicht auf der Tagesordnung standen. Gespräche zu Bedingungen, die allein von Teheran diktiert wurden – dies allein kam einer Missachtung der Beschlüsse des Sicherheitsrats gleich. 
    14. Zu guter letzt noch ein wichtiger Veranstaltungshinweis…
      Der Goldstone-Report und seine Folgen
      Podiumsdiskussion
      Montag, 23. November, 19 Uhr
      Neue Synagoge, Oranienburger Straße 28-30, Berlin
      Podiumsteilnehmer:
      – Emmanuel Nachshon, Gesandter des Staates Israel
      – Richard Herzinger, Redakteur der Welt am Sonntag
      – Levi Salomon, Jüdische Gemeinde zu Berlin
      – Moderation: Sacha Stawski, Vorsitzender und Chefredakteur Honestly Concerned e.V.
      Weitere Podiumsteilnehmer sind angefragt.
      Im Anschluss wird es einen Empfang geben.

      Der Mitte September veröffentlichte sogenannte Goldstone-Bericht kommt zu dem Schluss, dass sowohl die israelischen Streitkräfte als auch die radikalislamische Hamas im Gaza-Krieg Kriegsverbrechen und vermutlich auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. Die Untersuchung unter Leitung des ehemaligen südafrikanischen Richters Richard Goldstone wurde vom UN-Menschenrechtsrat in Auftrag gegeben, welcher von autokratisch regierten Staaten dominiert wird.
      Der israelische Staatspräsident Shimon Peres griff den Bericht scharf an und nannte ihn eine „Verhöhnung der Geschichte“, da dieser nicht zwischen einem Aggressor und einem Staat unterscheide, der sein Recht auf Selbstverteidigung wahrgenommen habe.
      Auch die Quellen, auf die der Bericht Bezug nimmt, wurden von verschiedenen Seiten beanstandet. Es wurden unter anderem Publikationen und Zeugenaussagen unterschiedlicher NGOs wie Human Rights Watch, Palestinian Center for Human Rights und Breaking the Silence verwendet – alles Organisationen, die schon in der Vergangenheit durch anti-israelische Aktivitäten aufgefallen sind. Überdies kommen einige der Kommissionsmitglieder aus dem Umfeld dieser NGOs, so hatte etwa Goldstone eine führende Position bei Human Rights Watch inne und trat erst im Zuge der Entstehung der Untersuchungskommission aus der Organisation aus.
      Obwohl Goldstone selber bestätigte, dass sein Bericht vor einem Gericht keine Beweiskraft habe, nahm der UN-Menschenrechtsrat Mitte Oktober eine sich auf ihn stützende Resolution an. Neben der ausdrücklichen Billigung des Goldstone-Reports wird in der Resolution auch das Vorgehen Israels in den besetzten Gebieten wie beispielsweise der Siedlungsbau und die Zugangsbeschränkungen verurteilt.
      Israel lehnte die Resolution als einseitig und ungerecht ab. Selbst Goldstone, auf dessen Report sich die Resolution beruft, hatte bereits vor der Veröffentlichung des Abstimmungsergebnisses den Wortlaut der Empfehlung kritisiert, da sie keinerlei Verurteilung der Hamas beinhalte. Die palästinensische Autonomiebehörde dagegen begrüßte die Resolution und erklärte, gegen die vermeintlichen Kriegsverbrechen Israels weiter vorgehen zu wollen. Auch die Hamas beglückwünschte sich zu ihrem „Sieg“ über Israel.
      Nun ist geplant, die oben genannte Resolution der UN-Vollversammlung vorzulegen, welche die Möglichkeit hat, internationale juristische Aktionen gegen Israel zu fordern. Demnach könnte der Fall theoretisch auch an den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag weitergeleitet werden.
      Welche Hintergründe der Goldstone-Report hat, welche Funktion er im internationalen Diskurs einnimmt und welche Rezeption er hier in Deutschland erfährt – darüber wollen wir am Montag, den 23. November um 19 Uhr im Centrum Judaicum diskutieren. 

           

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