Österreich übergibt Golanhöhen

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Jerusalem, 6. Januar 2010 – Österreich wird ab dem 4. Februar nicht mehr „Besatzer“ auf den Golanhöhen sein. Generalmajor Wolfgang Jilke, der österreichische Oberbefehlshaber von 1047 Soldaten, darunter 385 Militärs aus Osterreich, wird heimkehren. Jilke, 1949 in Innsbruck geboren, hat drei Jahre lang einen 75 Kilometer langen Landstreifen, zwischen 9 Kilometer und 250 Meter breit, kontrolliert und beherrscht. Zu seiner österreichischen Uniform trägt er ein hellbaues Barret mit der Aufschrift UNDOF. Das sind die UNO Beobachter in der 1973 zwischen Syrien und Israel auf den Golanhöhen eingerichteten Entflechtungszone. Im österreichischen Hospiz in Jerusalem zog Jilke eine kritische Bilanz.
Seine Truppe unterhält zwischen der Alpha-Linie im Westen und der Beta-Linie im Osten insgesamt 20 Stützpunkte. Die Linien sind mit roten Tonnen gekennzeichnet. Weder israelische noch syrische Militärs dürfen sie überschreiten. Auf dem über 2800 Meter hohen Hermonberg steht die höchste Position. Um sie im Winter verlassen zu können, wenn alles bei Minus 47 Grad eingeschneit ist, wurde eine Luke in das Dach eingebaut. Bei der südlichsten Position im Länderdreieck Syrien, Israel und Jordanien herrschen im Sommer bis zu 45 Grad Hitze. Zwar verfügt die kleine UNO-Armee über Schneepflüge und wendige gepanzerte Truppentransporter. „Aber in dem unwegsamen Gelände müssen die Soldaten ihre Patrouillen bei den extremen Temperaturen zu Fuß absolvieren. Das zehrt an Mensch und Material.“ Obwohl im ganzen Nahen Osten die Waffenstillstandslinie zwischen Israel und Syrien auf den Golanhöhen die ruhigste Grenze überhaupt ist, hatte die UNDOF 53 Tote zu beklagen, durch Unfälle und explodierte Minen im ehemaligen Kriegsgebiet. Elf Soldaten verübten Selbstmord.
Früher durften syrische Bauern ihre Felder sogar im israelisch besetzten Gebiet jenseits der roten Tonnen betreten. „Ich habe erreicht, dass syrische Bauern 20 Felder im israelischen Gebiet mit UNO-Begleitung beackern und abernten dürfen.“ Seit dem Libanonkrieg 2006 lassen die nervösen Israelis das nicht mehr zu. Wenn syrische Bauern auf ihren Feldern östlich der roten Tonnen der Alpha-Linie alte Minen entdecken, werfen sie die ihren ursprünglichen Besitzern zu, den Israelis. Die beobachten das Treiben der Syrer oft nur wenige Meter entfernt. „Das sind die gefährlichsten Situationen. Die Israelis sehen das als Terrorakt. Sie schießen. Wenn dann noch die leicht bewaffnete syrische Muhabarat-Geheimdienstleute kommen, kann solch ein Zwischenfall leicht zum Krieg eskalieren. Wir müssen als neutrale Truppe sofort zur Stelle sein und die Streithähne entflechten“, sagt Jilke.
Laut UNO-Mandat dürfen die Blauhelme unter Jilkes Befehl alle zwei Wochen Militärstellungen der Syrer und Israelis betreten und um Soldaten und Waffen zu zählen. Beiderseits der Waffenstillstandslinien sieht das Waffenstillstandsabkommen von 1973 eine beschränkte Militärpräsenz vor. Doch was machen die in der Zwischenzeit? Jilke erzählt schmunzelnd, für seine Offiziere aus Polen, den Philippinen und anderen Ländern „Kennlerntouren“ erfunden zu haben. So beobachten sie täglich das Geschehen rund um kritische Militärstellungen.
In dem kleinen österreichischen Königreich im Nahen Osten sei die syrische Zivilbevölkerung zwischen 1974 und 2006 von 5000 auf 100.000 angewachsen. Die meisten seien Bauern. Im Lazarett auf der syrischen Seite, Camp Fawar, würden in Notfällen auch syrische  Zivilisten behandelt. „Wir haben viele Fälle von Kleinkindern mit sehr schweren Verbrennungen am ganzen Körper“, sagt Jilke, während er einige schreckliche Bilder auf die Leinwand wirft. „Kleinkinder werden zur Strafe mit kochendem Wasser übergossen. Das ist bei den Syrern offenbar Sitte.“
Es gebe keinerlei Kontakt zwischen israelischen und syrischen Militärs. Aber Jilke habe eine Methode entworfen, Botschaften zu übermitteln, obgleich beide Seiten nicht miteinander reden. Die Israelis schreiben einen Brief. Jilke begibt sich zu den Syrern und liest ihnen den Brief vor. Die Syrer weigern sich dann, den israelischen Brief entgegen zu nehmen. Jilke lacht: „Die Botschaft kommt trotzdem an, weil ich ja den Brief vorlese.“ Obgleich beim Thema Sicherheit in dieser Region „selbst der normale Menschenverstand ausgeschaltet wird“, gibt es dennoch einen vom Internationalen Roten Kreuz organisierten und von UNO-Soldaten durchgeführten kleinen Grenzverkehr. Bräute, Studenten, drusische Pilger, Verstorbene und 6000 Tonnen Äpfel drusischer Bauern im israelisch-besetzten Golan überqueren den verschlossen Grenzübergang nahe der zerstörten Stadt Kuneitra.
Jilke bedauert im Privatgespräch, dass die UNO für ihn noch keinen Nachfolger bestimmt habe, denn er würde gerne die von ihm initiierten Projekte ordentlich übergeben. Voraussichtlich werde ein General aus den Philippinen das Szepter in der Entflechtungszone übernehmen.


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