Ein Hetzer ohne Ahnung
Ulrich W. Sahm
Jerusalem, 16. Januar 2010 – Die „Außenansicht” eines vermeintlichen Insiders beim Thema Antisemitismus, in der Süddeutschen Zeitung von Wolfgang Benz veröffentlicht, entpuppt sich bei genauem Hinschauen als eine ungeheuerliche, geradezu antisemitische Hetze.
Hätte Benz sich darauf beschränkt, einen offenbar angeborenen Fremdenhass gegen Juden mit Fremdenhass gegen Türken und andere „Ausländer” zu analysieren, hätte man mögliche Parallelen vielleicht durchgehen lassen können. Dem „Juden raus” folgte in den sechziger Jahren das „Türken raus”.
Xenophobie ist ein weltweit verbreitetes Phänomen, kulturübergreifend und in jedem Fall gefährlich.
Doch der Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin geht weit über dieses von ihm nicht einmal erwähnte Phänomen hinaus. Benz sollte bekannt sein, dass der Antisemitismus, der Hass auf Juden, nicht erst von dem „renommierten deutschen Historiker und populären Publizisten” Heinrich von Treitschke (1834 – 1896) erfunden worden ist. Auch die notorische Hassschrift des zaristischen Geheimdienstes, die “Protokolle der Weisen von Zion”, stehen nicht am Anfang einer „Überfremdungsangst”, sondern eher am Ende einer Entwicklung, die wenig später zu Auschwitz führte. Benz scheint weder Martin Luthers Spätschrift „Von den Lügen der Jüden” zu kennen, noch die antijüdische Hetze der Kirchenväter des vierten Jahrhunderts, als die Juden zu „Gottesmördern” erklärt wurden. Er scheint weder von den mittelalterlichen „Brunnenvergiftern” noch von den Blutlegenden gehört zu haben, die immer wieder zu grausamen Judenverfolgungen geführt haben, nicht nur der Kreuzfahrer, sondern auch der Spanier während der Inquisition. In all diesen Perioden waren die Juden bestenfalls eine geduldete Minderheit. Sie mussten sich „Schutzbriefe” mit viel Geld erkaufen, um in engen Ghettos ihr Leben zu fristen. Gleichzeitig waren Juden mit einem „Berufsverbot” belegt, bis hinein in die Neuzeit. Da Juden kein Land besitzen und Bauern sein durften, waren sie gezwungen, sich intellektuell zu betätigen oder Handel zu treiben. Daraus wurde dann das Gespenst der vermeintlichen „Überfremdung” in Deutschland, weil eben Heinrich Heine die schönsten Gedichte schrieb, Karl Marx die umfassendste Gesellschaftskritik, Franz Kafka die schönsten Romane und Kurt Tucholsky die bissigsten politischen Kommentare. Was heißt hier „Überfremdung”? Selbst die Nazis konnten die „Lorelei” nicht verbieten. Urdeutscher könnte der Beitrag dieser Juden zur deutschen Kultur nicht gewesen sein.
„Millionen glauben an das Bild vom Juden als Inkarnation des Bösen in der Welt, welches die “Protokolle” suggerieren”, schreibt da Benz und vergisst, dass die christlichen Kirchen seit fast 2000 Jahren die Juden zum Ahasver, zum Anti-Christen, zur „Inkarnation des Bösen” gemacht haben. Nicht erst Treitschke „verlieh dem Antisemitismus Reputation und Schubkraft”. Eine Judeophobie gab es schon Jahrhunderte zuvor.
„Die unterschwellig bis grobschlächtig praktizierte Diffamierung der Muslime als Gruppe durch so genannte “Islamkritiker” hat historische Parallelen”, behauptet Benz, doch derartige Parallelen gibt es nicht. Solange man in Deutschland fast nichts über den Islam wusste, wurde der Islam als eine späte, nicht weiter ernst zu nehmende Religionserfindung belächelt. Während sich das Christentum stets in einem vermeintlichen Konkurrenz- und Rechtfertigungskampf mit dem „von Gott auserwählten Volk” zu befinden glaubte, war doch der Islam nur eine neuere „Sekte”, mit der sich der Vatikan oder die Theologen genauso wenig auseinander setzen mussten, wie mit Hare Krischna, den Mormonen oder gar den Buddhisten und Hinduisten. Allein mit den Juden hatte das christliche Abendland ein echtes Problem. Denn jeder noch auf zwei Beinen laufende Jude stellte die „Wahrheit” des christlichen Glaubens und des „neuen Bundes” Gottes in Frage. Wenn Juden nicht umgebracht wurden, so wurde halt alles getan, sie durch Mission, Zwangstaufe und seit der Aufklärung durch Emanzipation abzuschaffen. Sogar die sehr verspätete Anerkennung des Staates Israel durch den Vatikan hatte tiefe theologische Gründe, weil nicht sein durfte, dass sich das zur Verstreuung verdammte Volk in einem eigenen Staat und noch dazu im Heiligen Land sammelte.
Der „Islam” als vermeintliches Hass-Objekt existiert erst seit wenigen Jahren. Als die ersten türkischen Gastarbeiter nach Deutschland kamen, galten die Parolen „Türken raus” nicht ihrem Glauben, sondern ihren fremden Sitten. Das war Fremdenhass pur.
Was Benz als „Islamkritik” bezeichnet hat jüngere Ursachen, die absolut nichts mit „historischen Parallelen” zu tun haben, wie Benz behauptet.
Blinde Hetze gegen den Islam ist genauso wenig zu rechtfertigen wie der Versuch, aus der „Religion des Friedens” eine Gebrauchsanweisung für Kinderschänder, „Heilige Krieger” oder Frauenunterdrücker zu machen. Darum geht es nicht. Zumal das Christentum den vermeintlichen „Rachegott” der Juden erfunden hat, während man sich selbst für Anhänger des „Gottes der Nächstenliebe” hielt. Niemandem, nicht einmal Luther, ist aufgefallen, dass Jesus den Spruch „Liebe deinen Nächsten” lediglich zitierte, mit einem „wie geschrieben steht”. Weder Koran noch Neues Testament gab es damals, aus dem Jesus hätte zitieren können…
Der „Islam” und die in Europa durchaus verbreitete Angst vor ihm gibt es erst seit zehn, zwanzig oder höchstens dreißig Jahren. Wahrscheinlich aber erst seit dem 11. September 2001. Bis dahin war der Islam gar kein Diskussionsthema.
Ein Jahr danach, im Dezember 2002, hatte der extremistische Scheich Jusuj Qardawi aus Qatar, heute bekannt als einer der einflussreichsten islamistischen Prediger, erklärt: „Nach Konstantinopel werden Rom und der Rest Europas folgen. Es gibt Zeichen, dass der Islam nach Europa als Eroberer zurückkehrt und triumphieren wird. Ich glaube, dieses Mal werden wir Europa erfolgreich erobern, nicht mit dem Schwert, sondern durch die Verbreitung islamischer Ideologie.” Heute würde jede Nachrichtenagentur einen solchen Spruch als berichtenswert aufgreifen und die „Angst vor dem Islam” zusätzlich schüren. Im Dezember 2002 beschied eine Redakteurin der Katholischen Nachrichtenagentur in Bonn: „Einen derartigen Schwachsinn verbreiten wir nicht.” Wenn es damals, vor sieben Jahren schon die heutige Diskussion über Islam oder eben „Islamkritik” gegeben hätte, wäre ein derartiger Spruch des in der islamischen Welt bekanntesten, aber in Deutschland noch völlig unbekannten islamischen Ideologen, nicht im Papierkorb gelandet.
„Nicht jeder Moslem ist ein Terrorist, aber (fast) jeder Terrorist ist ein Moslem.” Dieses geflügelte Wort wird inzwischen den Sicherheitsleuten auf Flughäfen in aller Welt eingeschärft. Das Problem bei diesem vermeintlich diskriminierenden Spruch sind nicht jene Terroristen, die mit einem „Allah uakbar” auf den Lippen in New York, London, Madrid, in Israel, Libanon, Pakistan, Irak und Indien, in Tschetschenien, in der Türkei und in Ägypten als Selbstmordattentäter Massenmorde begehen. Das Problem ist vielmehr „der” Islam. Islamische Geistliche schweigen nach besonders mörderischen Attentaten, die durchaus „im Namen der Religion” verübt wurden. Andere bieten Rechtfertigungen, oder finden Verschwörungstheorien. „Die vermeintlichen Attentäter vom 11. September 2001 besaßen doch gar keine Flugzeuge”, sagte mir der damalige Jerusalemer Mufti, Ekrem el Sabri, just an dem Tag, an dem in Bagdad die Amerikaner Saddam Hussein vom Sockel stürzten, am 9. April 2003. Deshalb hätten der CIA oder der Mossad das World Trade Center zum Einsturz gebracht, behauptete der Mufti.
Im Januar 2002, nach Selbstmordattentaten in Israel und dem 11. September kam es zum ersten „dramatischen” interreligiösen Gipfel in Kairo, an dem sich der anglikanische Erzbischof von Canterbury und führende Rabbiner aus Israel beteiligten. Erstmals wurde in der sogenannten „Alexandria Deklaration” Massenmord im Namen Gottes scharf und eindeutig als Sünde verurteilt. Die Repräsentanten des Islam waren dabei der Großscheich von Al Azahr in Kairo, Scheich Mohammed Sayed Tantawi, die höchste Autorität des sunnitischen Islam, und Sheikh Taisir Tamimi, Oberrichter der Scharia Gerichte der palästinensischen Autonomiebehörde. Tamimi wurde zu einer Berühmtheit, weil er entgegen dem Protokoll beim Besuch von Papst Johannes Paul II sowie beim Besuch von Papst Benedikt XVI im Heiligen Land die Gelegenheit nutzte, mit hasstriefenden Hetzreden zur Zerstörung des jüdischen Staates aufzurufen. Scheich Tantawi hatte schon einen Tag nach der Unterzeichnung der Erklärung von Alexandrien eine Fatwa (Richtspruch) veröffentlicht, in der er ausdrücklich Selbstmordattentate gegen Aggressoren und Besatzer befürwortete.
Benz verkennt, dass der Islam eine Massenreligion mit Milliarden Anhängern in zwei Dutzend Staaten mit den größten Ölvorkommen der Welt, riesigen Armeen und durchaus antiwestlichen Ideologien ist. In Pakistan war schon die Rede von der „islamischen Bombe”, als Pakistan Atommacht wurde. Irans Rhetorik gegen den Westen mitsamt seinem Streben nach der Bombe werden nicht mit pragmatischem Machtstreben gerechtfertigt, sondern mit islamisch-theologischen Vorstellungen vom Mahdi (Messias) und einem apokalyptischen Endzeitkrieg.
Möge Benz in der langen Geschichte des zahlenmäßig bis heute winzigen jüdischen Volkes (nur 13 Millionen Menschen weltweit), bis 1948 überall nur eine Minderheit, eine historische Parallele zu der vermeintlichen, empfundenen oder tatsächlichen Bedrohung der Welt finden, wie sie heute teilweise islamischen Ländern ausgeht. Niemals und nirgendwo, gewiss nicht in Deutschland, stellten die Juden jemals eine akute Gefahr für den physischen Bestand des deutschen Volkes dar. Bis zur Gründung Israels gab es weder eine jüdische Armee noch eine jüdische Atombombe. 1973 jedoch war die arabische Welt fähig, die gesamte Welt mit einem Ölboykott unter Druck zu setzen, damals allerdings noch nicht mit islamischen Argumenten.
Ungeachtet der Frage, ob die Angst der Deutschen vor „den” Moslems gerechtfertigt, übertrieben oder nur eine Phobie ist, kann selbst Benz nicht wegdiskutieren, dass die islamisch/arabische Welt mit automatischen Mehrheiten in der UNO, mit seinen Geldreserven, dem Öl und nicht zuletzt mit militärischen Mitteln dem Westen und nicht nur Israel oder den USA die Stirn bietet. Das ist ein Phänomen, das niemals und nirgendwo von den Juden ausging. Selbst das antisemitische Argument einer vermeintlichen „jüdischen Weltherrschaft” lässt sich nicht vergleichen mit der tatsächlichen oder vermuteten Gefahr, die heute von einigen islamischen Staaten ausgeht oder ausgehen könnte, falls etwa El Qaeda Zugriff auf die pakistanische Atombombe erhalten sollte oder Ägypten an die Moslembrüder fallen sollte. El Qaeda im Jemen, die Hisbollah im Libanon und die Hamas in den Palästinensergebieten liefern jetzt schon beängstigende Beispiele für mögliche Entwicklungen auch in anderen Teilen der arabisch/islamischen Welt, vom Mullah-Regime im Iran ganz zu schweigen.
Das alles hat nichts oder nur wenig mit dem Koran oder der Religion des Islam zu tun. In jüdischen wie christlichen Heiligen Schriften kann man genauso schlimme Sprüche finden, die Extremisten anfeuern könnten.
Die von Benz monierte „Islamkritik” ist vielmehr eine reale Angst wegen einem politischen Machtstreben, das heute schon mit einem schleichenden Weltkrieg verglichen werden kann, wenn man die Irak-Kriege, den 11.
September, Terroranschläge weltweit, den Nato-Einsatz gegen die Taliban in Afghanistan, Militäroperationen in Somalia, den Einsatz der Bundesmarine gegen Piraten am Horn von Afrika oder vor der Küste des Libanon in einem Gesamt-Zusammenhang betrachtet. Das sind keineswegs nur „Gerüchte, Unterbewusstes, Hörensagen, literarische und volkstümliche Überlieferung” die sich zu “Tatsachen” erheben, und nur vom Glauben leben, wie Benz zum Antisemitismus schreibt.
Abschließend noch ein Kommentar zu folgendem Satz von Benz: „Der Berliner Antisemitismusstreit war vor allem eine Identitätsdebatte, eine Auseinandersetzung darüber, was es nach der Emanzipation der Juden bedeuten sollte, Deutscher zu sein und deutscher Jude zu sein.” Benz „erklärt” hier, was der von Treitschke ausgelöste „Antisemitismusstreit” bedeutet. Doch Benz impliziert hier als Realität eine Epoche „nach der Emanzipation der Juden”.
Mit „Emanzipation” ist letztlich gemeint, dass die Juden ihre Identität aufgeben und sich in die deutsche (arische) Gesellschaft voll integrieren.
Genau das wollten Antisemiten wie Treitschke wegen der „Rassenreinheit” um jeden Preis verhindern. Treitschkes Schüler, die Nazis, zogen daraus die logische Konsequenz. Jeder weitere Kommentar erübrigt sich an dieser Stelle.
Es ist ungeheuerlich, dass der wohl angesehenste Antisemitismusforscher Deutschlands an dieser Stelle nicht darauf hinweist, dass jener „Antisemitismusstreit” in gerader Linie den Weg zum ideologisch motivierten Massenmord an sechs Millionen Menschen, dem Holocaust, ebnete. Benz musste das unterlassen, weil sonst sein Vergleich des Antisemitismus mit der „Islamkritik” keinen Bestand mehr gehabt hätte.
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ULRICH W. SAHM – Antisemitismusforscher ehrte Nazi-Professor
Jerusalem, 13. Januar 2010 – Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) an der TU Berlin, hatte kürzlich eine Kontroverse ausgelöst, als er Islamophobie in Deutschland mit Antisemitismus verglichen hat. In jüdischen Kreisen gab es deswegen empörte Proteste gegen ihn. Benz hat das Phänomen des Judenhasses im Dritten Reich erforscht und aufgearbeitet. Angesichts der Judenverfolgungen und der Schoah unter den Nazis, könne der Antisemitismus nicht mit Angst vor Moslems gleichgesetzt werden, die bei vielen Menschen mit verbalen Attacken auf den „christlichen Westen” und mit Terroranschlägen das Gefühl einer akuten Gefährdung auslösen, wurde Benz entgegnet.
Die Forscher Dr. Clemens Heni, Berlin/Philadelphia und Dr. Harry Waibel, Berlin, die sich ebenfalls mit Antisemitismus befassen, entdeckten, dass Benz nicht nur bei einem Historiker mit einschlägiger Nazi-Vergangenheit, Karl Bosl (1908-1993), promoviert habe. Benz habe 1988 einen Beitrag in einer Festschrift zu Ehren Bosls verfasst. Für eine Veranstaltung am 26. November 2009 in Aalen wurde damit „geworben”, dass Benz 1968 bei Karl Bosl promoviert habe.
Per Telefon um eine Stellungnahme gebeten, lachte Benz laut, als er diese Vorwürfe gegen sein Ansehen hörte. Bosl sei 1968 in der „völlig unterbesetzten” Universität München der einzige Historiker gewesen, der neue Doktoranden akzeptierte. Es sei in akademischen Kreisen „völlig üblich”, Beiträge zu Ehren von angesehenen Wissenschaftlern für Festschriften zu verfassen. Bosl sei als Historiker des Mittelalters hoch angesehen gewesen. Völlig lächerlich sei der Vorwurf wegen der Veranstaltung 2009 in Aalen. Benz sagte, da einen Vortrag gehalten zu haben. Die Veranstalter hätten auf der Einladung verzeichnet, dass er bei Bosl promoviert hatte. „Bosl kam im Vortrag nicht vor, war nicht das Thema des Abends und vermutlich hatte niemand im Saal eine Ahnung, wer Bosl überhaupt ist”, sagte Benz. Über Bosl sagte Benz weiter, dass der nach dem Krieg im Ruf eines „liberalen Gelehrten” stand, der 1968, nach der Studentenrevolution „ausgerechnet den Linke die Stange gehalten hat, mit dem Argument, dass auch die promovieren müssten”. Bosl sei 1968 nicht von den linken Studenten als „Konservativer” oder gar als ehemaliger Nazi attackiert worden. „Kein Mensch hat Bosl des Nazitums bezichtigt.”
Clemens Heni lässt nicht locker. Benz hinterlasse den Eindruck, als sei ihm die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Verbrechen ein ernstes Anliegen. „Doch wie es aussieht, hat Benz zur wissenschaftlichen und politischen Herkunft seines Doktorvaters im NS-Deutschland über mehr als 40 Jahre hinweg nichts zu sagen.”
Die kritischen Fragen an Benz sollen demnächst veröffentlicht werden und liegen diesem Korrespondenten vor.
Die Autoren meinen, dass es „peinlich und würdelos” für einen Historiker des NS-Faschismus, des Antisemitismus und des Holocaust sei, einen ehemaligen Nationalsozialisten zu ehren und gleichzeitig Leiter eines wissenschaftlichen Instituts zu sein, dessen Aufgabe die Erforschung von Antisemitismus ist. Die Forscher zitieren aus einem Aufsatz von Benz aus dem Jahr 1990 in den von ihm mitbegründeten Dachauer Heften: „Das Dilemma zwischen moralischem Anspruch, politischer Notwendigkeit und sozialer Realität blieb ungelöst. Die Entnazifizierung wurde für die meisten mit Erleichterung als Endpunkt verstanden, von dem an der Nationalsozialismus eine Generation lang mit kollektivem Schweigen, in weitverbreiteter Amnesie, behandelt wurde. Erst die Enkel versuchten dies Schweigen zu brechen, ihr Dialog mit der nationalsozialistischen Vergangenheit hat spät, erst Ende der 60er Jahre begonnen.” Sie werfen Benz vor, sich nicht mit der Vergangenheit seiner Lehrer und Vorgesetzten beschäftigt zu haben. „Entweder er wusste nicht, dass Bosl ein ehemaliger Nationalsozialist war oder er schweigt und verdrängt wie die meisten Deutschen”, halten sie Benz zu gute. Auf eine schriftliche Anfrage Henis reagierte Benz nicht, war aber bereit, diesem Korrespondenten eine mündliche Stellungnahme zu geben.
Heute spiele Benz die Gefahr des islamischen Antisemitismus und des islamischen Dschihad herunter. Weiter kritisieren die Autoren, dass Benz durch seinen Vergleich von Islamophobie und Antisemitismus die Singularität der faschistischen Massenmorde an den europäischen Juden relativiere und damit „implizit einen geschichtsrevisionistischen Paradigmenwechsel” befördere.
Karl Bosl wurde nach dem Krieg ein angesehener Mittelalterforscher. Gleichwohl war er ein Mitglied bei der NSDAP und der SA seit 1933, im NS-Lehrerbund und beteiligte sich an einem Projekt des Ahnenerbes der SS. 1990 freilich behauptete Bosl, gar ein Widerstandskämpfer gegen die Nazis gewesen zu sein.
Wie die Autoren belegen können, bewarb sich Bosl 1938 bei einem Projekt des Ahnenerbes der SS über „Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kulturgeschichte” und wurde Mitarbeiter. Am 16. und 17. Januar 1945 trafen sich einige Historiker des nationalsozialistischen Deutschland im Geburtshaus des „Führer” in Braunau am Inn zu einer Tagung. Mit dabei war auch der damals 36-jährige Historiker Karl Bosl: „Bosl beteiligte sich an der vermutlich letzten Historikertagung des ‚Dritten Reiches‘.” In einem bekannten Buch Bosls über Bayern von 1990 kommt der Holocaust als Teil der bayerischen Geschichte nicht vor.-
ACHGUT – Ein Nazi und sein Schüler: Karl Bosl und Wolfgang Benz – Von Dr. Clemens Heni
Am 11. November 2008 wurde in der oberpfälzischen Stadt Cham der Prof.-Dr.-Karl-Bosl-Platz feierlich eingeweiht(1), am 6. Juli 2009 wurde vom Bayerischen Philologenverband erstmals die Karl-Bosl-Medaille verliehen(2), und für den 26. November 2009 wurde eine Veranstaltung mit dem Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA), Wolfgang Benz, mit den Worten angepriesen, Benz habe 1968 bei Karl Bosl promoviert.(3) Karl Bosl ist also en vogue und scheint ein echter deutscher oder gar bayerischer Held gewesen zu sein.
„Erinnern oder Verweigern” heißt eine Ausgabe der „Dachauer Hefte”, die von Barbara Distel und Wolfgang Benz 1990 herausgegeben wurde. Kaum ein Wissenschaftler oder Journalist hat sich offenbar je gefragt, wo Wolfgang Benz wissenschaftlich groß geworden ist. Wo hat der Mann promoviert und bei wem? Wer selbst promoviert hat oder mit Freunden und Kollegen darüber spricht, weiß: Es ist ein sehr bewusster Prozess, bei wem man schließlich seine Doktorarbeit schreibt….
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JUEDISCHE.AT – Abwegige Parallelen – Wenn Islamophobie und Antisemitismus in einem Topf landen – Prof. Julius Schoeps
Prof. Julius H. Schoeps
Europa erlebt derzeit den interkulturellen “Lackmustest” – und hat ihn noch längst nicht bestanden. Christen, Juden und Muslime wissen auf dem “Alten Kontinent” herzlich wenig voneinander, und auch deshalb geht in der Mehrheitsgesellschaft die Angst vor “den anderen” um.
Die “anderen” – Türken, Inder, Amerikaner, Russen und andere – werden von manch Alteingesessenen als bedrohlich empfunden, und unter bestimmten Konstellationen schlägt Vorurteil und Aversion in offene Feindschaft um.
Europäische Juden kennen das hässliche Spiel seit 2000 Jahren, und nicht einmal nach Auschwitz kam der kontinentale Antisemitismus wirklich zum Stehen. Synagogen, jüdische Kindergärten und Schulen bleiben weiter unter Polizeischutz, und Rabbiner und Chassiden werden auf offener Straße attackiert.
Aber auch andere Minderheiten erleben das Übel von offener Feindschaft und Übergriffen. Spätestens seit die Ägypterin Marwa Ali El-Sherbini im Juli 2009 in Dresden von einem fanatisierten Russland-Deutschen erstochen wurde, wird das Thema “Islamophobie” in Deutschland heftig und emotional diskutiert.
Wie islamfeindlich sind die Deutschen wirklich? Wie entsteht Islamfeindlichkeit, und wo liegen die tieferen Wurzeln? Nicht nur die Medien, auch die Sozialwissenschaften haben das Problem für sich entdeckt. Das ist wichtig und an der Zeit, denn andernfalls läuft Deutschland, läuft Europa Gefahr, am Ende tatsächlich in einen irreparablen “Clash der Kulturen” zu schlittern…. -
Spiegel Online – Debatte über Islamophobie – Peinlicher Aufklärungsunterricht
Mehr Selbstverachtung und Realitätsverlust war selten: In deutschen Feuilletons tobt eine neue Debatte über den richtigen Dialog mit dem Islam. Kurioserweise werden dabei ausgerechnet jene Publizisten als “Hassprediger” bezeichnet, die auf westliche Werte wie Aufklärung und Menschenrechte pochen.
Und ewig grüßt das Murmeltier. “Es muss nur irgend etwas geschehen, ein missglücktes Attentat wie zu Anfang des Monats zum Beispiel, und schon geht die Debatte wieder los” – so beklagte der Journalist Thomas Steinfeld am Donnerstag im Feuilleton der “Süddeutschen Zeitung“ die jüngste Auseinandersetzung über Islam, “Islamophobie” und die Werte des Westens. Ja, es muss nur gerade wieder mal ein 400-facher Massenmord durch einen islamistischen Terroristen mit knapper Not verhindert worden sein, schon kommen sie wieder aus ihren Löchern, die Islamkritiker, Kulturkämpfer und “heiligen Krieger” des Westens, wie Claudius Seidl, Feuilletonchef der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”, formulierte. In Steinfelds Worten: “die Hassprediger” der westlichen Werte…. -
Tagesspiegel – Der Kalte Krieg der Aufgeklärten – Zwischen Trauma und Vernunft: Der Westen fragt häufig nach muslimischer Selbstkritik, doch inzwischen sind Muslime die härtesten Kritiker des Islam
Wo bleibt die muslimische Selbstkritik, hieß es im Westen nach den Terroranschlägen von New York, Madrid und London. Warum gibt es angesichts der im Namen des Islam verübten Gräuel keinen nennenswerten Aufstand der Anständigen unter den Gläubigen? Ein großer Teil der bundesdeutschen Debatte über den Islam mag sich, weitgehend unter Umgehung derer, um die es dabei geht, in intellektueller Spiegelfechterei erschöpfen. An einer muslimischen Islamkritik mit dezidiert aufklärerischem Anspruch, starkem reformatorischem Impetus und zuweilen kämpferischer Renegatenattitüde herrscht jedoch längst kein Mangel mehr.
So bläst etwa der 1946 in Indien geborene und mittlerweile in den USA lebende Ibn Warraq in seinem Buch „Warum ich kein Muslim bin” (Matthes & Seitz) zum Frontalangriff auf den Islam. Der Autor, der in Pakistan die Koranschule besucht und in Edinburgh Islamwissenschaften studiert hat, orientiert sich selbstbewusst an Luther und Nietzsche, fordert eine tief greifende Korankritik und sieht sich dabei keineswegs als Glaubensfeind, sondern als säkularer Humanist…. -
ACHGUT – Professor Benz und der Paradigmenwechsel – Henryk M. Broder
Wie alles in der Welt geht auch die Sozialwissenschaft mit der Mode. Die Einrichtung von Studienfächern wie „gender studies”, „holocaust studies” oder „Medienwissenschaft” entspringt keiner Notwendigkeit, sie reflektiert nur den Zeitgeist, der seinerseits sowohl Alice Schwarzer wie Charlotte Roche eine Nische bietet.
Auch die Sozialpsychologie, Unterabteilung Vorurteilsforschung, bleibt vom Zeitgeist nicht verschont. Sehr in Mode sind derzeit Arbeiten über „Antisemitismus und Islamophobie”, deren Verfasser aufrichtig versichern, sie würden das eine mit dem anderen nicht gleichsetzen, sondern nur vergleichen. Und Vergleiche anzustellen, sei eine wissenschaftlich bewährte und zulässige Methode.
Das stimmt. Grundsätzlich kann man alles mit allem vergleichen. Die Wehrmacht mit der Heilsarmee, einen Bikini mit einer Burka und die GEZ mit der Camorra.
Und deswegen kann man auch – theoretisch – den Antisemitismus mit der Islamophobie vergleichen, auch wenn das eine Phänomen mindestens 2000 Jahre alt ist und das andere ein Kampfbegriff, der von Ayatollah Khomeini vor 30 Jahren kreiert wurde. Praktisch läuft der Vergleich – ausgesprochen oder insinuiert – darauf hinaus, dass die Moslems die Juden von heute sind und die so genannte Islamophobie „strukturell” dem Antisemitismus verwandt ist. Was auch nicht ganz falsch ist, wenn man bedenkt, dass ein Nilpferd mit einem Menschen einiges gemeinsam hat: Es isst, schläft, verdaut und pflanzt sich heterosexuell fort…. -
BERLINER MORGENPOST – Ideologie – Islamkritik ist nicht vergleichbar mit Judenhass
In der Sozialpsychologie liegt es im Trend, Parallelen zwischen Antisemiten und Islamkritikern zu ziehen. Doch Angst vor Islamisten hat mit Hass auf Juden wenig gemein, sagt Henryk M. Broder. Während der Antisemitismus auf hysterischen Ängsten und Erfindungen beruht, hat die Islamophobie eine reale Basis.Foto: dpa – Anti-Islam-Demonstration in London: Die Kritik am Islam und die Angst vor Islamisten haben reale Hintergründe, sagt Henryk M. Broder
Wie alles in der Welt geht auch die Sozialwissenschaft mit der Mode. Die Einrichtung von Studienfächern wie „Gender Studies”, „Holocaust Studies” oder „Medienwissenschaft” entspringt keiner Notwendigkeit, sie reflektiert nur den Zeitgeist, der seinerseits sowohl Alice Schwarzer wie Charlotte Roche eine Nische bietet.…-
WELT – Sind die Muslime die Juden von heute? – Der Historiker Wolfgang Benz zieht Parallelen zwischen Antisemiten und den Islamkritikern. Doch die Angst von Islamisten hat mit dem Hass auf Juden wenig gemein. Eine Replik
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Endstation Rechts (Blog) – Sind Muslime die Juden von heute?
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Tagesspiegel – Debatte um Antisemitismus und Islamophobie
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