Hinrichtungen im Iran als Demonstration der Macht

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Hinrichtungen im Iran als Demonstration der Macht


Von Wahied Wahdat-Hagh

Dr. Soheila Vahdati lebt in den USA und ist eine bekannte Menschenrechtlerin. Sie kritisiert die Todesstrafe und erklärt, warum diese ein Instrument zur Verbreitung von Angst ist und die Hinrichtung von Andersdenkenden politischen Mord darstellt.

Eine Gruppe von iranischen Müttern, die sich täglich vor einem Teheraner Gefängnis trifft, warnt vor einer Wiederholung der Massenhinrichtungen der 80er Jahre. Die Frauen fordern die Freilassung ihrer Söhne und ihrer Töchter .

Am 28.1.2010 sind zwei Oppositionelle hingerichtet worden. Eine unbekannte Zahl von weiteren Demonstranten soll noch exekutiert werden.

Nach den Protesten der letzten Wochen war die politische Ruhe in den iranischen Straßen nicht wirklich wieder zurückgekehrt, als sich bereits die Nachricht von neuen Hinrichtungen verbreiteten. Vahdati stellt fest:


Wirkliche Gerichtsprozesse gibt es nicht

Noch sei die Anzahl und die Identität der bei den Demonstrationen gegen die Präsidentschaftswahl am 12. Juni 2009 auf Verdacht verhafteten Personen nicht bekannt. Auch sei nicht bekannt, was ihnen zur Last gelegt wird. Es gäbe keinen wirklichen Gerichtsprozess. Die iranische Jusitz habe angekündigt die Akten im „Eilverfahren“ zu behanden und binnen weniger Tage Urteile zu verkünden .

Soheila Vahdati befürchtet, dass die ausgesprochenen und anstehenden Todesurteile lediglich dazu dienen, den potentiellen zukünftigen Demonstranten Angst einzujagen, damit diese sich nicht auf die Straße wagen. Die iranischen Machthaber würden keinen Widerspruch dulden. Es ginge nicht darum „Gerechtigkeit“ walten zu lassen, auch juristisch seien die Todesstrafen und die Hinrichtungen nicht legitimierbar.

Den iranischen Machthabern ginge es um eine politische Machtdemonstration. Die iranisch-US-amerikanische Menschenrechtlerin bezweifelt, dass Todesstrafen und Hinrichtungen tatsächlich die politische Macht eines Staates beweisen könnten.

Dr. Vahdati erinnert auch an die anstehende Verurteilung der sieben Ex-Koordinatoren der iranischen Bahai Gemeinde und weiterer inhaftierter Bahai. Tatsächlich wurden 10 Bahai rund eine Woche nach den Protesten des Aschura-Tages verhaftet. Ihnen wird eine Mitverantwortung für die Demonstrationen vorgeworfen. Solche Vorwürfe dienen lediglich dazu, politische Lügen zu verbreiten.

Politisch motivierte Todesstrafe

Vahdati spricht von politischen Urteilen und Hinrichtungen, die nicht mit der Hinrichtung von politischen Gegnern gleichgesetzt werden können. Denn noch nicht einmal gemäß der herrschenden islamischen Strafgesetzgebung dürften die Bahai einfach hingerichtet werden. Prinzipiell seien Todesurteile, die noch nicht einmal juristisch zu begründen seien, politische Instrumente der Machthaber.

Es geht also um politische Urteile und um politischen Mord. Vahdati stellt die rhetorische Frage, ob die im Iran verhängten Todesstrafen und Hinrichtungen nicht ein Beweis für herrschenden „Terror“ wären.

Diese Frage muss sicher mit Ja beantwortet werden. Das Ziel der Machthaber sei lediglich die Schaffung eines politischen Klimas von Angst und Schrecken. Es sei unklar, was mit mindestens 300 Gefangenen, die bei den Demonstrationen der letzten Monate verhaftet worden seien, geschehen werde.

Sprache als Instrument der Verdeckung des politischen Mordes

Das Regime benutze Begriffe, um die Menschen als Feinde zu definieren. Einige Beispiele seien geliefert: „Arazel“ (Pöbel), „Obasch“ (Mob), „Mofsed fel Ars“ (Heuchler auf Erden) oder Terroristen, Schmuggler und Spione. Die Hinrichtung von Menschen, deren Schuld nie bewiesen, aber die zum Täter gemacht werden, reicht aus, um ein juristisch strafbares Phänomen zu konstruieren. Somit werden dem Bürger, der im Grunde das Recht besitzt gegen Hinrichtungen zu protestieren, seine Rechte entzogen, denn der juristische Weg existiert nicht. Was existiert, ist lediglich der ideologisch-sprachliche Vorwurf, der für die Hinrichtung ausreicht .

Die Hinrichtung eines entmenschlichten Gefangenen ist eine „reine Pflichterfüllung seitens des Justizapparates“, schreibt die Menschenrechtlerin Vahdati.

Das herrschende Gesetz wird nicht umgesetzt

Der im Iran lebende Anwalt Abdol Fatah Soltani ist der Meinung, dass die Teilnahme an Demonstrationen keineswegs den Vorwurf des „Mohareb“ (Feinde Gottes) verdienen. „Mohareb“ ist ein weiterer politischer Begriff, der einen „Kämpfenden“ gegen die Sache Gottes beschreiben soll. Für einen „Mohareb“ ist im iranischen Rechtssystem die Todesstrafe vorgesehen. Fünf weiteren Demonstranten wurde laut einem Bericht von Radio Farda vom 1.2.2010 vorgeworfen „Mohareb“ zu sein. Ihnen droht nun die Todesstrafe .

Abdol Fatag Soltani, der kürzlich den Menschrechtspreis der Stadt Nürnberg erhielt, beschreibt die Lage wie folgt: Die Beschuldigten würden nach einem Verhör, dessen Rechtmäßigkeit nicht geklärt sei, direkt zum Gericht geführt. Dort würde die Anklageschrift verlesen, ein Zwangsanwalt würde dem Angeklagten formal zugewiesen werden. Die Familienangehörigen würden in dem ganzen Prozess nicht das Recht bekommen, mit den Inhaftierten Kontakt aufzunehmen. Da dies nicht gewährleistet werde, könne man nicht davon sprechen, dass das Gesetz umgesetzt werden würde. Die praktizierten Methoden seien daher nicht legal. Soltani habe angeboten, unentgeltlich als Anwalt für diejenigen, die als „Mohareb“ gelten, tätig zu werden, habe aber das Recht der Verteidigung nicht bekommen. Die Familienangehörigen würden durch das Fernsehen erfahren, ob und wie ihre Angehörigen verurteilt würden. Soltani bezeichnet diese Methoden als „Menschenrechtsverletzung an den Inhaftierten“.

Soltani sagt, dass „Mohareb“ sogar laut der religiösen Gesetze nur derjenige sein kann, der eine Waffe trage und sich bewaffnet habe, aber die Demonstranten haben alle an friedlichen Demonstrationen teilgenommen. Selbst wenn sie Eigentum zerstört hätten, könnten sie nur deswegen verurteilt werden, dürften aber nicht mit Kämpfern gleichgesetzt werden, die einen bewaffneten Kampf führen.

Laut Soltani sind für einen „Mohareb“ vier Strafen vorgesehen: Hinrichtung, Kreuzigung, die Amputation der Beine und der beiden Arme oder die Verbannung. Die Verbannung werde kaum praktiziert. Manchmal würden die Gefangenen im Namen der Verbannung in ein Gefängnis einer entfernten Provinz gebracht, wo sie fünf oder zehn Jahre festgehalten werden. Dies sei aber nicht ursprünglich mit Verbannung gemeint gewesen. Denn Verbannung heiße nicht, dass sie woanders in den Kerker geworfen werden. In den meisten Fällen werde der Verurteilte hingerichtet.

Moussavis Kritik

In einem Interview mit Kaleme.org sagte der an den ersten Revolutionsführer Ayatollah Khomeini und die islamische Revolution glaubende Mir Hussein Moussavi, dass er keine Hoffnung mehr in die herrschende iranische Justiz setze, denn die Gerichtsakten von Angeklagten würden faktisch von „Sicherheitskräften und Militärs“ zusammengestellt werden. Moussawi beklagt, dass die Ziele der islamischen Revolution noch immer nicht erreicht worden seien. Er gesteht sogar ein, dass eine „Despotie im Namen der Religion die schlimmste Form der Despotie ist.“ Nicht alle Strukturen, die zu einer Diktatur führen könnten, seien nach der islamischen Revolution von 1979 zerstört worden. Heute könnten die „Wurzeln, die zu einer Diktatur führen, gesehen werden.“ Denn die Gefängnisse seien wieder voll von „Kindern des Volkes .“

Moussavi kritisiert die „Lügen“, die iranische Staatsmedien verbreiten. Er plädiert für einen friedlichen Protest gegen die Wahlen und gleichzeitig für ein Festhalten an der herrschenden khomeinistischen Verfassung im Iran. Die Medienfreiheit müsse umgesetzt werden, so wie es in der Verfassung vorgesehen sei. Er fordert auch die paramilitärischen Kräfte der Bassiji auf, „mit Liebe“ mit der Bevölkerung umzugehen.

Moussavi macht erneut deutlich, dass er lediglich die Freiheit der reformislamistischen Zeitungen und Intellektuellen fordert und bestenfalls Verhältnisse wieder einführen will, die in den 80er- bis Mitte der 90er-Jahre des letzten Jahrunderts im Iran vorgeherrscht haben. In dieser Zeit gab es aber keine Meinungsfreiheit für säkulare Iraner, die zu Tausenden hingerichtet wurden.

Auch Ex-Präsident Khatami hat sich erneut zu Wort gemeldet und plädierte für eine „Rückkehr zur Verfassung“, als ob in den letzten 30 Jahren Freiheit und Rechtsstaatlichkeit im Iran geherrscht hätten .

 
 

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