Kommentar: Lustlose direkte Gespräche

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Jerusalem, 20. August 2010 – Anderthalb Jahre blockten die Palästinenser direkte Gespräche mit Israel ab und stellten Bedingungen. Die israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu musste erst mal öffentlich ihre Bereitschaft zur Zwei-Staatenlösung kundtun und akzeptierte lustlos einen befristeten Baustopp in Siedlungen außerhalb Jerusalems. Jetzt will Israel nur einer amerikanischen Einladung zur Erneuerung von Friedensgesprächen zustimmen, während die Palästinenser nur Beamte der zweiten Riege schicken wollen.
„Direkten Gespräche“ wollen offenbar nur die Amerikaner und die EU, nicht aber die Kontrahenten aus Nahost.  Denn die wissen, dass nichts Neues dabei herauskommen kann.
Die palästinensische Spaltung ist nicht überwunden. Präsident Mahmoud Abbas kann keinen Vertrag unterzeichnen, der auch für den Gazastreifen bindend ist. Israels Regierung ist zu territorialen Konzessionen, wie die Palästinenser sie erwarten, innenpolitisch weder fähig noch bereit.
Für große Paukenschläge ist im Augenblick keine Seite zu haben. Die zu erwartenden Krisen bei offiziellen Verhandlungen, ob inszeniert oder echt, um bei der arabischen Liga, den Amerikanern oder vor der Presse zu punkten, können nur die derzeitige relative Ruhe empfindlich stören. Extremisten aller Lager müssten sich zu Wort melden, um demonstrativ die ungewollten Verhandlungen zum Scheitern zu bringen.
Im Westjordanland sind die Palästinenser stillschweigend dabei, eine blühende Wirtschaft aufzubauen, ihre Polizei zu trainieren und „Recht und Ordnung“ durchzusetzen, wie es das noch nie gegeben hat. Die Kooperation der israelischen und palästinensischen Sicherheitskräfte funktioniert im Westjordanland besser als jemals seit der Einrichtung der Autonomiebehörde unter Arafat 1993. Die meisten Straßensperren sind verschwunden und die Mauer verhindert ein Eindringen von Terroristen nach Israel. Auch im Gazasteifen hat sich die Versorgungslage seit der Lockerung der israelischen Blockade spürbar verbessert.
Premierminister Siam Fayad und andere palästinensische Politiker halten Vorträge in Israel, treffen sich in Jerusalemer Hotels mit israelischen Ministern und Politikern. Offensichtlich reden sie dann auch miteinander und trinken nicht nur schweigend Kaffee. Die Lage hat sich so sehr beruhigt, dass neuerdings israelische Reiseleiter ihre Gruppen nach Bethlehem und Jericho wieder begleiten dürfen, was ihnen zehn Jahre lang wegen Lebensgefahr verboten war. Im Jerusalemer Stadtviertel Gilo wird dieser Tage eine Schutzmauer abgebaut, die zu Beginn der El Aksa Intifada errichtet worden ist, um israelische Bürger vor Beschuss aus dem benachbarten Beth Dschala zu schützen. Das ist fast ein historischer Akt. Denn wann haben die Israelis jemals auch nur eine einzige ihrer Sicherheitsmaßnahmen gegen Terror aufgehoben oder abgeschafft?  Auf Flughäfen werden die Maßnahmen immer noch angehäuft, bis zu den Wässerchen in der Plastiktüte, Schuhe ausziehen und Nacktscanner.
Wenn also vor Ort die direkten Kontakte auf fast allen Ebenen so friedlich und freundschaftlich funktionieren, muss man sich fragen, was „direkte“ Gespräche im öffentlichen Rampenlicht bringen können.
Da Jammern im Nahen Osten zum politischen Geschäft gehört, können die Palästinenser freilich nicht eingestehen, dass es ihnen eigentlich ganz gut geht und die Israelis können nicht verkünden, dass der Terror leidlich besiegt und verschwunden ist.
Während die Menschen in Bagdad auf der Straße sterben, Pakistan von Wasser und Attacken der Taliban geplagt wird, während in der Türkei die Kurden sterben, müssen wohl Präsident Obama und EU Politiker politischen Aktivismus in Nahost demonstrieren, weil sonst der Weltfriede gefährdet wäre. Weder Israelis noch Palästinenser dürfen abwinken, weil sie sich sonst als Friedensverweigerer, Hardliner oder gar als Extremisten outen.  
So kann man nur hoffen, dass die bevorstehenden „Friedensgespräche“ nicht wieder ein Ansporn für neue Gewalt werden.

(C) Ulrich W. Sahm


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