Wulff in Israel

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Jerusalem, 29. November 2010 – Analena Wulff sammelte vor ihrer Abreise nach Israel zwei Steinchen im Park von Schloß Bellevue in Berlin und packte sie in ihren Koffer. Die 17 Jahre alte Tochter des deutschen Bundespräsidenten, Christian Wulff, begleitete ihren Vater zur Jad Vaschem Holocaust Gedenkstätte. Nach der offiziellen Kranzniederlegung besuchten sie gemeinsam das emotional aufwühlende „Denkmal für die 1,5 Millionen ermordeten Kinder“: Ein unterirdischer Gang durch eine finstere Kammer, in der sich Kerzenlicht vielfach spiegelt, während aus einem Lautsprecher mit lakonischer Stimme die Namen und das Alter von ermordeten jüdischen Kindern erklingen. Wieder im grellen Sonnenlicht entfernt sich Wulff mit Analena vom Tross der Begleiter und Journalisten. Verblüffte israelische Sicherheitsleute durchschneiden schnell die Absperrbänder, während Analena und ihr Vater auf die Statue von Janusz Korczak zugehen. Gemeinsam legen sie die beiden Steinchen aus Berlin auf den Sockel des Denkmals für den polnischen Erzieher. Der ging an der Spitze seiner jüdischen Schüler in die Gaskammer. Steine als Zeichen der Vergänglichkeit auf Gräber zu legen, ist eine alte jüdische Sitte.
Als Wulff so alt war wie heute seine Tochter organisierte er in seiner Heimatstadt Osnabrück eine Protestdemonstration gegen antisemitische Schmierereien an der Synagoge. So begann seine politische Karriere. In Jerusalem erinnert Wulff an diese Episode. Die israelischen Medien betonen, dass der 51 Jahre alte Wulff der erste nach dem Weltkrieg geborene Bundespräsident sei.
Der Bundespräsident ist nur zu einem Arbeitsbesuch nach Israel gekommen und hofft auf einen offiziellen Staatsbesuch in naher Zukunft. Dann würde er vor der Knesset reden und selbstverständlich seine Gattin mitbringen. Diesmal blieb sie zurück in Berlin, um auf die Kinder im Alter von zwei und sieben aufzupassen.
Obgleich er gerne das steife Protokoll durchbricht und seine eigenen Wege geht, tut er das feinfühlig und ohne anzuecken. Zum Empfang bei Präsident Schimon Peres war auch das israelisch-deutsche Zukunftsforum geladen. Wulff übergab die Regie an Christina Rau, die ehemalige First Lady Deutschlands, bis Peres vergnüglich meinte: „Frauen müssen verstärkt an die Macht“. Ein Delegationsmitglied erzählt: „Die Stimmung war so locker und gelöst, dass man offen und sachlich miteinander reden konnte. Das ist selten bei derartigen Anlässen.“ Wulff scheint es zu genießen, zuhören und lernen zu dürfen, vor allem bei erfahrenen Staatsmännern wie Schimon Peres. Auf seinem dichten Terminplan stehen Besuche bei einer israelischen Solarfirma, Bethlehem mitsamt einer Kläranlage und einer von Deutschland finanzierten Polizeistation, sowie Treffen mit Kirchenvertretern, jungen Menschen, dem palästinensischen Präsidenten Abbas und israelischen Spitzenpolitikern.
Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Jugend stehen im Mittelpunkt seines Besuches. Wulff will den Frieden fördern und auf die palästinensischen Gebiete ausweiten. Im Gegensatz zu anderen Politikern enthält er sich jedoch klarer wegweisender Ratschläge. Wenn er sich offen zur „Zwei-Staaten-Lösung“ bekennt, kann er sich auf Vorlagen aus dem Außenamt, dem Bundestag und der Bundesregierung berufen.
In Israel begegnete Wulff Politikern unterschiedlicher Ausrichtung. So dem Außenminister Avigdor Lieberman mit dezidiert negativen Ansichten zur Türkei und Iran, der Oppositionschefin Zipi Livni mit versöhnlichen Ansätzen und dem Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, der sich kaum festlegt.

(C) Ulrich W. Sahm


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