Grundsatzpapier zum Jerusalem-Status

  • 0

(aus Anlass des Besuchs von Bundespräsident Christian Wulff in Israel, Jerusalem und in den Autonomiegebieten)
1) Der letzte „völkerrechtlich bindende“ Status Jerusalem wurde in der UNO-Resolution 181 vom 29. November 1947 beschlossen. (Obgleich von der Generalversammlung und nicht  UNO-Sicherheitsrats verabschiedet). Darin wurde die Errichtung eines „jüdischen“ Staates (das Wort Israel gab es erst ab 1948) und eines „arabischen“ Staates (das Wort „Palästinenser“ gibt erst ab der PLO Charta von 1968) beschlossen. Jerusalem sollte ein „corpus separatum“ werden. Neben Jerusalem wurden christliche Ortschaften wie Bethlehem einbezogen und dem UNO-Sicherheitsrat (christliche Mehrheit) unterstellt. An diese Resolution halten sich bis heute alle Staaten, die mit Israel diplomatische Beziehungen pflegen, indem sie ihre Botschaften in Tel Aviv einrichteten und West-Jerusalem nur de facto als Teil Israels anerkannten, nicht de jure. 
2) Die Annexion Ost-Jerusalems durch Jordanien infolge des Krieges von 1948 (dem einzigen Krieg – der arabischen Staaten – gegen eine UNO-Resolution) anerkannte nur Pakistan. Nur Großbritannien hatte Jordaniens Annexion des Westjordanlandes, nicht aber Jerusalems anerkannt.
3) Der Waffenstillstandsvertrag 1949 zwischen Israel und Jordanien, auf Rhodos unterzeichnet, besagt, dass die Waffenstillstandslinie kein Vorgriff auf diplomatische Verhandlungen, also keine international anerkannte Grenze sei. (Da es sich nur um eine Waffenstillstandslinie handelte, und nicht um eine „Grenze“, vermieden die arabischen Länder eine Anerkennung der Existenz Israels).
4) Im Rahmen dieses Vertrags gab es eine israelische Enklave auf dem Skopusberg in Jerusalem, Hebräische Universität. Auguste Victoria direkt daneben lag schon im jordanischen Ostjerusalem.
5) 1967 eroberte Israel neben dem jordanisch besetzten und annektierten Westjordanland, dem ägyptisch besetzten Gazastreifen auch das jordanisch (völkerrechtswidrig) annektierte Ostjerusalem. Entgegen dem Völkerrecht erweiterte Israel die Stadtgrenzen Jerusalems und annektierte Ostjerusalem. Wobei sich fragt, ob eine Erweiterung von Munizipalgrenzen oder gar die Ausrufung einer Hauptstadt überhaupt vom Völkerrecht abgedeckt werden.
6) 1993, im Rahmen der international anerkannten Osloer Verträge, wurden Teile des Jerusalemer „corpus separatum“ völkerrechtlich anerkannt den Palästinensern als „autonome Selbstverwaltung“ übergeben: Bethlehem.
7) Etwas diffus haben sich die Bundesregierung, die EU und andere auf die angeblich alternativlose „Zwei-Staaten-Lösung“ eingeschossen, oft mit dem Zusatz der Palästinenser „mit Ostjerusalem als Hauptstadt“. Vor Ort, wenn man mit den Leuten redet, stellt sich heraus, dass eigentlich nur Israel an einer solchen Lösung interessiert ist (um elegant die Palästinenser los zu werden), während die Palästinenser davon träumen, dass ganz Palästina durch Demografie zu einem arabischen Staat mit jüdischer Minderheit werde, oder dass das Westjordanland Jordanien zugeschlagen werde. Sämtliche Araber in Ostjerusalem wollen bei Israel bleiben (Sozialversicherung, Arbeit usw)
8) Absurd ist es, den Palästinensern Ostjerusalem zuzusprechen (trotz „corpus separatum“), den Israelis aber nicht einmal Westjerusalem.
9) Absurd ist, wenn der Bundespräsident gemütlich durch das „illegal besetzte Ostjerusalem“ zum Skopusberg (Hebrew University) fährt, aber nicht einmal, 500 Meter entfernt, ein Symposium über deutsche Vergangenheit in dem von Kaiser Wilhelm II errichteten Auguste Victoria Komplex beehren kann, zumal das Symposium vom Berliner Außenamt mitfinanziert worden ist. Spielt es da wirklich eine Rolle, ob das Geld über die der Tel Aviver Botschaft als Unterabteilung angeschlossene Vertretung in Ramallah geflossen ist? Darf der Bundespräsident einmal einen Ort nicht besuchen, wo das Berliner Außenministerium aktiv sein darf? Diverse Minister, darunter Joschka Fischer und Wiezsorek-Zeul sind  in Ostjerusalem auch offiziell aufgetreten. Botschafter Kindermann und seine Vorgänger waren bei Amtsakten in deutschen Einrichtungen in Ostjerusalem aktiv dabei.
10) Wann, wie und wo wurde beschlossen, dass das deutsche Vertretungsbüro in Ramallah (früher die deutsche Botschaft in Amman) für Ostjerusalem zuständig ist, als sei dieses Gebiet schon Teil der Autonomiebehörde, oder gar eines künftigen palästinensischen Staates? Wenn in Ostjerusalem die UNO-Resolution zum „umstrittenen Status“ von Jerusalem offenbar nicht mehr gilt, warum wird diese Resolution 181 allein auf Israel und Westjerusalem angewandt?
11) Amerikanische und andere Präsidenten besuchen Ostjerusalem im Rahmen eines „privaten“ Besuchs. Warum wurde Wulff ein nächtlicher privater Spaziergang in der Altstadt „verboten“, weil das einer Anerkennung der israelischen Besatzung gleichgekommen wäre (hierzu habe ich zwei Quellen, eine davon offiziell).
Ich erwarte vom Bundespräsidenten keine Entscheidung, wem Jerusalem zu gehören hat oder eine Klärung des Status. Aber ich erwarte von ihm, von der Regierung eine durchsichtige Politik zu fordern: 
Falls ganz Jerusalem (inkl. Bethlehem) ein Corpus Separatum sind, dann sollte er weder Jerusalem noch Bethlehem besuchen, oder beide als neutrales Territorium. Falls Westjerusalem nicht zu Israel gehört, sollte Ostjerusalem (und Bethlehem) nicht den Palästinensern zugeschlagen werden. Es geht nicht an, dass Völkerrecht, Resolutionen oder Statusfragen unterschiedlich angewandt werden, je nach Partei oder Seite.
Zum Skopusberg durch Ostjerusalem zu fahren, dann aber nicht zu Auguste Victoria, ist absurd und politisch in keiner Richtung korrekt. Ostjerusalem als palästinensisch zu akzeptieren, nicht aber Westjerusalem als israelisch, ist ebenfalls ein Widerspruch.
Wenn Westjerusalem illegal israelisch besetzt ist, dann ist Ostjerusalem wohl doppelt illegal besetzt. Falls der Bundespräsident durch seinen Besuch Westjerusalem offiziell als Teil Israels anerkannt hat, ist nicht einzusehen, weshalb die deutsche Botschaft dann nicht von Tel Aviv in Israels Hauptstadt umzieht.
An welche Resolutionen und Abkommen hält sich eigentlich die Bundesregierung: 1947, das Waffenstillstandsabkommen von 1949, Kriegsausgang 1967, Osloer Verträge oder propagandistische Forderungen der Israelis oder der Palästinenser? Warum sollten wir Deutsche dem israelischen Anspruch einer „ewigen Hauptstadt Israels“ mehr oder weniger Vorzug geben als dem palästinensischen Anspruch „Jerusalem als Hauptstadt Palästinas“?


Hinterlasse eine Antwort