SS-Massenmörder beichtet

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Jerusalem, 7. Dezember 2010 – SS-Obersturmbannführer  Bernhard Frank hat am 28. Juli 1941, zu Beginn der Operation Barbarossa, den ersten Befehl der SS zu einem Massenmord an Hunderttausenden Juden unterzeichnet. Das war der Auftakt für die Mordmaschine, in deren Rahmen sechs Millionen Juden getötet wurden.
Frank, inzwischen 97 Jahre alt, geboren am 15.07.1913, SS-Nr. 105013, NSDAP-Mitglied Nr. 4442198, lebt unbehelligt in Frankfurt. Seine Geschichte als Massenmörder konnte er freilich nach dem Krieg geheim halten, bis ihm ein amerikanischer Jude, Mark Gold, auf die Spur kam. Am vergangenen Wochenende überreichte Gould dem SS-Mann eine Privatklage amerikanischer Juden mitsamt einem Auslieferungsgesuch der USA. Franks Frau schlug daraufhin den Amerikaner krankenhausreif.
In einem Exklusivinterview mit Eldad Beck, dem Berliner Korrespondenten der israelischen Zeitung Jedijot Achronot, erzählte der 47 Jahre alte Gould, wie er den Massenmörder aufdeckte. Jahrelang habe Gould daran gearbeitet, das  Puzzle um Dr. Frank zusammenzusetzen.
Gould ist groß, blond und blauäugig und nutzte sein Äußerliches, um sich dem alten SS-Mann sich als junger Neonazi anzunähern. Gould führte stundenlange Gespräche mit Frank und gewann sein Vertrauen. Einen Teil der Gespräche nahm Gould auf Video auf. Zudem überreichte Frank dem Amerikaner viele Aufzeichnungen: Liebesbriefe, alte von ihm unterzeichnete Befehle und Tagebücher. Nacheinander offenbarte Frank seine streng gehüteten Geheimnisse aus der SS-Zeit, ohne zu ahnen, dass der Amerikaner ein Jude war und Material suchte, um den Massenmörder zu belasten.
Frank war der Erfinder des Vokabulars, mit dem die SS ihre Verbrechen gegen die Juden in der damaligen Sowjetunion im Rahmen der Operation Barbarossa „reinwusch“, um den Mord an Frauen und Kindern im Rahmen der „Sonderbehandlung“ der Juden zu vertuschen. Als rechte Hand von SS-Reichsführer Heinrich Himmler war Frank auch verantwortlich für die Verbreitung der Nazi-Ideologie. Er habe als einziger einen Doktortitel an der „Nordischen Akademie“ des SS-Schulungszentrums Wewelsburg bei Paderborn erworben. 
Himmler holte Frank in den Kommandostab der SS und unterzeichnete in dieser Funktion während der Operation Barbarossa den ersten Befehl zu einem Massenmord. Ebenso führte Frank für Himmler ein „Kriegstagebuch“, in dem er alle Informationen über Aktionen der SS sammelte, darunter auch Massenmorde an Juden.
1943 wurde der SS-Obersturmbannführer zum Sicherheitsbeauftragten des Feriendomizils Hitlers, dem Berghof auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden. In den letzten Tagen des Krieges habe Frank von Hitler den Befehl erhalten, Reichmarschall Hermann Göring zu töten, weil der die Nachfolge Hitlers antreten wollte und angeblich die Kapitulation plante. Frank verhaftete Göring wegen Hochverrat, tötete ihn aber nicht.
Bei Kriegsende übergab Frank den Obersalzberg kampflos an die Amerikaner. Er blieb ungeschoren und rühmte sich, Göring verhaftet zu haben. Seine Vergangenheit als einer der Initiatoren und Organisatoren von Massenmorden wurde erst jetzt umfassend bekannt, durch seine ausführlichen Gespräche mit Mark Gould.
Als Jugendlicher habe Frank jüdische Freunde gehabt, doch dann die Kontakte abgeschnitten, nachdem „klar“ geworden war, dass die Juden das deutsche Volk unterdrücken. „Die Juden gruben ihr eigenes Grab“, wird Frank in der israelischen Zeitung zitiert. Gould überprüfte alle Mordbefehle, die Frank unterzeichnet hatte, wobei der alte Gehilfe Himmlers behauptet, mit seiner Unterschrift nur deren „sprachliche Korrektheit“ bestätigt zu haben. Nach Angaben von Gould handelte es sich um die ersten Akte eines Völkermordes durch die SS, lange bevor die Juden aus ganz Europa in die Vernichtungslagern gebracht wurden. Frank hatte die Aufgabe, die Mordbefehle sprachlich so zu formulieren, dass die ideologisch entsprechend vorbereiteten SS-Männer wussten, was sie zu tun hatten. Nach Angaben von Gould habe Frank behauptet, dass die Tötungen von Juden notwendig gewesen seien, weil viele unter die Partisanen gegangen seien. Zur Frage, ob das auch für Frauen und Kinder gegolten habe, hätte Frank schweigend mit den Schultern gezuckt.
„Ich habe ihn bei vielen Lügen erwischt“, behauptet Gold. Doch Frank habe dem Amerikaner das gesamte belastende Material übergeben und Gould erlaubt, „damit zu tun, was er will“.
Während einiger Gespräche habe Frank ein Gewehr neben sich gelegt, wobei Gould unsicher war, was der alte Mann sich selbst oder seinem Gesprächspartner antun wollte.
Gould hatte den Eindruck, dass Frank letztlich sehr stolz auf alle seine Taten war. Zu seinem Lebensende wollte Frank wohl Anerkennung für seine Taten erhalten, die er 65 Jahre lang verheimlichen musste, um einer Strafverfolgung zu entgehen. Nach Angaben von Gould hatte Frank große Hochachtung vor dem Amerikaner, dem es gelungen sei, die wahre Vergangenheit des SS-Obersturmbannführers aufzudecken.
Die israelische Anwältin Nitza Darschan-Leitner wird zwei jüdische Kläger in einem künftigen Prozess gegen Frank wegen Massenmord und Verbrechen gegen die Menschheit repräsentieren. Das bestätigte sie am Dienstag Morgen in einem Rundfunkinterview und erzählte, wie Gould, ein Holocaustforscher, Frank ursprünglich wegen dessen Verhaftung Görings befragen wollte. Doch dann bemerkte Gould, dass Franks Unterschrift unter einem Antwortbrief an Gould identisch war mit der Unterschrift unter den ersten Mordbefehlen der SS, die Gould kannte. Für den Amerikaner galt es nun nur noch, die Fäden zusammen zu ziehen.
Eldad Beck von Jedijot Achronot sagte auf Anfrage, dass diese Geschichte „absolut glaubwürdig“ sei, denn Frank habe seine Verbrechen in Videoaufnahmen voll bestätigt.

 (C) Ulrich W. Sahm


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