Analyse: Obamas Einknicken

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Jerusalem, 10. Dezember 2010 – Die Rede des amerikanischen Präsidenten Barack Obama in Kairo vor zwei Jahren sollte das Porzellan kitten, das sein Vorgänger George W. Bush im Nahen und Mittleren Osten zertrümmert hat, von Afghanistan über Irak und bis hin zu Israel, Iran, Libanon, Syrien und den Palästinensern. Aber Obama hat da eine Rechnung ohne die nahöstlichen Wirte gemacht und möglicherweise selber mehr Porzellan zerschlagen als Bush. Der Sturz von Saddam Hussein und die Eroberung des Irak war für konservative arabische Regime in Kuwait und Saudi Arabien eher ein Segen, denn ein Fluch. Die Araber haben heute mehr Angst vor Iran, als vor Israel. Die Waffengeschäfte, etwa Saudi Arabiens, sprechen Bände.
Fatal war zudem Obamas Erklärung, dass Israels Siedlungen „illegal“ seien. Damit nahm er den Palästinensern die Möglichkeit, trotz oder wegen Siedlungsbau weiter zu verhandeln. Denn wenn die Siedlungen „illegal“ sind, kann niemand von den Palästinensern verlangen, selber für deren Verschwinden zu sorgen. Vielmehr ist es dann die Aufgabe der Weltgemeinschaft und vor allem der Amerikaner, dieses Un-Recht aus der Welt zu schaffen. Wenn etwas „illegal“ ist, dann ist es kein politisches Problem mehr, über das man verhandeln muss.
Ein weiterer Fehler Obamas war, Israel zu dem zehnmonatigen Siedlungsbau-Moratorium zu zwingen. So stärkte er die innenpolitischen Gegner von Friedensverhandlungen bei Israelis wie Palästinensern. Die israelische Rechte wartete nur auf den Augenblick, nach Ablauf der Frist wieder loszulegen. Die palästinensischen Friedensgegner argumentierten, dass zehn Monate Baustopp kein Beitrag sei, jenen „illegalen“ Zustand abzuschaffen. Deshalb warteten die Amerikaner vergebens auf Präsident Abbas, mit Netanjahu zu verhandeln.
Die Israelis wägten sich zudem in der Gewissheit, dass das amerikanische Versprechen von Bush an Premier Ariel Scharon noch gelte, die „großen Siedlungsblöcke“ behalten zu können. Sogar Präsident Clinton hatte im Dezember 2000 festgehalten, dass im Rahmen eines Friedensvertrages etwa 5 Prozent des Westjordanlandes bei Israel bleiben würden. Gemeint waren die Siedlungsblöcke.
Die Palästinenser hingegen ließen sich von Obama überzeugen, dass er eine halbe Million „illegale“ israelische Siedler aus dem Westjordanland und Ost-Jerusalem vertreiben werde. Denn sowie die Siedlungen und damit auch der Grenzverlauf  des künftigen palästinensischen Staates kein verhandelbares politisches Problem mehr sind, sondern eine Rechtsfrage, erübrigte es sich für die Palästinenser mit Israel über Konzessionen und Kompromisse zu reden. Frieden wird jedoch nicht von einem Richter geschaffen, der einen Rechtsbrecher ins Gefängnis steckt oder per Gerichtsverfügung 500.000 Menschen zum Umzug zwingt.
Das peinliche amerikanische Eingeständnis, im Nahen Osten gescheitert zu sein, sollte nicht dazu verführen, allein Israel oder den Palästinensern jegliche die Schuld zuzuschieben. Die Palästinenser reagierten zehn Monate lang nicht auf den israelischen Baustopp und die Israelis wollten nicht einsehen, noch länger zu warten.  Hätte Netanjahu gegen erhebliche innenpolitische Widerstände ein weiteres Moratorium von drei Monaten durchgesetzt, wären die Palästinenser mit Gewissheit auch nicht zum Verhandlungstisch geeilt. Selbst der sozialistische Partner in der „nationalen“ Regierung Netanjahus, Verteidigungsminister Ehud Barak, meinte in Washington, dass die Siedlungen nur 2 Prozent des besetzten Gebietes ausmachen, und dass in seiner Amtszeit vier mal so viel gebaut worden sei wie jetzt unter Netanjahu. Deshalb hätten die Palästinenser keinen Grund, sich, über mangelnden Lebensraum für ihren künftigen Staat beklagen. Es wird gerne übersehen, dass Israels Sozialisten die Siedlungspolitik erfunden haben und genauso an den Siedlungen hängen, wie die Rechten.
Die Leidtragenden der Politik Obamas sind letztlich alle. Die Palästinenser, deren Staat in die Ferne rückt, die Israelis, die das Besatzungsregime loswerden wollen, freilich ohne alle Siedlungen aufgeben zu müssen, die gemäßigten arabischen Staaten, weil der Nahostkonflikt weiterhin vordringlichere Probleme überschattet, wie die Erstarkung der Islamisten oder der Vormarsch des Iran als Hegemonialmacht in der ganzen Region.
Wie Carter, Clinton und Bush wird auch der Friedensnobelpreisträger Obama den Nahostkonflikt nicht „bis zum Jahresende“ (gleichgültig welchen Jahres) im Handumdrehen beenden können. Obama bleibt nach dem Eingeständnis seines Scheiterns die Aufgabe, den derzeit relativ ruhigen Nahen Osten nicht erneut in einen Krieg schliddern zu lassen. Denn ohne Friedenshoffnung und noch so irreale Friedenspläne geraten die Extremisten im Nahen Osten leicht außer Kontrolle.

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