Palästinenser und die Unruhen

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Jerusalem, 3. Februar 2011 – Die Revolten in mehreren arabischen Ländern haben bisher nur geringfügig auf die palästinensischen Gebiete im Westjordanland und im Gazastreifen abgefärbt.
In Ramallah hatte die Polizei der Autonomiebehörde eine Demonstration vor der ägyptischen Botschaft mit Gewalt aufgelöst und mehrere Personen verhaftet. Am Donnerstag wurde im Stadtzentrum eine Solidaritätsdemonstration „für das ägyptische Volk“ schnell aufgelöst. Nur etwa 30 Personen seien gekommen. Die Nachrichtenagentur Maan berichtet, dass zur Demonstration über Facebook aufgerufen worden sei. Zuvor hätten Fatah-Aktivisten Ramallah für Mubarak demonstriert und den Oppositionsführer Mohammed El Baradei einen „CIA-Agenten“ geschimpft.
Im Gazastreifen hatte die Hamas-Polizei eine kleine Kundgebung von Befürwortern des Aufstandes gegen Mubarak aufgelöst. Sechs Frauen und zwei Männer wurden verhaftet. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisierte die Hamasbehörde wegen ihrer „willkürlichen Einmischung in friedliche Demonstrationen“.
Ähnlich wie Israel schweigt die Autonomieregierung des Mahmoud Abbas zu den Revolutionen in der Nachbarschaft. Ägypten möge die Unruhen „überwinden“, sagte ein Sprecher in Ramallah.
Doch auch in den palästinensischen Gebiet hört man vereinzelt Kritik am eigenen diktatorischen Regime. Omar Barghouti, ein Aktivist, schickte eine Email an die Agentur Maan: „Fatah und Hamas können sich auf fast nichts einigen. Aber der Kern eines gemeinsamen Nenners liegt die Unterdrückung jeglichen Ungehorsams und der Freiheit.“ Unter der Hand beklagen palästinensische Journalisten eine mangelnde Pressefreiheit. Die Geheimdienste stehen dem „Machabarat“ in Jordanien und Ägypten in nichts nach. Immer wieder hört man von Folter in palästinensischen Gefängnissen.
Tawfiq At-Tirawi, ehemaliger Geheimdienstchef der Autonomiebehörde und Mitglied des ZK der Fatah, nahm den Aufstand in Ägypten zum Anlas, um zur Revolte gegen die Hamasregierung aufzurufen: „Das Volk von Gaza sollte es Ägypten nachmachen und die Freiheit beschneidende Diktatur beenden.“ Tirawi wolle so die Vorbereitungen zur „Revolution der Würde“ fördern, zu der über Facbook am 11. Februar aufgerufen worden war. Die parteilose Gruppe mit 8.316 Befürwortern bei Facebook bezichtigt die Hamas, im Gazastreifen einen „Zionistisch-iranischen Plan“ umzusetzen. Die Gruppe will eine „friedliche Intifada für die Einheit und gegen das Emirat der Finsternis“.
Salah Al-Bardawil, ein Hamas-Führer in Gaza erwiderte, dass weder Facebook noch Tirawi die Gazaregierung erschüttern könnten: „Gaza ist die Revolution an sich, ein Leuchtfeuer für die arabische Welt.“ Während das Westjordanland von den Unruhen in Ägypten nichts spürt, haben sie schon direkte Auswirkungen auf das tägliche Leben im Gazastreifen.
Es gibt widersprüchliche Behauptungen, wer den Grenzübergang bei Rafah zwischen dem Gazasteifen und Ägypten geschlossen habe, das einzige Tor, zumal Israel seinen Erez-Übergang nur für humanitäre Fälle öffnet.
Anfang der Woche sind Beduinen aus dem Sinai zur Grenze gekommen und lieferten sich Feuergefechte mit ägyptischen Grenzpolizisten. Dabei soll es auch Tote gegeben haben. Die Polizisten hätten ihre Posten verlassen, weshalb Tausende Palästinenser in Ägypten festsitzen. Es gab aber auch Meldungen, wonach die Hamas die Grenze geschlossen hätte, um „ein Chaos in Gaza zu verhindern“.
Wegen der Unruhen sind in Ägypten die Banken geschlossen. Es mangelt an Bargeld und Benzin. Die Lastwagen fahren nicht mehr. Den Läden gehen die Waren aus. Deshalb kam auch der „Handel“ durch die Schmugglertunnel fast völlig zum Erliegen. Die britische Hilfsorganisation Oxfam berichtet, dass in „normalen“ Zeiten, also bis vor zwei Wochen, etwa 80 Prozent aller Waren durch diese Schmugglertunnel in den Gazastreifen gelangten, darunter auch Benzin. Israel habe zudem seine Warenterminals geschlossen, behauptet Oxfam in seinem wöchentlichen Report über die Lage im Gazastreifen.
Eine israelische Militärsprecherin bezeichnete auf Anfrage diese Behauptung von Oxfam als „Propaganda und üble Provokation“. Kerem Schalom, der Übergang für Lastwagen mit Hilfsgütern für den Gazastreifen sei täglich geöffnet, außer Freitags und am Samstag. Der Terminal Karni, wo über Förderbänder Mehl nach Gaza transportiert wird und durch riesige Schleusen andere Waren, sei in dieser Woche sogar an drei Tagen geöffnet gewesen, sonst nur zweimal die Woche.
Ungeachtet dieser internen Querelen kann ein Verschwinden von Hosni Mubarak für die Palästinenser schmerzhafte politische Folgen haben.
Mubarak war als Vermittler wichtiger als die Amerikaner. Für Abbas war er der einzige Verbündete in der arabischen Welt. Für Hamas und Israel war Mubarak der Einzige, der mit beiden Seiten reden konnte und durch indirekte Verhandlungen in Kairo einen Waffenstillstand zustande brachte.
 (C) Ulrich W. Sahm


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